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Die Einführung von Patient Blood Management (PBM) führt zu einem Paradigmenwechsel bezüglich Erkennen und Therapie der Anämie und zeigt Maßnahmen auf um die Entstehung einer Anämie zu verhindern. PBM unterstützt den Arzt im Entscheidungsdilemma zwischen positiver Wirkung und nachteiligen Nebenwirkungen von Bluttransfusionen. Mit PBM wird der Blutverbrauch deutlich reduziert und die Nebenwirkungen gesenkt. Nicht nur die therapeutischen Maßnahmen, sondern auch die diagnostischen PBM Maßnahmen im Labor führen zu einer relevanten Verringerung des Blutvolumens. PBM Studienergebnisse zeigen eine signifikant Reduktion der Morbidität und Mortalität und die Verbesserung des Patienten- Outcome. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist Schonung von Ressourcen in allen beteiligten Bereichen, welches zu einer relevanten Kostenreduktion und Steigerung der Wirtschaftlichkeit führt. Zusätzlich sensibilisiert das PBM bezüglich des Vorliegens, der Entwicklung und der Therapie einer anämischen Situation sowie den Umgang mit der kostbaren Ressource Blut. Die Bedeutung des PBM wird mittlerweile von der Industrie auch für das Labor unterstützt; für den Bereich POCT ist das PBM jedoch bisher noch nicht adäquat technisch realisiert.
Hintergrund: Die Aortenklappenstenose stellt in Europa und Nordamerika das häufigste Klappenvitium dar und ist vor allem auf eine degenerative Genese zurückzuführen. Da das Auftreten erster Symptome mit einer schlechten Prognose assoziiert ist, ist die transfemorale Aortenklappenimplantation mittels Katheter (TAVI) als minimalinvasive Therapie schon seit längerem eine Alternative zum operativen Ersatz der Aortenklappe und aktuelles Thema der Forschung. Zwar existiert eine Vielzahl an Transkatheterklappen und es werden fortlaufend neue Generationen entwickelt, allerdings liegt bislang noch keine Studie vor, die einen direkten Vergleich der intraannularen Portico-Prothese (Abbott) mit der ebenfalls selbstexpandierbaren, aber supraannularen, Symetis-Prothese (Boston Scientific) präsentiert.
Methoden: Es erfolgte eine retrospektive Analyse von 142 gematchten (nach Alter, BMI, NYHA-Klasse, EuroScore, insulinpflichtiger Diabetes Mellitus, arterielle Hypertonie, COPD, KHK, präinterventionelle eGFR, cAVK, Schlaganfall, TIA in der Vorgeschichte) Patienten je Klappenmodell im medianen Alter von 83 Jahren, die sich mit einer hochgradigen symptomatischen Aortenklappenstenose im Zeitraum vom 12.10.2015 bis zum 07.01.2020 einer transfemoralen TAVI im Universitätsklinikum in Frankfurt am Main unterzogen. Untersucht wurde als primärer Endpunkt die Gesamtmortalität nach 1 Jahr. Darüber hinaus wurden mittels multivariater Cox-Regression unabhängige Risikofaktoren identifiziert. Als sekundäre Endpunkte wurden Komplikationen innerhalb von 30 Tagen gemäß den Definitionen des Valve Academic Research Consortium (VARC) 2 gewählt wie die Implantationen neuer Schrittmacher, paravalvuläre Leckage, Gefäßkomplikationen und akutes Nierenversagen. Analysiert wurden außerdem prozedurale Faktoren, die Symptomatik anhand der NYHA-Klasse sowie einige Laborparameter vor und nach der TAVI.
Ergebnisse: In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die 1-Jahres-Mortalität mit der Portico-Prothese signifikant höher ist als mit der Symetis-Prothese (25,2% vs. 12,2%; p=0,011). Dabei gelten neben der Portico-Prothese eine reduzierte linksventrikuläre Funktion und die NYHA-Klassen III/IV gemäß multivariater Cox-Regressionsanalyse als unabhängige Risikofaktoren. Postinterventionell war in der Portico-Kohorte ein neuer Linksschenkelblock (34,5% vs. 23,2%; p=0,036), die Implantation neuer Schrittmacher (22,6% vs. 11,8%; p=0,011) sowie ein akutes Nierenversagen (25,5% vs. 12,8%; p=0,006) signifikant häufiger. Hinsichtlich prozedurbezogener Faktoren hat sich herausgestellt, dass mit der Symetis-Prothese häufiger nachdilatiert (41,5% vs. 25,3%; p=0,004), mit der Portico-Prothese hingegen häufiger vordilatiert (92,2% vs. 82,3%; p=0,012) wurde. Außerdem wurde in der Portico-Kohorte signifikant mehr Kontrastmittel eingesetzt und das Verfahren mit der Durchleuchtung dauerte signifikant länger. Echokardiographisch resultierte post TAVI mit der Symetis-Prothese eine signifikant andere bzw. günstigere Verteilung der Aortenklappeninsuffizienzgrade. Laborchemisch war der Wert für NT-proBNP als biochemischer Marker für eine Herzinsuffizienz signifikant höher als in der Symetis-Gruppe.
Schlussfolgerung: Diese Arbeit zeigte eine signifikant höhere Mortalität nach 1 Jahr mit der Portico-Prothese im direkten Vergleich mit der Symetis-Prothese. Außerdem ergab der Vergleich signifikant höhere Komplikationsraten in der Portico-Kohorte hinsichtlich Schrittmacherimplantationen, neuem Linksschenkelblock und akutem Nierenversagen. Weitere Studien sollten die beiden Prothesen im längerfristigen Verlauf vergleichend analysieren. Die Ergebnisse dieser Studie können zur Optimierung neuer Klappengenerationen beitragen, indem sie auf potenziell prognosebestimmende Aspekte des Designs und der Implantationstechnik aufmerksam machen. Außerdem sensibilisert die Studie für eine individuell für jeden Patienten angepasste Prothesenauswahl. Möglicherweise sollte bei Vorerkrankungen der Niere oder bei vorbekannten Herzleitungsstörungen die Symetis- gegenüber der Portico-Prothese vorgezogen werden.
