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Es ist die erste Poetikdozentur, die der Schweizer Schriftsteller übernimmt. Mit großer Spannung werden daher Christian Krachts Vorlesungen an der Goethe-Universität erwartet. Er wird vom 15. – 22. Mai in drei Vorträgen über die Entstehungsgrundlagen, die Einflüsse und die Fluchtpunkte seiner literarischen Arbeit sprechen.
Kaum eine Zeit steht so sehr für die sexuelle Befreiung und Sprengung familialer Strukturen wie die 1968er (vgl. Herzog 2005). Kaum ein Märchen steht in der psychoanalytischen Deutung so sehr für den sexuellen Reifungsprozess und das Unabhängigwerden eines Kindes wie Der Froschkönig. Der vorliegende Artikel greift diese Verbindung auf, da gerade während der 68er-Bewegung verschiedene Wasser- und Amphibienfiguren in der Kinder- und Jugendliteratur (KJL) vorkommen, die stark an die Motive des Märchens erinnern. Besonders prominente Beispiele hierfür sind: Christine Nöstlingers Wir pfeifen auf den Gurkenkönig von 1972 sowie Mirjam Presslers Erzählung Goethe in der Kiste, die zwar erst 1987 erschienen ist, jedoch deutliche Züge des anti-autoritären Gedankenguts der Protestkultur aufweist. Diesen Texten ist gemein, dass ihre Motive augenscheinlich von einem Märchen geprägt sind, das von der Psychoanalyse als Sinnbild für den Reifungsvorgang eines Kindes bewertet wird, welches sich aus seiner inzestuösen Verstricktheit mit dem Vater lösen muss. Während Presslers Buch den Froschkönig explizit anzitiert, kann Nöstlingers Gurkenkönig als eine Schwell- und Schwellenfigur gelesen werden, die ähnliche Prozesse in Gang setzt wie die Märchengestalt. ...
Ziel der Arbeit ist es, den frühen Zweitspracherwerb bei Kinder mit einer Spezifischen Sprachentwicklungsstörung (specific language impairment, SLI) zu charakterisieren. Im Vergleich zwischen sprachunauffälligen Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ-TD) und und sprachauffälligen Kindern (DaZ-SLI) wird für die morpho-syntaktischen Bereiche Finitheit und Verbstellung sowie Kasus untersucht, anhand welcher Entwicklungsmuster sich zwischen einem unauffälligen und einem auffälligen DaZ-Erwerb unterscheiden lässt. Dabei werden die folgenden übergeordneten Fragen (F) beantwortet. (F1) Gibt es Unterschiede in Bezug auf Fehlerarten und -häufigkeiten zwischen DaZ-TD und DaZ-SLI Kindern? (F2) Gibt es persistierende Defizite bei DaZ-SLI Kindern verglichen mit DaZ-TD Kindern?
Untersucht wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren 33 DaZ-Kinder, elf davon mit einer SLI. Zu Beginn der Erhebungen waren die DaZ-TD Kinder im Durchschnitt 3;8 Jahre alt und hatten 11 KM zum Deutschen. Die DaZ-SLI waren zu MZP 1 durchschnittlich 7;1 Jahre alt (45 KM). Zu insgesamt vier MZP wurden elizitierte Produktionsdaten mittels des standardisierten Verfahrens LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) erhoben. Sowohl die Methode der elizitierten Produktion als auch die längsschnittlichen Analysen einer großen Gruppe von Kindern mit DaZ erlaubten es, Aussagen über das Erwerbsalter bzw. persistierende Defizite und Entwicklungsmuster, insbesondere bei SLI, zu treffen. Entwicklungsverzögerungen (delay) und ggf. vom DaZ-TD Erwerb abweichende Entwicklungsmuster (deviance) wurden abgebildet.
Mit der Beantwortung der Fragen leistet die Arbeit in zweierlei Hinsicht einen Beitrag. Erstens wird mit Blick auf die Spracherwerbsforschung gezeigt, dass DaZ-SLI Kinder entwicklungsverzögert sind und sowohl ø-Stämme in V2 als auch Schwierigkeiten im Erwerb von Dativ in Präpositionalphrasen auf eine SLI bei Kindern mit DaZ hinweisen. Zweitens wird aus Sicht der Linguistik dafür argumentiert, dass zum einen ø-Stämme in V2 kovert finit sind und zum anderen in Modellen der Kasuszuweisung von einer dreigliedrigen Struktur, also einer Unterscheidung zwischen strukturellem, lexikalischem und inhärentem Kasus, ausgegangen werden muss.
