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In Fontanes "Effi Briest" wird die Aufmerksamkeit des Lesers weitaus weniger auf den Ehebruch Effis mit Major Crampas gelenkt - der in ein paar Spaziergängen und einer diskret erzählten Schlittenfahrt abgehandelt wird -, im Fokus steht vielmehr Effis angstgeprägte und gespenstisch anmutende Ehe mit dem Baron von Innstetten. [...] Nach einer Hochzeitsreise nach Italien beginnt die arrangierte Ehe in dem kleinen Ort Kessin, einer Seestadt in Hinterpommern. Die Kessiner Zeit wird für Effi zur 'Unglückszeit': Es mangelt ihr an gesellschaftlichem Umgang, sie ist wegen der häufigen Abwesenheiten ihres viel beschäftigten Mannes oft allein, vereinsamt folglich und wird von Ängsten geplagt. "Drehpunkt" der Geschichte ist - wie Fontane selbst vermerkt - ein im Haus spukender Chinese, für den es im Text nur eine einzige plausible - das heißt nicht-phantastische - Erklärung gibt, nämlich die, die vom Verführer nahegelegt wird: Innstetten selbst betätige sich als disziplinierender Erzieher seiner jungen, naturhaften Frau und habe zu diesem Zweck einen "Angstapparat aus Kalkül" geschaffen, der die junge und oft allein gelassene Ehefrau auch während seiner zahlreichen beruflich bedingten Abwesenheiten im Zaum halten soll. Die folgende Lektüre will sich diesem inhaltlichen und poetologischen "Drehpunkt" des Romans über einen verdeckten Intertext annähern. Den suggestiven Formeln eines "Erziehens durch Spuk" und eines grausamen "Angstapparat[s] aus Kalkül" wird im Folgenden detailliert nachgegangen. Im Gegensatz zu den meisten der bisherigen Interpretationen sollen diese Formeln jedoch nicht dazu dienen, den "Spuk" im Zentrum eines realistischen Gesellschaftsromans zu rationalisieren und in der durch Crampas suggerierten Erklärung eines "grausamen" Innstetten zu begründen. Der phantastische Chinesenspuk soll vielmehr im Anschluss an eine Lektüre Christian Begemanns in seiner Unerklärlichkeit aufrecht erhalten bleiben. Die Formel der gespenstischen Erziehungsehe wird im Folgenden dabei auf einen Intertext zurückgeführt, der in der Verführungsepisode - verdeckt - zur Sprache kommt. Der "Angstapparat aus Kalkül" - so die hier vertretene These - ist genau genommen doppelt vorhanden, es handelt sich um Angstapparate, die die gespenstische Ehe kennzeichnen, aber auch die Verführungsgeschichte.
Sophies Briefe in den "Poggenpuhls" von Theodor Fontane: Selbstkommentar als Programm des Realismus
(2020)
Ziel dieses Artikels ist, die Kapitel elf und zwölf des Romans "Die Poggenpuhls" zu untersuchen, der von Theodor Fontane im Jahr 1896 veröffentlicht wurde, und zu überprüfen, ob die Briefe, die in diesen Kapiteln präsentiert werden, als ein selbstreferentieller Kommentar zum Roman selbst gesehen werden können. Dafür werden andere Texte vom Autor herangezogen und analysiert, wie "Unsere lyrische und epische Poesie", ein Aufsatz, in dem Fontane ein Programm für den Realismus in der deutschen Literatur entwirft und das Werk zeitgenössischer Dichter kommentiert; "Effi Briest", ein Roman, der ebenfalls 1896 im Buchformat erschien; und Kommentare des Autors selbst, die in Briefen an Freunden und Kritikern zu finden sind. In ihren Briefen beschreibt die Figur Sophie den ihr erteilten Auftrag, drei Gemälde in einer protestantischen Kirche zu malen. Sie beschreibt und rechtfertigt die biblischen Motive, die von ihr für die Aufgabe abgelehnt werden, um danach diejenigen zu beschreiben, die sie darstellen möchte. Dabei begründet sie ihre Wahl und gibt ihren Schaffensprozess wieder. Es wird vertreten, dass diese Kapitel den Aufbau des Romans sowie die Beziehung zwischen Form und Inhalt im Text begründen, und dass sie versuchen, dessen Rezeption zu lenken, indem mögliche Vorwürfe im Voraus abgewehrt werden.