Resistenzen gegenüber Carbapenemen sind eine Bedrohung für die globale Gesundheit mit wenigen verbleibenden Therapieoptionen. Ceftazidim/Avibavtam (CZA) ist die Kombination aus einem Cephalosporin und einem Diazabicyclooctan, mit der Eigenschaft eine Vielzahl von Carbapenemasen der Ambler Klasse A und D zu inhibieren. Resistenzen gegenüber Carbapenemen in gramnegativen Bakterien sind in Kolumbien und anderen Ländern Lateinamerikas weit verbreitet. In den hier vorgestellten Arbeiten wurden 2.235 Enterobakterien und 492 P. aeruginosa Isolate aus fünf Lateinamerikanischen Ländern auf ihre Empfindlichkeit gegenüber CZA und anderen klinisch verfügbaren Antibiotika untersucht. Die CZA-resistenten Isolate wurden mittels PCR und Genomsequenzierung auf die zugrundeliegenden Resistenzmechanismen hin analysiert. CZA zeigte Aktivitäten gegenüber 99,2% (2.217/2.235) aller untersuchten Enterobacterales und 77,8% (383/492) aller P. aeruginosa Isolate. Als plausible Erklärung für die Resistenz gegen CZA konnte mittels qPCR bei allen Enterobakterien und bei 38,5% (42/109) der P. aeruginosa Isolate ein Metallo-β-Laktamase (MBL)-kodierendes Gen nachgewiesen werden. Die verbleibenden P. aeruginosa Isolate wurden einer Genomsequenzierung unterzogen, dabei zeigten sich Mutationen in Genen, die zuvor mit einer verringerten Empfindlichkeit gegen CZA assoziiert wurden, wie z.B. Genen die mit der Überexpression von MexAB-OprM und AmpC (PDC) in Verbindung stehen, sowie Genen, die PoxB (blaOXA-50-like), FtsI (PBP3), DacB (PBP4) und OprD kodieren. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit von Therapieoptionen gegenüber MBL-produzierenden und anderen Carbapenem-resistenten Mikroorganismen. Des Weiteren sind diese Studien eine Momentaufnahme der Empfindlichkeit gegen CZA vor dessen Verfügbarkeit in Lateinamerika und dienen deswegen als Ausgangspunkt um die Entwicklung von Resistenzen in dieser Region zu verfolgen.
[ω- (3-Acetylpyridinio) -n-alkyl] adenosine pyrophosphates are coenzyme analogs of NAD⊕. The adenosine pyrophosphate moiety and the 3-acetylpyridine ring of the analogs are connected by n-alkyl chains of different lengths (ethyl -hexyl). The analogs form strong dissociating complexes with lactate dehydrogenase. The complex formation is predominantly achieved by interaction of the ADP moiety with its respective binding domain at the active site.
The redox potentials of the analogs and NAD are of similar magnitude. The coenzyme function of the analogs depends upon the length of the hydrocarbon chain. Lactate dehydrogenase and alcohol dehydrogenases from yeast and horse liver do not catalize hydrogen transfer from their substrates to any other alkyl analog but [4- (3-acetylpyridinio)-n-butyl] adenosine pyrophosphate, aldehyde dehydrogenase from horse liver catalizes hydrogen transfer from acetaldehyde to the pentyl derivative and glyceraldehyde-3-phosphate dehydrogenase catalizes hydrogen transfer to both analogs. In no case, hydrogen transfer from or to one of the 3-acetylpyridine-n-alkyl analogs proceeded with a velocity comparable to NAD or its 3-acetylpyridine analog. The results show that the nicotinamide bound ribose in NAD is involved in the binding and the activation of the coenzyme.
Hintergrund: Der Hypoparathyreoidismus (Hypopara) ist neben der Recurrensparese eine typische postoperative Komplikation nach Thyreoidektomie. Ziel dieser Arbeit soll die Prozessoptimierung des postoperativen Managements sein, um einen p.o. Hypopara frühzeitig zu erkennen und zu therapieren und somit die klinischen Symptome zu lindern oder zu vermeiden.
Methoden: Es wurden alle Patienten mit einer beidseitigen Schilddrüsenresektion eingeschlossen. Ausschlusskriterien waren simultane Nebenschilddrüsen- erkrankungen sowie fortgeschrittene Schilddrüsenmalignome mit geplantem Tumordebulking und/oder langem ITS-Aufenthalt. Postoperativ wurden Parathormon (EDTA) sowie Kalzium (Serum) bestimmt. Bei einem Parathormon (PTH) - Wert unter dem Referenzbereich (15,0-68,3 pg/ml) und/oder einer ausgeprägten Hypokalzämie mit einem Kalziumwert < 1,9 (Ref. 2,20-2,65 mmol/l) und/oder klinischen Zeichen wie Kribbelparästhesien oder Tetanie wurde Kalzium und Vitamin D mittels festem Schema verordnet. Die Symptombesserung wurde klinisch dokumentiert.
Ergebnisse: Am AGAPLESION Elisabethenstift gGmbH in Darmstadt wurden im Zeitraum zwischen Januar 2019 und Juni 2022 Schilddrüseneingriffe bei insgesamt 465 Patienten durchgeführt. Nach Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 193 Patienten mit Thyreoidektomie in die Auswertung einbezogen. Ein p.o. Hypopara wurde bei 51 Patienten (26,4 %) festgestellt. Bei 40 Patienten (20,7 %) traten Symptome auf (39x Kribbelparästhesie, 1xTetanie). Von den 51 Patienten lag bei 26 (51 %) ein nur leicht erniedrigter Kalziumwert am 1. p.o. Tag vor (zwischen 2,00 und 2,20 mmol/l), bei 10 Patienten (19,6 %) war der Kalziumwert im Normbereich (2,20-2,65 mmol/l). Im Vergleich dazu lag bei 6 von 51 Patienten (11,8 %) ein normwertiger PTH-Wert vor. Bei 20 Patienten (10,4 %) erfolgte intraoperativ eine Nebenschilddrüsen-Replantation in den ipsilateralen M. sternocleidomastoideus. Davon trat bei 8 Patienten (40 %) ein Hypopara auf. Bei 29 Patienten (15 %) wurde in der Histologie ein akzidentiell mitentferntes Epithelkörperchen nachgewiesen. Davon trat bei 13 Patienten (44,8 %) ein Hypopara auf. Die mittlere Zeit nach OP zur PTH-Bestimmung lag bei 2,41 Tagen. Die mittlere Aufenthaltsdauer der Patienten mit Hypopara betrug 3,86 Tage (± 2,272), die der restlichen Patienten betrug 2,69 Tage (± 1,759), p < 0,001.
Schlussfolgerungen: Die PTH-Bestimmung ist neben der klinischen Visite essentiell zur Früherkennung eines p.o. Hypopara. Eine mehrtägige Kalziumbestimmung ist damit nicht zwingend erforderlich, sodass die Verweildauer verkürzt werden kann. Das verordnete Schema zur oralen Substitution von Kalzium und Vitamin D ist auch ambulant fortführbar. Die Replantation einer nicht erhaltbaren NSD hat bei 60 % einen Hypopara verhindert. Die gezielte Darstellung und Erhalt der NSD sollte bei jedem Eingriff eingehalten werden. Insgesamt zeigt diese Arbeit den höheren Stellenwert des postoperativen PTH-Wertes sowie der klinischen Zeichen als das Serumkalzium zur Erkennung und Therapie des Hypopara nach Thyreoidektomie.
