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Rezension zu Jochen Hörisch: Theorie-Apotheke. Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen. Frankfurt am Main (Eichborn) 2004. 323 S.
Angesichts der wirren Zeitläufte mit ihrer Neigung zur umgesetzten Dystopie diagnostiziert der Verf., Professor für Literatur- und Medienwissenschaften an der Universität Mannheim, ein "fragiles Comeback des Prestiges von humanwissenschaftlichen Theorien " (317), mithin ein auch bei den Humanwissenschaftlern grassierendes Bedürfnis nach Sicherheit, Sinn und kohärenter Ordnung. Ihnen und allen interessierten Laien bietet er nun eine 'Handreichung', so der gewiß nicht ironisch gemeinte Untertitel, ein Hilfsmittel, halb Lexikon, halb Vademecum für den wissenschaftlichen Alltag bzw. den Hausgebrauch. Darin will der Verf. "Grundzüge, Grundgesten und Grundbegriffe derjenigen Theorien vorstellen und prüfen, die in den letzten fünfzig Jahren das Sagen hatten und zum Widerspruch reizten." Gleichzeitig ersteht hinter dieser Theorie-Landschaft ein wissenschaftshistorisches und, mittelbar, ein geisteswissenschaftliches Panorama der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts samt allen Krisen und Irrungen.
Rezension zu Guido Hiß: Synthetische Visionen. Theater als Gesamtkunstwerk von 1800 bis 2000. München (epodium) 2005 (= aesthetica theatralia, Bd. 1).319 S.
Guido Hiß, Professor für Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, ist nicht nur Theaterwissenschaftlern mit seinen Arbeiten zur Aufführungsanalyse und zu medienspezifischen Fragestellungen ein Begriff. Mit dem vorliegenden Werk liefert er einen historisch ausgerichteten Theorie-Querschnitt über 'Synthetische Visionen. Theater als Gesamtkunstwerk von 1800 bis 2000'. Dieses Sujet ist zwar schon in verschiedenen epochengebundenen Einzelstudien untersucht worden, einen umfassenden zeit- und theoriegeschichtlichen Ansatz suchte man bislang jedoch vergebens.
Rezension zu Norbert Greiner: Übersetzung und Literaturwissenschaft. Tübingen (Gunter Narr) 2004 (= Grundlagen der Übersetzungsforschung, Bd. 1). 173 S.
Mit dieser Monographie präsentiert Norbert Greiner, Anglist in Hamburg, die theoretischen Koordinaten einer Praxis, die er selber mit seiner 1989 erschienenen Übersetzung von Shakespeares 'Much Ado About Nothing' vor Augen geführt hat.
Rezension zu Herwig Gottwald u. Holger Klein (Hg.): Konzepte der Metamorphose in den Geisteswissenschaften. Heidelberg (Winter) 2005. 183 S.
Unter dem Leitwort 'Metamorphosen' steht die Arbeit einer Gruppe von Geisteswissenschaftlern an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg; verbindendes Anliegen ist die Idee "den Begriff der Metamorphose unter verschiedenen, zum Teil gegensätzlichen theoretischen und einzelwissenschaftlichen Perspektiven zu beleuchten und für geisteswissenschaftliche Untersuchungen epistemisch fruchtbar zu machen", wie Herwig Gottwald und Holger Klein erläutern (Vorwort, unpag.). Es geht also darum, über interdisziplinär verbindende Einzelthemen und -gegenstände hinaus eine Operationsbasis zu finden - respektive zu schaffen -, auf der sich die Erkenntnisinteressen verschiedener Disziplinen als analog erweisen könnten.
Rezension zu Claudio Guillén: Entre lo uno y lo diverso. Introducción a la Literatura Comparada (Ayer y hoy). Barcelona (Tusquets) 2005.499 S.
Man darf sagen, dass das vorliegende Buch des spanischen Komparatisten Claudio Guillén, gewissermaßen der Klassiker der 'literatura comparada', eine Seltenheit darstellt, insofern es 500 Seiten umfasst, und erst recht, insofern es nun in neuer Auflage präsentiert wird.
