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Rezension zu Peter-Andre Alt: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit, München (c. H. Beck) 2002. 464 Seiten.
Mit Peter-Andre Alts Monographie über die Beziehungen zwischen Literatur und Traum in der Neuzeit geht es um die Entwirrung jenes "dichten Geflecht[s] kultureller Deutungsentwürfe", welches sich gerade in der Neuzeit in dauernder Veränderung begriffen ist (9).
Rezension zu Edgar Pankow: Brieflichkeit. Revolutionen eines Sprachbildes; Jacques-Louis David, Friedrich Hölderlin, Jean Paul, Edgar Allan Poe, München (Wilhelm Fink) 2002. 222 Seiten.
Pankows Untersuchungen gelten dem Brief als einem "Sprachbild" der Moderne, über welches sich - so die einleitenden Ausführungen - die sich wandelnde Artikulation "kultureller Selbstverhältnisse" vollzieht.
Rezension zu Horst Jürgen Gerigk: Lesen und Interpretieren, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2002 (= UTB für Wissenschaft; Bd. 2323). 192 Seiten.
Wenn ein professioneller Leser bei seiner Lektüre eines literarischen Werks innehält, um sich zu fragen, was denn da eigentlich beim Lesen überhaupt geschehe, welche Sensibilisierungen es erzeuge, welche Einsichten es bewirke, so mag dies ein Anlaß sein, sich den grundsätzlichsten aller Fragen zuzuwenden, mit denen es der Literaturtheoretiker zu tun hat: Was charakterisiert literarische Texte als solche? Welche Einstellung und welche Kompetenz verlangen sie ihrem Leser ab? Gibt es spezifische Modi literarischer Darstellung? Gerigks Buch ist, wie einleitend betont wird, von einer solchen Lese-Pause stimuliert worden. In der Form von zwölf thematisch miteinander vernetzten, dabei relativ selbständigen Teilen - Grundlage des Buches waren Gerigks Heidelberger Vorlesungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft - werden im Ausgang von vielfaltigen Beispielen aus der europäischen und amerikanischen Literatur grundsätzliche Thesen und Modelle zum Wesen des Literarischen selbst entwickelt.
Rezension zu Ulrike Landfester (Hg.): Schrift und Bild und Körper, Bielefeld (Aisthesis) 2002 (=Schrift und Bild in Bewegung; Bd. 4). 210 Seiten.
Das Kernthema des Bandes, der inhaltlich recht heterogene Beiträge versammelt, exponiert Ulrike Landfester mit ihrer Abhandlung 'Tertium datur. 'Schrift und Bild und Körper' als kulturtheoretische Denkfigur' (9-42). Es gehe, so Landfester, um ein Aufbrechen dichotomischer Ordnungskonzepte; darum wird die Dichotomie von Bild und Schrift durch die Einbeziehung des Körpers zur dreistelligen Relation erweitert.
Rezension zu Ulrich Ernst: Intermedialität im europäischen Kulturzusammenhang. Beiträge zur Theorie und Geschichte der visuellen Lyrik, Berlin (Erich Schmidt) 2002 (= Allgemeine Literaturwissenschaft - Wuppertaler Schriften; Bd. 4). 324 Seiten.
Eine Sammlung von neun in den 80er und 90er Jahren entstandenen und zunächst verstreut publizierten Abhandlungen macht Ernsts Forschungsergebnisse neuerlich und besser zugänglich, teilweise in revidierter Form; zugleich illustriert der Band exemplarisch die Breite des Forschungsfeldes der Geschichte der visuellen Dichtung.
Rezension zu Klaus-Peter Dencker (Hg.): Poetische Sprachspiele. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart (Reclam) 2002 (= Reclams Universal-Bibliothek; Bd. 18238). 428 Seiten.
Klaus Peter Dencker, der als Anthologist und Kommentator schon im Bereich der visuellen Dichtung und der Unsinnspoesie Pionierarbeit geleistet hat (Klaus-Peter Dencker (Hg.): Text-Bilder. Visuelle Poesie international. Von der Antike bis zur Gegenwart, Köln 1972; ders. (Hg.): Deutsche Unsinnspoesie, Stuttgart 1978), legt mit einer neuen Anthologie zu 'Poetische[n] Sprachspiele[n]' (Stuttgart 2002) eine Sammlung vor, welche nicht nur denjenigen anspricht, dem ludistische Poesien eine besondere Lust am Text bereiten. Auch dem literaturhistorisch und literarästhetisch interessierten Leser haben die 325 Seiten mit Sammelstücken sowie die begleitenden Informationen vieles zu bieten.
