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Die ethnografische Feldstudie untersucht die Lebenswege von jungen muslimischen Männern, die in einer armutsbetroffenen und stigmatisierten Hochhaussiedlung in der urbanen Peripherie aufwachsen. Sie vergleicht die Lebenswege derjenigen, die ein Hochschulstudium aufnehmen (college boys) mit der Gruppe derjenigen, die sich in der informellen Ökonomie der 'Straße' mit dem Drogenhandel als wichtigstem Zweig betätigen (corner boys). Die Lebensverläufe der jungen Männer, deren Familien meist im Zuge der Anwerbemigration ab den 1960er Jahren aus Marokko oder aus der Türkei eingewandert sind, werden anhand der Lebensverlaufstheorie (life course theory) von Glen Elder und Janet Giele erklärt. Die ethnografischen Beschreibungen werden methodisch um biografische Interviews mit college boys und corner boys und um Expertinneninterviews mit Fachleuten aus Organisationen wie Kitas, Schulen oder einer Moschee ergänzt. Die ethnografischen Beobachtungen werden auch ins Verhältnis zu Befunden aus der interdisziplinären sozialwissenschaftlichen Literatur gesetzt, die wiederum mit den in der Studie erhobenen und sehr persönlichen Lebensgeschichten von corner boys und college boys kombiniert werden. Der Forscher hatte während der Feldarbeit eine Doppelrolle, da er nicht nur als Ethnograf tätig war, sondern auch für die Stadt als Streetworker bzw. Sozialarbeiter in der Hochhaussiedlung beschäftigt war. Insofern gibt die Feldstudie auch einen Einblick in die staatlichen Unterstützungssysteme der Sozialen Arbeit.
Im Ergebnis entsteht die Geschichte eines sozialräumlich segregierten Milieus seit der Migration der Großeltern nach Deutschland. Sowohl für college boys als auch für corner boys dient die harte Lohnarbeit ihrer Eltern und Großeltern als negative Kontrastfolie. College boys streben nach beruflichem Erfolg und Anerkennung durch Bildungsabschlüsse. Corner boys hingegen leisten Widerstand gegen die Arbeitsethik und andere dominante Normen und wenden sich von der Lohnarbeit im Allgemeinen ab. In den Lebensverläufen von college boys wirken bestimmte Schutzfaktoren, die ihnen einen Bildungsaufstieg trotz armutsgeprägter Lebensverhältnisse ermöglichen. Zu diesen Schutzfaktoren zählen ein stabiler Familienkontext mit engen Bindungen, die Organisation eines strukturierten Alltags in Kindheit und Jugend mit Aktivitäten wie Nachhilfe und Sportvereinen und der praktizierte Islam mit seiner engen Verbindung von Glaube, Bildung und Abstinenz.
Durch die Arbeit entsteht ein Perspektivwechsel auf Hochhaussiedlungen der untersuchten Art. Statt der üblichen symbolischen Abwertung erscheinen sie durch die beschriebenen intergenerationalen Bildungsaufstiege als Orte mit besonders hoher sozialer Mobilität. Auf der anderen Seite wird mit den corner boys aber auch eine Gruppe beschrieben, in der sich Prekarität aufgrund von Ausgrenzungserfahrungen und einer anschließenden Resignation verfestigt hat. Die college boys bekommen Raum zur Entfaltung, während die corner boys metaphorisch gesprochen im Raum der Hochhaussiedlung gefangen bleiben. Die Faktoren, die diesen Unterschied erklären, werden in der Arbeit beleuchtet.
Das Promotionsvorhaben ist im Bereich der arbeitssoziologischen Forschung angesiedelt. Vor dem Hintergrund der Individualisierung im arbeitssoziologischen Feld, sowie der gestiegenen Bedeutung von Home Office aufgrund der Corona-Pandemie, widmet sich das Vorhaben dem Problemfeld der wahrgenommenen Ambivalenz von Home Office, sowie dem Zusammenhang zwischen Home Office und Individualisierung, und dessen Bedeutung und Auswirkungen für und auf das Individuum.
Als methodisches Verfahren dient hier zur Theoriegenerierung die Grounded Theory. Gegenstand der Analyse ist die mediale Darstellung. Als mediale Daten werden Zeitungsartikel mit der thematischen Fokussierung auf Home Office betrachtet. Die hier gewählte Darstellung des Vorgehens, ermöglicht es, das Vorgehen mit der Grounded Theory kleinteilig und kleinschrittig nachzuvollziehen und verstehen zu können.
Ziel der Studie ist es, Home Office in Bezug zur Individualisierung zu setzen und die grundsätzlichen Zusammenhänge innerhalb der Wahrnehmungen von Home Office und Individualisierung herauszuarbeiten, sowie im medialen Kontext allgemeine Darstellungen und Wahrnehmungen von Home Office zu erkennen und zu verdeutlichen.
Letztlich zeigt sich, dass die Gemeinsamkeit in der medialen Darstellung von Home Office darin liegt, dass eine Aushandlung über die Notwendigkeit von Handlungsvermögen erfolgt. Diese Aushandlung spiegelt sich in den Aspekten der Darstellung von Handlungsmöglichkeiten und Handlungsgrenzen wieder, sowie in der Darstellung der Notwendigkeit von Gestaltungsspielraum und/oder der Notwendigkeit von Grenzen für das Individuum.
