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Der Deutschunterricht in den ersten Jahrzehnten nach 1800 versuchte durch Stilübungen und aus der Rhetorik übernommene Techniken die Schüler zu befähigen, Texte verschiedener Art zu verfassen und sie, wie in Bismarcks Zeugnis vermerkt ist, zur sprachlichen Gewandtheit zu befähigen. Ob die Lektüre literarischer Werke in deutscher Sprache eine der Voraussetzungen dazu sei, war umstritten. Erst in den auf das Jahr 1830 folgenden Jahrzehnten setzte sich die Ansicht durch, daß literarische Bildung, vor allem vermittelt durch die Werke 'klassischer' Schriftsteller, eine der Aufgaben des deutschen Unterrichts sei. Man könnte die Gleichzeitigkeit der Epoche "Vormärz! und des genannten Vorgangs der Aufnahme klassischer deutscher Literatur in den Unterricht der Schulen, zunächst des Gymnasiums, dann aber auch der anderen Schularten, als zufällig ansehen.
Schon vor Mitte des 19. Jahrhunderts war mit der Romantik auch der frühromantische, von Friedrich Schlegel vorgebrachte Grundsatz, Poesie kann nur durch Poesie kritisiert werden, zusamt der ihn begleitenden Konzentration auf Dichtungskritik obsolet geworden. Heine prägte 1831 die berühmte - Romantik und Klassik umgreifende - Formel vom Ende der Kunstperiode. Der konstatierte Paradigmenwechsel von einer autonomen, alltagsabgehobenen Dichtung hin zu einer politisch lebensbezogenen Literatur bedeutete aber nicht, dass poetische Ansprüche aufgegeben worden wären. Dies war, was keines neuerlichen Nachweises bedarf, weder bei Heine selbst der Fall, noch bei einer Vielzahl seiner gleichfalls innovativen literarischen Zeitgenossen im Vor- und Nachmärz. Es ist ferner geläufig, dass sie zumeist darin übereinkamen, eine neue Poesie, eine mehr oder weniger zukünftige Poesie des Lebens zu fordern und zu suchen - im einzelnen freilich auf unterschiedlichen Wegen. Vernachlässigt hingegen hat man die Rolle der Literaturkritik bei diesen Bemühungen. Zu fragen ist nicht nur nach dem Verhältnis von politischen und poetologischen Schriftstellerkonzepten, sondern insbesondere nach der ästhetischen Fundierung politisierter literaturkritischer Feststellungen, Wertungen und Forderungen der Zeit um 1850. Es geht um die Praxis damaliger Literaturkritik, die bisher hinter einem Forschungsinteresse an der Theorie und an programmatischen Selbstbekundungen der Kritiker zurückstand. Versucht wird deshalb zunächst ein Umriss am Beispiel dreier exponierter Autoren: Ludolf Wienbarg, Friedrich Theodor Vischer und Julian Schmidt - Literaturkritiker alle drei, die beiden erstgenannten zudem Schriftsteller und Ästhetiker.
Der jüdische Intellektuelle Ludwig Börne (1786-1837), der einer breiten Öffentlichkeit als Journalist, Literatur- und Theaterkritiker sowie Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland bis in die Gegenwart ein Begriff ist, soll 1821 geurteilt haben, dass Johannes Weitzel der beste deutsche politische Schriftsteller sei. Umso erstaunlicher bei einer solchen Eloge durch eine weithin bekannte und seine Zeit prägende Geistesgröße ist, dass der Name Johannes Weitzel und dessen Werk heute weitestgehend unbekannt sind. Wenn man weiterhin berücksichtigt, dass Weitzels schriftstellerisches Werk mit den Werken und den Lebenswegen von Johann Joseph von Görres (1776-1848), Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822) und Karl Wenzeslaus Rodeckher von Rotteck (1775-1840), Karl Theodor Georg Philipp Welcker (1790-1869) sowie Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) korrespondierte, mit allen denen er in einem direkten Austausch stand, wundert man sich umso mehr, dass ein solch wichtiger ideengeschichtlicher Impulsgeber - was sich übrigens auch daran zeigt, dass er als eher bürgerlicher politischer Autor selbst für das Demokratieverständnis der deutschen Frühsozialisten von großer Bedeutung war - dermaßen in Vergessenheit geraten konnte. Wolfgang Kötzlers 1961 aufgeworfene Frage "Und wem, außer wenigen Fachhistorikern, ist sein Name heute noch ein Begriff?" gilt jedenfalls auch heute noch.
Verbote erregen Neugier und verstärken die Nachfrage, das mußte auch die vormärzliche österreichische Zensur zur Kenntnis nehmen. Immer wieder ist vom "Einschwärzen", d.h. vom Schmuggel durch Privatpersonen die Rede, aber auch die Buchhändler versuchten, den Wünschen ihrer Kunden nach im Ausland erschienenen, in Österreich aber verbotenen Werken gerecht zu werden. Verschiedene im Allgemeinen Verwaltungsarchiv erhaltene Akten der für die Zensur zuständigen Polizeihofstelle dokumentieren die – nicht immer erfolgreichen – Bemühungen, die ausgesprochenen Verbote auch durchzusetzen. Selbstverständlich wurden alle aus dem Ausland für Wiener Buchhändler eingelangten Bücherballen genauestens auf verbotene Titel hin durchsucht. Damit nicht genug, visitierte man gelegentlich auch die Geschäftslokale.
'Lokalformel' und 'Bürgerpatent' : Ausgrenzung und Zugehörigkeit in der Posse zwischen 1815 und 1860
(2002)
Die Veränderungen der politischen Landkarte in den Jahren 1789-1815 lassen von Jahr zu Jahr neue Grenzen entstehen, ehe mit dem Wiener Kongreß eine übersichtliche Neuordnung auf Dauer erreicht zu sein scheint. Dennoch hat die fünfundzwanzigjährige Fluktuation im deutschsprachigen Gebiet eine Krise der Orientierung hinterlassen, die sich auf Jahre hinaus in einer Begrenzung, um nicht zu sagen in einem Rückzug in die überschaubare Enge, ins Lokale, niederschlägt. Das sog. Biedermeier ist so verstanden worden, und in ihm wurde umstandslos das Genre - theatergeschichtlich gesehen - der Lokalposse festgemacht. Es fragt sich freilich, ob mit dieser Ernennung des Lokalstücks zum Leitgenre des Biedermeier das letzte Wort gesprochen ist oder ob auch eine weiterreichende Leitfunktion unter dem Gesichtspunkt des Vormärz zu diskutieren wäre. Daß das lokale Genre seine Bedeutung durch Grenzmarkierung gewinnt, legt es nicht automatisch auf ausschließlich regionale Faktoren fest, auch nicht auf solche, die als 'lokalpatriotisch' und damit im heutigen Verständnis des Wortes als überwiegend apolitisch aufgefaßt werden.
Die Produktion historischer Romane wurde von den Versuchen der Zeitgenossen begleitet, sich über die Neuerung - da sie einmal als solche empfunden wurde - zu verständigen und über ihren Wert Gewißheit zu erlangen. Von diesen Versuchen wird der vorliegende Beitrag handeln. In ihm geht es also weder um allgemeine Überlegungen zur Literaturtheorie, die Romantheorie eingeschlossen, noch speziell um die Theorie des historischen Romans überhaupt. Größtenteils muss zudem außer Betracht bleiben, was die Forschung der letzten Jahrzehnte an empirischem Wissen über die Verfasser historischer Romane im Vormärz und diese selber zu Tage gefördert hat, auch an Abhandlungen zur Interpretation. Der vorliegende Beitrag zielt lediglich auf einen einzigen Punkt: die Theorie des historischen Romans in Autor-Reflexionen aus dem Vormärz (unter gelegentlichem Einschluss von Äßuerungen aus dem Nachmärz). Sie stammen von einigen der wichtigsten Schriftsteller der Epoche, ob sie nun selber Beispiele der Gattung schufen oder nicht, und lauten in der Regel entweder ablehnend, manchmal sogar krass ablehnend, oder befürwortend, von milder bis zu enthusiastischer Zustimmung.
Die erste Hypothese: Die Börne-Forschung machte besonders seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts bedeutende Fortschritte; sie ließ die 'Dramaturgischen Blätter', sozusagen das Debut des Autors, nicht unbeachtet; diese liegen mittlerweile, so der Eindruck, recht kenntlich vor den Augen der Interessierten, klar und heiter wie eine
schöne Landschaft unter der Sommersonne - und doch verdunkeln einige prinzipielle Schwierigkeiten, die sich mit dem Werk verbinden, das Verständnis bis zur Gegenwart.
Die zweite Hypothese: Konnte die bisherige Forschung den 'Dramaturgischen Blättern' nicht völlig auf den Grund sehen, ihren Kern nicht zu Tage fördern, so ist erstens immer noch die schon von Tröger und Inge und Peter Rippmann
benannte Ursache virulent: die "mangelhafte Erfassung der auf Börne direkt einwirkenden geistigen Richtungen". Sowie ein Zweites, damit Verbundenes: "die komplexe wie komplizierte Substanz" von Börnes Schaffen. Das trifft auf das ganze zu wie auf Teile davon, auf Teile wie auf Details darin.
Heines Naturästhetik
(2001)
1828 verkündet Heinrich Heine das Ende der Kunstperiode, die er durch Goethes Klassizismus formal und inhaltlich geprägt sieht. Die autonome Kunstauffassung des Weimarers schürt den von Heine erkannten Konflikt zwischen Kunst und Lebenswirklichkeit, der nur gelöst werden kann, wenn sich ein Dichter mit den politischen und sozialen Problemen seiner Gegenwart auseinandersetzt und sich einem harmonischen, ganzheitlichen Weltbild verweigert. Mit seiner Naturästhetik zielt er auf eine Überwindung der traditionellen ästhetischen Normen der Klassik und Romantik, die er als formalistischen Zwang empfindet, verlangt Anschaulichkeit und Natürlichkeit der Sprache, einer Sprache, die sich am Menschen orientiert und nicht an Poetiken, einer Sprache, die Subjektivität und Erfahrungen zuläßt und die auch im sozialen Interesse die Kunst dem Leben, der Wirklichkeit öffnet. Diese Natürlichkeitsideale tiefergehend zu untersuchen - so Heines Auseinandersetzung mit der Naturphilosophie, seine kulturkritischen Reflexionen im Rahmen einer Kulturgeschichte der Natur und im Rahmen der Natürlichkeitsvorstellungen anderer Schriftsteller, z.B. die der Aufklärer wie Albrecht von Haller -, vielleicht kann dazu die vorliegende Skizze einladen.
Hartmann and his Prague friends, whether German-Gentile or German-Jewish, rallied enthusiastically to the cause of what at first was a reawakening of suppressed Bohemic cultural nationalism and a move towards across-fertilisation of the two main lingual cultures (Czech/German) andthe three main ethnicities (Czech/German/Jewish) of the country. They soon saw themselves as a "Jungböhmische Bewegung" to correspond to Young Germany. The Prague writer Rudolf Glaser founded a literary journal called 'Ost und West' for the express purpose of bringing together German and Slavic literary impulses under the Goethean motto: "Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen". With Bohemia as the bridge, 'Ost und West' published German translations from all the Slavic languages including Pushkin and Gogol, contributions by German writers sympathetic to the cause of emerging nations like Heinrich Laube, Ferdinand Freiligrath, Ernst Willkomm, but above all the Prague circle of Young Bohemians like Alfred Meissner, Isidor Heller, Uffo Horn, Gustav Karpeles and Ignatz Kuranda. Also Hartmann made his literary debut in the journal with a love poem entitled "Der Drahtbinder", and featuring a subtitle which was in keeping with the spirit of the times: "nach einem slavischen Lied".
Most Germans went first to Great Britain to witness and describe what in comparison to the conditions in the German petty principalities was very progressive in its industrial advancement, free trade, extraordinary wealth-creation, very advanced civil rights and parliamentary democracy and to hold it up as a model to the Germans. Some then added on a trip to Ireland, which after all was a part of the political entity "The United Kingdom", to see, as they thought, more of the same. Instead they came face to face with the most abject poverty any of them had ever experienced, including the professional ethnographer Johann Georg Kohl, who had been all over Europe and as far as Siberia. For the Vormärz authors this raised questions as to why "John Bull's other island", as George Bernhard Shaw would much later call Ireland, was so utterly neglected
Luise Mühlbach (Pseudonym für Clara Mundt) (1814-1873) gehörte zur ersten Generation der sogenannten Berufsschriftstellerinnen, d.h. der ersten Schriftstellerinnen, die durch ihr Schreiben finanziell unabhängig sein konnten. Die Tatsache an sich galt schon vielen Zeitgenossen als Provokation und Emanzipationsstreben, da die Geschlechtergrenzen durch das Ausüben eines Männerberufes überschritten wurden. Über einen längeren Zeitraum war Mühlbach sogar Alleinverdienerin der Familie, da ihr Ehemann, Theodor Mundt, frühzeitig erkrankt und 1861 gestorben war. Zudem gehörte sie ab den 1850er Jahren zu den populärsten BestsellerautorInnen ihrer Zeit und sie wurde somit schnell erfolgreicher als Theodor Mundt. Luise Mühlbach hat sich sehr früh gegen die Konvenienzehe und für eine Eheschließung aus Liebe und Zuneigung geäußert und hat dies in ihrer Ehe vorgelebt.
