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Happy Ends, soviel gilt im Zeichen der Negativitätsästhetik als ausgemacht, sind ästhetisch verächtlich. Mit guten Gründen, wie es scheint: Die eben noch rechtzeitige Ankunft des rettenden Boten, das Durchschauen von Verwechslung und Irrtum in letzter Minute, die schon nicht mehr erhoffte Umkehr des auf Abwegen Wandelnden – dies sind, wenn nicht geradezu konstitutive, so doch gattungstypische Handlungsverläufe trivialer, bloß unterhaltender, kitschiger – kurz, als ästhetisch geringerwertig geltender Kunst.
Motive und Argumente der Ablehnung gehören zum topischen Repertoire der Trivialliteraturforschung: Was an solchen Produkten der Kunst und der Literatur so bedenklich ist, ist nicht das gute Ende selbst, zu dem sie führen, sondern vielmehr der ermäßigte Preis, zu dem sie es tun. Das gute Ende, zugleich mit Spannung erhofft, tritt ein als ein so nicht erwartetes, als ein in den Bedingungen seiner Möglichkeit nicht motiviertes, als sorgfältig geplante Zufälligkeit. Es sei darauf angelegt, heißt es, ein Glücksverlangen zu befriedigen, zu befriedigen aber nur im Hier und Jetzt des illudierenden Spiels. Und alle Wiederholung, zu der es das Bedürfnis errege, könne nicht darüber hinwegtäuschen, daß es, nach Maßgabe besonnen-nüchterner Vernunft, 'realistischerweise' nicht hatte eintreten können. Eben dadurch verweise es die wahre Befriedigung des Glücksverlangens ins Reich illusionärer Utopie, daß es die Gegebenheiten, die jener tatsächlich entgegenstehen, als weniger bedrängend und bedrohlich erscheinen lasse. Die Ablehnung des Happy End als Gattungsstereotyps ist also begründet in einer Interpretation seiner Funktion. Aber ist die so geartete Funktionsbestimmung notwendig und unausweichlich?
[Volker Mertens] betrachtet einen (...) bisher wenig beachteten Einzelfall: die Auflösung höfischer Verslegenden in Prosa in dem umfangreichen und am weitesten verbreiteten Legendar des späten Mittelalters: ‚Der Heiligen Leben’. Die Tatsache, daß eine beträchtliche Anzahl der Legenden in diesem Legendar auf Versfassungen zurückgeht, ist seit langem bekannt. Das Interesse war jedoch meist textkritisch motiviert, so daß die Prosaauffassungen für die Konstitution der Verstexte herangezogen wurden (...). Gut 250 Legenden umfaßt der Grundstock des Legendars, längst nicht alle Quellen sind bekannt. Verfassungen liegen etwa einem Fünftel zugrunde. (...) [Volker Mertens untersucht] an drei Texten (...) (nämlich Ebernands von Erfurt ‚Kaiser und Kaiserin’, Hartmanns ‚Gregorius’ und Reinbots von Durne ‚Heiliger Georg’) zuerst die Art der Adaption (...), [und fragt gleichzeitig], wie sich die spezifische Aussage der hochmittelalterlichen Texte die veränderten Aussagen im Rahmen der Entstehungs- und Existenzbedingungen des spätmittelalterlichen Legendars interpretieren.
Die Beobachtungen, über die ich an dieser Stelle berichten möchte, gelten der Texteinrichtung des handgeschriebenen und gedruckten Buches im späten Mittelalter. Zu einem buchtechnischen Problem eigener Art wird die Einteilung des Schriftraums dort, wo die Aufgabe gestellt ist, nicht den Text eines originären literarischen Werkes oder den Text eines Kommentars, sondern beide gleichzeitig - in synoptischer Anordnung - darzubieten. Mit dieser Schwierigkeit kann im 15. Jahrhundert der Schreiber einer Handschrift ebensogut wie der Setzer eines Druckes konfrontiert sein. Es handelt sich jedoch keineswegs nur um ein Problem des 15. Jahrhunderts. Die Aufgabe stellt sich überall dort, wo wissenschaftliches Denken, Lehre und Unterricht sich in der Form der Exegese, der Interpretation kanonischer Quellentexte vollziehen. Schon während der Karolingerzeit, stärker noch seit den Anfängen der Scholastik hatte das Buch, das als Lehr- und Studienmittel eng an die Unterrichtsformen der Kloster-, Dom- und Stiftsschulen, dann der Universitäten gebunden war, für die Koordination von Text und Kommentar eigene Darbietungsweisen entwickelt. Sieht man von einigen Sondererscheinungen ab, so lassen sich für das früh- und hochmittelalterliche Buchwesen fünf verbreitete Einrichtungstypen unterscheiden (1). Sie werden zur Grundlage auch für das handgeschriebene Buch und den Druck des 15. Jahrhunderts.
