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Aspekte Schwarzer Geschichte(n) in "Berlin Global" : eine Führungs- und Ausstellungsreflexion
(2024)
Februar ist Black History Month und damit der ideale Zeitpunkt, eine Blogserie über Berliner Orte zu beginnen, die wir - Gianna Zocco und Sandra Folie - im Zuge unseres neuen Forschungsprojekts "Schwarze Narrative transkultureller Aneignung" besuchen: Museen, Theater, Verlage, Archive usw., die für eine afroeuropäisch fokussierte Literatur- und Kulturforschung relevant sind und mit denen wir ins Gespräch kommen wollen. Die erste Exkursion führte mich zur Ausstellung BERLIN GLOBAL im Humboldt Forum, die zu zeigen versucht, "wie die Stadt und ihre Menschen mit der Welt verbunden sind". Sie beruft sich dabei auf eine vielstimmige, partizipative Konzeption und Umsetzung und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema des Kolonialismus und seinen Nachwirkungen. Unter dem Titel "Sichtbar werden" führten eine externe afrodeutsche Expertin und eine Museumsvermittlerin im Gespräch - miteinander, aber auch mit der Gruppe - durch die Spuren Schwarzer Geschichte(n) in der Ausstellung. Welche Aspekte Schwarzer Geschichte(n) müssen aber in einer solchen Ausstellung erst im Rahmen einer speziellen Führung "sichtbar werden", fragte ich mich vorab. Und würde sich die Führung mit ihrem Anspruch der Sichtbarmachung als ein Akt des 'narrating back' und damit der partiellen oder temporären Aneignung eines (zu) weiß kodierten Raumes wie des Humboldt Forums begreifen lassen? Die Expertin, die den thematischen Fokus setzte, war Tanja-Bianca Schmidt, freie Kuratorin und Kunsthistorikerin an der TU Dresden mit den Schwerpunkten Black Identity, rassismuskritische Kunstgeschichte, Ästhetik der Migration und Postkoloniale Theorie. Zusätzlich zu ihrer beruflichen Expertise brachte sie ihre persönlichen Erfahrungen als Schwarze Deutsche mit ein. Sophie Eliot, die als Outreach-Spezialistin für das Stadtmuseum Berlin tätig ist und sich in der diskriminierungskritischen und -sensiblen Museumsarbeit verortet, war ihre Gesprächspartnerin.
Diversität, philatelistisch
(2023)
Seit mehr als 40 Jahren erscheinen in Deutschland Briefmarken, die sich dem widmen, was wir heute gesellschaftliche Vielfalt oder Diversität nennen. Im November 2022 wurde unter dem Titel "Vielfalt in Deutschland" eine neue Marke präsentiert. An deren Motiv, vor allem aber ihrer Präsentation durch die Deutsche Post DHL Group (wie die Deutsche Post heute offiziell heißt) wird deutlich, wie schwer es ist, zeitgemäße Bilder für 'Diversität' zu finden. [...] Das Massenmedium Briefmarke hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass Menschen weniger Briefe und Postkarten schreiben und folglich immer weniger Marken verklebt werden. Seit der Privatisierung der Post in den 1990er Jahren hat die Briefmarke zudem als Teil der staatlichen Selbstdarstellung und damit der politischen Ikonographie an Bedeutung eingebüßt. So wird nur noch ein Teil der Marken vom Finanzministerium und dem Kunstbeirat für Postwertzeichen verantwortet, der andere wird von der Deutschen Post herausgegeben. In der Konsequenz bedeutet dies, dass manche Motive aus primär kommerziellen Gründen gewählt werden und nicht mehr, um spezifischegesellschaftliche Anliegen zu repräsentieren, die der Staat sich zu eigen macht. Infolge dieser Kommerzialisierung haben sich neue Motivgruppen und Darstellungsstile etabliert, die offenbar als marktgängiger empfunden werden. Schließlich hat die Einführung eines individuellen Matrixcodes, der seit 2021 in Deutschland auf allen neuen Briefmarken zu finden ist, dem Design der Marken ein neues Element hinzugefügt. Dieses mag zwar der Nachverfolgung von Postsendungen dienen und Fälschungssicherheit garantieren, gestalterisch indessen bringt es dieses Kunstwerk in Miniaturformat, als das es Walter Benjamin einst ansah, in die Bredouille. Doch trotz des nicht zu leugnenden Prestigeverlusts: Die Briefmarke ist und bleibt ein Massenmedium, mit dessen Hilfe sich die Staaten dieser Welt nach innen wie nach außen ein bestimmtes Image geben wollen. Was also sagen uns die Marken zur Diversität?