Heine artikuliert seine kunsttheoretischen Reflexionen in publizistischen Texten in Form von Korrespondenzartikeln und Briefen, Tagesberichten und Notizen. Diese Kleingattungen besitzen die typischen Kennzeichen des literarischen Genres der Moderne: Sie sind offen und temporär und damit Bewegungsliteratur per se. Die Negierung der traditionellen Gattungsgrenzen und die Favorisierung von literarisch-journalistischen Kleinformen, durch welche die Umbruchssituation der Epoche ihren formalen Niederschlag in der Literatur finden soll, verbindet Heine mit den anderen jungdeutschen Autoren. Der Aufschwung der prosaischen Textsorten beruht auf der von ihren Verfassern postulierten Eigenschaft, authentische Dokumente einer verschriftlichten Gegenwart zu sein. Mittelpunkt der revolutionären Gegenwart ist für viele engagierte Autoren die Revolutionsstadt Paris, deren Urbanität und charakteristische Atmosphäre der Beschleunigung eine große Faszination ausüben und den Diskurs über das Phänomen Großstadt definieren. Heine nimmt dabei die Wahrnehmungsperspektive des flanierenden Betrachters ein, der kaleidoskopartig die vielschichtigen Aspekte des großstädtischen Lebens erfasst und reflektiert, um darin die Signatur der Zeit zu entziffern. Diese vor allem visuelle Perzeption in einzelnen Partikeln und Fragmenten sowie die Diskontinuitt der wahrgenommenen Eindrücke determinieren die Kompositionsweise der publizistischen Schriften: Die Flanerie wird zum narrativen Prinzip. Eine solche kompositorische Struktur, in der Einzelelemente selbständige Bedeutung erlangen, lässt sich nicht mehr mit den Parametern der idealistischen Ästhetik und dem Prinzip der geschlossenen Ganzheit erfassen.
Keine Macht für Niemand : gegen die Ehe: Luise Mühlbach, Louise Dittmar, Louise Aston, Wilhelm Marr
(2017)
Theoretisch-utopische Entwürfe der Frühen Neuzeit und der Aufklärung haben fast automatisch nur männliche Akteure im Blick. Wenn Frauen dennoch auftauchen, dann allenfalls als Gebärerinnen, Haushaltsverantwortliche oder Erzieherinnen. Und auch für 'anarchoide' Entwürfe des 18. Jahrhunderts - gleich ob theoretisch-utopische oder literarische - gilt: Es waren fast ausschließlich solche von Männern für Männer. Diese Sichtverengung änderte sich erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts, d.h. mit dem Eintritt von Frauen als Autorinnen in soziale und politische Diskurse. Denn Frauen - unter einer Mehrfachherrschaft: unter dem gleichen sozialen, ökonomischen und politischen Druck wie Männer, aber zusätzlich noch unter dem Druck eben der Männer - hatten ihre Anliegen selbst in die Hand zu nehmen, und sie nahmen sie in die Hand. Und es zeigt sich: Nicht wenige der Emanzipationsdiskurse, die bislang als demokratisch angesehen wurden und werden, waren mitnichten 'nur' demokratisch. Denn sie waren nicht selten anarchistisch oder 'anarchoid'. Das verdeutlichen zum Beispiel auch die Debatten um den Status von 'Ehe'.
Einleitung
(2015)
Das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts war die Zeit einer sich verstärkenden religiösen Dynamik. Sie kann geradezu als Experimentalphase angesehen werden, die von mitunter überraschenden Konstellationen geprägt war. In der Forschung gibt es, bis auf das reiche Feld von Detailstudien, allerdings keine zusammenhängenden Untersuchungen, die verschiedenen Aspekten dieses 'Experimentalfelds' vergleichend nachgehen. So bleibt es bei einem Nebeneinander von literaturwissenschaftlichen, philosophischen, theologischen und historischen Arbeiten, die sich methodisch und theoretisch zu wenig befruchten. Allein aufgrund dieses Forschungsdefizits scheint ein ausdrücklich interdisziplinär angelegtes Jahrbuch zu dieser Thematik legitimiert. Es erweist sich aber auch aus anderen Gründen als produktiv. Denn aufgrund dieses Forschungsdefizits bestehen nach wie vor mitunter vereinfachende Sichtweisen, so etwa die Annahme der Kongruenz sozialökonomischer, politischer und religiöser Emanzipationsdiskurse. Eine solche vereinfachende Perspektive, die politisches Fortschrittsdenken, wirtschaftlich-soziales Fortschrittsdenken und kulturelles Fortschrittsdenken (eingeschlossen den Aspekt Religion) zu unreflektiert in eins setzt, folgt einem Forschungsparadigma, das nach klaren Zuordnungen begehrt, letztlich aber nicht aufrechterhalten werden kann.
Stand die ältere Parteienhistoriographie vor dem Zweiten Weltkrieg noch weitgehend vor dem Problem der Trennung von politischen Ideen und Parteiengeschichte und der Etablierung eines eigenen Theorie- und Methodenansatzes, und konzentrierte sie sich hauptsächlich auf die einseitige Darstellung der großen politischen, männlichen Denker bzw. auf
die Persönlichkeiten, die Parteien-Geschichte schrieben, so profitierte die neuere Forschung nach 1945 von der allgemein positiveren Einschätzung von Parteien als verfassungsrechtlich geschützten, staatstragenden Elementen in pluralistischen Demokratien und wandte sich im Anschluß an die ab den 1960er Jahren in die bundesrepublikanische Geschichtswissenschaft Einzug haltende Sozialgeschichtsschreibung und deren Methodik auch der bisher vernachlässigten Strukturanalyse des Parteiensystems zu. Nachdem die auf diesem Felde liegenden Desiderata größtenteils ausgeräumt worden waren, erkannte die sich den Ursprüngen und Anfängen der deutschen Parteien widmende Fachhistorie, daß sie mit einer rein strukturgeschichtlichen Untersuchung und der damit häufig korrespondierenden Übertragung moderner Parteibegriffe, -verständnisse und einer aus der Gesellschaftsgeschichte abgeleiteten Klassenkampfterminologie auf eine noch vorindustrielle, traditionale Gesellschaft dem politischen Alltag und der gesellschaftlichen Realität des deutschen Vormärz wie den Wirkungsmöglichkeiten sozio-politischer Gruppierungen in dieser Zeit nicht gerecht wurde und diese auch nicht vollständig erfassen konnte. Denn das gesellschaftspolitische Denken der damaligen Gruppierungen orientierte sich noch an den zwischen 1815 und 1848 im
Deutschen Bund existierenden Herrschaftsordnungen. Angesichts des sich abzeichnenden Zerfalls dieser alten Machtstrukturen suchten die vormärzlichen Politiker und Theoretiker zwar fieberhaft nach neuen Ordnungsgefügen, Politikentwürfen und Handlungsräumen, doch aufgrund der obrigkeitlichen Willkür, staatlichen Verfolgungspraxis und Zensurmaßnahmen konnten sie diese kaum in der politischen Öffentlichkeit, sondern eigentlich nur im halböffentlichen Raum oder in dem
im Untergrund tätigen Assoziationswesen erproben.
Die USA - Terra incognita für die meisten Europäer im frühen und mittleren 19. Jahrhundert - spielten als Modell staatswissenschaftlichen, verfassungsrechtlichen und politischen Denkens bei den Vertretern und Verteidigern der monarchischen Herrschaft und ihres Machtgefüges genauso wie bei den Anführern und Anhängern gemäßigter und radikaler Reform-, Oppositions- und Widerstandsbewegungen, aber auch an deutschen Universitäten und Akademien, in literarischen und philosophischen Zirkeln, in Unternehmer- und Verlegerkreisen, Künstlerbünden und der medialen Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Zugleich stellte die Neue Welt ein Sehnsuchtsziel für Freiheitsliebende, politische Flüchtlinge, Auswanderungswillige und Wirtschaftsmigranten, aber auch bisweilen die gefürchtete Endstation für verbannte Gefangene dar: Das Spektrum der Funktionen, Aufgaben, Bilder und Vorstellungen ist breit, das die Vereinigten Staaten von Amerika in der Wahrnehmung der Zeitgenossen im Vor- und Nachmärz einnahmen und das ihnen zugeschrieben wurde - nicht zuletzt auch in der (Emigrations-)Literatur. Gerade die repressive, restaurative Politik in Europa und hier vor allem in den Einzelstaaten des Deutschen Bundes bildete für viele unter Verfolgungsmaßnahmen und Zensurbedingungen arbeitende und leidende Oppositionelle, Intellektuelle, Gelehrte und Kulturschaffende den Ausgangspunkt für ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Verfassungs-, Regierungs- und Gesellschaftssystem der USA und den dort, wie es scheint, ohne Probleme vertretenen und verwirklichten Ideen von Freiheit, Demokratie, Recht, Föderalismus, Republik und Revolution und inspirierten sie gleichzeitig zu einer umfassenden künstlerischen und wissenschaftlichen Beschäftigung mit den jenseits des Atlantiks vorgefundenen und noch näher zu erkundenden Kulturen, Sprachen und Landschaften.
Obgleich die Brüder Johann Friedrich (1795-1865) und Friedrich Gottlob Franckh (1802-1845) zu den wirkungsmächtigsten Verlegern in Süddeutschland gehörten und politisch bewegte Biographien aufweisen, existieren bis auf wenige kleinere Festschriften keine modernen Darstellungen, die der Bedeutung des Verlagsunternehmens gerecht würden. Es hatte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Firma profiliert, die sich mit einem neuen Selbstverständnis und spektakulären Vermarktungsstrategien nicht nur im süddeutschen Raum schnell einen Namen machte. Die Gebrüder Franckh spezialisierten sich auf preiswerte Lieferungswerke und Buchreihen, die nicht allein über den regulären Sortimentsbuchhandel, sondern vielmehr über die weit verzweigten Kolportagenetzwerke im süddeutschen Raum ihren Absatz fanden. In der Gründungsphase bemühte sich der Verlag um die Einbindung junger, noch wenig bekannter Autoren aus dem Schwäbischen Dichterkreis. Zu den namhaftesten Autoren zählten Wilhelm Waiblinger, Wilhelm Hauff, Eduard Mörike und Carl Spindler. [...] Das Spekulieren auf den schnellen ökonomischen Erfolg, kurzfristige Auf- und Zukäufe von Firmenanteilen, schnelle Inhaber- und Geschäftsführerwechsel, eine von schnellen Entscheidungen geprägte Strategie, die nach dem Ende der Napoleonischen Kriege für den süddeutschen Buchhandel zum Markenzeichen wurde, blieb dem norddeutsch-protestantischen Buchhandel zunächst suspekt. Der vorliegende Beitrag versteht sich lediglich als Forschungsskizze, gilt es das Verlagsunternehmen der Brüder Franckh im Rahmen des Editionsprojekts "Digitale Gesamtausgabe der Werke Karl Gutzkows" an anderer Stelle gründlich aufzuarbeiten. Hier soll versucht werden, den Verlag der Gebrüder Franckh als ein im Vormärz womöglich prototypisches Unternehmen zu profilieren und seine Bedeutung für die Vormärzforschung aufzuzeigen.
Die Einsicht in die Notwendigkeit des Exils entsteht bei den meisten Autoren unter dem existentiell gewordenen Druck, einer Ausweisung zuvorzukommen. Die Furcht vor bevorstehender Inhaftierung, die Angst vor einem Berufsverbot oder vor einer schikanösen Zensurhandhabung veranlaßt jene Autoren, welche die politischen Ereignisse in Deutschland und Österreich-Ungarn kommentieren, ihre Heimatstaaten zu verlassen.
Denn bei vielen Emigranten der schreibenden Zunft handelt es sich vor allem um 'Censur-Flüchtlinge' wie Rudolf Gottschall in seinem gleichnamigen Gedichtband die politischen Exulanten nannte. Diese sind nicht nur darum bemüht, in den Anrainerstaaten eine alternative Verlagslandschaft
zu organisieren, sondern verändern infolge des Blicks von außen auf die Geschehnisse im Heimatland ihre Sichtweisen auf die Politik. Mit dem Exil wandelt sich also nicht nur das berufliche und private Umfeld, sondern auch die politische Einstellung, sei es daß eine Politisierung erstmals stattfindet, daß bestehende Vorstellungen bestätigt oder radikalisiert werden oder daß die Ferne zur Heimat und die Erlebnisse in der Fremde eine Veränderung der politischen Auffassung, also einen Politikwechsel bewirken.
Schwerpunktthema des vorliegenden Jahrbuches des FVF ist das Verhältnis von Literatur und Recht im Vormärz, ein seit den Anfängen der Vormärzforschung zentraler und kontinuierlich bearbeiteter Problemaufriss mit hoher Relevanz für das Verständnis der Literatur nach den Karlsbader Beschlüssen vom 20. September 1819. Die hier versammelten Beiträge stehen daher einerseits in der Kontinuität bisheriger Beschreibungsmodelle vormärzlicher Literatur. Sie beschreiten andererseits neue Wege, insofern sie das traditionell auf die Zensur fokussierte Interesse am Verhältnis von Literatur und Recht erweitern. Sie knüpfen zudem an die vielfältigen Studien zu den Wechselbeziehungen zwischen Recht und Literatur im Allgemeinen an, die in den letzten Jahren unter dem anregenden Impuls der "Law-and-Literature"-Bewegung in den Literatur- und Geisteswissenschaften ein besonderes Interesse hervorgerufen haben. Es ist folgerichtig, dass das FVF auch diese Ansätze aufgreift, abwägt und für seinen Gegenstand fruchtbar macht.