Harghe, Johannes
(1981)
Harghe, Johannes 1. Jo. Harghe de Holtzacia (300 vb) stammte aus Kiel (124 vb "Kilensis aliquis de tali ciuitate natiuo meo"; vgl. 337 rb "Holste ut ego holsaticus"). Die Harghes zählten zu den vermögenden und politisch einflußreichen bürgerlichen Familien der Stadt. Sie stellten vom 14.-16. Jh. mehrfach Ratsherren, so um die Mitte des 15. Jh.s den Bürgermeister Siverd Harge und den Kämmerer Tymmo Harge. J.H. kam 1444 - wohl anläßlich des Konzils - nach Basel; am 1. Mai 1444 hat er hier ein Amt ("officium" 300 vb) übernommen. Inhalt und harmonisch regulierte Buchschrift des von ihm geschriebenen lexikalisch-grammatischen Studienbandes lassen vermuten, daß H. noch in jüngeren Jahren stand und als Schreiber oder Sekretär tätig war. Seine letzte Äußerung bezieht sich auf die Auflösung des Konzils 1449 (54 vb). 2. H. bearbeitete um 1445 in Basel ein zweiteiliges (lat.-dt. und dt.-lat.) Vokabular. Überliefert als Haupttext des autographen philologischen Sammelbandes Basel, UB, cod. F IV 9 (aus dem Besitz des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 1458-1478; seit 1439 Kanoniker am Basler Münster). Die Hs. vereinigt 14 Einzeltexte, teils Stücke aus dem Lektürekanon des Lateinunterrichts ('Disticha Catonis' ['Cato'], 'Facetus', 'Pamphilus', 'Physiologus'), teils stilistische, wortkundliche und grammatische Hilfsmittel ('De elegantia linguae Latinae', naturkundliche lat.-dt. Glossarien, Composita verborum; 1449 angefügt: 'Ars minor' des Donat und 'Doctrinale'). Schon in der Schlußschrift des lat. 'Vocabularius eloquentiae rhetoricorum et poetarum' (datiert 12./13.6.1445) verweist H. mit der Wendung "in nostro vocabulario" (430 rb) auf sein lat.-dt. Vokabular BI. I-300 (datiert 14.10.1445). 3. Nach dem Muster des namentlich in Norddeutschland verbreiteten 'Brevilogus' ist das Werk in drei grammatische Hauptteile ("principalia") gegliedert; doch schaltet H. die Indeklinabilien buchstabenweise in den Text des Verbarius ein (226 vb "secundum meum principale ... cum tercio meo principale"). Der Textanfang mit Prolog fehlt (Bl. I frei). Laut Schreibervers 300 vb schrieb H. "levitate stili clero ... iuvenili" (HÄNGER, S. 34 Anm. 32). 4. Verloren sind Anfangs- und Schlußglossen des außerordentlich stoffreichen dt.-lat. Teils Bl. 307*-388 (etwa 20.000 Lemmata; erhalten: Abele - Wust). Er steht typologisch, bedingt auch quellenmäßig in der Tradition der ostfälischen dt.-lat. Vokabulare der Zeit um 1400, die schon auf den 'Quadriidiomaticus' des Dietrich Engelhus gewirkt hatte. - Die Sprachform der Interpretamente und Lemmata, im Grundcharakter mnd., ist in doppelter Hinsicht uneinheitlich: neben die nordsächs. Formen des Holsteiners H. treten ostfäl. Formen seiner nd.-lat. Vorlage ("henne/hinne"; "offer/opper"); gleichzeitig bewirken ergänzende hd. Vorlagen oder der Aufenthalt tief im Süden des hd. Sprachgebietes einen Einschuiß hd. Wortgutes ("pfeffer/peper"). Literatur. G. POWITZ, NdJb 86 (1963) 99 Anrn. 50; K. GRUBMÜLLER, Vocabularius Ex quo, 1967, S. 220 Anm. 1; H. HÄNGER, Mhd. Glossare u. Vokabulare in schweiz. Bibl. bis 1500, 1972, S. 34f.; F.G. BECKER, Pamphilus, 1972, S. 19-21.