Rezension zu Roland Galle u. Johannes Klingen-Protti (Hg.): Städte der Literatur. Heidelberg (Winter) 2005. 238 S.
Es ist ein kompliziertes Spiel, das die Stadt treibt in der Literatur, wenn sie ihren reinen Kulissen-Status verläßt. Daß die literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Sujet gerade in den letzten Jahren zunimmt, zeigen verschiedene, z.T. interdisziplinär orientierte Publikationen, darunter zuletzt 'Städte der Literatur', herausgegeben von Roland Galle und Johannes Klingen-Protti.
Rezension zu Margrit Frölich, Reinhard Middel u. Karsten Visarius (Hg.): Außer Kontrolle. Wut im Film. Marburg (Schüren) 2005 (= Arnoldshainer Filmgespräche, Bd.22). 196 S.
Die Gefühle sind zurück. Zumindest in der Filmwissenschaft ist in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Arbeiten erschienen, die sich den Emotionen und Affekten des Kinos widmen; denen auf der Leinwand ebenso wie - unlösbar damit verbunden - denen im Zuschauerraum. Ein schmaler Band nimmt nun einen speziellen, aber zugleich extremen Affekt in den Blick, der in seiner Maßlosigkeit quer zur analytischen Vermessung zu stehen scheint. 'Wut im Film' ist der Untertitel des Bandes 'Außer Kontrolle', von dessen Umschlag den Leser die Comic-Wutikone Hulk, grün vor Wut und stark im Schweiße, anblickt. Dokumentiert sind die Beiträge der '22. Arnoldshainer Filmgespräche', zu denen die dortige Evangelische Akademie jährlich einlädt. Filmkritiker, und -Wissenschaftler, teils mit erkennbar kirchlichem Hintergrund, untersuchen den emotionalen Ausnahmezustand, der sich gerade aufgrund seines eruptiven Charakters und der damit verbundenen Dynamik besonders zur filmischen Auswertung eignet.
Rezension zu Sabine Coelsch-Foisner u. Michaela Schwarzbauer (Hg.): Metamorphosen. Akten der Tagung der Interdisziplinären Forschungsgruppe Metamorphosen an der Universität Salzburg in Kooperation mit der Universität Mozarteum und der Internationalen Gesellschaft für Polyästhetische Erziehung (Zell an der Pram, 2003). Heidelberg (Winter) 2005. 234 S.
Im Zeichen der Interdisziplinarität stehen auch die Erkundungsgänge auf dem durch den Begriff 'Metamorphosen' eröffneten Gelände, die in diesem Tagungsband der Salzburger Forschergruppe Metamorphosen dokumentiert sind.
Rezension zu Helene Barriere u. Nathalie Peyrebonne (Hg.): L'ivresse dans taus ses états en littérature. Arras (Artois Presses Universite) 2004. 352 S.
Hinter dem französischen 'ivresse' schwanken die deutschen Pendants zwischen 'Trunkenheit' und 'Betrunkensein'; entsprechend staffelt sich die Spannbreite der 22 Beiträge einer Tagung, die im November 2001 in Arras stattfand.
Rezension zu Andrea Allerkamp: Anruf; Adresse, Appell. Figurationen der Kommunikation in Philosophie und Literatur. Bielefeld (transeript) 2005. 383 S.
Mit ihrer Habilschrift verfolgt Andrea Allerkamp ein dreifaches Anliegen: die Aufschlüsselung von Anruf, Adresse und Appell als rhetorischer Figuren (9-11), die Ausweisung eines durch diese Figuren aufgemachten ethisch-politischen Szenarios (15-17, 31-41) sowie die Rückwendung der Problemstellung auf Methoden und Strategien der Wissenschaft von der Literatur (347-350). Anhand so unterschiedlicher philosophischer und literarischer Texte wie denen von Augustinus, Dante, Angelus Silesius, Hölderlin, Kierkegaard, Mallarmé, Rosenzweig, Kafka, Benjamin und Delbo unternimmt Allerkamp ein stets materialreiches close reading.