Das Moment der Opposition gehört zu den Grundmerkmalen des Exils, beschreibt aber nur einen Aspekt seiner – erzwungenen oder eben freiwilligen – Notwendigkeit, in der sich Schriftsteller und Künstler, Juristen und Handwerker, Juden und Christen zu allen Zeiten gleichermaßen begegneten. Im Übrigen bleibt zu beachten, dass ebenso wenig wie von einer einheitlichen liberalen Gegenbewegung zum Metternich'schen System in ganz Deutschland die Rede von einer nur annähernd geschlossen auftretenden Opposition im Vormärz sein kann; eine solche konnte sich unter den politischen Bedingungen der Nachkriegsära nicht herausbilden. Opposition im Vormärz erstreckte sich bis in die zwischen konservativer Orthodoxie und innerkirchlichem Liberalismus zerrissenen Kirchen hinein, in denen liberale Gegenströmungen wie die "Lichtfreunde" und die "Deutschkatholiken" das Staatskirchentum der Amtskirchen in Frage stellten und so von hier aus die Revolution vorbereiteten. Ebenfalls nur eine der vielen Facetten des Exils erfasst die Koppelung des Begriffs an die Literatur, auch wenn die Erfahrung von Verfolgung und Vertreibung die Geschichte des geschriebenen Wortes seit der Antike begleitet.
Mit Nachdruck hat der österreichische Dichter Nikolaus Lenau 1833 die Vorstellung zurückgewiesen, nach Goethe ließe sich keine Faust-Dichtung mehr schreiben, der Stoff habe in Goethes Werk seine letzt-, weil mustergültige Gestaltung gefunden. Der kategorische Ton, mit dem Lenau nur ein Jahr, nachdem der nachgelassene zweite Teil des Goetheschen 'Faust' erschienen war, damit das Projekt einer eigenen Faust-Bearbeitung verteidigt, dient der Klärung von Differenz; er ist dem Bemühen geschuldet, die ästhetische Autonomie des noch im Entstehen begriffenen eigenen Textes gegen den zu erwartenden Vorwurf des Nachzeitigen und Epigonalen zu verteidigen, kurz: das Besondere im scheinbar Vertrauten oder Ähnlichen des Sujets, die eigene, von Goethe abweichende Auffassungsweise des Stoffs ins rechte Licht zu rücken.
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet.
Angestoßen und beschleunigt durch eine Reihe von Emanzipationsbewegungen, an deren Anfang der bürgerliche Liberalismus mit seinem Kampf um Gleichberechtigung und Rechtsgleichheit in einer noch zu schaffenden Staatsbürgergesellschaft steht, verändern sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in entscheidender Weise die Spielregeln politischer Theorie und Praxis. Die Vielfalt der sich in ganz divergenten Bereichen (Universitäten, Straßen, Fabriken, Literatur, Theater etc.) ereignenden und von jeweils unterschiedlichen Akteuren getragenen Interventionen macht es notwendig, sowohl liberale, demokratische, republikanische und frühsozialistische als auch konservative Positionen genauer innerhalb der zeitgenössischen religiösen, sozialen, philosophischen und staatstheoretischen Debatten über Institutionen, Gesetz, Recht und Ordnung zu verorten. Das setzt voraus, das Feld der Politik in seiner Heterogenität als eines komplexer Transfervorgänge - vom Sozialen ins Symbolische (Theorie) und vom Symbolischen ins Soziale (Praxis) - ernst zu nehmen und von hier aus die gewohnten Operationen der Unterscheidung (gute vs. schlechte Staatsform) und mit ihnen die Funktion und Bedeutung politischer Kunst noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Seit Eduard Fuchs' Jubliäumsbuch "1848 in der Caricatur" reißt die Flut der Publikationen über die Revolutionskarikatur nicht mehr ab. In diesem Band tritt sie zurück, um anderem Platz zu machen: dem Vor- und Nachmärz sowie dem europäischen Kontext der Karikatur. Sowenig die Revolution von 1848 die Bildsprache der Karikatur mit einem Schlag ändert, sowenig werden ihre Mittel und Motive von Land zu Land neu erfunden. Der Zeitrahmen dieses Bandes ist also weiter gesteckt, von 1814/15, dem Jahr der Neuordnung Europas und der Gründung des Deutschen Bundes, bis 1858/59, dem Beginn der "Neuen Ära". Ebenso breit wird der europäische Raum ausgemessen, denn in dieser Zeit geben Frankreich und England den Ton in der Karikatur an, und man errichtete eine künstliche Scheidewand, wollte man die deutsche Karikatur gegen ihre Nachbarn isolieren. Dasselbe gilt übrigens für das mehr oder weniger enge Zusammenspiel von Bild und Text, wie es sich nach Vorläufern in England ("The Scourge") und Frankreich ("Le Nain Jaune", "Le Figaro") zwischen 1830 und der Jahrhundertmitte herausbildet.
Eine neuere biographische Arbeit über den vielseitigen Gelehrten und Staatsmann Christian Carl Josias Bunsen ist seit langem ein Desiderat. Obgleich er zusammen mit seinen Weggefährten Barthold Georg Niebuhr und Alexander von Humboldt zu den universellen Geistern des deutschen Kultur- und Geisteslebens gezählt werden kann, die einen europäischen Horizont besaßen, hat es bisher nur wenig Ansätze für eine nähere biographische Beschäftigung gegeben. Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Kurzbericht über eine Untersuchung, die als Dissertation 1999 in Marburg angenommen wurde.
Bei der Durchsicht von literarischen und literarkritischen Werken der 1830er und 40er Jahre wird schnell deutlich, daß jedes einen anderen 'Goethe' hat. Damit ist nicht nur den Tatsachen Rechnung getragen, daß jeder der Autoren seine ganz individuelle Sicht auf Goethe zur Geltung bringen will - um des eignen Profils und der Distinktionsgewinne willen - und daß jede der sich ausdifferenzierenden ideologischen Positionen,
die dem Vormärz sein besonderes Gepräge geben, sich ihre spezielle, pejorative oder verklärende Mystifikation zurechtlegt.
Unter dem Imperativ 'Gutzkow lesen!' stand die erste internationale Konferenz zum Thema Karl Gutzkow in Deutschland, die vom 18.-20. September 2000 in Berlin stattfand. Anlass der Konferenz war es, das jüngste Interesse der Verleger, Publizisten und der großen Feuilletons an dem lange Zeit fast verschollenen Gutzkow auch wissenschaftlich zu fundieren.
Obwohl man also schon allein mit der Leistung der Beiträge zufrieden sein kann, Material für eine phänomenal und medial unterbestimmte Theoriedebatte beizubringen, möchte diese Einführung sie mit der Skizze einer haltbaren Theorieoption begleiten. An einer solchen Theoretisierung scheint es, trotz einschlägiger Kontroversen, nach wie vor zu mangeln. Die Forschung ist darin weit weniger vorangekommen, als es die aufgeregten Debatten zwischen kulturwissenschaftlicher Wissenspoetik auf der einen Seite und robuster Axiomatik der analytischen Literaturwissenschaft auf der anderen vermuten lassen.
Der Vormärz ist die Epoche, in der in Deutschland die soziale Frage erstmals in das Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit trat. Auch im Protestantismus wurden die damit gestellten Herausforderungen von den verschiedenen Flügeln angenommen. Wichtige Organisationen und programmatische Überlegungen entstanden in den beiden Jahrzehnten vor der Märzrevolution. Trotzdem wurde die Zeit vor 1848 in den meisten Überblicksdarstellungen zur Geschichte des sozialen Protestantismus nur ganz am Rande gewürdigt und im wesentlichen nur als Vorgeschichte der "Inneren Mission" wahrgenommen. Eine umfassendere Aufarbeitung des Problemfeldes sollte nun von einer Tagung im Januar 2000 eingeleitet werden. Im Rahmen der seit 1998 jährlich stattfindenden 'Bochumer Foren zur Geschichte des sozialen Protestantismus' (veranstaltet vom Lehrstuhl Christliche Gesellschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität in Verbindung mit der Hans-Ehrenberg-Gesellschaft) stand in diesem Jahr die Vormärzepoche im Blickpunkt.
Erst in der Zeit zwischen 1815 und 1848 dockte die neuere österreichische Literatur an den Kanon der deutschsprachigen Literatur an. Ein beträchtlicher Teil der heute noch viel gelesenen und in den Schulen unterrichteten Dichter zwischen Restauration und Vormärz kam bekanntlich aus dem Kaisertum Österreich: Genannt seien nur Franz Grillparzer, Nikolaus Lenau, Johann Nestroy, Ferdinand Raimund und Adalbert Stifter. Über das Wiener Verlagsumfeld dieser Autoren, deren Lebensmittelpunkt die kaiserliche Residenzstadt häufig war, ist aber nach wie vor wenig bekannt. Das Bild eines von Zensur und Metternichscher Repression eingeschnürten Buchmarkts besteht nicht zu Unrecht; was aber in den Wiener Buchhandlungen verkauft und verlegt wurde, und wer die dort ansässigen Verleger waren, ist nach wie vor weitgehend 'terra incognita' der Germanistik. Dieser Beitrag möchte daher in aller Kürze einige Schlaglichter auf das Verlagswesen des vormärzlichen Wien werfen, das zu dieser Zeit die größte deutschsprachige Stadt und zugleich das multiethnische Zentrum des Kaisertums Österreich war. Eingegangen wird zunächst auf die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen des Buchhandels, danach werden einige wichtige Wiener Verlage und ihre Produktion im Überblick dargestellt.
In seinem Beitrag "Von der Idealisierung der apostolischen Armut zur kirchlichpaternalistischen Fürsorge. Kirchliche Reaktionen auf das Arbeiterelend in der Zeit des Vormärz" beschäftigt Jörg Füllgrabe sich mit den differierenden Fürsorgekonzeptionen der christlichen Kirchen in Deutschland. Auf der Basis eines protestantischen Arbeitsethos verbinde Johann Hinrich Wichern die Linderung der Arbeiternot mit der Inneren Mission als einem umfassenden Programm christlicher Versittlichung; dieser Programmatik liege ein Paradigmenwechsel in der Armutskonzeption zugrunde, demzufolge die moderne Armut als Resultat subjektiven Unvermögens und Unwillens zur Arbeit selbst verschuldet sei. Der Katholizismus hingegen, der über die allgemeine Umwälzungen zu Beginn der Moderne hinaus auch noch die materiellen Einbußen durch die napoleonische Säkularisation zu bewältigen hatte, setze auf eine sozialdisziplinierende Einbindung der Armutspopulation in die christlich-bürgerliche Gemeinschaft, wodurch eine gesonderte Instituionen der Armutsfürsorge obsolet erscheine und zugleich die Position der Kirche im säkularen Staat gesichert sei. Spätere Ansätze aus dem ultramontanen Lager plädieren für eine korporatistische Korrektur der aufgeklärt-liberalen Gesellschaftsentwicklung, die sich vor allem in einer Adressierung des prekarisierten Handwerksstandes ausdrückt.
Von grundsätzlicher Bedeutung für die Unterschiede zwischen Journal- und Buchfassung ist die Tatsache, dass Weerth urprünglich nicht geplant hatte, den Schnapphahnski zu einem umfangreichen Feuilletonroman auszuarbeiten. Vorgesehen war zunächst etwa ein Umfang, vergleichbar dem seiner übrigen Feuilletonserien. Im folgenden sollen die Veränderungen zwischen Journal- und Buchfassung herausgearbeitet werden, Streichungen bzw. Überarbeitungen sollen anhand ausgewählter Beispiele vorgestellt werden.
Auch in der Matratzengruft ist dem Dichter sein Exil noch ein notwendiges. Wenn er auch über die verbrannten Flügel jammert, so verleiht doch seine Sprachkunst dem Jammer Flügel. Dem Käfer sind die Flügel verbrannt, aber Pegasus hat die Kraft seiner Flügel durchaus nicht verloren. Der Autor reiht sich ja explizit mit Dante ein in die Reihe der großen sprachmächtigen Dichter. Heines kunstvoller Umgang mit der Sprache, der ihm vertrauten deutschen Sprache, macht das Gedicht selbst zu einer Libelle, die uns etwas vorgaukelt und die Schmerzen des Exils
mit "beflügelter Herrlichkeit" hinter sich läßt.
Staatsgründung als pädagogische Herausforderung : die Politisierung des Pädagogischen im Vormärz
(2017)
Im Jahr der deutschen Revolution 1848 schrieb der politische Journalist und Paulskirchenabgeordnete Arnold Ruge:
Die freie Staatsform braucht freie Menschen und erst die freie Staatsform bringt mit Sicherheit freie Menschen hervor. Ja, so ist es, dieser Zirkel ist vorhanden.
In diesem Zitat äußert Ruge ein von ihm wahrgenommenes Kernproblem der Situation während des Vormärz und der Revolution: Die Einführung der auf einem souveränen Volk basierenden demokratischen Staatsform, ohne dass das Volk zur politischen Selbstbestimmung in der Lage sei. Ruge verstand den politischen Systemwechsel als Aufgabe eines jeden Menschen, der das 'monarchische Prinzip' selbst überwinden müsse, um die Demokratie zu schaffen. Dazu bedürfe er jedoch der pädagogischen Unterstützung. Ebenso projektierte Ruge im Jahr 1849 einen sozialdemokratischen Staat der Zukunft, in dem die demokratische Erziehung der Jugend eine staatserhaltende Funktion hat. Ruge machte damit sowohl die Schaffung als auch die Erhaltung des projektierten demokratischen Staates zu Aufgaben des Individuums, die der pädagogischen Förderung bedürfen. Im vorliegenden Beitrag sollen beide politischen Funktionen des Pädagogischen dargestellt werden: die schaffende sowie die erhaltende Funktion.
