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Die ethnografische Feldstudie untersucht die Lebenswege von jungen muslimischen Männern, die in einer armutsbetroffenen und stigmatisierten Hochhaussiedlung in der urbanen Peripherie aufwachsen. Sie vergleicht die Lebenswege derjenigen, die ein Hochschulstudium aufnehmen (college boys) mit der Gruppe derjenigen, die sich in der informellen Ökonomie der 'Straße' mit dem Drogenhandel als wichtigstem Zweig betätigen (corner boys). Die Lebensverläufe der jungen Männer, deren Familien meist im Zuge der Anwerbemigration ab den 1960er Jahren aus Marokko oder aus der Türkei eingewandert sind, werden anhand der Lebensverlaufstheorie (life course theory) von Glen Elder und Janet Giele erklärt. Die ethnografischen Beschreibungen werden methodisch um biografische Interviews mit college boys und corner boys und um Expertinneninterviews mit Fachleuten aus Organisationen wie Kitas, Schulen oder einer Moschee ergänzt. Die ethnografischen Beobachtungen werden auch ins Verhältnis zu Befunden aus der interdisziplinären sozialwissenschaftlichen Literatur gesetzt, die wiederum mit den in der Studie erhobenen und sehr persönlichen Lebensgeschichten von corner boys und college boys kombiniert werden. Der Forscher hatte während der Feldarbeit eine Doppelrolle, da er nicht nur als Ethnograf tätig war, sondern auch für die Stadt als Streetworker bzw. Sozialarbeiter in der Hochhaussiedlung beschäftigt war. Insofern gibt die Feldstudie auch einen Einblick in die staatlichen Unterstützungssysteme der Sozialen Arbeit.
Im Ergebnis entsteht die Geschichte eines sozialräumlich segregierten Milieus seit der Migration der Großeltern nach Deutschland. Sowohl für college boys als auch für corner boys dient die harte Lohnarbeit ihrer Eltern und Großeltern als negative Kontrastfolie. College boys streben nach beruflichem Erfolg und Anerkennung durch Bildungsabschlüsse. Corner boys hingegen leisten Widerstand gegen die Arbeitsethik und andere dominante Normen und wenden sich von der Lohnarbeit im Allgemeinen ab. In den Lebensverläufen von college boys wirken bestimmte Schutzfaktoren, die ihnen einen Bildungsaufstieg trotz armutsgeprägter Lebensverhältnisse ermöglichen. Zu diesen Schutzfaktoren zählen ein stabiler Familienkontext mit engen Bindungen, die Organisation eines strukturierten Alltags in Kindheit und Jugend mit Aktivitäten wie Nachhilfe und Sportvereinen und der praktizierte Islam mit seiner engen Verbindung von Glaube, Bildung und Abstinenz.
Durch die Arbeit entsteht ein Perspektivwechsel auf Hochhaussiedlungen der untersuchten Art. Statt der üblichen symbolischen Abwertung erscheinen sie durch die beschriebenen intergenerationalen Bildungsaufstiege als Orte mit besonders hoher sozialer Mobilität. Auf der anderen Seite wird mit den corner boys aber auch eine Gruppe beschrieben, in der sich Prekarität aufgrund von Ausgrenzungserfahrungen und einer anschließenden Resignation verfestigt hat. Die college boys bekommen Raum zur Entfaltung, während die corner boys metaphorisch gesprochen im Raum der Hochhaussiedlung gefangen bleiben. Die Faktoren, die diesen Unterschied erklären, werden in der Arbeit beleuchtet.
Am 18. Juni wird Jürgen Habermas, der die Geistes- und Sozialwissenschaften der Goethe-Universität nachhaltig geprägt hat, 95 Jahre alt, und dazu sendet unsere wissenschaftliche Community, der er nach wie vor aktiv angehört, die herzlichsten Glückwünsche. Bis heute ist Habermas’ wissenschaftliche und intellektuelle Stimme national und international eine der meistgehörten, und wir wünschen von Herzen, dass es noch lange so bleiben möge.