Die im Laufe der Auswertung entwickelten Darstellungsformen ermöglichen hierbei, die differenzierten Standpunkte im Hinblick auf die Arbeitsweise Home Office erfassen zu können. Es wurden Formen gebildet, um die verschiedenen Blickwinkel voneinander abgrenzen zu können. Bei Betrachtung dieser Formen wird jedoch ersichtlich, dass sich die exakte punktuelle Verortung des Subjektes zwischen Fremdbestimmung und Selbstbestimmung im Hinblick auf die Zielsetzung des maximalen persönlichen und/oder wirtschaftlichen Erfolges aus medialer Perspektive als schwierig erweist.
Die in der Auswertung entwickelten Darstellungsformen verdeutlichen außerdem die Gleichbedeutung von Arbeitssphäre und Lebenssphäre für das Individuum in der medialen Darstellung. Gleichzeitig zeigen sie den Wunsch nach Freiheit, den Wunsch nach Grenzen, sowie den Wunsch nach Selbstverwirklichung, Gestaltung und Entlastung von Erwartungen auf.
Die Auswirkungen der syrischen Flüchtlingskrise auf den zivilgesellschaftlichen Sektor im Libanon
(2021)
Die vorliegende Dissertation analysiert die Auswirkungen der syrischen Flüchtlingskrise auf den zivilgesellschaftlichen Sektor im Libanon, in Anbetracht einer historisch engverwurzelten Beziehung zwischen dem Libanon und Syrien. Die Dissertation wird von dem Interesse geleitet, die Rolle der lokalen zivilgesellschaftlichen NROs zu erforschen, die sich mit syrischen Flüchtlingen im Libanon befassen, und versuchen, die Leere des schwachen bzw. minimalistischen libaneischen Staatensystems zu füllen.Es wird untersucht, welche Effekte der syrische Konflikt auf die zivilgesellschaftliche Landschaft im Libanon gehabt hat und wie sich der Zufluss von internationaler Gelder auf die Aktivitäten dieser lokalen NROs sowie auf ihrer Beziehungen zu den libanesischen Staatsbehörden auf nationaler und lokaler Ebene ausgewirkt hat.
Auf Grundlage von acht Interviews und der Methodologie der Objektiven Hermeneutik geht diese professionssoziologische Studie sequenzanalytisch folgender Forschungsfrage nach:
„Inwieweit werden die Selbstbilder der Zootierpflegenden durch den Umgang mit Tieren bestimmt und welche expliziten oder auch impliziten Berufsphilosophien lassen sich bei ihnen finden?“
In den analysierten Interviewtranskripten spielen im erzählten Selbstverständnis der Befragten die Auswirkungen der täglichen Mensch-Tier-Interaktionen eine zentrale sinnkonstituierende Rolle. Aus den Interaktionen mit Tieren (mit entsprechenden kognitiven Fähigkeiten) entwickeln Zootierpflegende eine intuitive Hermeneutik und oft eine von Fachkundigkeit getragene Du-Evidenz, die ihnen auf einer prä- und paraverbalen Ebene ein Verstehen des tierlichen Gegenübers ermöglicht. Dieses Verständnis lässt sich weder auf naive Anthropomorphisierungstendenzen zurückführen noch gut Dritten vermitteln, da es sich auf einer unmittelbaren Erlebnisebene realisiert. Diese intuitive Hermeneutik stellt eine zentrale Kompetenz der Zootierpflegenden dar und prägt die Selbstbilder der Zootierpflegenden maßgeblich.
Ein solcher Phänomenzusammenhang lässt sich soziologisch bisher nur schwer erfassen, da unter anderem die Frage nach tierlicher Akteurschaft die Disziplin spaltet und nach wie vor eine konzeptionelle Konfusion auslöst. So wird sie beispielsweise in der sinnverstehenden Soziologie bisher nur in Form von „Als-Ob“-Ansätzen angegangen. (Wiedenmann)
Um die in den Analysen herausgearbeiteten Phänomene einordnen zu können, wird in dieser Arbeit ein sozial-theoretisches Fundament ausgebreitet, welches das Sinnverstehen ‚tiefer hängt‘, also für solche situierten, vorsprachlichen, präsymbolischen Stimmungen und Empfindungen öffnet, die für basalste Verständnisse unter anderem zwischen Tieren und Menschen kandidieren.
Diese Konzeption erhellt einige Grenzbereiche der Sinnstrukturiertheit sozialer Wirklichkeit, indem sie aufzeigt, wie sich das Kontinuum von natürlicher wechselseitiger Wahrnehmung (Georg Herbert Mead und Daniel Stern) hin zur kulturellen Sinnstrukturiertheit (Oevermann) soziologisch erschließen und verstehen lässt. Demnach können sich aus den unmittelbaren Interaktionen zwischen empfindungsfähigen Lebewesen in wechselseitiger Affektabstimmung Protosinnstrukturen realisieren, welche wiederum erst die Bedingung der Möglichkeit von Vermittlung darstellen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit ermöglichen ein tiefgehendes Verständnis des bisher oft verkannten Kompetenzprofils der Zootierpflegenden und darüber hinaus lässt sich in Bezug auf die tierliche Akteurschaft mit dem entwickelten Ansatz der immer wieder erhobene menschliche Exklusivitätsanspruch auf Sinn, Bewusstsein und Identität aus einer soziologischen Perspektive hinterfragen.