Entgegen der Vielschichtigkeit und Komplexität pädagogischen Denkens und Handelns im Vormärz zeigen sich in der Forschungslage jedoch Desiderate. So wurden pädagogische Themen bis dato nur wenig wahrgenommen. Ausgehend von diesem Befund fokussiert der vorliegende Thementeil des Jahrbuchs das Thema "Zwischen Emanzipation und Sozialdisziplinierung. Pädagogik im Vormärz". In den folgenden Beiträgen werden pädagogische Handlungs- und Themenfelder aus verschiedenen disziplinären Perspektiven aufgegriffen. Dabei wird es deutlich, dass im pädagogischen Diskurs des Vormärz nicht nur verschiedene Positionen unter Aufnahme der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Situation gegeneinander geführt, sondern dass auch verschiedene Modi und Medien der Artikulation genutzt wurden. Der vormärzliche Diskurs über Erziehung und Bildung ist daher Gegenstand verschiedener Disziplinen und geht über den Interessenbereich der Erziehungswissenschaft deutlich hinaus. Er ist auch ein geschichtswissenschaftliches, literaturwissenschaftliches, kulturwissenschaftliches, philosophisches und theologisches Thema, was sich in den Beiträgen dieses Jahrbuchs niederschlägt.
Es war Hamburgs erbgesessene Bürgerschaft, die im Mai 1855 dem Antrag des Senats, das Fortbestehen des Stadttheaters durch den Erwerb des Gebäudes zu sichern, die Zustimmung verweigerte. Zu den Hintergründen der Entscheidung aber überliefern die Akten im Staatsarchiv Hamburg ein anderes Bild. Kleinlich handelten demzufolge nicht die Gegner, sondern die Befürworter des Projekts. Denn sie koppelten die überfällige Forderung nach Anerkennung des Stadttheaters als gemeinnütziges und daher staatlich zu unterstützendes Kulturinstitut an das Verlangen nach Unterdrückung des zweiten Theaters, das auf einen status quo ante - auf den des Jahres 1842 - zurückgestuft werden sollte. So ist die Geschichte des ersten in Hamburg gestellten Subventionsantrags auch die zweier Unternehmen, die in der Zeit der Restauration und des Vormärz beginnt: Der Stadttheatergesellschaft, der Hamburg seinen ersten repräsentativen Theaterbau verdankt, das 1827 eröffnete Theater in der Dammtorstraße, und des Thalia-Theaters, das auf der gegenüberliegenden Seite der Alster, am Pferdemarkt, dem heutigen Gerhart-Hauptmann-Platz, 1843 seine Pfosten aufschlug.
Im folgenden Beitrag soll 'Jugend' im Vormärz in sozial- und kulturhistorischer Perspektive behandelt werden. Es soll dargestellt werden, wie 'Jugend' als eigenständige Lebensphase im ausgehenden 18. Jahrhundert entstand, welche Aufgaben der Jugendphase sukzessive zugeschrieben und welche Hoffnungen mit ihr verbunden wurden. Dabei soll an einer Fallstudie aus dem Wirtschaftsbürgertum auch diskutiert werden, ob die Vorstellung von 'Jugend', die in der zeitgenössischen Literatur zumeist mit revolutionärer Erneuerung und mit Protest gegen die älteren Generationen verbunden wurde, auch realhistorischen Entwicklungen entsprach. Betrachtet wird vornehmlich die männliche bürgerliche Jugend, da diese sowohl in der zeitgenössischen Literatur als auch in den öffentlichen Debatten um die Jugend die prominenteste Rolle spielte.
Um die Voraussetzungen für Heckers Wirken in Baden und das liberale Klima jener Zeit besser zu veranschaulichen, ist eine Betrachtung des Staats-Lexikons angebracht. Die Unterschiede zwischen den beiden ersten Auflagen, die im Deutschen Bund nicht veröffentlicht werden durften und der dritten Auflage sind geradezu umwälzend, sie veranschaulichen, warum das politische Klima des Vormärz nach der 1848er Revolution zum Erliegen kam. Das von Rotteck für die erste Auflage verfasste Vorwort (1834) sieht dessen Aufgabe darin, eine breite Menge der Bürger, Gelehrten und Gebildeten zu belehren und den gemeinen Menschenverstand zu schärfen.
Gibt Geld Geltung?
(2014)
Mit Luhmanns autopoietischem Begriff des Geldes, Hörischs Thesen zum Literatur-Geld als Transsubstantiationsmedium und Baeckers Verweis auf den potenziell umstürzlerischen "Unruhefaktor" des Geldes in einer pauperisierten Bevölkerung zeigt Hans-Joachim Hahn das Ausmaß der teils aus nackter Not gebotenen quasi-religiösen Fetischisierung des Geldes im fortgeschrittenen Vormärz auf. In einem Großteil der herangezogenen Schriften von Friedrich Engels über Georg Büchner, Annette von Droste-Hülshoff, Moses Hess und weiteren werden dem Geld in je verschiedenen Konstellationen unmoralische Eigenschaften und die Verursachung allgemeinen Sittenverfalls zugeschrieben. Insbesondere bei Droste und Hess figuriere Geld als "satanischer Mammon", während Marx und Büchner zwischen dem Tauschwertcharakter des Geldes und seiner Spekulationsfunktion zu unterscheiden wüssten. Nicht nur die unablässige Zirkulation, sondern vor allem auch der Mangel an Geld könne zum "Unruhefaktor" werden - sofern nicht, wie in einem anonym erschienenen Artikel vorgeschlagen, durch Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus oder eine politisch zu erkämpfende Distributionsgerechtigkeit Abhilfe geschaffen werde.
Trotz ihres Eintretens für Prosa begegnen die Jungdeutschen dem Drama, anders als der Lyrik, mit ausgesprochener Hochachtung. Mit Hinblick auf die Antike gilt ihnen das Drama, wie keine andere Literaturgattung, als Ausdruck der Souveränität einer Nation, das Theater als der Ort, an dem freie und gleiche Bürger die Belange ihres Staates öffentlich verhandeln. Doch die Bühnenwirklichkeit der eigenen Zeit steht in ihren
Augen in eklatantem Widerspruch zu diesem Theaterbild.
Die immer leise, aber immer vernehmbare Stimme der Vernunft ließ sich trotz aller wiederkehrender Dramatik nie zum Verstummen bringen, selbst in Kriegsphasen nicht. Der Kulturtransfer, um den es hier geht, konnte vielmehr seinem eigenen Rhythmus folgen und ungeachtet aller Krisen so etwas wie eine selbständige Gesetzmäfligkeit entwickeln. Unter Schriftstellern und Intellektuellen gab es Schulstreite,
aber nie Krieg! So wurden besonnene und fortschrittlich eingestellte Franzosen und Deutsche nie müde, sich für Gedankenaustausch und Vermittlung, für Freundschaft und Verständigung, kurz für Ideentransfer einzusetzen - um damit den kreativen Eliten beider Länder Inspirationsquellen offen zu halten. Den Herausgebern dieses Jahrbuchs will scheinen, diese gemäfligten, die Rheingrenze ständig überschreitenden Gegenstimmen hätten wie ein vernunftbestimmtes Korrektiv zur lauten Staatenpolitik gewirkt. Eine Epoche wie der Vormärz bietet nun die große Chance, diese These einmal in einer kurzen, aber scharf konturierten Phase bilateraler Beziehungen der Probe aufs Exempel zu unterwerfen. Es erschien anregend, die verschiedenen Wirkungsweisen dieses Korrektivs in einer Zeit näher zu untersuchen, in der sich die herrschenden Kreise auf der einen Seite durch Gallophobie "auszeichneten", während ihnen auf der
anderen Seite - rares Phänomen - eine durch nichts getrübte Germanophilie gegenüberstand.
Vorwort
(2003)
Nie zuvor und nie danach haben sich französische und deutsche Kultur so tiefgreifend beeinflusst und durchdrungen wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wer heute von einer deutsch-französischen Synthese spricht, sollte auf die Zeit von Julimonarchie und Vormärz zurückgehen: Dort konnte sich diese Synthese in bedeutenden Ansätzen verwirklichen.
Die Anordnung der in diesem Jahrbuch versammelten Beiträge folgt drei thematischen Schwerpunkten: dem literarischen, dem künstlerischen und dem philosophischen Transfer.
Die größeren deutschsprachigen Zeitungen enthielten in der Regel recht umfangreiche Nachrichten über deutsche und europäische Ereignisse und Entwicklungen, was offensichtlich einem starken Interesse der Leserschaft entsprach, Neuigkeiten über die alte Heimat und den europäischen Kontinent zu erfahren. Gleichzeitig spiegelte es auch ein Bedürfnis der eingewanderten Vormärzemigranten wider, den Lesern Informationen über die neuesten politischen Vorgänge in Europa zu vermitteln, um sie gegebenenfalls für eine Unterstützung demokratischer Bewegungen in der alten Heimat zu gewinnen, was auch materielle Zuwendungen einschließen konnte. Die deutschsprachigen Zeitungen in den USA besaßen zwar keine eigenen Korrespondenten in Europa – lediglich die "Alte und Neue Welt" hatte einen Mitarbeiter in Frankfurt/M., doch die in New York und Philadelphia erscheinenden Blätter erhielten größere Sendungen von europäischen Journalen, aus denen sie Auszüge abdruckten. Die Zeitungen des Binnenlandes wiederum kopierten dann diese Auszüge. Eine weitere Informationsquelle waren die vielfachen brieflichen Kontakte zwischen Deutschen in Amerika und Verwandten oder Freunden in der alten Heimat. Die Briefe wurden häufig ganz oder in Auszügen inverschiedenen Zeitungen abgedruckt, wenn sie im Hinblick auf einen interessanten Nachrichtenwert von öffentlichem Interesse waren.
Die Jugend der Moderne
(2007)
Das vorliegende Jahrbuch 2006 geht in seinem Schwerpunkt der Genese und markanten Ausprägungen des modernen Jugend-Konzepts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach. Bereits die Rede vom "Jungen Deutschland", nicht selten als Epochenbegriff für die Jahre zwischen 1830 und 1848 verwendet, enthält jene Ambivalenz, die dem Thema und seinen bisweilen diffusen Konnotationen Aufmerksamkeit sichert: Der Aufbruch zu neuen (politischen, sozialen, künstlerischen) Ufern ist angesprochen, aber nicht wenige Zeitgenossen meinen auch Infragestellung bewährter Werte und Deutungsmuster. Diese charakteristischen Mehrdeutigkeit soll zunächst skizziert werden.
Am 16. April 1994 fanden sich 18 Personen in einem Tagungsraum des Bielefelder Mövenpick-Hotels zusammen, um eine literarische Gesellschaft neuartigen Typs zu gründen: das Forum Vormärz Forschung. Neuartig insofern, als diese Vereinigung nicht zu dem Zweck gegründet wurde, einer Autorin/ einem Autor die Ehre zu erweisen, ihr/sein Andenken zu pflegen und ihrem/ seinem Werk neue LeserInnen zuzuführen, sondern um eine ganze Epoche zum Gegenstand ihrer vielfältigen Bemühungen zu machen und zwar möglichst interdisziplinär: den Vormärz. Für die LiteraturwissenschaftlerInnen, HistorikerInnen, TheologInnen, Kunst- und MusikwissenschaftlerInnen, die sich hier zusammenfanden, galt und gilt es als ausgemacht, dass Vormärz die einzig sachgerechte Bezeichnung für den Zeitraum zwischen 1815 (Wiener Kongress) und 1849 (Ende der Revolution von 1848/49) ist und eben nicht die konkurrierenden Epochenbezeichnungen Biedermeier oder Restaurationszeit. [...]
Vorwort
(2004)
Am 22. März 1832 stirbt Goethe. Nicht nur sein Leben, auch seine literarische Produktion reicht bis in den Vormärz hinein (wenn man ihn denn mit der Juli-Revolution von 1830 beginnen sieht) und lässt die klassizistische Ästhetik der 1790er Jahre am Ende weit hinter sich: 'Faust II' wird im Juli 1831 abgeschlossen und 1832 veröffentlicht, die letzte Fassung von 'Wilhelm Meisters Wanderjahre' war 1829 erschienen. Doch Goethes Tod (und damit auch das definitive Ende seines literarischen Werks) ruft nicht nur Trauer über den Verlust des unerreichbaren "Titanen" und den nun für unabwendbar gehaltenen Niedergang der deutschsprachigen Literatur hervor, er setzt auch Hoffnungen auf einen jetzt endlich möglichen Neubeginn bei den jungen Autoren frei, die sich von Goethes olympischer Überlebensgröße allzusehr in den Schatten gestellt gefühlt hatten.
Es handelt sich beim kulturellen Transfer um ein höchst komplexes Feld von Interaktionen, die keineswegs in linear-einsinniger Weise beschreibbar sind, sondern eingebunden bleiben in gesellschaftliche Dynamiken und deshalb historisch variabel sind. Eine solche historische Variable, die Einfluss auch auf die Transferprozesse zwischen Deutschland und Frankreich nimmt, ist die zu verschiedenen historischen Zeitpunkten jeweils unterschiedliche Wahrnehmung der französischen Gegenwartsliteratur. Einige Aspekte dieser Wahrnehmung im deutschen Vormärz untersucht Bernd Kortländer im Folgenden.