Les Républicains in Frankreich, die Tories in Großbritannien, die österreichischen Christdemokraten: Parteien, die jahrzehntelang als feste politische Größe in ihren Ländern galten, haben einen rapiden Bedeutungsverlust erlebt, manche sind in Richtung des rechten Randes gerückt. Doch eine gemäßigt konservative Kraft rechts der Mitte ist notwendig für eine stabile und zukunftsoffene Demokratie.
Der Beitrag bietet eine Einführung in das Thema „Vertrauen als Topos der Plattformregulierung“. Dazu wird in einem ersten Schritt das allgemeine Verhältnis zwischen dem sozialen Tatbestand „Vertrauen“ und dem Recht als das einer komplementären, wechselseitigen Wirkungsverstärkung beschrieben. Im Hinblick auf die vertrauensfördernde Rolle des Rechts wird in einem zweiten Schritt zwischen der Funktion des Vertrauens bzw. der Vertrauenswürdigkeit als Tatbestandselement einer Vorschrift und den hieran geknüpften Rechtsfolgen unterschieden. Auf der Basis dieser Grundlagen gibt der Aufsatz in einem dritten Schritt einen Überblick über Bezugnahmen auf „Vertrauen“ in der deutschen und europäischen Plattformregulierung seit 2015. Hierzu zählen sektorale Regelungen gegen Hasskriminalität und Desinformation sowie zum Schutz des Urheberrechts, die 2022 in den horizontal angelegten Digital Services Act mündeten, der ein insgesamt „vertrauenswürdiges Online-Umfeld“ gewährleisten soll. Viertens stellt der Beitrag ein abstrakt-analytisches Konzept des Vertrauens vor, das sich gut zur Analyse der aufgezählten Vertrauensbeziehungen und ihrer rechtlichen Regelungen eignet. Ein abschließender Ausblick deutet die Proliferation des Vertrauenstopos als Ausdruck einer Vertrauenskrise im digitalen Zeitalter. Die erstrebte Vertrauenswürdigkeit des Online-Umfelds bildet ein normatives Minimum, das über gesetzliche Verhaltenspflichten und Privilegien für vertrauenswürdige Akteure der Zivilgesellschaft erreicht werden soll. Ob dies gelingt und überhaupt wünschenswert ist, ist freilich offen. Die juristische Auseinandersetzung mit dem Topos des Vertrauens in der Digital- und Plattformregulierung hat gerade erst begonnen.
Vor dem Hintergrund von Globalisierung und Migrationsbewegungen ist die Staatsbürgerschaft vermehrt der Frage nach der Rechtfertigung der Grenzen des Demos ausgesetzt. Prägend für die verfassungsrechtliche Definition dieser Grenzen war der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde, der auch die Ablehnung der ersten Anläufe des Ausländer:innenwahlrechts mitverantwortete. Der vorliegende Aufsatz vollzieht vor diesem Hintergrund Böckenfördes Bild der Staatsbürgerschaft nach. Seine Konzeption umfasst dabei in erster Linie einen legalen Status. Im Zusammenhang mit Böckenfördes Auslegung des Demokratieprinzips bleiben die historisch-spezifischen Inhalte und Grenzen der Bürgerschaft darüber hinaus stets an die Integrationsmöglichkeiten und das Selbstverständnis gegebener, notwendig homogener politischer Einheiten gekoppelt. In der Konfrontation mit der Kritik exklusiver politischer Gemeinschaften zeigt sich dennoch eine weite politische Gestaltungsfreiheit innerhalb von Böckenfördes Konzept, andererseits aber auch die Grenzen eines Dialogs zwischen Staatsrechtslehre und jenen neueren normativen Modellen demokratischer Gemeinschaft.
Wo und warum es verdeckten Widerstand in demokratischen Gesellschaften gibt, erkundet ein neuer Sammelband des Instituts für Sozialforschung. Ein Gespräch mit den Herausgeber:innen Ferdinand Sutterlüty und Almut Poppinga über die Verbindung von Widerstand, Würde und das gemeinsame Pflanzen von Bäumen.