Zielsetzung der vorliegenden Dissertation war die Validierung einer deutschsprachigen Version, der bereits für andere Sprachen validierten Repetitiven Verhaltensskala – Revidiert (RBS-R) für Kinder- und Jugendliche im Alter zwischen 4-17 Jahren. Die RBS-R ist ein aus 43 Items bestehendes, gut untersuchtes Screeninginstrument, welches restriktives, repetitives Verhalten (RRV) erfasst. RRV stellen einen heterogenen Symptomkomplex dar, welcher durch stereotype motorische, sprachliche und kognitive Verhaltensmuster gekennzeichnet ist.
RRV sind neben Abweichungen sozialer Interaktion und Kommunikation eines der Hauptkriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS). RRV sind jedoch nicht nur Teil des Symptomspektrums einer ASS, sondern treten häufig auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen (PE), einer Intelligenzminderung (IM) oder bei altersentsprechend entwickelten Kindern (AE), beispielsweise in bestimmten Phasen des Heranwachsens auf. Bisher wurde die RBS-R fast ausschließlich an ASS untersucht. Es besteht die Notwendigkeit für ein valides und zuverlässiges Messinstrument für den deutschen Sprachraum, welches RRV hinsichtlich ihrer Heterogenität transdiagnostisch erfassen und den Schweregrad der Ausprägung ermitteln kann. Das Ziel dieser Arbeit war, dies durch eine möglichst große und heterogene Stichprobe (n= 948) mit Inklusion von Probanden mit einer ASS (n= 218), IM (n= 120), PE (n= 166) und AE (n = 444) zu gewährleisten. Zur Überprüfung der psychometrischen Eignung erfolgte nach der Adaptation der RBS-R für den deutschen Sprachraum eine Evaluation gemäß den Prinzipien der klassischen Testtheorie, insbesondere hinsichtlich Validität und Reliabilität. Darüber hinaus erfolgte unter Einbeziehung der vier Stichproben eine explorative Faktoranalyse (EFA) um eine geeignete Faktorlösung zu finden. Diese sollte sowohl den Anspruch Klinisch-Tätiger als auch Forschender erfüllen und eine Anwendung der RBS-R auch außerhalb von ASS ermöglichen. Zudem sollten RRV in den unterschiedlichen Kohorten, sowie in Bezug auf Alters- und Geschlechtseffekte bei ASS untersucht werden.
Die Bedeutung der Ergebnisse dieser Arbeit ist, ob der schon breit erforschten Eigenschaften der RBS-R, vor allem im Kontext mit den vorliegenden Studien zu betrachten. Einzigartig für diese deutschsprachige Validierung der RBS-R ist die Diversität und große Anzahl der teilnehmenden Probanden.
Die vorliegende Validierung der RBS-R erbrachte gute Ergebnisse für die Reliabilität und konvergente Validität der Skalen, vergleichbar mit den Ergebnissen vorheriger Studien. Die untersuchte Itemschwierigkeit war relativ gering, was durch die geringe Antwortvarianz in der großen Kohorte der AE erklärbar ist. Die Itemgesamtkorrelation zeigte gute Werte. Auch Items mit niedrigen Ergebnissen für die Itemzustimmung wurden nicht exkludiert. Dies geschah konkordant zum Vorgehen vorheriger Studien und hatte den Hintergrund, eine internationale Vergleichbarkeit des RBS-R beizubehalten. Die EFA bestätigte die gute Anwendbarkeit einer Vielzahl von Faktorlösungen. Wir legten eine 4-Faktorlösung für die deutschsprachige Version der RBS-R fest. Grundlage hierfür war das Bestreben die ursprünglichen Subskalen für eine internationale Vergleichbarkeit so getreu wie möglich beizubehalten. Die 4 Faktoren bildeten treffend RRV niedriger und hoher Ordnung ab. Gegen eine 5- oder 6-Faktorlösung sprach hierbei, dass dies zu Subskalen mit wenig Items und schwachen psychometrischen Eigenschaften führte (Lam et al, kritisiert durch Georgiades et al). Gegen eine 2- oder 3-Faktorlösung sprach die eingeschränkte klinische Interpretierbarkeit durch Subskalen mit vielen kumulierten Items. Hinsichtlich der Kohortenzugehörigkeit kann der RBS-R übereinstimmend mit Fulceri et al valide zwischen RRV in ASS und AE unterscheiden. Eine valide Unterscheidung zwischen ASS, PE und IM konnten wir nicht verifizieren. Betreffend der untersuchten Alterseffekts bestätigte sich, dass RRV bei ASS mit dem Alter abnehmen. Im Gegensatz zu einigen vorherigen Studien, welche keinen Geschlechtsunterschied bezüglich RRV bei ASS fanden, zeigten die männlichen Probanden der ASS Kohorte bei uns häufiger und ausgeprägter RRV.
Das schnelle und unkontrollierte Wachstum von Tumorzellen bedingt beim Glioblastom ein heterogenes Tumormikromilieu, mit lokalem Sauerstoff- und Nährstoffmangel. Lokaler Selektionsdruck bedingt eine Evolution besonders anpassungsfähiger Klone. Die integrierte Stressantwort (integrated stress response, ISR) ist ein zelluläres Programm, das durch zahlreiche Stressoren, wie endoplasmatische Retikulum Stress (ER-Stress), durch die Akkumulation ungefalteter Proteine, Hypoxie, Glukose- oder Aminosäuremangel aktiviert wird. Ein zentraler Schritt zur Aktivierung der ISR ist die Phosphorylierung der alpha Untereinheit des eukaryotischen Translationsinitiationsfaktors 2 (eIF2α) an Serin 51. Die Phosphorylierung von eIF2α führt zur Modulation der Translation mit Induktion des Transkriptionsfaktors ATF4 (Activating Transcription Factor 4), der dann zelluläre Anpassungsvorgänge einleitet.
Unsere Hypothese lautete, dass ATF4-vermittelte molekulare Anpassungsmechanismen menschlicher Glioblastom (GB)-Zellen an die Bedingungen der Tumormikroumgebung (wie z.B. Hypoxie und Nährstoffentzug) maßgeblich zur Therapieresistenz beitragen und auch die Empfindlichkeit gegen TMZ-Chemotherapie beeinflussen. Somit könnte eine Inhibition der integrierten Stressantwort über den zentralen Mediator ATF4 zu einem gesteigerten Ansprechen auf Therapiebedingungen führen.
Um die ISR und ATF4 als mögliche therapeutische Angriffspunkte im Glioblastom zu evaluieren, wurde die ATF4 Induktion in Glioblastomzellen pharmakologisch und genetisch moduliert und im Zusammenhang mit TMZ-Behandlung sowie Glukose- und Sauerstoffentzug untersucht. Unter Glutaminentzug, Hypoxie und TMZ-Behandlung, welche Aspekte der GB-Mikroumgebung widerspiegeln, zeigten sich erhöhte ATF4 Proteinspiegel. ATF4-gensupprimierte GB-Zellen (ATF4sh) exprimierten unter gleicher Behandlung wesentlich weniger ATF4.