Ausgehend von der Forschungsfrage „Wie wird im Lebensmittelhandel mit und an Verpackungen gearbeitet?“ erörtert die kumulative Dissertation „Schwierigkeiten und Potentiale der Verpackungsvermeidung – Eine Arbeitsethnographie im Lebensmittel-handel“ Handlungsspielräume für einen nachhaltigeren Umgang mit Verpackungen. In einer ethnographischen Analyse unterschiedlicher Arbeitssettings, werden die Herausforderungen in den alltäglichen Arbeitspraktiken des dominanten verpackungsbasierten Lebensmittelsystems genauso betrachtet wie die Schwierigkeiten der radikalen Transformation dieser Praktiken. Ich argumentiere, dass Verpackungen kein passives Objekt sind, vielmehr sind sie durch ihre Materialeigenschaften und Bedeutungen sowohl an der Stabilität des Arbeitsalltags als auch an der Dynamik von Transformationsprozessen entscheidend beteiligt. Artikel I (Plastic Packaging, Food Supply, and Everyday Life. Adopting a Social Practice Perspective in Social-Ecological Research) behandelt die Potentiale eines praxistheoretischen Forschungszugangs für die Erforschung von Plastikverpackungen im Speziellen und sozial-ökologischen Problemen im Allgemeinen. Anhand von konkreten Forschungsbeispielen erörtern wir im Artikel zwei mögliche praxistheoretische Zugänge zur Beziehung von Praktiken und materiellen Entitäten, die eine sozial-ökologische Systemperspektive je nach Fragestellung sinnvoll ersetzen können. Im Netzwerk-Ansatz konzipieren wir Materialität als Element in heterogeneren Netzwerken aus Praktiken um die Diversität im alltäglichen Umgang mit Infrastrukturen, Technologien und Dingen erforschbar zu machen. Mit dem Nexus-Ansatz fokussieren wir auf die Wechselwirkungen zwischen Alltagspraktiken und ihrer räumlich-materiellen Umgebung um die infrastrukturelle Rolle von Verpackungen zu ergründen. Artikel II (Making Food Manageable - Packaging as a Code of Practice for Work Practices at the Supermarket) greift den im Artikel I diskutierten Netzwerk-Ansatz auf und befasst sich empirisch mit der Frage „Wie wird im Lebensmittelhandel mit Verpackungen gearbeitet?“. Der Artikel erläutert die Schwierigkeit der Verpackungsvermeidung anhand einer ethnographisch/praxis-theoretischen Analyse und präsentiert zentrale Funktionen von Verpackungen im Supermarkt. An konkreten empirischen Beispielen in zentraler Arbeitsbereiche wie Produktpräsentation, Warenlogistik und Ladenrepräsentation zeige ich die Vielfältigkeit von Verpackungsfunktionen jenseits von Marketing oder technischer Schutzfunktionen. Das beinhaltet die Platzierung und Aufbereitung der Produkte im Regal, die Evaluation von Produktqualitäten und Quantitäten von Warenströmen sowie die Repräsentation zentraler Qualitäten eines guten Supermarktes. Praktische Verpackungsvermeidung erfordert eine Reflektion solcher Verpackungsfunktionen. Artikel III (Negotiating attachments to plastic) behandelt die Frage „Wie wird im Lebensmittelhandel an Verpackungen gearbeitet?“ durch die trans-sequentielle Analyse eines Innovationsprozesses zur Plastikvermeidung in einem deutschen Bio-Großhandel. Im Artikel diskutiere ich die Schwierigkeit grundlegender Innovationen der Verpackungs-vermeidung durch die Erläuterung ganz praktischer Veränderungsbarrieren und Widerstände der Veränderung von normalisierten Objektbeziehungen und Nutzungs-praktiken. In der Analyse der dynamischen Beziehungen (Attachments) von Arbeiter*innen und Plastikfolie (bzw. ihrer Substitute) zeige ich, dass „etwas loswerden" ein unzureichender Ansatz ist, wenn es darum geht, nicht-nachhaltige Plastiknutzungen zu transformieren. Verpackungsvermeidung gelingt eben nicht durch ein „Befreien“ menschlicher Handlungsmacht von nicht nachhaltigen Objektabhängigkeiten, vielmehr geht es darum, das Zusammenspiel von Verpackungen und Arbeiter*innen in konkreten Praktiken neu zu gestalten. Artikel IV (How to Apply Precycling: Unpacking the Versatility of Packaging in Networks of Food Supply Practices) greift schließlich die zentralen Erkenntnisse der ethnographischen Analyse auf und diskutiert die Folgen für sozial-ökologische Transformationsprozesse. Die Ergebnisse aus den beiden ethno-graphischen Fallstudien (Artikel II, III) werden zusammengeführt und anhand der Perspektive des Netzwerk-Ansatzes (Artikel I) diskutiert. Ich konkretisiere damit die Potentiale einer praxistheoretischen Herangehensweise für die soziologische Analyse der Verpackungsnutzung und die Entwicklung von praktischen Precycling-Strategien zur systematischen Verpackungsmüllvermeidung.
Angesichts globaler Krisendiagnosen setzen einige Aktivist*innen nicht primär auf Reformen innerhalb der bestehenden Verhältnisse – sie träumen von einer komplett anderen Ordnung. Oftmals ziehen sie sich deswegen aus bestehenden Institutionen und dem Alltag der Mehrheitsgesellschaft zurück. Anstelle von Eskapismus kann es sich bei ihrem Rückzug aber auch um radikalen Widerstand handeln. Philip Wallmeier stellt ein Netzwerk an Aktivist*innen in den Mittelpunkt seiner empirischen Studie, die zwischen den frühen 1970er Jahren und der Jahrtausendwende in den USA in »Kommunen«, »intentionale Gemeinschaften« und »Ökodörfer« zogen. Die Analyse zeichnet die historischen Veränderungen nach und beschreibt anschaulich, welche Widersprüche sich in der Praxis für die Aktivist*innen bei dem Versuch ergaben, alternative Lebensformen zu entwickeln, um so die Verhältnisse grundlegend zu transformieren.