Seit Jahrhunderten zieht sich die stereotype Klage deutscher Schriftsteller, insbesondere deutscher Bühnenautoren, über zu Unrecht bevorzugte ausländische Konkurrenz durch Korrespondenzen und Publikationen. Ein Blick auf die Produktionszahlen des Buchgewerbes, die sich zwischen 1820 und 1845 explosionsartig von 3 772 Büchern auf 13 008 Bücher entwickeln, bestätigt zumindest die erhebliche Bedeutung der Übersetzungen für den deutschen Buchmarkt: 1845 waren ca. 48% der in Deutschland herausgebrachten Romane Übertragungen aus anderen Sprachen. Der Buchmarkt reagiert damit selbstverständlich nur auf die veränderte gesellschaftliche Situation. Einerseits wird das Bürgertum in immer stärkerem Maße zur Zielgruppe des literarischen Marktes, der so erst seine Dynamik entwickeln kann; andererseits ist diese Zielgruppe verstärkt an unterhaltsamer, spannender Literatur interessiert, die ihr vorrangig in Form der französischen und englischen Romanliteratur geboten wird. Im Bereich des Theaters ist die Entwicklung durchaus mit der auf dem Buchmarkt vergleichbar. Auch hier entwickeln sich die reinen Zahlen mit einer enormen Rasanz: Gab es 1836 kaum 50 Theater in Deutschland, so sind es 1840 bereits ca. 100, am Ende des Jahrhunderts dann weit über 300. Auch diese Entwicklung ist den Veränderungen im Publikum geschuldet.
Vorwort
(2008)
Die historische Übersetzungsforschung ist eine Disziplin, die sich noch ziemlich in den Anfängen befindet. Es fehlen wichtige Dinge sowohl hinsichtlich der bibliographischen Aufarbeitung (wenngleich die Bibliographie von Hans Fromm aus den 1950er Jahren hier immer noch gute Dienste leistet), besonders aber hinsichtlich der Personen der Übersetzer, über die häufig gar nichts bekannt ist. Zu vielen sehr unbedeutenden und gar nicht gelesenen Schriftstellern der Zeit liegen mehr Informationen vor als zu Übersetzern, die eine ganze Fülle von Werken vor ein deutsches Massenpublikum gebracht haben. Dabei kann man aus der Untersuchung von historischen Übersetzungen eine Menge lernen. Nicht nur, was die praktische Übersetzungsarbeit angeht, sondern vor allem in Blick auf unsere eigene Kultur- und Literaturgeschichte.
Deutsch-französische Erfahrungen und/oder Erfindungen :
Heines Besucher in Paris von 1831 bis 1848
(2003)
Überlegungen, die sich einem der bedeutendsten Kapitel der Beziehung zwischen der deutschen und französischen Literatur widmen, können an der Gestalt und dem Werk Heinrich Heines nicht vorbei gehen. Oft genug gibt er gar das Modell ab für politische und soziale Funktionen der Literatur in ihrer die Grenzen überschreitenden Möglichkeit. Heine selbst liefert dafür immer wieder Beispiele der Vermittlung in unterschiedlichster Weise. Den Franzosen die deutsche Eigenart wie Geisteswelt und den Deutschen die künstlerischen, intellektuellen wie revolutionären Errungenschaften der Franzosen nahe zu bringen, betrachtete er als Lebensaufgabe seiner letzten 25 Jahre von 1831 bis 1856, die er in Frankreich bzw. Paris verbracht hat.
In Württemberg unterstützte der Kultusminister Karl von Wangenheim den Reformprozess. Er war auf den jungen, pragmatischen und scharfsinnigen Beamten Friedrich List aufmerksam geworden. Dieser kannte die Verwaltungssysteme von der Kommunalebene bis zu den zentralen Staatsorganen und konnte sowohl im Detail als auch in institutionellen Zusammenhängen denken. Als nach 1819 die Restaurationswelle Europa überrollte, gewannen die altständischen Kräfte die Initiative zurück. Von Wangenheim wurde als württembergischer Gesandter des Bundestags nach Frankfurt versetzt. Lists Eifer wurde nicht mehr gebraucht. Seine kleinbürgerliche Herkunft und sein temperamentvoller Charakter störten die Gediegenheit des wieder funktionierenden traditionellen Machtapparates. Als Abgeordneter hielt er im württembergischen Landtag eine zu kühne Rede, die sein Schicksal besiegelte. Er wurde aus Württemberg ausgewiesen und verbrachte sein Leben im Exil. Als einer der wenigen Vormärzdeutschen mit industriellen, medientechnischen und parteipolitischen Erfahrungen in der Schweiz, in Frankreich, Belgien, England und den Vereinigten Staaten von Amerika ist er im Zeitalter der beschleunigten Globalisierung eine besonders interessante Figur.
Während der frühen 1840er Jahre erfuhren Volkslyrik und volkstümliche Romane gerade im Rheinland einen plötzlichen, unerwarteten Erfolg. [...] Soziale Lyrik wurde zwar noch immer in Gedichtsammlungen herausgegeben; zu ihrem hauptsächlichen Verbreitungsorgan wurde allerdings die durch Lesegesellschaften immer weitere Kreise erreichende Presse - und sie war auf diese angewiesen, denn nicht selten waren ihre Inhalte mit der Drucklegung eines Gedichtbands bereits wieder überholt. Die sich immer mehr im Alltag auch der arbeitenden Bevölkerung etablierenden Zeitungen wurden als per se demokratische Züge tragende Verbreitungskanäle erkannt. [...] Zu dieser Lage kam im Rheinland eine besondere Konstellation: die außergewöhnliche Nähe von Dichtung und Malerei. [...] Im Hinblick auf dieses traditionelle Zusammenspiel sind einige Feststellungen entscheidend: Erstens der Anspruch der akademischen Malerei, sich mit historischen oder biblischen Themen überzeitlicher Bedeutung zu beschäftigen, zweitens eine deutliche Hierarchie, in der die Literatur die Malerei dominiert. Drittens könnte man eine gewisse akademietypische Abscheu vor der 'Avantgarde' nennen, ohne dass dieser Begriff für die sprunghaft wachsende Gruppe akademiekritischer Düsseldorfer Landschafts- und Genremaler wirklich zutreffend wäre. [...] Es soll im Folgenden gezeigt werden, dass diese junge Künstler- und Dichtergeneration in ihrer Rebellion gegen die eigenen Wurzeln eine Öffnung gegenüber spektakulären, zuvor undenkbaren Inhalten bewirkte, dass dabei aber fraglich bleibt, ob dem Abschütteln der alten Hierarchien und Abhängigkeiten zum Trotz ebendiese nicht teilweise erhalten bleiben oder durch neue ersetzt werden. Die freiheitliche Bewegung im Rheinland schuf die Voraussetzungen dafür, etablierte Kooperationen zwischen Dichtung und Malerei fortzuführen, dabei aber deren als reaktionär empfundene Aussage gewissermaßen von innen heraus zu revolutionieren. Die rheinische Volkslyrik stand in den 1840er Jahren in außergewöhnlich engem Kontakt zu jener wachsenden Zahl von Malern, die sich von der als verkrustet und aristokratisch empfundenen Düsseldorfer Akademie unter Wilhelm Schadow abwandten und in Vereinen und Verbänden für einen neuen, freien Kunstmarkt eintraten.
Mit "Stirners Einzigem" ist das Buch 'Der Einzige und sein Eigentum' von Max Stirner gemeint, das gegen Ende des Vormärz erschien. Das Buch war ein Skandalon, ein paradoxes Skandalon allerdings, weil es ideengeschichtlich dort am eingreifendsten wirksam wurde, wo die Reaktion verborgen und indirekt blieb, bei Marx und Nietzsche. Ich habe den diffusen Status des 'Einzigen', der sich daraus ergab und den er, obwohl kein Mangel an Sekundärliteratur herrscht, im Grunde bis heute behielt, in einer Wirkungsgeschichte dargestellt und diese mit einem sprechenden Neologismus eine Re(pulsions- und De)zeptionsgeschichte genannt.
Auf die Repulsionsgeschichte des Einzigen gemünzt ist das "Vade retro!" im Titel, denn eine Reihe durchaus bedeutender Denker sahen in Stirners Ideen tatsächlich den Inbegriff des Bösen, Teuflischen bzw. "aufgeklärterweise" den Einbruch des Tierischen, Unmenschlichen, Barbarischen, Zerstörerischen in die kulturelle Welt. Einige waren dabei so entschieden, dass sie ihre philosophische Position wesentlich - wenngleich undeklariert - in Abwehr von Stirners Ideen entwickelten.
Ich werde - nach einer biografischen Skizze zu Leben und Werk Stirners - diese Repulsionsgeschichte in ihren markanteren Stationen wie in einem Parcours durchlaufen, um zu zeigen, dass diese Bezeichnung adäquat ist. Die mit ihr verwobene Dezeptionsgeschichte, also die das Inhaltliche betreffenden Täuschungen, Selbsttäuschungen und Verdrängungen der Abwehrenden, können hier nur beiläufig zur Sprache kommen.
Seit dem Herbst 1997 ist eine kommentierte Ausgabe von Karl Gutzkows Werken und Briefen im Entstehen begriffen, die die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet elektronischer Textverarbeitung nutzen wird. Der vorliegende Beitrag ist ein Aufruf an alle Interessierten im Forum Vormärz Forschung, dem Projekt mit ihren Sachkenntnissen förderlich zu sein.
Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in vielen Bereichen gerade erst begonnen, die Grenzen von Wissenschaftlichkeit klarer abzustecken und auch das Verhältnis von Wissenschaft und Politik wurde intensiv neu verhandelt. Anhand der deutschen Amerika-Forschung während des Vormärz lassen sich damit zwei wesentliche Prozesse nachvollziehen: Zum einen die Verwissenschaftlichung eines populären Themas; zum anderen die Politisierung, die mit diesem Prozess einherging. Sie greifen ineinander, denn nicht selten wurde sowohl in der Öffentlichkeit als auch von den Aufsichtsorganen der Regierungen die wissenschaftliche Beschäftigung mit Amerika an sich, aufgrund einer latent radikalen Aufladung, bereits als politisches Statement ausgelegt. Andererseits waren es gerade die Arbeiten der so genannten 'politischen Professoren', etwa zum amerikanischen Staatssystem und Verfassungsrecht, die das Themenfeld während des Vormärz zusehend politisierten.
Kaum je zuvor unterlag im deutschsprachigen Raum ein ganzes Gewerbe so strenger obrigkeitsstaatlicher Kontrolle und Restriktion wie die Buchbranche zwischen Karlsbader Beschlüssen und Märzrevolution. Andererseits aber erlebte in jener Phase auch kaum ein anderer Geschäftszweig einen derartig starken Aufschwung wie das Verlagswesen und der Buchhandel - dieses Paradoxon gehört zu den vielen erstaunlichen Ungleichzeitigkeiten, die für den Vormärz so charakteristisch sind.
Die Versammlungsfreiheit war ein gesuchtes Gut, das erst einmal zu begründen und im Blick auf mögliche Beschränkungen zu untersuchen war. Die Performativität einer Versammlung – das Beieinandersein freier Individuen zu einem Zweck, der sich nicht oder nicht immer einer reglementierenden Norm verdankte – erscheint heute als Teil jener Ethik der Kohabitation, die aus der Kantischen Notwendigkeit der Koordination der Freiheitsräume als Aneinanderstoßen von Willkürgrenzen kommt und im Blick auf Gefährdungsszenarien aktualisiert ist. Doch Aktualisierungen bedürfen der Grundlage, wollen sie nicht geschichtsvergessen sein (niedergelegt in der Geschichte finden wir die Praktiken, die für die damaligen Akteure Sinn verbürgten).
Das Politische schreiben : sprachliche Symbolisierung und staatliches Ordnungsdenken im Vormärz
(2016)
Was ist ein Ordnungsproblem? Diese große Frage ist verkleinerbar in die Regionen von Sprachbenutzung und individueller Verursachung, kurz: die Perspektive des einzelnen Falls. Dies ist die Vorbemerkung zu einem Text, in dem es um den Zusammenhang von Ordnungsdiskurs (auch in seiner rechtsphilosophischen Tönung), sprachlicher Symbolisierung, d. h. eine durch sprachliche Zeichen erreichte Distanzqualität und die spezifische Form dieser Verbindung im Vormärz gehen soll.
Hobbes' Leviathan: Die sprachlich-politische Initiation der Leidenschaftsnatur des Menschen
Ordnung war stets, in den Diskursen der Gesellschaft, bezogen auf ihr Antonym. Ordnung war das zu Sichernde, auf konkreter historischer Ebene und das Gesicht dieser Bemühungen war ein Bewusstsein der Unordnung, das u.a. auf den prägenden Blick des 17. Jahrhunderts zurückgeht, als die konfessionellen Bürgerkriege den Zustand des Friedens als fernes Bild erscheinen ließen, dem die natürliche Ausstattung des Menschen entgegengesetzt war: Einige der Triebe und Abneigungen sind dem Menschen angeboren, wie der Nahrungstrieb, der Trieb zur Ausscheidung und Entleerung, die man auch, und zwar genauer, Abneigung gegen etwas, das man im Körper fühlt, nennen könnte. Dazu kommen noch einige - nicht viele - andere Triebe. Der Rest, der aus Verlangen nach einzelnen Dingen besteht, ging aus der Erfahrung und aus der Erprobung ihrer Wirkungen auf einen selbst oder auf andere Menschen hervor. Denn nach Dingen, die wir überhaupt nicht kennen oder an deren Existenz wir nicht glauben, können wir kein Verlangen haben, das weiter geht, als sie zu versuchen und zu erproben.