Afrodeutsche und afrofranzösische Kinder- und Jugendbücher : eine 'ganz, ganz kleine' Literatur?
(2022)
Vor einigen Monaten habe ich auf einer Tagung zu 'Minority Activism' eine Präsentation zu afrodeutscher und afrofranzösischer Kinder- und Jugendliteratur als Form des Aktivismus gemacht. Meine Präsentation hätte gut ins Panel "Activism of, and on behalf of migrants and minorities" oder in "Forms of Engagement" reingepasst, doch die Organisator:innen setzten sie in das Panel "Minority within Minority". Nach anfänglicher Irritation, musste ich mir eingestehen, dass die Organisator:innen der Tagung ein wesentliches Merkmal der afrofranzösischen und afrodeutschen Kinder- und Jugendliteratur (KJL) erkannt hatten: Sie ist eine "minorisierte" Literatur innerhalb einer "minorisierten" Literatur. Kurz, sie ist doppelt, und manchmal sogar dreifach marginalisiert.
Dieter Richter sieht in seinem Beitrag "Schwarz-Rot-Gold am Tiber: Die deutsche 'Künstlerrepublik' in Rom als Experimentierfeld nationaler Einigung" Italienbegeisterung und Politik als eng verwoben. Die Flucht in den Süden vor Verfolgung durch deutsche Behörden oder vor dem bedrückenden restaurativen Klima in den deutschen Ländern mündet nicht selten in eine dauerhafte Emigration oder doch wenigstens in einen mehrjährigen Aufenthalt. Vor allem das Leben in der deutsch-römischen Diaspora begreift Richter als Gegenentwurf der Verhältnisse in der Heimat und im Vormärz. Es wird zum virtuellen Experimentierfeld der vermissten nationalen Einheit der Deutschen. Diese wird vor Ort durch Trachten, die Gründung einer Bibliothek und einiger Vereine sowie durch Festspiele symbolisch beschworen und befestigt.
Shoah heute : komparatistische Perspektiven auf eine kulturanalytische Frage im 21. Jahrhundert
(2022)
Rezension zu Susanne Rohr. Von Grauen und Glamour. Repräsentationen des Holocaust in den USA und Deutschland. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2021, 386 S.
Gregor J. Rehmer. Die dritte Generation der Shoah-Literatur. Eine poetologische Definition am Beispiel deutscher und US-amerikanischer Texte. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2021, 479 S.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einer kontrastiven Forschung im Bereich der Politolinguistik, speziell für das Wortfeld 'Nation'. Im ersten Teil des Beitrags wird die Besonderheit der Diskursanalyse (DA) hervorgehoben, da diese als ein methodisches Fundament für die Analyse von politischer Sprache (hier: Antrittsreden) unumgänglich erscheint. Gleichzeitig ist sie (DA) auch eine Brücke, die Sprache und Politik verbinden kann. In diesem Beitrag soll der Fokus auf die Antrittsreden der deutschen Kanzler und türkischen Premiers gelegt werden, in diesen wiederum speziell auf das Wortfeld 'Nation'. Der diskursanalytische Ansatz soll hier beweisen, dass die Verwendung dieses Terms in Bezug auf beide Sprachen kontrastiv verstanden werden muss und in unterschiedliche Rhetoriken eingebaut wurde. Zusätzlich wird eine Bewegung des Wortfelds 'Nation' offensichtlich, da Neologismen eintreten und andere Terme im Wortfeld der türkischen und deutschen Sprache sich auflösen.