Rezension zu Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Trier (WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier) 2008 (= WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft; Bd. 1). 574 S.
Mit seiner 2006 an der Universität Gießen eingereichten Dissertation, die hier in der Druckfassung vorliegt, hat sich der Verf. nicht weniger zum Ziel gesetzt als die Formulierung einer "modifizierten Erzähltheorie, mithin einer Theorie nicht mehr des sprachlichen, sondern des visuellen Erzählens" anhand des Mediums Comic.
Sammelrezension zu Thomas Weitin: Recht und Literatur. Münster (Aschendorff) 2010 (= Literaturwissenschaft. Theorie und Beispiele, hg. von Herbert Kraft, Bd. 10). 168 S.
Bernhard Greiner, Barbara Thum u. Wolfgang Graf Vitzthum (Hg.): Recht und Literatur. Interdisziplinäre Bezüge. Heidelberg (Universitätsverlag Winter) 2010 (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte Bd. 270). 344 S.
An Publikationen zum traditionsreichen Feld 'Recht und Literatur' mangelt es nicht. Indes haben es gleich zwei Publikationen jüngeren Datums auf sich genommen, dieses weiter zu ergänzen, wenngleich mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen.
Sammelrezension zu Text+Kritik X/09, NI. 184: Carlfriedrich Claus. Gastredaktion: Annette Gilbert. München (edition text+kritik) 2009. 141 S.
Christian Baumert: Carlfriedrich Claus. Betrachtungen zur Work-Box Leipzig (Leipziger Universitätsverlag) 2009. 205 S.
Das Oeuvre von Carlfriedrich Claus (1930-1998) ist in mehr als einer Hinsicht exzeptionell. Situiert im Grenz- und Überschneidungsbereich zwischen visueller Kunst und Literatur - Claus selbst verstand sich dezidiert als Schriftsteller -, aber auch im Schnittfeld von Tendenzen und Entwicklungen der internationalen Avantgarden, stellt es sich bei allem Facettenreichtum mit Blick auf seinen experimentellen Grundgestus doch als kohärent dar: als ein einziges jahrzehntelanges Gesamtexperiment. Obwohl (oder indem) sich die Clausschen Texte einer konventionellen Entzifferung entziehen, dokumentieren sie doch eine so beharrliche wie facettenreiche Auseinandersetzung mit bestimmten Grundthemen: mit Sprache und Schrift, mit dem Zusammenhang von Körperlichkeit, Schreibgestus und Artikulation, mit der Frage nach dem Subjekt der poetischen Artikulation und mit dem Wechselbezug zwischen Lebensprozessen, Schreibakten und Artikulationsvorgängen.
Sammelrezension zu Markus May, Peter Goßens u. Jürgen Lehmann: Celan-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Stuttgart, Weimar (Metzler) 2008. 399 S.
Peter Goßens (Hg.): "Angefügt, nahtlos, ans Heute" / "Agglutinati all'oggi". Paul Celan übersetzt Giuseppe Ungaretti. Handschriften. Erstdruck. Dokumente. Frankfurt a. M., Leipzig (Insel) 2006. 222 S.
Rezension zu Jens Balzer u. Lambert Wiesing: Outcault. Die Erfindung des Comic. Bochum, Essen (eh. A. Bachmann) 2010 (= yellow. schriften zur comicforschung, Bd. 3). 103 S.
In diesem 3. Band der Reihe 'yellow. schriften zur comicforschung' machen sich die Verfasser Jens Balzer und Lambert Wiesing auf die Suche nach der Urszene des Comics, nach jener "historischen Stätte, wo sich der (begrifflich noch zu bestimmende) Comic zum ersten Mal in aller wünschenswerten Klarheit zeigt." In vier Kapiteln, die auf Vorträge und Aufsätze zurückgehen und in der für das Buch überarbeiteten Fassung dennoch aufeinander aufbauen, entwickeln sie ihre These, dass der amerikanische Zeichner Richard Felton Outcault mit dem "Yellow Kid" eine neue Bildlichkeit entwickelte, die als Comic-Bild das Erzählen mit Bildern modernisierte und dem Medium bzw. der Gattung Comic ihre besondere Form gegeben hat.
