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Nach einer Rekonstruktion des Forschungsstandes (I.) soll in dieser Studie die literarische Modellierung des Frauenmörders Moosbrugger aus Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" nach Bleulers (II.), vor allem aber nach Freuds Konzept der Paranoia (IJI.) untersucht werden. Im Mittelpunkt steht dabei Moosbruggers narzisstische Persönlichkeitsstruktur und die, aus einer freudschen Perspektive gesprochen, damit zusammenhängende Vorstellung, dass "hinter den Weibern der andere Mann" steckt. In einem letzten Schritt wird untersucht, inwieweit diese Persönlichkeitsstruktur die Voraussetzung für eine, mit Ulrich parallelisierte, mystische Öffnung Moosburggers darstellt (IV.).
Noch in den 1980ern waren filmische Darstellungen der psychischen Krankheit und der psychiatrischen Kliniken dominant politisch gefärbt. Psychiatrien galten dabei als Orte der Kontrolle, Repression und Ausgrenzung, All dieses ist in den letzten beiden Dekaden zurückgetreten gegen eine Gesellschaftsauffassung, in der Psychiatrie als me-dizinische Notfallversorgung bestehen bleibt, in der das Management der Krise aber dem einzelnen und seinem näheren Umfeld überlassen bleibt. Die großen gesellschaftli-chen Tendenzen der Individualisierung, Differenzierung und Entsolidarisierung fin-den sich so auch im Horizont der Psychiatriethemen. Die Einheit des Normalen wird durch eine Vielheit der Lebensorientierungen und Lebensweisen abgelöst. Die psychi-sche Krise wird so gelegentlich zum Ausdruck einer allgemeineren Sinnsuche, der Um-gang mit Verlust, Trauer, Demütigung und ähnlichem wird zu einem allgemeineren existentiellen Anliegen. Die Psychiatrie als Institution wird dabei deutlich entlastet.
Die Écriture automatique des Surrealismus ist ein Schreibverfahren, das sowohl seine Anleihen aus der experimentellen Psychiatrie des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie auch die Differenzen zu dieser wissenschaftlichen Ausrichtung deutlich inszeniert: Sich dem Schreibprozess seiner Reflexe zu überlassen, dient bei Breton und Soupault nicht, wie bei Janet und Binet, dem Zweck, in der Therapie die pathologische Dissoziation des Subjektes zu überwinden und die verlorene Einheit der Person zurück zu gewinnen. Vielmehr wird gefordert, sich auch noch von den letzten Resten einer individuellen, vernünftigen und bewusstseinsgesteuerten Persönlichkeit zu verabschieden. Ziel dieser Selbstentleerung ist die Vereinigung mit einem überindividuellen universalen Automatisme, der das Schreiben, ohne dass es noch eines Eingriffs von Seiten des Menschen bedürfte, selbstständig und sicher lenkt. — All dies natürlich nur unter der Voraussetzung, dass man an den rhetorischen Mythos glaubt, den Breton und Soupault in den "Champs magnétiques" mit heiligem Eifer kreieren.