Einführung in eine Quellenedition von Aufsätzen aus 'Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums', 'Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland' und 'Der Morgen : Monatsschrift der Juden in Deutschland', die im Druck in der hebräischen Übersetzung 2020 unter dem Titel "Kitve ʿet bi-teḥum madʿe ha-yahadut be-Germanyah, u-peʿilutam ba-shanim 1933-1939" erschienen ist. Diese Edition umfasste Reflexionen zum Umgang mit dem nationalsozialistischen Deutschland, Neubetrachtungen der Emanzipationsgeschichte und Texte über jüdische Theologie und Philosophie.
Die Literatur spiegelt in Werken die Spuren der Kultur, der sie zugehört, wider und ist beauftragt der Gesellschaft Richtung zu geben. Deshalb zeigen literarische Werke die geschichtliche, soziale, wirtschaftliche Seite und Kenntnisse vor dem Hintergrund ihrer Zeit. Durch Migrationserfahrungen wird literarischen Genres ein neues literarisches Genre hinzugefügt, nämlich 'die Migrantenliteratur'. Obwohl die Migrantenliteratur andere politisch-historische Hintergründe in sich trägt, kommt es in ihrem Kontext zu ähnlichen Bildern und Problemstellungen des Eigenen und des Fremden. Die Zahl der Schriftstellerinnen in diesem Genre der Literatur ist gering, aber Emin Sevgi Özdamar ist eine weltweit berühmte Schriftstellerin. Özdamars Erfolg ist darin zu sehen, dass sie Wörter, Sprüche und Redewendungen aus ihrer Muttersprache unmittelbar ins Deutsche überträgt. Das Erzählverfahren von Özdamar ist von interkulturellen Bezügen hinsichtlich der deutschen und der türkischen Kultur geprägt. Genau aus diesen Gründen sollen in der vorliegenden Studie die Sichtweise von Frauen, Frauenbildern, verschiedenen weiblichen Rollen in der deutschen und türkischen Gesellschaft im Roman 'Die Brücke vom goldenen Horn' von Emine Sevgi Özdamar, einer weltweit bekannten Autorin, analysiert werden. Es wird beabsichtigt, aus dem Blickwinkel einer Schriftstellerin aufzuzeigen, wie sich die Frauenbilder in den Jahren 1966-1975 in Deutschland und in der Türkei darstellten, ob es Unterschiede zwischen den zwei Kulturen gab und vor welchem geschichtlichen und sozialen Hintergrund die Frau, die im Mittelpunkt steht, lebte.
[...] der folgende Beitrag [geht] von der These aus, dass der in der Stunde Null zusammengebrochene deutsche Weltmachttraum in der welthistorischen Marginalisierung seinen früheren Träumern die Chance einräumt, sich als Anwalt und geistiger Erlöser anderer ebenfalls marginalisierter Völker von sich und vom Scheitern zu erlösen und sich als Provinz zu universalisieren. Man kann darin eine doppelte Verblendung sehen, die nur für Vulgärmathematiker noch eine Chance auf Realitätshaltigkeit besitzt – oder eben einen Auftrag, die Geschichte der deutschen und österreichischen Nachkriegskultur (von Beuys über die Gebrüder Jünger bis zu Konrad Bayer) um ein gleichsam postkoloniales Kapitel zu ergänzen, wobei darüber zu streiten wäre, ob das Epitheton nun in Gänsefüßchen gesetzt werden muss oder nicht. Schließlich: Wer in der Erzählung jeweils die Funktion des Schamanen ausfüllt, bleibt den Umständen überlassen. Sie freilich interessieren am meisten.