Im Einklang mit der Hypothese, dass ATF4 zur Therapieresistenz humaner Glioblastomzellen beiträgt, waren ATF4-gensupprimierte GB-Zellen (ATF4sh) im Vergleich zur Kontrollzelllinie empfindlicher gegen Hypoxie-induzierten Zelltod und zeigten einen erhöhten Sauerstoffverbrauch. Umgekehrt zeigten GB-Zellen nach pharmakologischer ISR Induktion einen verminderten Sauerstoffverbrauch. Auch nach Behandlung mit TMZ war die Überlebensrate in ATF4sh Zellen im Vergleich zur Kontrollgruppe geringer. Zur Hemmung der ISR wurden verschiedenen Inhibitoren der Kinase PERK (Protein kinase R-like endoplasmic reticulum kinase) entwickelt. In unseren Untersuchungen war nach der Behandlung der GB-Zelllinien eine verminderte ATF4 Expression festzustellen. Dabei kam es allerdings gleichzeitig bei der Behandlung mit höheren Inhibitorkonzentrationen zu einer Induktion von ATF4. Für den PERK-Inhibitor GSK 414 wurde in der Literatur auch die Hemmung anderer Kinasen wie KIT und RIPK1 gezeigt. Daher konnte bei den Konzentrationen, die für eine vollständige PERK-Inhibition erforderlich waren, keine selektive Hemmung von PERK mehr gewährleistet werden. Besonders aufgrund ihrer Toxizität auf die Funktion des Pankreas eignen sich diese Inhibitoren nicht für eine in vivo Erprobung. Da aber durch die Inhibition der ISR eine neuroprotektive Wirkung beschrieben ist, besteht die Notwendigkeit, weitere Inhibitoren zur Hemmung der ISR zu entwickeln. ISRIB (Integrated Stress Response Inhibitor) ist ein partieller ISR Inhibitor, der eIF2B angreift, was als Guanidin-Nukleotid-Austauschfaktor im Translationsinitiationsprozess benötigt wird. Für ISRIB wurde bereits in vitro und in vivo eine neuroprotektive, aber keine toxische Wirkung beschrieben.
Zusammenfassend lieferten unsere Untersuchungen Hinweise auf die wichtige Rolle von ATF4 für die Anpassung humaner GB-Zellen an Bedingungen der Tumormikroumgebung und für die Entstehung von TMZ-Resistenzen. Die Hemmung der ISR in GB-Zellen könnte daher ein vielversprechender Therapieansatz sein.
Langzeitüberleben und Mortalitätsprädiktoren nach perkutanem
kathetergestütztem Aortenklappenersatz
(2022)
Ziel dieser Studie war die Evaluation von Patienten, die eine transfemorale oder eine transapikale TAVI erhalten haben, in Bezug auf ihre Mortalitätsprädiktoren und ihre Langzeit-Mortalität.
Methoden: Untersucht wurden Patienten mit einer minimalen FU-Zeit von sechs Jahren, welche im Zeitraum von 2006 – 2014 eine TAVI im Herzkatheterlabor des Universitätsklinikums in Frankfurt erhalten haben. Das Patientenkollektiv wurde basierend auf dem Zugangsweg (transfemoral oder transapikal) analysiert.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 679 Patienten in die Studie eingeschlossen. 408 Patienten (59,82 %) bekamen eine transfemorale TAVI und 271 Patienten (39,74 %) bekamen eine transapikale TAVI. Der durchschnittliche STS-Score betrug in der transfemoralen Gruppe 4,21 ± 2,4 % und in der transapikalen Gruppe 4,19 ± 2,7 %. Die Mortalität war nach 30 Tagen (15,8 % transapikal versus 8,2 % transfemoral, p = 0,00) sowie im Langzeit-FU (79,5 % transapikal versus 68,3 % transfemoral, p = 0,00) signifikant höher in der transapikalen Gruppe. Viele postinterventionelle Komplikationen waren häufiger in der transfemoralen Gruppe. Postinterventionelle Schrittmacherimplantationen (15,7 % versus 4,1 %, p = 0,00), große und kleine vaskuläre Komplikationen (5,1 % versus 1,1 %, p = 0,01) sowie große und kleine zerebrovaskuläre Insulte (31,8 % versus 9,1 %, p = 0,00) kamen in der transfemoralen Gruppe signifikant häufiger vor. Allerdings war der transfemorale Zugangsweg mit einer besseren Überlebensrate assoziiert (Log Rank Test p = 0,01 und HR 1,33 (1,04 – 1,71), p = 0,03). Patienten mit einem hohen STS-Score (HR 1,09 (1,03 – 1,15), p = 0,00), einem vorbestehenden Diabetes Mellitus (HR 0,75 (0,58 – 0,97), p = 0,03) sowie großen Gefäßkomplikationen (HR 0,60 (0,37 – 0,99), p = 0,04) korrelieren mit einem schlechteren Langzeit-Überleben.
Zusammenfassung: Für den kathetergestützten Aortenklappenersatz weisen beide Zugangswege spezifische Risiken auf, daher sollte die individuell beste Variante für jeden Patienten ausgewählt werden.
Untersuchung zur Sicherheit bei der simultan bilateralen Cochlea-Implantation bei Erwachsenen
(2023)
Schwerhörigkeit ist sowohl für die betroffenen Patienten als auch sozioökonomisch eine relevante Erkrankung. Sie stellt ein Hindernis für die soziale Teilhabe dar, reduziert die Lebensqualität und führt zu direkten und indirekten Gesundheitskosten.
Cochlea-Implantate sind vielkanalige Neuroprothesen, die über einen chirurgisch in die Hörschnecke eingebrachten Elektrodenträger das erste Neuron der Hörbahn direkt elektrisch stimulieren und so eine Hörwahrnehmung induzieren.
Dadurch kann ein Funktionsverlust der Haarzellen, welcher die häufigste Ursache für eine Schwerhörigkeit ist, ersetzt werden. Cochlea-Implantate stellen den Goldstandard der Hörrehabilitation bei hochgradig schwerhörigen oder postlingual ertaubten erwachsenen Patienten sowie in der Versorgung prälingual ertaubter Kinder dar.
Bei vielen schwerhörigen Patienten besteht die Indikation zur beidseitigen Versorgung mit einem Cochlea-Implantat. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, diese chirurgische Versorgung beidseits einzeitig (simultan) oder zweizeitig (sequenziell) durchzuführen. Während die Sicherheit der bilateral-simultanen Operation für Kinder durch mehrere Studien belegt wurde, liegen für Erwachsene erst wenige Daten vor.