Der Diskurs über Integration und Integrationsmechanismen fand seinen Beginn in der Migrationsforschung, deren Anfänge bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichen . Innerhalb dieses Feldes fanden immer wieder Wandlungen der Ausgestaltung des Begriffs der Integration statt, da die theoretischen Konzepte in unterschiedlichen gesellschaftlichen sowie historischen Kontexten entstanden sind bzw. entstehen. Heute existiert eine Vielzahl an theoretischen Perspektiven auf Integration, die eine hohe Heterogenität und auch Interdisziplinarität aufweisen. Generell zeigt sich somit, dass, wenn von Integration gesprochen wird, nicht wirklich klar ist, was unter dem Begriff zu verstehen ist. Die vorliegende Arbeit macht es sich somit zur Aufgabe, den Begriff der Integration und damit verbundene Zielvorstellungen aus Sicht der Akteurinnen und Akteure in Sportorganisationen zu beleuchten. Dafür wird eine Studie im Mixed-Methods-Design durchgeführt, die eine fragebogenbasierte Umfrage, explorative Interviews mit Vereinsvorständen und vertiefende Leitfadeninterviews mit Vereinsmitgliedern umfasst. Ein besonderer Fokus der Gruppenvergleiche liegt dabei auf Personen mit und ohne Migrationshintergrund, um die Perspektive von Personen mit Migrationshintergrund selbst in den Diskurs einbringen zu können. Da sich subjektive Sichtweisen auch aufgrund weiterer Faktoren unterscheiden können, werden außerdem Zusammenhänge zwischen sozialstrukturellen Merkmalen sowie Merkmalen der Vereine und subjektiven Sichtweisen auf Integration untersucht.
Der Übergang von der Schule in die Ausbildung oder in das Studium ist ein entscheidender und wegweisender Schritt in der Bildungsbiografie von jungen Menschen. Der dabei vollzogene Übergangsprozess hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte deutlich verändert und zunehmend individualisiert. In diesem Zeitraum haben sich auch die Anforderungen und Verhältnisse auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vor allem durch die Expansion des Dienstleistungsbereichs verändert. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Entwicklung des Übergangsprozesses in Form der Dauer und der absolvierten Stationen vom Verlassen der Schule bis zum Beginn der beruflichen oder akademischen Erstausbildung vor dem Hintergrund der Zunahme an Arbeitskräften im Dienstleistungssektor bei westdeutschen Jugendlichen im Zeitraum zwischen 1971 und 2012 zu untersuchen. Dies wurde auch getrennt nach Schulabschlussgruppen überprüft. Im Rahmen der Ergebnisse zeigte sich, dass ein gestiegener Anteil an dienstleistungstätigen Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt in der Zeit zwischen 1971 und 2012 keinen signifikanten Einfluss auf die Dauer und die absolvierten Stationen des Übergangs hatte. Dies galt unabhängig vom erreichten Schulabschluss. Die vorliegenden Erkenntnisse dienen als Anstoß dafür, den Übergangsprozess von der Schule in die Ausbildung genauer zu betrachten und hierbei gegebenenfalls weitere potenzielle Einflussfaktoren einzubeziehen.
Türkisch-russische Zentralasienpolitik : geopolitische Rivalität oder strategische Partnerschaft?
(2020)
Die türkisch-russische Geschichte ist eine Geschichte der Rivalitäten. Sie wird wegen 15 Kriege zwischen den beiden Staaten als konflikthaft bezeichnet. Ihren 1. Krieg führten die beiden Staaten wegen Zentralasien, um das Khanat Astrachan (1568–1570). Der Untersuchungszeitraum dieser Dissertation erstreckt sich von diesem Datum bis zum Ende 2019. In diesem Zeitraum rivalisierten die Türkei und Russland geopolitisch in Zentralasien. Diese Arbeit konzentriert sich auf die türkisch-russische Zentralasienpolitik, bzw. darauf, wie die Türkei und Russland auf ihre gegenseitige Zentralasienpolitik reagieren, warum sie in Zentralasien geopolitisch rivalisieren (1. Forschungsfrage) und ob in Zukunft eine türkisch-russische strategische Partnerschaft in Zentralasien möglich ist (2. Forschungsfrage). Politikwissenschaftlich sind diese Fragen von großer Relevanz, weil eine mögliche türkisch-russische strategische Partnerschaft die gesamten Machtverhältnisse der Welt verändern würde.
Laut C.S. Peirce ist der abduktive Schluss das einzige logische Verfahren, das in der Lage ist, neue Erkenntnisse einzuführen. Dieser funktioniert in etwa so, dass auf Basis eines bereits bestehenden, jedoch unbewusst verwendeten, Regel- bzw. Vorwissens etwas Neues, bislang Unbekanntes, generiert wird, indem eine Ähnlichkeitsrelation bzw. eine Differenz zwischen Alt und Neu erzeugt wird. Damit scheint bei der Abduktion das einsam handelnde und denkende Subjekt die zentrale Instanz der Entstehung des Neuen zu sein.
Aus soziologischer Sicht von Interesse ist dabei, welche, hier zu unterstellende, tragende Rolle der soziale Austausch bei dieser Erkenntnisgenese überhaupt spielt, wenn, dem abduktiven Schluss zufolge, das monologisch handelnde Individuen über quasi „eingelagerte“ Erkenntnis-Instinkte, wie Peirce sagt, verfügt. Die Rolle des anderen im sozialen Austausch würde dadurch jedoch hinfällig oder zumindest randständig.