Rezension zu Pierre V. Zima: La Négation esthétique. Le Sujet, Je beau et Je sublime de Mallarmé et Valéry a Adorno et Lyotard, Paris (L'Harmattan) 2002 (= Ouverture Philosophique). 268 Seiten.
In dem vorliegenden Band verfolgt Zima die Peripetien philosophischer, ästhetischer und literarischer Negation der sozialen Ordnung in den Werken Mallarmés, Valérys, Adornos und Lyotards, unter der Vorgabe der Peripetien der Subjektivität.
Rezension zu Sigrid Weigel: Literatur als Voraussetzung der Kulturgeschichte. Schauplätze von Shakespeare bis Benjamin, München (Wilhelm Fink) 2004. 306 Seiten.
Vergangene Bedeutung von Wörtern gewinnt einen geheimnisvollen Glanz, wenn sie vom Staub des Vergessens befreit wird. Daß Theorie und Schauplatz eine gemeinsame Wortgeschichte haben, bildet die Grundlage für den Titel des Buches von Sigrid Weigel, in dem die "Szenarien der Kulturgeschichte" gezeigt, die "Gemeinsamkeiten von Anschauung und Denken, von Bild und Begriff, von Kunst und Wissen" (7) erinnert werden.
Rezension zu Susanne Stemmler: Topografien des Blicks. Eine Phänomenologie literarischer Orientalismen des 19. Jahrhunderts in Frankreich, Bielefeld (transcript Verlag) 2004. 266 Seiten.
Die Rückwendung des Blicks vom Überwachten und seine Wirkung auf den Betrachter ist seit Homi Bhabhas Weiterführung von Edward Saids Untersuchung zum Orientalismus zu einem der wichtigsten Topoi der 'postcolonial studies' geworden. Doch erstaunlich selten sind nach wie vor Forschungen, die das auch an der visuellen Wahrnehmung untersuchen, obwohl dieser ja in fast allen Beschreibungen die Metaphern entnommen sind. Hier genau setzt Susanne Stemmlers spannende Untersuchung an. Sie zeigt in einer Neulektüre von in der Romanistik eher kanonisierten Texten des Orientalismus des 19. Jahrhunderts, wie sich das Spiel von Faszination und Abwehr, von beherrschendem Sehen und irritierendem Begehren des Blicks tatsächlich als ein Ereignis der Sichtbarkeit vollzieht.
Rezension zu Martin Sexl: Literatur und Erfahrung. Ästhetische Erfahrung als Reflexionsinstanz von Alltags- und Berufswissen. Eine empirische Studie, Innsbruck (STUDIA Universitätsverlag) 2003. 532 Seiten.
Was passiert, wenn ein Literaturwissenschaftler mit einer Gruppe von sechs Krankenpflegerinnen Sophokles' 'Antigone', Tolstois 'Der Tod des Iwan Iljitsch' und Shakespeares 'King Lear' liest? Er wird natürlich zu zeigen versuchen, wie Literatur zur Bildung beiträgt. Das ist einerseits recht einfach, weil er ja die Krankenschwestern selbst zu Wort kommen und sie eine Vorher/Nachher-Analyse ihrer Lektüreerfahrung und der darauf folgenden Gruppendiskussion machen lassen kann. Andererseits ist das alles andere als einfach, weil ein solch empirischer Ansatz zwar noch den Bildungsansatz teilt, aber sonst sämtliche Prämissen traditioneller und etablierter Literaturwissenschaft radikal in Frage stellen muß. Folgerichtig nimmt Martin Sexl eine Position zwischen 'bloßer' Empirie und 'reiner' Literarästhetik ein und macht sein Sozial-Experiment fruchtbar im Spannungsfeld zwischen Textanalysen (Kapitel 5) und Reflexion von Berufserfahrung seitens der Krankenschwestern vor und nach der Lektüre (Kapitel 4 und 6).
Rezension zu Kurt Röttgers: Metabasis. Philosophie der Übergänge, Magdeburg (Scriptum) 2002 (= SO|PHI|ST. Sozialphilosophische Studien; Bd. 4). 456 Seiten.