Die Arbeit knüpft an damit an verschiedene Erwerbsstudien an. Hinsichtlich des Erwerbs von Finitheit und Verbstellung war bisher ungeklärt, ob auch die DaZ-SLI Kinder zwischen en-Infinitiven und ø-Stämmen hinsichtlich der jeweiligen Position im Satz unterscheiden, wie bereits für den DaZ-TD Erwerb nachgewiesen. Die vorliegende Studie wies dieses Erwerbsmuster auch für den DaZ-SLI Erwerb nach und schließt sich damit bisherigen Studien hinsichtlich kovert finiter ø-Stämme in V2 an. Studien zum Kasuserwerb bei DaZ, die auf den linguistisch relevanten Unterschied in der Kasuszuweisung, d.h. strukturell vs. nicht-strukturell (inhärent und lexikalisch), eingehen, gab es nur wenige. Die Frage, ob in der Kasustheorie von einem zwei- oder dreigliedrigen Modell ausgegangen werden muss, war neben der Frage nach möglicherweise abweichenden Erwerbsmustern und persistierenden Erwerbsschwierigkeiten bei DaZ-SLI bislang ungeklärt. In der vorliegenden Studie wurde gezeigt, dass DaZ-SLI Kinder verglichen mit DaZ-TD Kindern ähnliche Fehlermuster zeigen, aber insbesondere der Dativ in PPs stark verzögert erworben wird. Die Studie schließt den Ergebnissen zum simultan bilingualen Erwerb an und postuliert ein dreigliedriges Kasussystem.
Insgesamt zeigt die vorliegende Studie erstmals anhand elizitierter Längsschnittdaten, dass DaZ-SLI Kinder bis ins Schulalter persistierende Probleme im Erwerb von Finitheit und Verbstellung sowie Kasus haben. Verglichen mit DaZ-TD Kindern erwerben sie diese Bereiche - wenn überhaupt - deutlich verzögert (delay). In den Fehlertypen unterscheiden sich die beiden Erwerbstypen hingegen nicht (deviance).
Ausgangspunkt der Studie ist die These, dass sprachlich und kulturell heterogene Lerngruppen, an denen Studierende mit und ohne spanischsprachigen Familienhintergrund gemeinsam teilnehmen, als eine günstige Lernsituation betrachtet werden können. Voraussetzung dafür ist, dass die unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten als Ressourcen für den Unterricht verstanden werden.
Mit dem Fokus auf Sprachveranstaltungen in Spanisch, die von Studierenden an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main besucht werden, und die im Rahmen ihres Lehramtsstudiums im Fach Spanisch stattfinden, wurden in dieser Studie folgende Forschungsfragen verfolgt:
1. Wie entstehen und entwickeln sich Sprachlernprozesse in sprachlich und kulturell vielfältigen Lernkontexten?
2. Wie zeichnet sich das Lernen in sprachlich und kulturell vielfältigen Lernkontexten aus?
3. Welche sprachlichen und kulturellen Ressourcen können für die sprachliche und kulturelle Förderung genutzt und bewusst eingesetzt werden?
Wichtigste Forschungsergebnisse:
Es wurde festgestellt, dass Sprachlernprozesse bei Studierenden mit und ohne spanischsprachigen Familienhintergrund sowohl im kognitiven als auch im emotionalen Bereich qualitativ unterschiedlich verlaufen und, dass in sprachlich und kulturell vielfältigen Lernkontexten individuelle und überindividuelle Sprachlern-prozesse stattfinden, die einander bedingen.
Was das gemeinsame Lernen angeht, konnte festgestellt werden, dass Studierende ohne spanischsprachigen Familienhintergrund widersprüchliche Erwartungen an die Studierenden mit spanischsprachigem Familienhintergrund haben: Einerseits schätzen sie die Präsenz ihrer Kommilitonen und sehen sie als Mittler zwischen dem Unterricht und der Realität außerhalb des Unterrichts, weil sie die „echte“ Sprache und Kultur in den Klassenraum bringen. Anderseits fühlen sie sich durch ihre Anwesenheit im Unterricht verunsichert, was ihre sprachliche Entwicklung zum Teil hemmt. Bei den Studierenden mit spanischsprachigem Familienhintergrund konnten unterschiedliche Phasen in ihrem Sprachlernprozess beobachtet werden, die ihre Lernattitüde und ihre Haltung zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen konditionieren.