Der logische Ausweg, um den anderen als konstitutiver Bestandteil der Erkenntnisgenese zu integrieren, besteht in der These, dass interagierende Individuen sich auf eine Art und Weise wechselseitig identisch sein müssen. Ähnlichkeitsbezüge herstellen zu können würde dadurch primär zu einem Produkt der Interindividualität und nicht zu jenem einzelner Individuen.
Um diese These zu prüfen, werden in einem ersten Schritt Peirce’ Theorien zur Abduktion untersucht. Im Weiteren sollen aber auch soziologische Erkenntnistheorien und interdisziplinäre Ansätze, wie die der (Social) Neuroscience, auf die Möglichkeit einer interindividuellen Verquickung im Sinne des wechselseitig Identisch-Seins untersucht.
In einem letzten Schritt wird die berechtigte Frage gestellt, wie denn überhaupt Erkenntnis erzeugt werden kann, wenn Individuen sich differenzlos identisch gegenüberstehen. Dabei wird die These vorgeschlagen, dass Differenz dadurch eingespielt wird, indem Subjekte sich nie dieselbe Raumzeitstelle teilen. Die am Individuum gebundene Fähigkeit, Unterschiede bzw. Ähnlichkeitsbezüge erkennen zu können (Abduktion), wird somit erst durch Praxis selbst möglich.
Abschließend sollen durch forschungsübergreifende Überlegungen Konsequenzen aus diesen Thesen gezogen werden.
Statistik der Frankfurter Juden bis zum Jahre 1866 : ein Versuch historischer Bevölkerungs-Statistik
(1921)
Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen – das scheint sowohl unter Praktikern als auch unter Forschern der internationalen Politik allgemein bekannt zu sein. Entgegen diese weit verbreiteten Ansicht argumentiert diese Dissertation, dass es in der Tat Raum für das Konzept von Freundschaft in den internationalen Beziehungen gibt, und dass ein besseres Verständnis der hiermit verbundenen Dynamiken nicht nur dazu beiträgt, eine sich verändernde globale Ordnung besser zu verstehen, sondern auch die Beziehungen zwischen China und Afrika.
Aufbauend auf der konstruktivistischen Literatur zu staatlicher Identität sowie Erkenntnissen aus Psychologie, Soziologie und Anthropologie wird in einem ersten Schritt ein neues Modell internationaler Freundschaft entwickelt. Es bezieht sich auf eine verlässliche Beziehung zwischen Staaten, die sich gegenseitig entsprechend ihres eigenen Selbstverständnisses anerkennen, und die durch gegenseitige Identifikation sowie häufigen Austausch und enge Zusammenarbeit eine als intim zu bezeichnende Beziehung entwickelt haben. Dies bedeutet zwar nicht, dass ungleiche Macht und konkurrierende Interessen irrelevant werden; aber sie ermöglichen es den beteiligten Staaten, konstruktiv mit potenziell konfliktreichen Fragen von Macht und Interesse umzugehen, und bilden so eine zentrale Säule legitimer internationaler Ordnungen.
In einem zweiten Schritt wird dieses Modell der internationalen Freundschaft zur Analyse der chinesisch-äthiopischen und chinesisch-südafrikanischen Beziehungen herangezogen. Ausgehend von den Sichtweisen der jeweiligen Staatseliten wird das komplexe Zusammenspiel von Interessen und Identitäten in den gegenwärtigen Beziehungen zwischen China und Afrika beleuchtet, und wie die beiden bilateralen Beziehungen durch eine Reihe bewusster Entscheidungen schrittweise ihre aktuellen Qualitäten erworben haben. Heute bilden geteilte Ideen von historisch gewachsener Solidarität, überschneidendend strategischen Interessen und dem gemeinsamen Engagement für ein Projekt alternativer Modernisierung und globaler Transformation die Grundlage für zwei Beziehungen, die von China als beispielhafte „internationale Beziehungen neuen Typs“ gepriesen werden. Somit liefern die chinesisch-äthiopischen und chinesisch-südafrikanischen Beziehungen auch wichtige Einblicke, wie eine chinazentrierte internationale Ordnung aussehen könnte - zumindest für diejenigen Staaten, die diese Ordnung und ihre von Peking definierten Regeln und Rollen als legitim akzeptieren.
Lebensstil und Nationalstaat
(2012)
Ziel der folgenden Studie ist es, in vier aufeinander aufbauenden Schritten zu untersuchen, ob oder inwieweit in der gegenwärtigen deutschen Lebensstilforschung die
wechselseitige Beeinflussung zwischen "Lebensstilen" einerseits und dem deutschen "Nationalstaat" andererseits analytisch aufbereitet und hinterfragt wird. Im Vordergrund dieses Forschungsvorhabens steht die Frage, wie Individuen respektive gesellschaftliche Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland über ihren Lebensstil im politischen Gebilde des deutschen Nationalstaates verankert sein könnten.