Die vorliegende Studie untersucht, ob die bilaterale simultane Implantation mit höheren Komplikationsraten als die sequenzielle Operation assoziiert ist und leistet damit einen Beitrag zur Entscheidungsfindung von Patienten und Behandlern.
Es konnten 169 zwischen 2008 und 2017 bilateral implantierte Patienten eingeschlossen werden. Davon wurden 34 simultan (Gruppe 1) und 135 (Gruppe 2) sequenziell versorgt. Es wurde die Dauer der Operation, das Auftreten von Minor- und Major-Komplikationen sowie die Dauer des stationären Aufenthalts erfasst und zwischen beiden Gruppen verglichen.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Gesamtzeit der Patienten im Operationssaal in der simultan implantierten Gruppe deutlich kürzer war. Die Häufigkeit chirurgischer Major- und Minor-Komplikationen unterschied sich hingegen nicht signifikant. Bezüglich einer letalen nicht-chirurgischen Komplikation in der simultan implantierten Gruppe erfolgte eine umfangreiche Aufarbeitung, ohne dass ein kausaler Zusammenhang mit der gewählten Behandlungsmethode nachgewiesen werden konnte. Die Dauer des Krankenhausaufenthalts war in der simultanen Gruppe 0,7 Tage länger als bei unilateraler Implantation, aber 2,8 Tage kürzer als bei beiden sequenziellen Operation zusammen.
In der Zusammenschau aller berücksichtigten Komplikationen und der komplikationsrelevanten Faktoren ist die Sicherheit der simultan bilateralen Operation gegenüber dem sequenziellen Vorgehen als gleichwertig zu bewerten.
Jedoch muss individuell auf mögliche Risikokonstellationen des Patienten eingegangen werden, die bei der längeren Operationszeit der simultanen Implantation relevant sein kann. Daher ist eine sorgfältige Auswahl der Patienten
unter besonderer Berücksichtigung bestehender Komorbiditäten unerlässlich.
Menschen mit Epilepsie (engl. PWE) haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko, vorzeitig zu versterben. Der plötzliche, unerwartete Tod bei Epilepsie (engl. Sudden Unexpected Death in Epilepsy, kurz SUDEP) stellt die häufigste epilepsiebedingte Todesursache dar. Obwohl das Thema in Fachkreisen zunehmende Aufmerksamkeit erfährt, die Empfehlung zur SUDEP Aufklärung zunehmend in nationalen Leitlinien aufgenommen wird, und der Patientenwunsch nach einer generellen SUDEP Aufklärung in verschiedenen Studien gezeigt werden konnte, besteht weiterhin ein Informationsdefizit unter PWE. Ursache hierfür scheint insbesondere die Sorge der behandelnden Neurolog*innen zu sein, Menschen mit Epilepsie übermäßig emotional zu belasten und ihre Lebensqualität zu mindern. Diese Studie untersucht sowohl das Vorwissen über SUDEP als auch unmittelbare sowie langfristige Auswirkungen einer SUDEP Aufklärung auf Erwachsene mit Epilepsie. Ziel ist mögliche negative Auswirkungen der Aufklärung sowie Auswirkungen auf das Verhalten aufzudecken. Aus diesem Zweck wählten wir ein prospektives, multizentrisches, longitudinales Studiendesign. Die Daten wurden in halbquantitativen Interviews vor (vor der Aufklärung), unmittelbar nach (nach der Aufklärung) und drei Monate nach (3-Monats Follow-up) der SUDEP Aufklärung erhoben. Um die direkte Vergleichbarkeit zwischen den Zeitpunkten zu ermöglichen wurden folgende validierte Instrumente verwendet: das Neurological Disorders Depression Inventory for Epilepsy (NDDI-E) zur Erfassung depressiver Symptome, der EuroQoL (EQ-5D) zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL), eine visuelle Analogskala (VAS) zur Erfassung des allgemeinen Gesundheitszustandes, die revised Epilepsy Stigma Scale (rESS) zur Erfassung der wahrgenommenen Stigmatisierung und die Seizure Worry Scale zur Erfassung anfallsbezogener Sorgen. Insgesamt wurden 236 Teilnehmende (Durchschnittsalter: 39,3 Jahre, Spannweite: 18-77 Jahre, 51,7 % Frauen) in die Studie eingeschlossen. 205 (86,9 %) der Teilnehmenden konnten erneut im Langzeit Follow-up nach drei Monaten befragt werden. Eine der Teilnehmenden verstarb im Zeitraum des Follow-ups an SUDEP. Keines der validierten Instrumente zeigte zwischen den Zeitpunkten vor der Aufklärung und dem 3-Monats Follow-up eine Verschlechterung. Vor der Aufklärung hatten nur 27,5 % der Teilnehmenden von SUDEP gehört, und nur 9,3 % gaben an, diese Informationen von ihrer bzw. ihrem Neurolog*in erhalten zu haben. Nach der Aufklärung gaben mehr als 85 % der Teilnehmenden an, mit der SUDEP Aufklärung zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Drei Viertel der Teilnehmenden gaben an, durch die Aufklärung nicht oder überhaupt nicht belastet zu sein. Mehr als 80 % der Teilnehmenden befürworteten eine generelle SUDEP Aufklärung für alle Menschen mit Epilepsie. Bei dem 3-Monats Follow-up gab die Mehrheit der Teilnehmenden an, keine Verhaltensänderung vorgenommen zu haben, 24,8 % berichteten jedoch von starken Verhaltensänderungen.
Unsere Studie zeigt, dass eine SUDEP Aufklärung keine negativen Auswirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand, die HRQoL, depressive Symptome, krankheitsbezogene Stigmatisierung oder Sorgen vor Anfällen hat. Insgesamt zeigte sich eine hohe Zustimmung zur SUDEP Aufklärung. Eine generelle SUDEP Aufklärung könnte sich zudem positiv auf die Compliance auswirken und das Mortalitätsrisiko senken. Eine SUDEP Aufklärung bietet allerdings keinen sicheren Schutz vor SUDEP.
Herz- und Lungenkrankheiten sind weltweit die häufigsten Todesursachen.
Das Cardio-Pulmonary Institute (CPI) besteht aus grundlagenorientierten, klinischen und translationalen Forscher*innen und Expert*innen, die sich zusammengeschlossen haben, um Herz- und Lungenerkrankungen zu verstehen und neue Therapieansätze zu finden. Das Konsortium der Universitäten Frankfurt (GU) und Gießen (JLU) sowie des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung (MPIHLR) wird im Rahmen der Exzellenzstrategie der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Hintergrund: Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV‑2 im Jahr 2020 brachten den Trainings- und Wettkampfbetrieb im professionellen Fußball in vielen Ländern zum zeitweiligen Erliegen. In Folge des Lockdowns waren die Trainingsmöglichkeiten zumeist auf unspezifische heimbasierte Trainingsmethoden begrenzt. Es ist unklar, ob sich die fehlenden sportspezifischen Belastungsreize negativ auf die physische Leistungsfähigkeit der Fußballspielenden auswirkten.