Entscheidend für die Konstruktion gemeinsamer Sprachlernprozessen ist, dass die Studierenden ihre Positionierung als peer ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen bewusst wahrnehmen, was nicht immer der Fall ist. Auch die Bewusstwerdung der eigenen Funktion als Mittler zwischen Sprachen und Kulturen insbesondere (aber nicht nur) bei Studierenden mit spanischsprachigem Familienhintergrund soll im Unterricht durch die Reflexion über die eigene sprachliche und kulturelle Identität gefördert werden.
Im Umgang mit solchen Lerngruppen haben Dozentinnen und Dozenten unterschiedliche Erwartungen. In der Regel werden aber Lerninhalte vermittelt, die die sprachliche und kulturelle Vielfalt im Unterricht nicht berücksichtigen. Für die Leistungsbewertung beider Studierendengruppen werden oft unterschiedliche Kriterien angewendet, woraus Konflikte zwischen den Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmern entstehen.
Die Rolle der Dozentinnen und Dozenten selbst ist in der Gestaltung gemeinsamer Lernkontexte, in denen die Interaktion der Studierenden gefördert werden, grundlegend. Damit dies gelingt, sollen sie einerseits für Mehrsprachigkeit als Phänomen der Gesellschaft, das den Sprachunterricht im besonderen Maße betrifft, sensibilisiert sein. Andererseits soll ihnen bewusst werden, dass das Sprachenlernen aus einer kognitiven und einer emotionalen Seite besteht, die in engem Zusammenhang mit mehrsprachigen und mehrkulturellen Identitätskonstruktionen stehen. Beide Seiten sollen im Unterricht gefördert werden.
Rezensionen [2018]
(2018)
Verzeichnis
Einzelrezensionen
154 Beauvais, Clémentine: The Mighty Child. Time and Power in Children’s Literature (Thomas Kullmann)
155 Dean-Ruzicka, Rachel: Tolerance Discourse and Young Adult Holocaust Literature. Engaging Difference and Identity (Susanne Blumesberger)
157 Dolle-Weinkauff, Bernd (Hrsg.): Geschichte im Comic. Befunde – Theorien – Erzählweisen (Caroline Wittig)
159 Ewers, Hans-Heino (Hrsg.): Erster Weltkrieg: Kindheit, Jugend und Literatur. Deutschland, Österreich, Osteuropa, England, Belgien und Frankreich (Kurt Franz)
161 Franz, Kurt / Lange, Günter (Hrsg.): Der Stoff, aus dem Geschichten sind. Intertextualität im Werk Otfried Preußlers (sabine fuchs)
163 Glasenapp, Gabriele von/Kagelmann, Andre/Giesa, Felix (Hrsg.): Die Zeitalter werden besichtigt. Aktuelle Tendenzen der Kinder- und Jugendliteraturforschung. Festschrift für Otto Brunken (Karin Richter)
165 Josting, Petra/Schmideler, Sebastian (Hrsg.): Bonsels’ Tierleben. Insekten und Kriechtiere in Kinder- und Jugendmedien (Kurt Franz)
167 Kriegleder, Wynfrid/ Lexe, Heidi / Loidl, Sonja/ Seibert, Ernst (Hrsg.): Jugendliteratur im Kontext von Jugendkultur (Lena Hoffmann)
169 Kurwinkel, Tobias: Bilderbuchanalyse. Narrativik – Ästhetik – Didaktik (Annette Kliewer)
171 Langenhorst, Georg/Naurath, Elisabeth (Hrsg.): Kindertora – Kinderbibel – Kinderkoran. Neue Chancen für (inter-)religiöses Lernen (Renate Grubert)
172 Lathey, Gillian: Translating Children’s Literature (heike Elisabeth Jüngst)
174 Mairbäurl, Gunda/Seibert, Ernst (Hrsg.): Kulturelle Austauschprozesse in der Kinder- und Jugendliteratur. Zur genrespezifischen Transformation von Themen, Stoffen und Motiven im medialen Kontext (Sarah Terhorst)
176 Maiwald, Klaus /Meyer, Anna-Maria/Pecher, Claudia Maria (Hrsg.): »Klassiker« des Kinderund Jugendfilms (Michael Stierstorfer)
177 Mills, Claudia (Hrsg.): Ethics in Children’s Literature (Thomas Kullmann)