Demzufolge wird das relativ neuartige soziologische Moment der Lebensstile mit der vornehmlich politologischen Materie Nationalstaat kontrastiert. Diese Gegenüberstellung soll einen neuartigen Beitrag dazu leisten, tatsächliche inhaltliche und strukturelle Anknüpfungspunkte dieser gegenwärtig weitestgehend getrennt verlaufenden gesellschaftswissenschaftlichen Diskurse aufzuzeigen, um sie folgenden Debatten zuzuführen, in denen die weitere gesellschaftliche bzw. nationalstaatliche Gegenwart und letztlich auch Zukunft fokussiert wird. Dem Forschungsansatz liegen dabei zwei zentrale Hypothesen zugrunde: - I - Zum einen die Annahme, dass allen in der gegenwärtigen deutschen Lebensstilforschung maßgeblichen Studien keine analytisch verwertbare nationalstaatliche, aber auch kollektive Rahmung zugrunde liegt und gerade in diesem Auslassen eine elementare Schwäche der herkömmlichen Lebensstiltheorien zu identifizieren sein könnte. - II - Zum anderen die Vermutung, dass auch in allen Studien, die im Mittelpunkt der deutschen Nationalstaatstheorie bzw. -forschung stehen, die analytische Kategorie Lebensstil letztlich keine Berücksichtigung findet und gerade das Fehlen eines derartigen empirischen Ansatzes als Teilursache des sehr hohen Abstraktionsgrades dieses gesellschaftswissenschaftlichen Teilbereichs erkannt werden kann.
Beide zentralen Hypothesen gehen mit der äußerst interessanten Frage einher, ob nicht durch eine wechselseitige Verknüpfung einerseits der vor allem empirisch fundierten Ansätze der Lebensstilforschung und andererseits der eher theoretischen Modelle der Nationalstaatstheorie
zumindest punktuell konzeptionelle Schwächen beider Theoriestränge zu beheben sind.
Im ersten Arbeitsabschnitt der hier vorgelegten Studie werden die vier soziologischen Hauptwerke Emile Durkheims einem eingehenden analytischen Diskurs unterzogen. Es wird geprüft, in welcher Hinsicht einzelne analytische Kategorien und Thesen der Durkheimschen Gesellschaftstheorie einen Beitrag zur Erweiterung des Untersuchungsrasters etablierter Lebensstil- und Nationalstaatstheorien zu leisten und gegebenenfalls konzeptionelle Lücken in der Rekonstruktion und Reflektion des sozialen Raumes zu schließen vermögen. Hierauf aufbauend werden in einem zweiten Arbeitsschritt zunächst die noch immer als herkömmliche Klassiker angesehenen Lebensstiltheorien Max Webers, Georg Simmels und Pierre Bourdieus einer definierten Betrachtung unterzogen. Im Rahmen dieser Untersuchung, in der die relevanten Lebensstiltheorien Webers, Simmels und Bourdieus darzulegen sind, werden die unterschiedlichen konzeptionellen Ansätze Webers und Simmels aufgezeigt und zusammen mit den aus dem vorangehenden Kapitel über die Durkheimsche Soziologie stammenden Erkenntnissen der Lebensstiltheorie Bourdieus gegenüber gestellt. Die Frage nach dem möglichen Wechselverhältnis zwischen Lebensstilen und einem modernen Nationalstaat westlicher Prägung ist bei der Betrachtung der angeführten "klassischen" Lebensstiltheorien stets eingebunden.
Im anschließenden dritten Arbeitsschritt werden die in der gegenwärtigen deutschen Sozialforschung maßgeblichsten Lebensstilkonzeptionen einer eingehenden, mehrstufigen Untersuchung unterzogen. Hierbei werden die auf Seiten der sog. "Strukturierungsmodelle" zentralen Studien Werner Georgs, Annette Spellerbergs und Hartmut Lüdtkes, in denen modernen Lebensstilen ausgehend von einer eindeutigen Rückbindung an klassische objektive Grundlagen resp. Ressourcen auch vermehrt subjektive Facetten zugebilligt werden, und das sog. "Entstrukturierungsmodell" von Karl Hörning et al. mit den in den vorangehenden Arbeitsschritten ausgearbeiteten analytischen Kategorien kontrastiert.
Ausgehend hiervon werden im vierten Kapitel zunächst noch einmal die im vorangehenden dritten Kapitel tatsächlich identifizierten expliziten kollektivsoziologischen bzw. nationalstaatlichen Momente der reflektierten Lebensstiltheorien zusammengefasst, um in einem anschließenden Arbeitsschritt jeweils exemplarische Ansätze herauszuarbeiten, wie - wenn möglich oder erforderlich – etwa die in dieser Studie fokussierten Lebensstilmodelle vor allem anhand markanter kollektivsoziologisch, nationalstaatstheoretisch, aber auch sozialstrukturanalytisch relevanter Items konkret erweitert werden können. Diesem für Studie "Lebensstil und Nationalstaat" maßgeblichen Vorhaben liegt dabei die Prüfung des zweiten Bestandteils der zentralen Hypothese I zugrunde, dass auf diese Weise ein Beitrag zur Weiterentwicklung der analysierten Lebensstilkonzeptionen geleistet werden kann und diese zugleich auf eine profundere theoretische Basis gestellt werden können. Der zweite Schwerpunkt des vierten Kapitels widmet sich dann der Klärung der überaus fordernden Frage nach einer sinnvollen Annäherung bzw. wechselseitigen Ergänzung der deutschen Lebensstilforschung und der Nationalstaatstheorie in Deutschland und wird konsequenter Weise durch eine pointierte Analyse klassischer und moderner politikwissenschaftlicher Nationalstaatstheorien abgebildet.
Dass Emotionen den Subjekten eine wichtige Orientierungshilfe in jeglichen Situationen des Alltags bieten, gilt innerhalb der soziologischen Emotionsforschung mittlerweile als Allgemeingut. Was allerdings, wenn uns unsere Gefühle im Stich lassen, da sie nicht klar eingeordnet oder expliziert werden können? Was also, wenn widersprüchliche Emotionen Zweifel nähren, uns an Entscheidungen hadern lassen oder gar Entscheidungen verunmöglichen? Die hieraus resultierenden Unsicherheiten und sich daran anschließenden Handlungsprobleme sind Gegenstand des Buches. Neben Strategien des Umgangs mit emotionalen Ambivalenzerfahrungen stehen auch die individuellen Lösungswege im Mittelpunk der Analyse.
