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Verkleidung und Entstellung, Verfälschung und Verfremdung gehören ebenso zu Carlyles intellektuellen Techniken wie Übertreibung und Provokation. Auch sein größter Coup - die gut besuchten und mit viel Beifall bedachten Vorlesungen "On Heroes, Hero-Worship, and the Heroic in History" (1840) - sind vor diesem Hintergrund zu betrachten: Sie überzeugten nicht aufgrund ihrer sachlichen Argumentation, sondern Carlyles affektive Hingabe an sein eigenes kulturkritisches Ressentiment riss die Zuhörer mit. Seine Zeitgenossen wollte Carlyle davon überzeugen, dass im Erkennen der wahren Helden und ihrer Verehrung die einzige Möglichkeit zur Rettung bestünde - eine These mit großer Wirkung, für deren Propagierung er sein ganzes rhetorisches Talent einsetzte. In den Vorlesungen "On Heroes, Hero-Worship, and the Heroic in History" (1840) entwarf Carlyle vor den Augen seiner Zuhörer ein beeindruckendes Panorama des Heldentums, das überraschende Figuren aufweist. Nicht nur Götter, Propheten und Könige, sondern auch Poeten, Priester und Schriftsteller gehören Carlyles Elysium an.
In fast jedem autoritär regierten Staat werden von den Machthabern Maßnahmen wie Repressalien und Strafen ergriffen, die die erwünschten Verhaltensweisen der Menschen erzwingen und diese dazu bringen sollen, sich einer bestimmten Ideologie unterzuordnen. Die Kunst ist ein besonders empfindlicher Bereich des öffentlichen Lebens und entzieht sich zumindest teilweise diesen Methoden. Eine Kontrolle über die Künstler und ihr Schaffen erfordert seitens der Staatsgewalt deshalb meistens ein subtileres Instrumentarium. Aber auch andere, "weiche" Faktoren haben einen Einfluss auf das politische Verhalten der Künstler und die Gestaltung der Kunstinhalte.
Heiland oder Führer? : der Dichter als Kulturheros in der Literaturwissenschaft des George-Kreises
(2017)
Sowie der Heldenkult nicht länger die privilegierte Rezeption des 'heroischen' Werkes darstellt, wird er auf Politik umgestellt und dieser die Aufgabe zugewiesen, das Werk des Kulturheros gleichsam zu vollenden. Heldenpolitik kann aber niemals friedliche Politik sein. Claude Haas geht der Grundspannung zwischen 'kultischer' und 'politischer' Perspektivierung des Kulturheros im Folgenden am Beispiel jener Formation nach, die den Kulturheros in vielerlei Hinsicht in den Mittepunkt ihrer geistigen Bemühungen stellte und die seinen wirkmächtigsten Sympathisanten in der deutschen Tradition überhaupt bilden dürfte: an dem Kreis von Wissenschaftlern und Intellektuellen, sie sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts um den Dichter Stefan George herum gruppierten. Dabei ist es nicht der Kult um George selbst, den Claude Haas in den Blick bringen will, sondern zentrale wissenschaftliche Schriften aus seinem näheren Umfeld, die die Vorstellung des Kulturheros am differenziertesten - wie auch am problematischsten - entfalten. Diese sind nicht zuletzt insofern von Interesse, als sie der wissenschaftlichen Darstellung als solcher kultische Aufgaben zuweisen und sie die Wissenschaft implizit als eine Art Praktik zur Erschaffung des Kulturheros einsetzen. Dabei kann der wissenschaftliche Diskurs die Konturen sowohl eines privilegierten und exklusiven als auch die eines lediglich als vorläufig begriffenen Kultes annehmen, der nicht seinen eigenen Endzweck darstellt, sondern der in die große politische Tat einzumünden hat. Ein besonderes Gewicht kommt hier dem immanenten Anhänger des Kulturheros zu, denn dieser avanciert in der Konzeption der Figur selbst zur strukturgebenden Größe. An ihm zeigt sich erst, wo genau der Kulturheros zu sich selbst kommt - in der Kirche der Wissenschaft oder auf den Schlachtfeldern der Politik. Über die Analyse des Anhängers wird folglich der Frage nachzugehen sein, ob der Kulturheros eher als säkularer Gott (Heiland) oder als sakraler Herrscher (Führer) beschworen wird.