"Eine Philosophie der Übergänge stellt sich dem Problem der radikalen Übergänge." "Philosophie der Übergänge ist das Unternehmen, die Zeitlichkeit von Ereignissen anders als in Geschichten zu denken." Das Programm, das diese lapidare Sätze formulieren, setzt Kurt Röttgers' Studie auch tatsächlich um. Dem allein stehend doch relativ abstrakten Begriff des Übergangs gewinnt diese eine erstaunliche Fülle von nicht nur philosophisch, sondern kultur- und nicht zuletzt literaturwissenschaftlich interessanten Aspekten ab. Das Inhaltsverzeichnis kann als Einladung an den Leser verstanden werden, seine Übergänge selbst zu wählen, statt konsequent von vorne nach hinten zu lesen, wenn er die in der Einleitung und in Abschnitt 1 ("Die Gewalt des Übergangs") thematisierten Denkgrundlagen einmal nachvollzogen hat (was die Rez. empfiehlt, weil es den Gewinn der Lektüre erheblich steigert).
Rezension zu Julia von Rosen: Kulturtransfer als Diskurstransformation. Die Kantische Ästhetik in der Interpretation Mme de Staëls, Heidelberg (Winter) 2004. 306 Seiten.
Es wäre schwer und womöglich müßig zu entscheiden, welches Kapitel in Madame de Staëls kulturgeschichtlich so überaus wichtigem Werk 'De l'Allemagne', mit dem sie in übergreifenden Betrachtungen und vielen Einzelportraits die Tendenzen der deutschen Literatur und Philosophie zwischen 1750 und 1810 international bekannt machte, den größten Einfluß entfaltet hat. Als das Buch, durch die napoleonische Zensur sowohl behindert als auch im Hinblick auf sein Prestige gewaltig aufgewertet, 1813 zunächst in London und nach dem Sturz des Kaisers 1814 in Paris erschien, wurden innerhalb weniger Wochen in ganz Europa 70.000 Exemplare verkauft; bis 1870 kam es auf 15 Auflagen. Das Werk prägte das Deutschlandbild nicht nur mehrerer Generationen von Franzosen, sondern, da es in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, auch vieler Intellektueller in der ganzen Welt. Der im Frühjahr 2004 erschienene, von Udo Schöning und Frank Seemann herausgegebene Sammelband 'Madame de Staël und die Internationalität der Romantik' hat das zuletzt mit Beiträgen etwa zur russischen, britischen, nord- und südamerikanischen, aber auch zur polnischen oder portugiesischen Wirkungsgeschichte eindrucksvoll gezeigt.
Rezension zu Christoph Ribbat: Blickkontakt: Zur Beziehungsgeschichte amerikanischer Literatur und Fotografie (1945-2000), München (Wilhelm Fink) 2003. 359 Seiten.
Dass das Verhältnis von Literatur und Fotografie nach wie vor als ein vergleichsweise unterakzentuiertes Forschungsfeld der medienwissenschaftlich zwar zusehends sensibilisierten, die fortschreitende Entpriviligierung des Skripturalen jedoch oftmals noch immer mit Skepsis verfolgenden Philologien gelten darf, steht außer Frage. Folglich ist jede Studie, die sich um die Aufarbeitung der mannigfaltigen Wechselbeziehungen von 'Schreiben' und 'Lichtschreiben' bemüht, zunächst einmal zu begrüßen. Wenn sie dann auch noch in qualitativer Hinsicht überzeugt - umso besser. Zumindest über weite Strecken gelingt dies der hier zur Diskussion stehenden Untersuchung durchaus, die sich den US-amerikanischen Literatur-Fotografie-Interdependenzen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmet.
Rezension zu Helmuth Kiesel: Geschichte der literarischen Moderne. Sprache, Ästhetik, Dichtung im zwanzigsten Jahrhundert, München (C.H. Beck) 2004. 640 Seiten.
Helmuth Kiesel, Germanist in Heidelberg, der insbesondere mit Arbeiten über Lessing, Döblin und Ernst Jünger hervorgetreten ist, legt mit dieser Monographie ein Resultat jahrzehntelanger Forschung und Lehre vor. Leitbegriff: 'Moderne'.
Rezension zu Karl R. Kegler, Karsten Ley u. Anke Naujokat: Utopische Orte. Utopien in Architektur- und Stadtbaugeschichte, Aachen (Forum Technik und Gesellschaft) 2004. 204 Seiten.