Die vorliegende Untersuchung wurde mit dem Ziel durchgeführt, fördernde und hemmende Einflussfaktoren auf die Entstehung und Durchführung von translationaler Forschung näher bestimmen zu können. Dazu wurden im Verlauf der Forschung sechs Gruppen von möglichen Einflussfaktoren untersucht. Diese waren 1) externe politische, 2) institutsbezogene, 3) soziale (auf soziale Rollen und sozialen Status bezogene), 4) epistemische, 5) forschungskulturelle und 6) individuelle Faktoren.
Translationale Forschung wurde als Spezialform interdisziplinärer Forschung konzeptualisiert. Auch bei dieser wird Wissen aus mehr als einer wissenschaftlichen Disziplin herangezogen, um ein disziplinübergreifendes Problem zu lösen. Das Besondere an der translationalen Forschung ist jedoch, dass zusätzlich mindestens eine der beteiligten Disziplinen grundlagenorientiert und eine andere anwendungsorientiert ist. Der Vorteil besteht darin, dass fortan der Wissensbestand beider Disziplinen kombiniert werden kann. Ein Nachteil ergibt sich daraus, dass die Wissensbestände untereinander nicht ohne Weiteres anschlussfähig sind und eine „Übersetzung“ durch die unterschiedlichen Praxisbezüge der beteiligten Disziplinen erschwert wird. Die translationalen Forschung muss neben dieser noch einer weiteren Herausforderung begegnen: Denn sie gewinnt ihre Erkenntnisse unter Laborbedingungen, wo Umweltfaktoren praktisch keine Rolle spielen. Dadurch lassen sich ihre Ergebnisse nicht unbedingt in die klinische Praxis transferieren. Kurz gesagt: Was im Labor eine bestimmte Wirkung erzielt hat, entfaltet diese Wirkung nicht automatisch am Patienten.
Im Rahmen der Dissertation wurden sechs translationale Forschungsprojekte aus Berlin-Buch aus der Zeit zwischen 1959 und 1989 untersucht. Aufgrund der in der DDR etablierten, staatlichen Überführungspolitik konnte insbesondere der Einfluss externen politischen Drucks auf diese Forschungsprojekte untersucht werden. Als Quellen dienten archivierte Akten, graue Literatur, zur damaligen Zeit publizierte Fachliteratur und Interviews mit Forschern, die damals an diesen Projekten beteiligt waren. Da es an soziologischer Literatur spezifisch zu translationaler Forschung bisher mangelt, wurden mehrere Einzelstudien aus der soziologischen und wissenschaftshistorischen Forschung herangezogen. Die Untersuchungsergebnisse erweitern den Forschungsstand zur interdisziplinären Forschung und zu Praxisbezügen von Forschung.
Die untersuchten Fallstudien zeigen exemplarisch, dass es die von der Staatsführung der DDR gewollten anwendungsorientierten medizinischen Forschungsprojekte auch in Berlin-Buch gegeben hat. Entgegen der Erwartung zeigen sie aber auch, dass translationale Forschung nicht speziell gefördert (mit Ressourcen oder einem besonderen Commitment) wurde und es somit oft vom Zufall abhängig war, ob diese (vorzeitig) beendet wurde oder nicht. Darüber hinaus konnten Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass translationale Forschung im Wesentlichen auf epistemischen (fachlichen) Schnittstellen beruht, die von anwendungsorientierten Biomedizinern meist aus persönlichem Interesse aufgegriffen werden, wenn sie als solche erkannt werden und wenn entsprechende Ressourcen zur Forschung zur Verfügung stehen.
Somit konnte widerlegt werden, dass das so genante „Translationsproblem“ darauf zurückzuführen ist, dass Kliniker und Forscher kein Interesse haben, miteinander zu kommunizieren oder zu forschen. Ein Problem stellt lediglich dar, dass epistemische Schnittstellen meist zufällig (oft als Nebenprodukte von disziplinärer Forschung) sichtbar werden und es an kurzfristig verfügbaren Ressourcen fehlen kann, um diesen nachzugehen. Hinzu kommt der erhöhte Aufwand, der sich durch das Einbeziehen von Forschern aus anderen Disziplinen ergibt und das vergleichsweise hohe Risiko, dass medizinische Anwendungen, die auf translationaler Forschung aufbauen, unter komplexen Umweltbedingungen (am Patienten) nicht mehr die gewünschte Wirkung entfalten. Die untersuchten Fallstudien haben jedoch auch gezeigt, dass translationale Infrastrukturen und regelmäßiges Peer Review Forschern dabei helfen können, Ergebnisse translationaler Forschung auf ihre Tauglichkeit in der Klinik zu prüfen. Das Risiko des Scheiterns lässt sich jedoch nicht vollständig ausschließen.
Die Forschungsarbeit leistet einen kriminologischen Beitrag zur Systematisierung des Phänomens der sekundären Viktimisierung bei Opfern sexualisierter Gewalt und zeigt gleichzeitig Präventionsansätze auf, die sekundäre Viktimisierung verhindern sollen.
„Sekundäre Viktimisierung“ als die sogenannte „zweite Opferwerdung“ durch soziale Fehlreaktionen einzelner Personen oder gesellschaftlicher Gruppen sowie die Prävention dieses Phänomens ist im Detail noch wenig erforscht. Der Fokus des Forschungs- und Erkenntnisinteresses richtet sich auf die Zielgruppe der Opfer sexualisierter Gewalt, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht und als Erwachsene sekundär viktimisiert wurden. Es wird angenommen, dass Sexualstraftaten, die von den Opfern im Kindesalter erlitten werden, in besonderem Maße die persönliche Unversehrtheit verletzen und dass somit eine zusätzliche sekundäre Viktimisierung als besonders belastend empfunden wird.