Methodik: Im Rahmen eines narrativen Reviews wurde mittels einer selektiven Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, Google Scholar und BISp-Surf nach Studien gesucht, welche die Auswirkungen des Lockdowns auf physische Leistungsparameter bei erwachsenen professionellen Fußballspielenden untersuchten.
Ergebnisse: In die Übersichtsarbeit wurden sechs prospektive Längsschnittstudien eingeschlossen. In allen Studien kam während der Quarantäne ein heimbasiertes Ersatztraining zum Einsatz. Vier Studien verglichen die Leistungsfähigkeit der Fußballer/-innen mit Leistungsdaten aus vorherigen Spielzeiten. Zwei Studien ermittelten die Leistungsfähigkeit der Sportler/-innen unmittelbar vor und nach der Lockdownperiode.
Diskussion: Während die allgemeine Kraft- und Ausdauerleistung durch heimbasierte Ersatztrainingsprogramme erhalten werden kann, weisen die Studien darauf hin, dass sich die fehlenden spezifischen Belastungsreize vor allem negativ auf die Schnelligkeits- und Schnellkraftleistung der Fußballspielenden auswirken könnten. Bei Rückkehr in den regulären Trainingsbetrieb sollte daher auf eine progressive Belastungssteuerung insbesondere im Schnelligkeitstraining geachtet werden, um das Risiko für Verletzungen zu senken.
Die rechtsmedizinische Begutachtung von Knochenfunden : eine hessenweite retrospektive Studie
(2023)
Einleitung: Zufällige Funde von Knochen(fragmenten) können von großem Interesse für z. B. Strafverfolgungs- und Denkmalbehörden oder Bauträger sein. Zur Beurteilung einer etwaigen strafrechtlichen oder historischen Relevanz tragen forensisch-osteologische Untersuchungen in einem hohen Maße bei. Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick über die forensisch-osteologische Arbeit der beiden hessischen Institute für Rechtsmedizin geben und durch die Interpretation der Ergebnisse im (inter-)nationalen Vergleich regionale Besonderheiten und die Rolle der Rechtsmedizin bei der Begutachtung aufzeigen. Der daraus entstandene Erkenntnisgewinn soll ein Problembewusstsein schaffen sowie Fallarbeit und Lehre verbessern.
Material und Methoden: Zunächst wurden für den Zeitraum von 2005 bis 2019 die im Institut für Rechtsmedizin Gießen archivierten osteologischen Gutachten deskriptiv statistisch ausgewertet. Es wurden Daten zu Fundort, -umständen, Humanspezifität, postmortalem Intervall, Spuren von Gewalt und die Ergebnisse weiterführender Untersuchungen erhoben.
In einer zweiten Studie wurde die Auswertung auf archivierte forensisch- osteologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Frankfurt am Main ausgeweitet und der Auswertungszeitraum auf die Jahre 2011 bis einschließlich 2020 angepasst, um eine hessenweite Datengrundlage zu generieren.
Ergebnisse: In der ersten Studie wurden von den in dem 15-Jahres-Zeitraum begutachteten 172 Knochenfunden aus dem Institut für Rechtsmedizin Gießen 40 % in Wald- und Wiesengebieten aufgefunden. In 58 % enthielten die Funde menschliche Knochen, davon wurde in 32 % eine forensisch relevante Liegezeit von 50 Jahren oder weniger nicht ausgeschlossen, und 6% wiesen Zeichen perimortaler Gewalteinwirkung auf. Bei den Fällen, in denen eine Humanspezifität ausgeschlossen wurde, handelte es sich am häufigsten um Knochen von Hirsch bzw. Reh (32 %), Schwein (29 %) und Rind (14 %). In 20 % aller Fälle wurden
ergänzende DNA-Untersuchungen durchgeführt; in 62 % verlief die Typisierung humaner STR-Systeme erfolgreich und davon gelang in 41 % die Zuordnung zu einem antemortalen Profil einer vermissten Person.
In der zweiten, hessenweiten Studie, wurden 288 Knochenfunde eines 10-Jahres-Zeitraums ausgewertet. Mit 38,2 % wurden die meisten Funde in Wäldern, Wiesen und großen Parks getätigt. In 50,7 % der Fälle enthielten die Funde menschliche Knochen, davon wurde in 37,0 % eine forensisch relevante Liegezeit angenommen. Zeichen einer Gewalteinwirkung wurden in 77,4 % der Fälle mit menschlichen Knochen beschrieben, dabei handelte es sich mit 78,8 % am häufigsten um postmortale Beschädigungen, in 9,7 % um perimortale und in 11,5 % um antemortale Verletzungen. In 40,4 % der als human klassifizierten Knochenfunde wurden DNA-Untersuchungen durchgeführt. Dabei konnte in 81,3 % ein STR-Profil erstellt werden, das in 35,4% zu einer sicheren Identifizierung führte. Bei den zur Untersuchung überstellten nicht-menschlichen Knochen handelte es sich am häufigsten um Knochen vom Schwein (23,4 %), Hirsch (18,1 %), Rind (16,4 %), Reh (11,7 %) und Schaf (11,7 %).
Diskussion: Die Begutachtung von Knochen und Knochenfragmenten ist ein fester Bestandteil der rechtsmedizinischen Fallarbeit und zwingend erforderlich, um Fälle von forensischem Interesse zu identifizieren. Die makroskopische Befundung durch einen geschulten Untersucher erlaubt in der Regel bereits, Aussagen über die forensische Relevanz eines Fundes zu treffen und so die Weichen für das weitere Vorgehen zu stellen. Hilfreich bei der makroskopischen Beurteilung ist eine gute Kenntnis der regionalen Besonderheiten in dem Gebiet, in dem die Knochen gefunden wurden. Die makroskopische forensisch-osteologische Begutachtung stellt trotz der sich ständig weiterentwickelnden technischen Möglichkeiten ein unverzichtbares Werkzeug in der Bearbeitung von Knochenfunden dar. In Deutschland ist es Aufgabe der Rechtsmedizin, diese Expertise zu pflegen und vorzuhalten, mit dem Ziel, zur Aufklärung von Vermisstenfällen beizutragen und unentdeckte nichtnatürliche Todesfälle aufzuklären.
Einleitung: Die Bronchiolitis obliterans ist eine seltene Lungenerkrankung unterschiedlicher Ätiologie, die mit einer chronischen Entzündung der kleinen Atemwege einhergeht. Mit der Identifizierung von Kandidaten-miRNA sollen Biomarker evaluiert werden, die in der Diagnostik der postinfektiösen Bronchiolitis obliterans (PIBO) herangezogen werden sowie in Zukunft eine mögliche Therapieoption darstellen können.