Englische Fassung: Substantive and Reflexive Elements in Modern Law. (EUI Working Paper 1982/14). Law and Society Review 17, 1983, 239-285 und in: Kahei Rokumoto (Hg.) Sociological Theories of Law. Dartmouth, Aldershot 1994, 415-462. Neuabdruck in: Carroll Seron, The Law and Society Canon, Ashgate, Aldershot 2005 (im Erscheinen). Französische Fassung: Eléments 'substantifs' et 'réflexifs' dans le droit moderne. L'Interdit. Revue de Psychanalyse Institutionelle, 1984, 129-132, und Droit et réflexivité: une perspective comparative sur des modèles d'évolution juridique in: Gunther Teubner, Droit et réflexivité. Librairie générale de droit et de jurisprudence, Paris 1994, 3-50. Dänische Fassung: Refleksiv Ret: Udviklingsmodeller i sammenlignende perspektiv. In: Asmund Born, Nils Bredsdorff, Leif Hansen and Finn Hansson (Hg.) Refleksiv Ret. Publication Series of the Institut for Organisation og Arbeidssociologi. Nytfrasamfundsvidenskaberne, Kopenhagen 1988, 21-79.
Es existieren zahlreiche Gattungsgeschichten zur Autobiographie; es gibt neuerdings in der Literaturwissenschaft endlich auch eine Geschichte der Biographie; es fehlt aber eine Untersuchung zu dem komplexen Verhältnis von Autobiographie und Biographie, diesen beiden Grenzgängern zwischen Geschichtsschreibung, Wissenschaft und Kunst. Und doch liegt hier ein methodisch, gattungstheoretisch und ästhetisch ungemein interessantes Beziehungsnetz vor, das, wenn es ausgelegt werden könnte, Rückwirkungen auf die Gattungsgeschichte der Biographie und Autobiographie haben würde.
Im Zuge des unvermindert andauernden Mittelalter-Rezeptionsbooms hat Dieter Kühn (...) nun einen weiteren mittelalterlichen Autor, Neidhart, in den Mittelpunkt eines Werkes gestellt. Er konfrontiert in diesem „Liederbuch mit Prosakapiteln“ Übersetzungen nach Transkriptionen der Neidhart-Handschriften (...) mit Texten neidhartscher Zeitgenossen (...) und Collagen (...) aus zeitgenössischen Chroniken und wissenschaftlicher Sekundärliteratur.
Für den Zeitraum von 1770 bis 1790, in dem sich die moderne Literaturgesellschaft herausbildet, ist es typisch, daß überlieferte Denk- und Wertvorstellungen in Frage gestellt und neue Konzeptionen oft stürmisch und kontrovers entwickelt werden, die dann um und nach 1800 in umfassenden Systemsynthesen gebändigt werden. Dies trifft auch für die Festlegung männlicher und weiblicher Rollenbilder zu: mit Recht wurde gesagt, daß die bis weit in unser Jahrhundert hinein gültigen psychosozialen Geschlechtercharakteristika „[...] im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erfunden´“ wurden [1]. Zuvor waren einzelne Aspekte der Geschlechterbestimmung - sieht man von der Satire, der Komödie und ihren einschlägigen Thementopoi ab - innerhalb der moralischen Naturlehre, Verhaltenskasuistik und der Reformerziehung behandelt worden; an der Festlegung einer generell gültigen ‘Geschlechtercharakteristik’ bestand kein Interesse [2]. Ab ca. 1770 ändert sich das Bild. Die singulären, bisher auch mit Berufung auf Konvention und Tradition begründeten, stets streng standesbezogenen Pflichten von Mann und Frau werden von der jungen bürgerlichen Bildungselite innerhalb des neu expandierenden moralessayistischen Schrifttums generalisiert und in standesübergreifende und möglichst ‘natur’-begründete Werte umgewandelt, für die breite, wenn nicht universale Geltung beansprucht wird. Gegen Ende des Jahrhunderts markieren Bezeichnungen und Titel wie „Charakter des Geschlechts“, „Charakteristik dieses Geschlechts“ (I. Kant) [3]; „Charakteristik des weiblichen Geschlechts“ bzw. „Der Mann. Ein anthropologisches Charaktergemälde seines Geschlechts“ (C. Fr. Pockels) [4], „Der Charakter und die Bestimmung des Mannes” (Fr. Ehrenberg) [5] dieses neue Interesse an prinzipieller Festlegung der Geschlechterrollen.
Mit den (...) Überlegungen [versucht Volker Mertens] (...), Kategorien der Leserforschung, wie sie v.a. von Wolfgang Iser entwickelt wurden (Der implizite Leser. München 1972, und der Akt des Lesens. München 1976), auf die Eigenart der Predigtüberlieferung des Mittelalters, speziell zwei Sammlungen, die im 14. Jahrhundert überliefert sind, zu übertragen. Diese Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes bedingt nicht zuletzt den experimentellen Charakter dieser Skizze.