Vorwort
(2018)
Das Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte hat aus der Kritik an der französischen Menschenrechtserklärung gelernt, dass es Menschenrechte weder ohne System der Rechte und Pflichten des Bürgers noch ohne Verankerung in der einschlägigen Organisation der Staatsorgane geben kann, die gleichzeitig die Freiheit und die Einheit des Volkes sichern. Außerdem sieht die den Reichsgesetzen zugrunde liegende Auffassung keine Grundrechte ohne Verankerung im zu schützenden geistigen Leben des Volkes vor. Unter dem Einfluss der Rechts- und Staatsphilosophie J. G. Fichtes und Hegels wurden im Vormärz rechtsphilosophische Theorien entwickelt, die individuelle Menschenrechte nicht abstrakt, sondern nur in einem "System des Rechts" aufeinander bezogener Komponenten gelten lassen, das den Menschen grundsätzlich als gesellschaftliches Wesen betrachtet und dem eine organische und geistige Auffassung der Gesellschaft zugrunde liegt.
Der jüdische Schriftsteller und aggressiv-polemische Publizist Saul Ascher (1767-1822) fing nach den napoleonischen Befreiungskriegen das Befinden einer Generation von deutschen Intellektuellen mit einem Reizwort ein. "Die höchsten Interessen der menschlichen Natur, Religion, Vaterland, Recht, erwarben in dem Gemüth der deutschen Denker nunmehr ein eigenes Gepräge, das sich durch eine Gemüthsäusserung aussprach, die man füglich 'Germanomanie' benennen könnte." Gemeint waren die Überlegungen eines Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Ludwig Jahn, Friedrich Schlegel, Friedrich W.J. Schelling, Adam Müller und Ludwig Tieck, um die Verschiedenheit der Religion, der Verfassungen und Fürstentümer in einem deutschnationalen Geist zu einigen.
Aschers trennscharfe, aber polemisch übersteigerte Analyse der sogenannten 'Germanomanen', die er an anderer Stelle als "transzendentale Idealisten und Identitäts-Philosophen" identifizierte, erschien zu einem Zeitpunkt, als auch die Neue Welt von einer Welle der germanophilen Begeisterung erfasst wurde. Der wichtigste und am meisten rezipierte Autor der amerikanischen "Germanomanie" war Johann Wolfgang Goethe (1749-1832).
Als bevölkerungsstärkste Einwanderungsgruppe des 19. Jahrhunderts stellten deutsche Immigranten und Exilanten die Frage nach den Kennzeichen des amerikanischen Wertesystems besonders deutlich. Die eigene kulturelle Prägung diente bei der Suche nach Antworten als sowohl negative als auch positive Bezugsfläche. Nicht selten kam es bei der interkulturellen Begegnung zu Enttäuschungen, deren Ursachen in falschen Vorstellungen über die Realitäten des amerikanischen Wirtschafts-, Politik- und Gesellschaftssystems lagen. Bei der Wahl zwischen resignierender Anpassung an die neuen Verhältnisse oder aktiver Mitgestaltung der Wertegemeinschaft entschieden sich vor allem die Freiheitskämpfer des politischen Vormärz zugunsten einer reformerischen Haltung. Im Folgenden sollen daher nicht die ethnischen Kommunen untersucht werden, die sich um den Preis isolationistischer Vereinsmeierei der Bewahrung deutscher Traditionen, Gebräuche und Sprache verpflichteten, sondern jene Aktivisten, die in den USA ihre Vorstellung einer besseren, vorbildlichen Welt zu verwirklichen suchten. Die deutsch-amerikanische Geschichtsschreibung hat sich traditionell mit der Frage befasst, welche Beiträge deutsche Immigranten zur amerikanischen Kultur leisteten. Dabei ließen in der Vergangenheit viele Arbeiten einen wissenschaftlich analytischen Ansatz vermissen. Neue Zugänge zur von zwei Weltkriegen überschatteten deutsch-amerikanischen Einwanderungsgeschichte können, wie Werner Sollors betont, Analysen der internationalen, poly-ethnischen und multilingualen Kontexte eröffnen?
Der vorliegende Artikel kontextualisiert die Faszination deutscher Studenten am Freitod in der Zeit nach den Befreiungskriegen am Beispiel von Karl Ludwig Sand. Er spürt den Repräsentationsformen in der Kunst, Literatur, Philosophie und Presse nach, um die politische Instrumentalisierung der jugendlichen Naivität offen zu legen. Der Artikel begreift Ereignisse wie die Ermordung August von Kotzebues nicht nur als Attentat, sondern gleichzeitig als bewußt gewählten Freitod des Ausführenden.
Bisher von der Forschung nicht oder kaum wahrgenommen ist das Bemühen von August Hermann Ewerbeck, mit seinen Publikationen und Artikeln in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts das französische Geistesleben mit dem deutschen Kulturgut des Vormärz vertraut zu machen. Umgekehrt vermittelte er in verschiedenen Schriften für
Deutschland Auffassungen sozialistischer und kommunistischer Strömungen Frankreichs. Darüber hinaus unternahm er, der als Deutscher Frankreich zu seiner Wahlheimat erkoren hatte, vielfach Initiativen, um ein festes politisches und organisatorisches Bündnis zwischen der deutschen und französischen Demokratie während der Revolution von 1848
herzustellen. Lässt man sein gesamtes Wirken Revue passieren, so hat er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keinen geringen Beitrag für das gegenseitige Verstehen beider Völker geleistet. Dank ihrer literarischen
Ausstrahlung stehen als Repräsentanten hierfür Ludwig Börne und Heinrich Heine. Ewerbeck ist in seinem Eintreten für die Völkerverständigung beider Länder jedoch zu Unrecht vergessen worden.
Einen Gipfelpunkt findet die Begeisterung für das Griechentum bekanntlich in der Weimarer Klassik, doch ist der Philhellenismus auch in späteren Jahrzehnten, so im Vormärz, aktuell. Die Gründe dafür liegen erstens in gesellschaftlichen Strukturen und Traditionen, durch die Wissen um die Antike weiter vermittelt wird. Dazu tragen das obligate Studium griechischer und lateinischer Sprache an den höheren Schulen und die Verbreitung antiker literarischer Texte und Mythen durch Übersetzungen ins Deutsche bei. [...] Zweitens ist vor allem der europaweit beobachtete griechische Unabhängigkeitskrieg ein Bezugspunkt politischen Denkens. Griechenland-Bilder werden im Vormärz nicht mehr nur wegen ihrer spezifisch ästhetischen, als überzeitlich geltenden Merkmale in bildender Kunst, Literatur, im Kunsthandwerk und in der Architektur (re-)konstruiert, sondern gewinnen zeitgeschichtlich an Aktualität. Dies umso mehr, als im Vormärz Forderungen nach dem Gegenwartsbezug von Kunst und Literatur unüberhörbar werden. [...] Die Auseinandersetzung mit dem antiken griechischen Erbe und den politischen Entwicklungen im zeitgenössischen Griechenland wird zu einem Kennzeichen des Vormärzes - in Wissenschaft, Literatur und Publizistik ebenso wie in politischen Vereinigungen, kulturellen Zirkeln und unter Studenten.
Während sich die Regierung Louis Philippes konsolidiert, lässt der revolutionäre Enthusiasmus unter den Literaten merklich nach. Innerhalb des neuen historischen Kontexts,[...] gewinnen zwei Avantgarde-Bewegungen Kontur: La Jeune France und das Junge Deutschland. Beide prägen die öffentlich geführte Auseinandersetzung um das Funktionsverständnis von Literatur nach 1830. Ihre Vertreter opponieren gegen die sowohl in Frankreich als auch in Deutschland restriktive (Kultur-)Politik, setzen ihr künstlerische Vorstellungen entgegen, die der veränderten Lebenswirklichkeit einerseits und der jeweils favorisierten
authentischen Ausdrucksweise andererseits, ihrer subjektiven Weltsicht und ihren individuellen ästhetischen Vorlieben, entsprechen. Mag eine solch kurze Charakterisierung wie auch die ähnlich klingenden Bezeichnungen den Gedanken nahelegen, es könne sich um homogene Gruppierungen mit ähnlichen Zielsetzungen handeln, so ist dies nur teilweise richtig. Ihre unterschiedlichen Auffassungen von der Rolle des
Künstlers innerhalb der postrevolutionären Gesellschaft, seiner Themenwahl und Schreibweise, können vielmehr als paradigmatisch für die allmähliche Herausbildung der Dichotomie von autonomer und engagierter Literatur angesehen werden. Ihr vergleichbarer Ausgangspunkt ist die Kritik am Bestehenden, sowohl in politischer wie auch in künstlerischer Hinsicht.
Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Als Kernland des römischen Imperiums, mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf dem Pilgerweg ins Heilige Land, durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige Republiken wie beispielsweise Venedig, Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Dies gilt auch für die Zeit nach 1796, für die Zeit nach dem Einmarsch der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte Italiens. Im ersten Teil stehen mit Blick auf das (post-)risorgimentale Italien zunächst exemplarische Untersuchungen in Literatur, Publizistik und Philosophie im Fokus. Der zweite Teil des Jahrbuchs ist dem Thema "Deutsche Künstler in Italien - zwischen politisch-ästhetischer Revolution und Traditionsbewahrung" gewidmet. Italien als Sehnsuchtsziel von Malern und Schriftstellerinnen sowie als Gegenstand von Reiseberichten, Gedichten und als Opernschauplatz bietet einerseits Inspiration und Freiraum zum künstlerischen Schaffen. Andererseits ist Italien aber auch ein kulturell seit Jahrhunderten beschriebenes Gebiet, das zu einer Auseinandersetzung mit den Kulturgeschichten beider Länder und bislang vorliegenden künstlerischen Gestaltungen herausfordert.
Einleitend zum Schwerpunktthema "Geld und Ökonomie im Vormärz" soll anhand ausgewählter Forschungsliteratur ein ökonomiehistorischer Bogen von der frühindustriellen Mechanisierung des Textilgewerbes bis zum maschinisierten Fabriksystem im späten Vormärz gespannt werden, der technologischen und politischen Grundzüge der beginnenden Kapitalverwertung als transeuropäischen Prozess nachzeichnet. Dabei soll deutlich werden, dass die mit der Durchsetzung der kapitalistischen Lohnform verbundene Monetarisierung des Alltags, welche am Ende jede Lebensäußerung der in diese Transformation gezwungenen Subjekte bestimmt, keineswegs "ohne Mittel der Gewaltherrschaft" vor sich ging und dass die "Überlassung wertvoller Güter ohne Kampf, Raub und Krieg" am Ende des Zeitraums gerade nicht "wahrscheinlicher" geworden war.
Als 1848/49 die Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche tagte, konnte sie auf Wissensbestände zurückgreifen, die parlamentarische Versammlungen im Vormärz in verschiedenen Teilstaaten des Deutschen Bundes hatten sammeln können. Wenn auch viele Abgeordnete keine oder nur wenig parlamentarische Erfahrung besaßen, so fanden sich unter ihnen doch erfahrene und bekannte Köpfe wie Friedrich Bassermann, Heinrich von Gagern, Friedrich Dahlmann, Gustav von Mevissen und Karl Mathy. In Abgrenzung zu ihren Vorgängerinstitutionen verstand sich die Nationalversammlung dezidiert als eine öffentliche Versammlung. Aus diesem Grund lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Ständeversammlungen des Vormärz zu werfen.
Das Ausmaß der parlamentarischen Öffentlichkeit im Vormärz variierte in den deutschen Staaten stark. Die rechtlichen Grundlagen der Parlamente, der obrigkeitliche Umgang mit ihnen, die unterschiedlich strenge Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse sowie die Stärke respektive Schwäche der liberalen Bewegung definierten den Rahmen. Die süddeutschen Staaten, allen voran das Großherzogtum Baden, galten dabei als am liberalsten, Preußen als reaktionärster Staat. Baden und Preußen sind somit das klassische Gegensatzpaar, mit dem der Umgang mit parlamentarischer Öffentlichkeit verglichen und Schlaglichter auf die Entwicklung des deutschen Parlamentarismus geworfen werden kann.
Das im Jahr 1818 eröffnete 'Neue Hof- und Nationaltheater' hatte sich bekanntlich in den Dienst des deutschen Schauspiels und der deutschen Oper gestellt und verband damit die Vorstellung der künstlerischen Umsetzung eines Nationalbewußtseins. 1810 wurde es vom bayerischen
König Max Joseph - Bayern war 1806 Königreich geworden - zusätzlich zum bereits bestehenden Cuvilliéstheater in Auftrag gegeben. Dieses Theater - im Gründungsjahr des Königreichs in 'Hof- und Nationaltheater' umbenannt - beherbergte bis 1825 die italienische Oper mit einem eigenen italienischen Ensemble. Außer dem hochgehaltenen künstlerischen Ideal ist aber auch die Klage über die marode Theaterkasse und
das intellektuelle Schmalspur-Programm im Bereich des Sprechtheaters zugunsten eines kostspielig-ruinösen Opernprimats theaterhistorisch überliefert. Erst Intendant Franz Dingelstedt soll sich mit seinen 'Mustergastspielen' um die künstlerische Hebung des Schauspiels im Münchner königlichen Spielplan verdient gemacht haben, die über ihre 'ortsgeschichtliche Bedeutung' hinaus die Festspielidee vorbereiteten, "die von da ab an der Münchner Hofbühne immer stärker zur Entfaltung drängt, bis sie 50 Jahre später in den zyklischen Aufführungen der Werke Mozarts und Richard Wagners ihre Erfüllung findet."