Zunächst wird im theoretischen Teil auf wesentliche Begriffe wie sexualisierte Gewalt in Verbindung mit primärer und sekundärer Viktimisierung eingegangen und nimmt deren kriminologische Einordnung vor, stellt das Ausmaß sowie die Spezifika des Phänomens in den Fokus. Dabei wird zunächst der Opferbegriff ausführlich diskutiert, wobei der Opferperspektive viel Raum gegeben wird. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zur sekundären Viktimisierung, insbesondere mit Bezug zu sexualisierter Gewalt.
Im Zentrum des qualitativen Forschungsansatzes stehen folgende Fragen: „Welche Strukturen prägen die Situationen sekundärer Viktimisierung?“ und „Wie ist Prävention von sekundärer Viktimisierung möglich?“. Auf der Grundlage der Forschungsergebnisse wurde ein Präventionskonzept mit praxisorientierten Empfehlungen entwickelt. Zunächst sind typische Strukturen sekundärer Viktimisierung analysiert und in einem Modell verdeutlicht worden. Es ist zu unterscheiden zwischen Strukturen, die sekundäre Viktimisierung begünstigen (Risikofaktoren) sowie Strukturen, die sekundärer Viktimisierung vorbeugen (Schutzfaktoren). Anhand der identifizierten Schutzfaktoren entstand das Modell zur Prävention sekundärer Viktimisierung, aus denen konkrete Präventionsansätze abzuleiten sind.
Hervorgehoben wird die kriminologische Orientierung der Arbeit; wenngleich die Kriminologie interdisziplinär einzuordnen ist, dominiert bei der Analyse die kriminalsoziologische Verortung und speziell die viktimologische Ausrichtung.
An die Soziologie werden zunehmend Fragen des ökonomischen Nutzens und der gesellschaftlichen Relevanz herangetragen. Ein Wissen um den gesellschaftlichen Impact soziologischen Wissens und die Artikulation eines Nutzens für die Praxis sind wertvolle Werkzeuge im Kampf um die Alimentation soziologischer Forschung. Aber wie wird soziologisches Wissen überhaupt angewendet? Um diese Frage zu beantworten, wird soziologisches Wissen definiert und dessen Anwendung expliziert. Unter Zuhilfenahme von Wissenschaftstheorie und Wissenssoziologie wird zunächst eine Definition erarbeitet. Anschließend werden Forschungsgebiete, die sich mit der Anwendung von (soziologischen) Wissen beschäftigen, vorgestellt – allen voran die soziologische Verwendungsforschung. Darauf aufbauend wird eine Explikation der Anwendung soziologischen Wissens erarbeitet, vor dessen Hintergrund aktuelle Bemühungen, soziologisches Wissen stärker anzuwenden, betrachtet werden. Die abschließende Diskussion beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Restriktionen der Anwendung soziologischen Wissens und betont die Rolle der Soziologie als kritische gesellschaftliche Aufklärungsinstanz.
Die Arbeit untersucht am Fall der Religionspolitik in den Verfassungsgebungsprozessen der deutschen Bundesländer, ob Verfassungen eher das Ergebnis von Konflikt oder Konsens sind. Die Länderverfassungen zeigen eine hohe religionspolitische Vielfalt, die in dieser Arbeit erstmals vollständig erhoben und systematisiert wird. Die religionspolitischen Normen der Verfassungen werden vier Typen von Religionspolitik zugewiesen (Statusverleihung, Redistribution, Religionsfreiheit und Restriktion). Für die Verbreitung der einzelnen Normen werden die historischen Verläufe von 1919 bis 2015 analysiert und Trends beschrieben. Für die Erklärung der Unterschiede entwickelt die Arbeit ein ökonomisches Modell des Parteienwettbewerbs, in dem religiöse Parteien, insbesondere CDU und CSU, die zentrale Rolle spielen. In dem Modell wird angenommen, dass religiöse Parteien (einschließlich der Union) nur dann die Interessen nicht- und andersreligiöser Wähler berücksichtigen – wenn dies für ihren Wahlerfolg notwendig ist. Die zentrale Idee des Modells ist, dass religionspolitische Policies unterschiedliche Kosten und Nutzen für religiöse und nichtreligiöse Wähler implizieren. Diesen Kosten und Nutzen müssten religiöse Parteien Rechnung tragen, wenn sie Politikergebnis und Wahlergebnis gleichzeitig optimieren – d.h. rational abwägend agieren. Aus der Überprüfung dieses Modells lässt sich ableiten, ob die Religionspolitik in Verfassungen das Ergebnis offener Verhandlungen mit dem Ziel der Herstellung bzw. Abbildung eines gesellschaftlichen Konsenses sind – oder ob sie vielmehr das Ergebnis harter politischer Auseinandersetzungen sind und die gesellschaftlichen Machtverhältnisse reproduzieren. Je weniger Ersteres und je mehr Zweiteres gegeben ist, desto weniger können Verfassungen voraussetzungslos als Rahmen oder Bezugspunkt eines fairen politischen Wettstreits dienen. Die Arbeit belegt dieses Modell empirisch mit einem Mixed-Methods-Ansatz aus multiplen Regressionsanalysen und fuzzy set Qualitative Comparative Analysis (fsQCA).