179 Nast, Mirjam: »Perry Rhodan« lesen. Zur Serialität der Lektürepraktiken einer Heftromanserie (Wolfgang Biesterfeld)
181 O’Sullivan, Emer / Immel, Andrea (Hrsg.): Imagining Sameness and Difference in Children’s Literature. From the Enlightenment to the Present Day (Iris Schäfer)
182 Oetken, Mareile: Wie Bilderbücher erzählen. Analysen multimodaler Strukturen und bimedialen Erzählens im Bilderbuch (Katharina Egerer)
184 Schmideler, Sebastian (Hrsg.): Wissensvermittlung in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR. Themen, Formen, Strukturen, Illustrationen (Sabine Planka)
186 Standke, Jan (Hrsg.): Wolfgang Herrndorf lesen. Beiträge zur Didaktik der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (Sabine Planka)
187 Viel, Bernhard: Der Honigsammler. Waldemar Bonsels, Vater der Biene Maja. Eine Biografie (Renate Grubert)
189 Zellerhoff, Rita: Komplexe sprachliche Strukturen in der Jugendliteratur. Aufgezeigt an Beispielen preisgekrönter Werke der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises (Susanne Riegler)
Sammelrezensionen
191 Anker, Martin u.a. (Hrsg.): Grimms Märchenwelten im Bilderbuch. Beiträge zur Entwicklung des Märchenbilderbuches seit Mitte des 20. Jahrhunderts. – Brinker-von der Heyde, Claudia u. a. (Hrsg.): Märchen, Mythen und Moderne. 200 Jahre Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. – Joosen, Vanessa/ Lathey, Gillian (Hrsg.): Grimms’ Tales around the Globe. The Dynamics of their International Reception (Thomas Bitterlich)
194 Böhm, Kerstin: Archaisierung und Pinkifizierung. Mythen von Weiblichkeit und Männlichkeit in der Kinder- und Jugendliteratur. – Dangendorf, Sarah: Kleine Mädchen in High Heels. Über die visuelle Sexualisierung frühadoleszenter Mädchen (Annette Kliewer)
197 Gordon, Ian: Kid Comic Strips. A Genre Across Four Countries. – Kupczynska, Kalina/Renata Makarska (Hrsg.): Comic in Polen. Polen im Comic. – Kutch, Lynn Marie (Hrsg.): Novel Perspectives on German-Language Comics Studies. History, Pedagogy, Theory. – Reddition. Zeitschrift für Graphische Literatur (66) 2017: Ein halbes Jahrhundert Carlsen Comics. – Rosenfeldt, Reginald: ComicPioniere. Die deutschen Comic-Künstler der 1950er Jahre (Felix Giesa)
Setzt man bei der Darstellung revolutionärer Prozesse im Kindertheater in den 1960/70er Jahren an, so liegt der Fokus auf einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche und politisch-sozialer Bewegungen, die für die Geschichte des Kinder- und Jugendtheaters von besonderer Bedeutung ist (vgl. Schneider 1984). Wie andere Intellektuelle und KünstlerInnen auch wurden Theaterschaffende von den Protesten und dem Klima der Veränderung und des Aufbruchs vielfältig angeregt. Auch im Theater wurden Autoritäten hinterfragt, traditionelle Repertoirestücke einer kritischen Revision unterzogen und neue Spielformen erprobt. Das Revolutionäre erscheint hier zunächst als eine Hinwendung zum Politischen, die auch bestehende und neu gegründete Kindertheater erfasste. Erkennbar wird eine gesellschaftlich engagierte Theaterarbeit, die Formen der Unterdrückung (z. B. von Kindern) dokumentierte und mit großem Engagement bekämpfte. Mit den Mitteln des Theaters sollten kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen durchgesetzt werden und die Theaterbühne sollte ein Ort der Revolution gegen gesellschaftliche Missstände sein. Theaterarbeit war politische Arbeit und Kindertheater ein »Mittel, auf gesellschaftliche Zustände einzuwirken« (Ludwig 1994, S. 24). ...