Die Umwandlung der Städte im Frühkapitalismus zwang viele Bürger, ihr Quartier zu wechseln. In den Stadtkernen wurde Wohnraum immer rarer, wich Büro- und Gewerberäumen, Verwaltungen, Banken, Kaufhäusern. Um die Altstädte herum entstanden neue Wohnungen mit modernem Komfort, die aber wegen der teuren Mieten für viele nicht erschwinglich waren. Dieser Entwicklungsprozeß vollzog sich in Paris, Berlin und Wien in unterschiedlichem Tempo und mit unterschiedlich dramatischen sozialen Folgen. Wie aktuell die Thematik des Wohnungswechsels schon in den 1830er Jahren war, zeigen vier kurz nacheinander in Paris, Berlin, Frankfurt und Wien entstandene Komödien, wobei die drei deutschsprachigen Stücke
Bearbeitungen des französischen Originals darstellen, einem Vaudeville mit dem Titel "Les Appartements á louer".
In der Zeit des Vormärz entsteht mit den Stücken von Büchner und Grabbe eine innovative moderne Dramatik, die - in ihrer Radikalität auf die ästhetische Moderne verweisend - ein neues, anderes Theater erfordert hätte. Die Antizipation eines solchen Theaters bei gleichzeitiger Ablehnung des real praktizierten Theaters gehört zu den Widersprüchen, die den Vormärz charakterisieren. Bezogen auf unseren Gegenstand bedeutet dies: Die kritische Auseinandersetzung mit dem Theater gilt im Vormärz oft nur einzelnen Aspekten - das Theater als Institution, dramaturgische Forderungen bezüglich der Spielplangestaltung etc. Aber das Theater als ästhetische Realität und als eigenständiges Medium gerät noch nicht in den Blick. Die Reformvorschläge gelten nicht einem - anderen - Theater, sondern nur einem zu verändernden. Aber auch hier gehen die Forderungen selten genug von den ökonomischen, politischen oder strukturellen Bedingungen aus, die vorwiegend die ästhetische Praxis des Theaters jener Zeit produzieren und provozieren. [...] Ein Jahrbuch mit zehn Autoren, Theater-, Literatur- und Musikwissenschaftler/innen, und dementsprechend unterschiedlichen Ansätzen kann und will eine zusammenhängende theaterwissenschaftliche Monographie zu den Theaterverhältnissen des Vormärz jedoch nicht ersetzen. Gleichwohl gelingt es unseres Erachtens in den Beiträgen, zum einen immer wieder aus verschiedenen Perspektiven die Differenz von realen Theaterverhältnissen zu den Ideen, Vorstellungen und Überlegungen, sprich den ideellen Theaterverhältnissen, formuliert in Theorie, Konzeption und Theaterkritik, erkennbar zu machen. Zum anderen beleuchten die hier versammelten Texte verschiedenartige Blickwinkel, Fragestellungen und Teilaspekte der Theaterverhältnisse im Vormärz. Die Texte dieses Jahrbuchs bilden also [...] ein Mosaik, das neue Perspektiven und Einsichten in die immernoch weiße Flecken, ja "versunkene Kontinente" (Kortländer) enthaltende Landkarte der Theaterverhältnisse im Vormärz ermöglicht.
Zu den Themenkreisen, mit denen sich Weerth vorrangig in seinen England-Aufsätzen befasst, gehören u.a. der Konflikt zwischen Fabrikbesitzer und Industrieproletariat, Fragen der Volkserziehung, die Ausnutzung von Kindern als Fabrikarbeiter, der Alkoholmissbrauch, die Macht der Kirche und zum geringeren Teil die Rolle der Frau in der viktorianischen Gesellschaft. Weerth beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Gegensätzen im voranschreitenden Industriezeitalter. Hier lassen sich deutliche Parallelen ziehen zu den Romanen der Brontë-Schwestern.
Um 1848 existierten in den deutschen Ländern neben den dreiundzwanzig Hofopern etwa hundert städtische und andere ständige Theater, in denen auch Oper gegeben wurde, dazu noch
etwa siebzig reisende Opern-Compagnien, die das Land flächendeckend versorgten. Zahlenmäßig dürften sich die Betriebe, die Sprech- und Musiktheater oder nur Oper anboten, seit 1815 verdoppelt haben. Freilich waren unter künstlerischen Prämissen nach wie vor nur die großen
Hofopern in Wien, Berlin und Dresden von wirklicher Bedeutung sowie - mit wechselndem Gewicht - die aus den Staatsschatullen der kleinen Könige in München, Stuttgart oder Kassel finanzierten Betriebe. Ihnen gegenüber hatten die von den größeren Städten - Hamburg, Leipzig, Frankfurt oder Köln - an private Betreiber verpachteten Häuser, strikt
auf "gängiges Repertoire" verwiesen, noch lange einen schweren Stand. Und auch wenn statistisch gesehen erheblicher Zuwachs zu verzeichnen war, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, dass immer wieder Feuersbrünste die Theaterlandschaft ereilten und dann auf Jahre die Opernarbeit in einer Stadt lahm legten; schließlich wurde insbesondere die "freie Szene" auch immer wieder von Ermüdungserscheinungen und Auszehrung heimgesucht, von ökonomischen Desastern und Bankrotts. Und die Lasten einer Theater-Pleite hatte in der Regel zuvorderst die Crew zu tragen.
Die Bewunderung war ziemlich einseitig. Schon im späten 18. Jahrhundert pilgerte, wer sich zur "geistigen Welt" rechnete oder von ihr sich angezogen fühlte (im Besonderen auch, wer klassische künstlerische Weihen für den eigenen Kunstehrgeiz erhoffte), in das mitteldeutsche Residenzstädtchen Weimar. Es kam durchaus darauf an, Kontakt zum vielseitig interessierten und daher vielbeschäftigten, vielgerühmten Geheimen Rat zu suchen. Excellenz war exclusiv, hatte sich als Mittelpunkt
einer nun schon vom gebildeten Europa bewunderten "deutschen Geistescultur" herauskristallisiert.
Es gibt vernünftige Gründe, die Ära des Vormärz auf die Zeit zwischendem Sommer 1830, als in Europa verschiedene Insurrektionen aufflammten, und dem Vorfrühling des Jahres 1848 zu begrenzen. Im Sinn dieser Beschränkung gehört die nicht zustande gekommene Zusammenarbeit zwischen dem Weltliteraturschöpfer und dem aufstrebenden, aber be-reits 1826 in den Musikerhimmel abberufenen Weber kaum zum Thema "Goethe und die Musik des Vormärz", da die Sache zu weit im Vorfeld liegt. Doch erscheint sie im Hinblick auf das Verhältnis von Goethe zu den Jüngeren, den beiden Generationen der Künstler im Vormärz, ebenso symptomatisch wie das konfliktöse Verhältnis zu Ludwig van Beethoven.
Ursula Reitemeyer zeigt in ihrem Beitrag, inwiefern demokratisches und kommunistisches Denken im Vormärz im Humanitätsanspruch eines weltzugewandten Protestantismus wurzeln, der es zwar aus der Perspektive von Marx zur "wahren Stellung der Aufgabe", jedoch nicht zu praktischen Lösungen gebracht habe. Vor diesem Hintergrund untersucht und diskutiert Reitemeyer die angestrebte kommunistische Neuordnung von Staat und Gesellschaft als Bildungsinitiative, die in der "Tradition des (neu-)humanistischen Verständnisses des Protestantismus" steht.
Dieter Richter sieht in seinem Beitrag "Schwarz-Rot-Gold am Tiber: Die deutsche 'Künstlerrepublik' in Rom als Experimentierfeld nationaler Einigung" Italienbegeisterung und Politik als eng verwoben. Die Flucht in den Süden vor Verfolgung durch deutsche Behörden oder vor dem bedrückenden restaurativen Klima in den deutschen Ländern mündet nicht selten in eine dauerhafte Emigration oder doch wenigstens in einen mehrjährigen Aufenthalt. Vor allem das Leben in der deutsch-römischen Diaspora begreift Richter als Gegenentwurf der Verhältnisse in der Heimat und im Vormärz. Es wird zum virtuellen Experimentierfeld der vermissten nationalen Einheit der Deutschen. Diese wird vor Ort durch Trachten, die Gründung einer Bibliothek und einiger Vereine sowie durch Festspiele symbolisch beschworen und befestigt.
Goethe wird hier weitgehend im Gegenlicht erscheinen. Gegenlicht: das heißt in unserem Fall im Licht seiner Kritiker
und Gegner, insbesondere im Licht, in dem ihn Ludwig Börne sieht. In einer solchen Beleuchtung wird keine ganzheitliche Gestalt erkennbar, es werden lediglich Konturen wahrnehmbar; der selbstgeworfene Schatten des visierten Gegenstandes erschwert das Erkennen einzelner Züge. So wird meist ein unvorteilhaftes, ein dem Gegenstand der Betrachtung kaum gerecht werdendes, sogar ein entstellendes Licht entstehen. In einem derart unadäquaten Bild erschien Goethe sowohl in dem überhellen, blendenden Licht seiner blinden Verehrer, seiner 'Fans', wie wir diese Weise unreflektierter Anhängerschaft heute nennen würden, in einem Licht also, das die differenzierenden Züge ausblendete und ihn mit einer Art Aureole umgab, - ebenso wie in der bewußt ungünstigen
Beleuchtung, in die ihn seine von den 'Goetheanern' provozierten Kritiker stellten.
Da Frankreich und dessen jüngste Geschichte für Börne mehr bedeuteten als ein Motiv seines schriftstellerischen Interesses und seiner Lebenswelt unter anderen, weil ihm sowohl Frankreich wie Deutschland, ob ausgesprochen oder latent, Welt und Gegenwelt waren, in denen sich Existenz wie Denken abspielten und abspiegelten, kann in diesem Rahmen nur auf wenige Facetten seines Schreibens eingegangen werden. Es wird sich daher im Wesentlichen um die Rolle handeln, die Frankreich und besonders Paris für seine Arbeit als Journalist und als Zeithistoriker
wie für den Ansatz seines geschichtsphilosophischen Denkens überhaupt gespielt haben.
"Welch ein schönes Land und welche häßlichen Menschen" : Ludwig Börne in der vormärzlichen Schweiz
(2005)
Die Schweiz werde ich im folgenden, was im Vormärz naheläge, nicht eigentlich als Exilland ansprechen; vielmehr wird gefragt werden, wie ein Pariser Exilant in den Jahren nach 1830 die Schweiz als Tourist erlebte. In der noch immer bescheidenen Börne-Forschung ist diesem Aspekt bislang kaum Rechnung getragen worden.
Das Schöne und das Nützliche
(2001)
Neben den fachphilosophischen Auseinandersetzungen mit den Problemen der Ästhetik findet in unserer Periode, derjenigen des Vormärz, der um das Schöne als Naturschönes kreisende Diskurs die verschiedenartigsten Ausformungen bis hin zu einer Ästhetik des Hässlichen. Die Frage nach dem Schönen und dem Nützlichen und ihrem Verhältnis zueinander, nach der Priorität, die dem einen oder dem anderen einzuräumen sei, durchzieht seit Beginn der Neuzeit nicht nur die Diskussion der sogenannten Schönen Künste, insbesondere die der Architektur und Gartenkunst; sie gewinnt gegen Ende des 18. Jahrhunderts, im heraufziehenden Industriezeitalter, eine neue Dimension. Die je nach Fragestellung wechselnde Präponderanz oder Verbindung von Ästhetik und Ethik im Sinn des antiken Schön-Gutseins fokussiert sich nun auf einen neuen Schwerpunkt, den der Industrieästhetik einerseits, der ökologischen und sozialen Verträglichkeit der Begleiterscheinungen der neuen Produktionsweisen andererseits - Fragestellungen und Zielkonflikte, die uns auch heute nicht fremd sind. Da sich im frühen Vormärz hier der Blick schon besonders auf England richtete, war naheliegend: Als seit seinem Industrialisierungsschub vom Anfang des 18. Jahrhunderts bevorzugter Studienraum für Bildungs-, Informations- und Geschäftsreisen der Kontinentalen ist England hinreichend bekannt und vielfach untersucht worden. Um die Spannweite der möglichen Auseinandersetzungen mit dem Schönen und dem Nützlichen im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts nicht auszumessen, aber augenfällig zu machen, werden im Folgenden die Beobachtungen im wesentlichen um zwei so verschiedene Autoren kreisen, wie es der Landschaftsarchitekt und Reiseschriftsteller Hermann von Pückler und der Kaufmann und sozialistische Dichter Georg Weerth sind.
Vorliegend wird davon ausgegangen, dass die Bedeutung von Rechtssätzen für die Vermessung des menschlichen Lebenslaufs seit 1750 erheblich zugenommen hat. Dies gilt in besonderem Maße für die Entstehung des rechtlich geschützten Raums der Jugend. Die Wandlung "vom 'jungen Herrn' zum 'hoffnungsvollen Jüngling'" hat ihre Wurzeln bereits im 18. Jahrhundert. Eine Verdichtung rechtlicher Regelungen ist aber vor allem im Vormärz zu bemerken. Hier sollen lediglich die gesetzlichen Neuerungen betrachtet werden.