Der vorliegende Band behandelt in einem weitgespannten, von der Vorzeit bis zur unmittelbaren Gegenwart reichenden Überblick ein bislang vernachlässigtes Teilgebiet der Utopie-Forschung und untersucht die Orte, wo die Utopie sich manifestiert und woraus sie besteht: ihre gleichwohl sehr konkreten, in Architektur, Stadtplanung, Literatur, Religion, Philosophie und Bildender Kunst auftretenden Topoi oder: U-Topoi. Hervorgegangen aus einem interdisziplinären Seminar an der Technischen Hochschule Aachen, betritt der Band Neuland, denn eine derart umfassende Analyse und Sammlung der utopischen Orte/Topoi wurde bislang noch nicht vorgenommen, weil eine kulturhistorische Verortung der meist komplex angelegten Utopien die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen notwendig macht, also eine Arbeitsweise verlangt, die trotz der derzeit propagierten Kulturwissenschaft in der Praxis utopisch ist, vor allem, was den Dialog von Geisteswissenschaften mit den Technik- und Naturwissenschaften angeht. Genau hier setzt der Band vermittelnd an.
Rezension zu Reinhard Kacianka u. Peter V. Zima (Hrsg.): Krise und Kritik der Sprache. Literatur zwischen Spätmoderne und Postmoderne, Tübingen, Basel (A. Francke) 2004. 300 Seiten.
Der vorliegende Sammelband nimmt sich eines zentralen Topos von Literatur, Philosophie und Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert an. Obwohl der Untertitel darauf verweist, einen Übergang zwischen Moderne und Postmoderne zu thematisieren, zeigen die Beiträge die Aktualität des behandelten Sujets sowohl für den gegenwärtigen wissenschaftstheoretischen Diskurs als auch für die introspektive Diskussion innerhalb der aufgerufenen Fachgebiete auf.
Rezension zu Joachim Jacob u. Pascal Nicklas (Hg.): Palimpseste. Zur Erinnerung an Norbert Altenhofer, Heidelberg (Winter) 2004 (= Frankfurter Beiträge zur Germanistik; Bd. 41). 240 Seiten.
Die Herausgeber haben den Band der Erinnerung an Norbert Altenhofer gewidmet. Altenhofer selbst hatte sich einen Namen als ausgewiesener Heine-Spezialist gemacht, und so nimmt es nicht wunder, dass sich immerhin vier der insgesamt 12 Beiträge mit Heine beschäftigen. Die restlichen sind zumeist im Bereich der klassischen Moderne angesiedelt und spiegeln damit die komparatistischen Interessen Altenhofers wider. Schließlich folgen noch zwei Texte, die sich mit W. G. Sebald bzw. Günter Eich auseinandersetzen.
Rezension zu Walter Hinderer (Hg.): Codierungen von Liebe in der Kunstperiode, Würzburg (Königshausen & Neumann) 1997. 342 Seiten.
Mit einschlägigen Aufsätzen zu Goethe, Friedrich Schlegel, Novalis, Tieck, Kleist, Brentano, Arnim, Fouqué, Eichendorff und E.T.A. Hoffmann bietet der Band ein breites Spektrum an Autoren, dem eine ebensolche Diversität der Fragestellungen entspricht.
Rezension zu Ralf Hertel: Tanztexte und Texttänze. Der Tanz im Gedicht der europäischen Moderne, Eggingen (Edition Isele) 2002. 153 Seiten.
Ralf Hertel, freier Journalist und Mitglied des Graduiertenkollegs "Körperinszenierungen" an der Freien Universität Berlin, untersucht in dem vorliegenden Buch das Verhältnis von Tanz und Lyrik in der Literatur des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Rezension zu Geoffrey Galt Harpham: Language Alone. The Critical Fetish of Modernity, New York, London (Routledge) 2002. 261 Seiten.
Der amerikanische Literaturwissenschaftler Geoffiey Galt Harpham, Präsident und Direktor des National Humanities Center in North Carolina, Gastprofessor für Anglistik an verschiedenen amerikanischen Universitäten sowie Gutachter des Wissenschaftskollegs zu Berlin, der bereits zahlreiche Beiträge zum Thema Sprache und Ethik veröffentlicht hat, legt mit diesem Buch eine in vier Kapitel untergliederte, herausfordernde Studie vor, die vor dem Hintergrund einer erkenntnistheoretischen und humanwissenschaftlichen Argumentation eine grundlegende Kritik am 'linguistic turn' des transdisziplinären wissenschaftstheoretischen Diskurses im 20. Jahrhundert unternimmt.