Rezension zu Daniela Kloock (Hg.): Zukunft Kino. The End of the Reel World. Marburg (Schüren) 2008. 349 S.
Spätestens seit James Camerons Science Fiction-Film 'Avatar' (2009) ist die 'digitale Revolution' wieder in aller Munde. Dabei spielt nicht zuletzt der erneute, gegenüber älteren Versuchen dank digitaler Möglichkeiten technisch verbesserte Versuch einer Etablierung des 3D-Kinos eine wesentliche Rolle. Entsprechend scheint sich das Jahr 2009 als das Jahr zu erweisen, in dem die neue digitale 3D-Technik ihren (vorläufigen?) Siegeszug feiern konnte. Angesicht solcher Entwicklungen mag sich in der Tat die Frage stellen, ob man von einer Revolution des Kinos "unter dem Vorzeichen der Digitalisierung der Filmbilder" sprechen kann und muß. So lautet zumindest die Ausgangsfrage, die die Film- und Medienwissenschaftlerin Daniela Kloock in der Einleitung zu dem von ihr herausgegebenen Sammelband 'Zukunft Kino. The End of the Reel World' formuliert.
Rezension zu Armen Avanessian, Winfried Menninghaus u. Jan Völker (Hg.): Vita aesthetica. Szenarien ästhetischer Lebendigkeit. Zürich, Berlin (diaphanes) 2009. 256 S.
Biologie als Wissenschaft des Lebens entsteht - geschichtlich bedeutsam oder zufällig - gleichzeitig mit der philosophischen Ästhetik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Um diese wissenschaftshistorische Gleichzeitigkeit drehen sich die Konstruktionen und Interpretationen der in "vita aesthetica" versammelten interdisziplinären Beiträge aus Kunst- und Wissenschaftsgeschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft.
Rezension zu Eberhard Lämmert: Respekt vor den Poeten. Studien zum Status des freien Schriftstellers. Göttingen (Wallstein Verlag) 2009. 360 S.
Eine sozialgeschichtliche Studie zum Status des freien Schriftstellers (in Deutschland) vom Beginn dieses Phänomens bis zur Gegenwart verspricht, vor allem, wenn sie von einem so verdienstvollen Literaturwissenschaftler wie dem 1924 in Bonn geborenen Eberhard Lämmert verfasst ist, eine lohnende Lektüre. Da es sich nicht um eine Monographie, sondern um einen Sammelband von zwanzig Einzelstudien handelt, bekommt man darüber hinaus einen Überblick über die Moden und Methoden der Germanistik der letzten vierzig Jahre geliefert, wie Lämmert im Vorwort versucht, Bedenken gegenüber diese Zusammenstellung zu zerstreuen.
Rezension zu Susanne Elpers: Autobiographische Spiele. Texte von Frauen der Avantgarde. Bielefeld (Aisthesis Verlag) 2008. 282 S.
Der vorliegende Band zeugt von gründlicher und fleißiger Arbeit einer Komparatistin, die ihre Dissertation durch die (in Deutschland wohl notwendige) Publikation einem breiteren Publikum zugänglich machen will.
Rezension zu Andrea Hübener, Jörg Paulus u. Renate Stauf (Hg.): Umstrittene Postmoderne. Lektüren. Heidelberg (Winter) 2010. 396 S.
Die "Lektüren" des vorliegenden Sammelbandes - es handelt sich dabei um die Beiträge zur Ringvorlesung "Postmoderne und literarische Gegenwart" an der Technischen Universität Braunschweig 2005/2006 - positionieren sich auf jener Seite der Postmoderne, die sich als hyperreflexive Fortsetzung des kritischen Programms der Moderne begreift und dementsprechend auch der Literatur nicht nur einen Unterhaltungs-, sondern auch einen Erkenntniswert zuschreibt.