Dans un carton des archives saint-simoniennes, qui plus est consacré au "dogme", figure le manuscrit d'un compte rendu de l'essai publié en 1834, à Leipzig, par Moritz Veit, sous le titre ainsi traduit: "Saint-Simon et le saint-simonisme. Alliance générale des peuples et paix èternelle." Bien avant la prétendue révélation faite par Leroux en 1842, c'est là, sauf erreur, la toute premiëre trace en français d'une rumeur accréditée en Allemagne par Carové dès 1831. Quelles que soient l'origine et la destination de ce curieux texte (il y a lieu de le croire traduit de l'allemand ou rédigé par un Allemand de Paris), sa présence atteste que les intéressés n'ignorërent pas les soupçons d'allogénéité suscités en
France et en Allemagne par l'étrangeté de leur doctrine. L'auteur, en effet, s'appuie sur la présentation hégélianisante du saint-simonisme par Veit pour trouver confirmation de sa propre intuition, formée, dit-il, bien antérieurement, que la "clé" de toutes ces bizarreries idéologiques françaises serait "une ressemblance décidée avec la philosophie de Hegel".
Zu Beginn des Jahres 1848 erscheint unter dem Titel: "Nord und Süd, Monatsblätter für Unterhaltung und Zivilisazion" eine neue Monatszeitschrift für das deutsche Publikum, verlegt von Michael Schläpfer in Herisau. Bereits die zweite Nummer gerät in den Strudel der beginnenden Revolution, und nach etwa vier Monaten findet das Projekt ein Ende.
Wilfried Sauter beschäftigt sich mit der Frage des staatlichen Strafsystems im Vormärz und ordnet diese Diskussion in den Kontext von Gesellschaftsvorstellungen des politischen Liberalismus ein. Er führt am Beispiel der Lebensgeschichte demokratischer Revolutionäre wie Otto von Corvin, August Röckel, Otto Leonhard Heubner, Julius Füeßlin, Theodor Mögling, Gottfried Kinkel, Georg Friedrich Schlatter und August Peters, die wegen ihrer Teilnahme an den revolutionären Bewegungen des Jahres 1849 zu Zuchthausstrafen verurteilt worden waren, vor, wie diese mit den Bedingungen ihrer langjährigen Haft umgingen und in Veröffentlichungen darstellten. Die Umstände des Strafvollzugs, wozu insbesondere die Schreibbedingungen gehörten, und die Reformbemühungen, etwa zur Einzelhaft, sind konsequenterweise Thema jener bereits im Gefängnis entstandenen oder viele Jahre später erschienenen Schriften, die sehr unterschiedliche Funktionen übernehmen, von der Rechtfertigung über den Dank an Freunde bis hin zur Rechtskritik.
Beethovens kompositorische Tätigkeit wird zum Paradigma musikalischen Denkens, und seine Kompositionen bilden im 19. Jahrhundert die zentrale Basis musikalischer Formenlehre. In diesem institutionalisierten Modus erscheint Beethoven - mit Avital Ronell formuliert - "wie der Höhepunkt eines Bildungsromans", auf den "nur noch ein Abstürzen
folgen kann." Der damit initiierte "Goethe-Effekt" bestimmt in hohem Maße die ästhetischen Diskussionen der folgenden Jahrzehnte: Beethoven bleibt kompositorischer Referenzpunkt, gegen dessen Autorität ein neueres sinfonisches Schaffen sich nur mit größten Schwierigkeiten zu etablieren vermag.
Die ästhetische Autorität, die Beethoven wie Goethe in der doppelten Bewegung des Begründens und des Vollendens einer Gattung zugesprochen bekommen, erstreckt sich nicht zuletzt aber auch auf das künstlerische Medium selbst. Beethoven erscheint als herausragende Gestalt am Höhe- und Endpunkt einer langen kompositorischen Entwicklung, in der die Potentiale der Musik - ihr "innigstes Wesen" - zur vollen Entfaltung gelangen
Der Zeitabschnitt zwischen 1815 bis 1848, der demokratisch-republikanische Vorfrühling, wird in der Literaturhistorik kontrovers gesehen und diskutiert. Denn zum Einen war da das Sich Reibende der Menschen an Verhältnissen, die zusehends durch ökonomischen Druck gekennzeichnet waren, und ihr daraus resultierendes Unwohlsein. Es gab etwas Gärendes, eine Unzufriedenheit, die sich Bahn brechen sollte und zur politischen Eruption von 1848 führte. Da war aber auch das Streben derjenigen, die man im Nachhinein unter dem Begriff Biedermeier subsumiert hat, nach der ländlichen Idylle und dem Rückzug ins Private. Es gab den Wunsch von vielen, der Kapitalismus, der am Horizont aufzuziehen begann, möge einen selbst noch verschonen, es möge einen Ausweg geben, und so reagiert auch der literarische Klassiker jener Epoche, Georg Büchners Figur Lenz, der einem wirklichen Menschen nachempfunden ist, verstört auf die zunehmende Kapitalisierung seiner Umgebung. Auch Lenz versucht, sich ihr zu entziehen, und Generationen von Schulkindern wurden Zeugen seiner Flucht ins Gebirge, die vergeblich bleiben musste. Lenz blieb letztlich nichts, als sich in eine Welt zu fügen, die nicht die seine war. Von nun an tat er: "[...] Alles wie es die Andern taten, es war aber eine entsetzliche Leere in ihm, er fühlte keine Angst mehr, kein Verlangen; sein Dasein war ihm eine notwendige Last. – So lebte er hin."
Gab es wirklich keine Möglichkeit, sich aus einer Entwicklung zu retten, die ein anderer Klassiker aus jenen Jahren folgendermaßen beschrieben hat: "Die Bourgeoisie," das sagen Karl Marx und Friedrich Engels im "Manifest der Kommunistischen Partei", das erstmals zu Beginn des revolutionären Jahres 1848 erschienen ist, "wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose bare Zahlung."
Welche Optionen gab es, auf "das nackte Interesse" und "die gefühllose bare Zahlung" zu reagieren? Georg Büchner hatte für die Revolte optiert und hatte sie gelebt, er hatte fliehen müssen und war jung verstorben. Andere versuchten, sich einen privaten Rückzugsort zu schaffen. Die Französin Louise Michel jedoch stand für einen dritten Weg, der allein der ihre war: Sie wollte sterben. Und ihren Todeswunsch hat sie mit großem Pathos verkündet.
Janina Schmiedel nimmt die Synthese von romantischen und vormärzlichen Schreibweisen und das gleichzeitige Ineinander von Poetischem und Politischem in Heinrich Heines lyrischem Werk in den Blick. Anhand des Zyklus' "Neuer Frühling", der die zweite große Sammlung "Neue Gedichte" (1844) einleitet, zeigt sie, wie der von Heine nie vollständig vollzogene Abschied von der Romantik mit seinem Schreiben des Politischen (in den 30er und 40er Jahren) korrespondiert.
Christoph Schmitt-Maaß beschreibt, dass vor dem Hintergrund der Ideen der historischen Rechtsschule und der Studien der Brüder Grimm eine spezifische Poetologie im Gefüge von Rechtsgeschichte, Sprachwissenschaft und Nationalliteratur entsteht, die für die Herausbildung der 'Kulturnation' eine wichtige Bedeutung zukomme. Die Durchdringung von Rechts-, Wissenschafts- und Dichtersprache erweise sich an einem Kulminationspunkt der deutschen Geschichte als bewusstseinsstiftend, insofern sich noch viele Vormärzschriftsteller im Kontext von Recht, Sprache und Poesie auf von Savigny bezögen und dessen Poetologie fortschrieben, auch wenn sie längst zur Chiffre geworden sei. Schmitt-Maaß illustriert diese Wirkungsgeschichte von Savignys und der Brüder Grimm am Beispiel von Heinrich Heine und Hoffmann von Fallersleben. Während Heine eine kritische Distanz zu den rechtshistorischen Positionen der historischen Rechtsschule einnehme, begreife Hoffmann von Fallersleben, dessen liberale Auffassungen eng mit der mittelalterlichen Literatur, etwa Walthers von der Vogelweide, in Verbindung gesetzt würden, die Aufgabe von Dichtung als Politik, die sich aus der Gemeinsamkeit von Recht und Poesie im 'germanischen' Altertum ergebe. Schmitt-Maaß weist nach, wie Literatur, Literaturgeschichtsschreibung und Jurisprudenz im Vormärz zusammentreten.
Literatur ist ein Spiegel ihrer Zeit, sie ist aber zugleich auch ein Spiegel ihrer selbst. Mit anderen Worten: Literatur ist in der Umbruchsituation aufgefordert, nicht nur diese, sondern auch sich selbst im Rahmen ihrer geänderten Produktionsmöglichkeiten (und das sind nun einmal die spezifischen Darstellungsmodi der Literatur) zu reflektieren. Es scheint also ein Perspektivwechsel gegenüber der älteren Vormärzforschung angebracht. Die Literatur der Jahre zwischen 1815 und 1848 wäre dann nicht länger ein vornehmlich politischer, sondern ein poetologischer Akt, also eine durch neue Produktionsbedingungen erzwungene Form der poetischen Selbstreflexion - und zwar mit den Mitteln der Poesie selbst. Ziel einer solchen Poetologie wäre also die Darstellung der veränderten Bedingungen im Medium der Literatur: 'Dichtung' stellt sich und ihre Verfahrensweisen dar. Im Sinne einer Poetologie werden so die literarischen Reflexionsmuster der Literatur auf ihre ureigensten Produktionsverhältnisse rückbezogen, ohne in Literatur wenig mehr als einen Spiegel der gewandelten technischen und sozialen Realitäten zu sehen: Vielmehr reicht die Reflexionsfähigkeit der Literatur bis in die syntaktische und semantische Gestaltungsebene hinein.
Die Literatur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts reagiert auf die dynamisierte Fortbewegungsform der Eisenbahnfahrt. Zwei mögliche Reaktionen konkurrieren miteinander: eine euphorische, die in ihrer Darstellung die neuerfahrene Dynamik in die Textgestaltung einzuholen versucht; und eine kritische, die die neue Dynamik als Gefahr einer Entfremdung fasst. Beide Formen der Auseinandersetzung stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander, unterscheiden sich jedoch in ihrem poetologischen Reflexionspotential. Die poetologisch reflektierten Texte bilden zugleich ein Korrektiv zum Fortschrittsoptimismus. [...] Die durch die poetologischen Reflexionen gewährleistete Entschleunigung des Textes wirkt als Korrektiv der euphorischen Vorstellung einer "Beschleunigung als Heilserwartungsrest".
Zwischen 1843 und 1888 veröffentlichte Fanny Lewald 24 teils mehrbändige Romane, 27 Bände Novellen und Erzählungen, eine sechsbändige Autobiographie, fünf Reisetagebücher, zahlreiche Feuilletons, Erinnerungen an bekannte Persönlichkeiten, frauenemanzipatorische Schriften und soziale Appelle in Zeitungen und Zeitschriften - ein umfangreiches Werk. Über den Zeitraum von annähernd einem halben Jahrhundert spiegeln ihre Schriften die wechselvolle deutsche Geschichte wider - Vormärz, Märzrevolution 1848, Restauration, Reichseinigung, Kaiserreich - ebenso wie die Geschichte der deutschen Literatur von jungdeutscher Tendenz- und Reflexionsliteratur bis hin zum poetischen Realismus und Naturalismus. Denn mit zahlreichen romantheoretischen Äußerungen, die sich sowohl in ihren Prosawerken wie in Briefen und anderen nichtfiktiven Schriften finden lassen, macht Fanny Lewald wie wenige andere Autorinnen des Vormärz ihren poetologischen Standpunkt deutlich. Früh- und Spätwerk der Autorin sind, bezogen auf ihr erzählerisches Konzept und die Gestaltungsweise, sehr unterschiedlich. Doch in einem Punkt bleibt sich Fanny Lewald treu - ihre Prosa bleibt lebensnah, zeitlebens favorisiert sie den sozialen und psychologischen Roman.
Von Bürgerbauern und Proletariern : Narrative der Transformation in der Dorfgeschichte des Vormärz
(2018)
[...] der folgende Beitrag [will] klären, wie die Dorfgeschichten des Vormärz die Gegenwart des ländlichen Raumes interpretierten und welche Zukunftsmodelle sie dabei entwickelten. Im Vergleich von Berthold Auerbachs früher Dorfgeschichte "Befehlerles" von 1842 und Carl Arnold Schloenbachs "Das Deutsche Bauernbuch" von 1848 werden die verschiedenen Positionen herausgearbeitet. In einem ersten Schritt muss dafür in Ausschnitten auf die Erzählverfahren der Dorfgeschichten eingegangen werden. Erst der Anspruch, wahres, in einem historischen Prozess befindliches Landleben darzustellen, ermöglicht den Texten ihre politische Positionierung.
Im Folgenden soll zunächst die epistemische Situation der frühen Krebsforschung skizziert werden. Der wissenshistorischen Situierung derselben dienen auch, immer in Hinblick auf eine Geschichte der Krebserkrankungen, kurze Rückblicke auf den gegen sich selbst revoltierenden Organismus, wie man ihn in den Entzündungslehren französischer Kliniker findet, sowie den Parasitismus in der romantischen Medizin. Im Anschluss gilt es, anhand von Klenckes wissenschaftlichen Untersuchungen und seinem Roman eine Konstellation von Literatur und Zelltheorie vor 1848 zu beschreiben.