Material und Methoden: 19 Patientinnen und Patienten mit PIBO sowie 18 gesunde Kontrollen wurden in die Studie eingeschlossen. Nach Komplettsequenzierung wurden die miRNA-Profile der Patienten mit den Profilen der alters- und geschlechtsadaptierten gesunden Kontrollgruppe verglichen. Als Nebenzielgrößen wurden die Lungenfunktion und Sputum-Biomarker erfasst.
Ergebnisse: Die Patientenkohorte wies signifikant niedrigere Werte in der Lungenfunktionsdiagnostik (Patienten, Median: FVC (%) 76,3***, FEV1 (%) 59,8***, FEV1/FVC 0,68***, FEF75 (%) 25,1***, *p<0,05, **p<0,01, ***p<0,001) sowie eine signifikante Erhöhung der neutrophilen Granulozyten und der proinflammatorischen Zytokine IL-1β, IL-6 und IL-8 in der Sputumanalyse auf (Patienten, Median: Neutrophile (%) 82,5***, IL-1β (pg/ml) 1453,0**, IL-6 (pg/ml) 825,6**, IL-8 (pg/ml) 35368,0***). Die Analyse der miRNA-Expression ergab insgesamt 40 unterschiedlich regulierte miRNAs (padj ≤ 0,05). 22 miRNAs waren in der Patientenkohorte vermehrt exprimiert, 18 miRNAs waren vermindert exprimiert. Die vier miRNAs mit pbonf < 0,05 wurden in der weiteren Analyse berücksichtigt. Die miRNAs hsa-let-7b-3p und hsa-miR-146a-3p waren signifikant vermehrt exprimiert, wohingegen die miRNAs hsa-miR-1287-5p und hsa-miR-27b-3p signifikant vermindert exprimiert waren. Die identifizierten miRNAs spielen unter anderem eine Rolle im TGF-β- und Hippo-Signalweg.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass das miRNA-Expressionsmuster bei Patienten, die an postinfektiöser Bronchiolitis obliterans erkrankt sind, alteriert ist. Die identifizierten miRNAs sind relevante Biomarker und können als potentielle Ziele von miRNA-Therapeutika in Betracht gezogen werden.
Hintergrund und Ziel: Lebenslimitierend erkrankte Kinder und Jugendliche mit komplexem Symptomgeschehen haben Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). In der Richtlinie zur SAPV heißt es lediglich: „Den besonderen Belangen von Kindern und Jugendlichen ist Rechnung zu tragen.“ Das Ziel der Studie ist es deshalb, diese besonderen Belange zu identifizieren und Empfehlungen zur Überarbeitung der SAPV-Richtlinie zu formulieren.
Methoden: Sequenzielles Mixed-Methods-Design mit Fragebogenerhebungen, qualitativen Interviews, teilnehmenden Beobachtungen und Fokusgruppendiskussionen mit Angehörigen, Patient*innen und Leistungserbringer*innen der SAPV in Hessen sowie der Auswertung von Dokumentationsdaten der hessischen SAPV-Teams.
Ergebnisse: Kinder und Jugendliche in der SAPV leiden an komplexen, oftmals seltenen Erkrankungen und bedürfen einer besonders aufwendigen Palliativversorgung durch ein Team mit pädiatrischer Expertise. Die SAPV muss die gesamte Familie einbeziehen und oftmals überregional verteilte Versorger*innen koordinieren. Zudem ist eine besonders aufwendige psychosoziale Versorgung von Patient*innen und Angehörigen notwendig. Die SAPV für Kinder und Jugendliche ist weniger bekannt als die SAPV für Erwachsene und der Zugang für die Familien deshalb oft schwierig. Für lebenslimitierend erkrankte Kinder und Jugendliche, die zwar einer aufsuchenden Palliativversorgung bedürfen, jedoch keinen Bedarf an einer so intensiven Betreuung wie in der SAPV haben, besteht eine Versorgungslücke.
Fazit: Die SAPV von Kindern und Jugendlichen sowie von volljährigen Patient*innen, die seit dem Kindes- und Jugendalter erkrankt sind, bedarf einer eigenständigen Versorgungsform mit Vergütungsmodalitäten, die den besonderen Versorgungsbedarf und -aufwand abbilden.
Einleitung: Im Jahr 2016 wurde eine neue, individuelle Lehrform, das „Lernzentrum für ein individualisiertes medizinisches Tätigkeitstraining und Entwicklung“ („Limette“), an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster entwickelt. Das Ziel dieser Lernform ist und war es, nicht nur die theoretische Lehre, sondern vor allem die praktische Lehre und praktische Szenarien in einem geschütztem Lernumfeld in der medizinischen Lehrdidaktik in den Vordergrund zu stellen.
Die Studierenden nehmen an verschiedenen Fächern der Limette teil. In dieser Promotionsarbeit liegt der Fokus auf der Limette Patient Blood Management (PBM) und Transfusionsmedizin.
Vor Kursbeginn wird den Studierenden Zugang zu verschiedenen Vorbereitungsvideos sowie weiteren theoretischen Materialien über PBM und Transfusionsmedizin zur Verfügung gestellt. Bei der Limette durchläuft jeder Studierende sechs verschiedene Stationen. Hierbei beobachten Dozenten die Fertigkeiten und die Umsetzung der Aufgabenlösung durch halbverspiegelte Scheiben, im Umgang mit echten Blutprodukten oder die Kommunikation mit Patienten, die von Schauspielern dargestellt werden. Die Beobachtungen werden den Dozenten des Seminars, welches im Anschluss zur Nachbesprechung stattfindet, mitgeteilt. Hier teilen die Studierenden untereinander ihr Wissen, können den Dozenten Fragen stellen und werden ihnen weitere theoretisch-praktische Kenntnisse vermittelt.
Ziel der Arbeit: Die Promotionsarbeit hat die Auswertung der Selbsteinschätzungsbögen vor und nach der Limette mit anschließender Interpretation der Ergebnisse zum Ziel. Es soll eruiert werden, ob diese neue Lehrmethodik effektiv in der Umsetzung des Lehrerfolgs ist.
Methodik: Die Selbsteinschätzungsbögen hinsichtlich medizinischer Fertigkeiten und Tätigkeiten werden vor und nach der Limette von den Studierenden ausgefüllt. Die Aufgabenstellungen fokussieren sich jeweils auf medizinische Tätigkeiten, bei denen aus 13 verschiedenen Entrustable Professional Activities (EPAs) diejenigen hinterlegt werden, die bei dieser Aufgabe gelehrt werden. Die Differenz von post- zu prä- Selbsteinschätzung zeigt den Lehrerfolg. Die EPAs werden alle analysiert und mit Hilfe der sogenannten Cohen-Zahl interpretiert. Die Cohen Zahl ist definiert als die Differenz zwischen den Mittelwerten zweier Gruppen dividiert durch die gemeinsame Standardabweichung der beiden Populationen. Nach dem Autor Hattie wurde die Skalierung von Cohen für die Lehre angepasst und dabei folgende Einteilung definiert: d = 0,2 (klein), d = 0,4 (mittel) und d = 0,6 (groß). Alle Methoden mit d > 0,4 wurden als „Zone der gewünschten Effekte“ eingestuft.
Ergebnisse: Im Wintersemester 2021/2022 nahmen n=122 Studierende teil, von welchen n=50 beide Fragebögen komplettierten. Eine signifikante Zahl der dargestellten EPAs (50%) hat gute Ergebnisse erzielt, weist mithin einen Cohen´s Wert von d > 0,40 auf. Im Sommersemester 2022 nahmen n=99 Studierende teil, wobei nur n=29 beide Selbsterhebungsbögen komplettierten. Aufgrund des niedrigen Rücklaufs war die Zahl der ausgefüllten Selbsteinschätzungsbögen deutlich geringer und zugleich die Ergebnisse geringer ausgeprägt. In jenem Semester weist die Mehrheit der Ergebnisse einen Cohen´s d-Wert zwischen 0,15 und 0,4 auf, was als durchschnittlicher Lehrerfolg beurteilt wird.
Schlussfolgerung: Die Lehrform der Limette ist eine neue Form der praktischen Lehrvermittlung, die kontinuierlichen Anpassungen unterliegt. Eine hohe Zahl an ausgefüllten Selbsteinschätzungsbögen ist erstrebenswert, um den Lehrerfolg positiv und statistisch signifikant interpretieren zu können. Hierbei ist es nötig, die Lehre in der Limette auszuwerten und gegebenenfalls weitere Anpassungen durchzuführen.
Die Limette ist eine neue Lehrmethode mit einem guten Lehrerfolg hinsichtlich der Vermittlung praktischer Fähigkeiten und sozialer Kompetenz, welche auch an anderen Institutionen angewandt und umgesetzt werden könnte.
Einleitung: Die stereotaktische Laserthermoablation (SLTA) stellt eine minimal-invasive Behandlung für therapierefraktäre Epilepsien auf dem Boden eines hypothalamischen Hamartoms (HH) dar. Durch die weitreichenden Folgen einer therapierefraktären Epilepsie können hohe direkte Kosten entstehen, die durch eine zu erzielende Anfallsfreiheit gesenkt werden können.
Methoden: Anhand einer Patientin mit einem HH sollen die Auswirkungen einer solchen Erkrankung beleuchtet und der Krankheitsverlauf nach erfolgter SLTA dargestellt werden. Zur Beurteilung der Kosteneffizienz der SLTA wurden die direkten Kosten, basierend auf den Krankenversicherungsdaten der Patientin, über die Versicherungsjahre 2017 bis 2020 analysiert.
Ergebnisse:
Bei der Patientin bestand eine hochaktive, medikamentenrefraktäre Epilepsie mit erhöhtem Verletzungsrisiko und zunehmender Verschlechterung der schulischen Leistung und der psychischen Verfassung. Begleitend bestand durch das HH eine Pubertas praecox. Nach SLTA entwickelte die Patientin mit einem Follow-up von 26 Monaten eine vollständige Anfallsfreiheit sowie eine endokrinologische Stabilisierung, sodass die antikonvulsive als auch die hormonelle Medikation im Verlauf beendet werden konnten. Relevante persistierende Komplikationen wurden nicht beobachtet. Die direkten jährlichen Kosten (stationär [ausschließlich der SLTA selbst]/ambulant/Medikamente) reduzierten sich von € 6603 in 2017 und € 12.903 in 2018 auf € 3609 in 2019 und zuletzt € 617 in 2020, was einer Reduktion von bis zu 95 % (2018 gegenüber 2020) entsprach. Zusätzlich konnten die Kosten einer geplanten Integrationsassistenz von schätzungsweise € 18.000/Jahr eingespart werden.
Schlussfolgerung: Die SLTA stellt eine effektive und risikoarme Behandlung von HH dar und führt bereits nach 2 Jahren zu einer relevanten Einsparung der direkten Kosten, was bei der Kosten-Nutzen-Abwägung der SLTA einzubeziehen ist.
Hintergrund: Mit dem Masterplan 2020 und den an mehreren Universitäten eingeführten Modellstudiengängen befindet sich das Medizinstudium aktuell im Umbruch. Sowohl im Regel- als auch im Modellstudiengang werden medizinrechtliche Aspekte überwiegend im Rahmen rechtsmedizinischer Ausbildungsabschnitte unterrichtet. Allerdings werden Studierende bereits während Famulaturen oder im praktischen Jahr mit juristischen Fragen konfrontiert.
Ziel der Studie war es herauszufinden, ob und in welchem Umfang Studierende der Humanmedizin insbesondere zur ärztlichen Aufklärung und zu den ärztlichen Informationspflichten bis zum Beginn des 4. bzw. 5. klinischen Semesters auf medizinrechtliche Aspekte vorbereitet wurden, und ob Verbesserungen bei der medizinrechtlichen Lehre gewünscht werden.
Material und Methoden: Zwischen den Sommersemestern 2017 und 2019 wurde zu Beginn des Kurses für Rechtsmedizin eine quantitative, standardisierte Umfrage mit insgesamt 373 Studierenden durchgeführt.
Ergebnisse: Wenngleich 98,8 % der Studierenden angaben, Aufklärungsgespräche bereits (mehrfach) praktisch ausgeübt zu haben, bestanden deutliche Defizite in Bezug auf die juristischen Anforderungen an das ärztliche Aufklärungsgespräch und dessen Delegation. So gaben lediglich 5,1 % der Studierenden an, die rechtlichen Grundlagen der ärztlichen Aufklärung sowie die entsprechende Norm aus dem Zivilrecht zu kennen. Über 80 % der Befragten fühlten sich unzureichend auf die rechtlichen Aspekte des praktischen Jahres vorbereitet. Über 90 % der Studierenden wünschten sich eine bessere medizinrechtliche Ausbildung.
Diskussion: Eine fächerübergreifende Etablierung sowie eine über das gesamte Studium verteilte Lehre von Medizinrecht könnte die Vorbereitung auf das praktische Jahr verbessern und das Verständnis für die rechtlichen Anforderungen an die ärztliche Berufstätigkeit fördern. Nach dem derzeitigen Stand der Umsetzung des Masterplans 2020 soll das Medizinrecht in der Learning Opportunities, Objectives and Outcomes Platform (LOOOP) als verbindlicher Ausbildungs- und Lehrinhalt etabliert werden.