Thorsten Roelcke beleuchtet sowohl die Koexistenz als auch die Reflexion auf den Gebrauch von Volkssprache und Latein in Barock und Frühaufklärung. Dabei interessiert er sich insbesondere für die 'Arbeitsteilung' von Latein und Deutsch etwa in Kirche und Universität und für ihren Strukturvergleich unter grammatischen wie lexikalischen Gesichtspunkten im Hinblick auf die 'Eignung' der jeweiligen Sprache im Rahmen bestimmter (Spezial-)Kommunikationen.
Ernst Müller beschäftigt sich mit der "Umcodierung der europäischkonfessionellen in eine national-säkulare Bestimmung der Universität" im Werk Friedrich Schleiermachers. Da eine sprachliche Verfasstheit des Wissens für Schleiermacher außer Frage stehe und er deren Vermittlung in der "verschriftliche[n] Mündlichkeit" seiner Vorlesungen auch durchaus Rechnung zu tragen versuche, wolle er den Gebrauch des Lateinischen auf den einer akademischen Festsprache reserviert wissen. Ferner führe die neue Verbindung von Philosophie, Wissenschaft und Bildung bei Schleiermacher beinahe zwangsläufig zu einer Gegenüberstellung von deutscher Universität und französischer Spezialschule, da Letztere sich dem staatlichen Nutzen und der Berufsausbildung verschrieben habe. Die deutsche Universität binde Schleiermacher dabei zwar an die Nation, mitnichten aber an den Nationalstaat.
The Austrian poet Franz Grillparzer is often presented in scholarly literature as an opponent of nationalism. Indeed, Grillparzer did oppose nationally motivated separatist tendencies, which he viewed as a threat to the existence of the supranational Habsburg Monarchy. However, his tragedy 'König Ottokars Glück und Ende' includes clear examples of the early Habsburg ideology which emerged along with the Austrian Empire during the Napoleonic Wars (a time of nationalist tensions) and which - at least initially - was imbued with a form of German Romantic nationalism. This ideology is displayed by the character of Rudolf von Habsburg, who - in the spirit of Romantic nationalism - is depicted as the embodiment of Germany. Rudolf's fervent Germanness - which appears to have been one of the reasons behind Grillparzer's problems with censorship under the Metternich regime - is not only evident in the character's words, but also in the clothes he wears. The grey coat that is one of Rudolf's most distinctive features may be a reference to what was known as an 'Old German' folk costume ('Altdeutsche Tracht'); after the Napoleonic Wars, this garment became a symbol used by the German nationalist student movement known as the 'Burschenschaftler'.
Trennungen und Scheidungen auf einem hohen Niveau – auch unter Familien mit minderjährigen Kindern – kennzeichnen bereits seit längerer Zeit die Familienentwicklung in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Sofern aus einer Beziehung gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, impliziert eine Trennung zwar das Ende der Partnerschaft, jedoch nicht das Ende der Elternschaft. Sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene besteht, mit Ausnahme von Sondersituationen, mittlerweile die explizite Erwartung, dass Eltern nach einer Trennung in ökonomischer und sozialer Hinsicht weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihre Kinder wahrnehmen. In der gesetzlichen Grundlage wird allerdings weiterhin davon ausgegangen, dass Kinder nach der Trennung bei nur einem Elternteil leben. Für andere Modelle existieren bisher keine oder nur unzureichende Regelungen. Die ökonomischen, sozialen und psychischen Folgen einer Trennung oder Scheidung können nach Geschlecht, sozialer Position und Alter variieren und damit soziale Ungleichheit hervorrufen oder verstärken. Neue Partnerschaften bzw. sogenannte Fortsetzungsfamilien beeinflussen das Leben der betroffenen Erwachsenen und Kinder zusätzlich. Bislang existieren über die Verbreitung und Lebensumstände von Nachtrennungsfamilien in Deutschland nur rudimentäre sozialwissenschaftliche Befunde. Die vorliegende Broschüre stellt einen ersten Versuch dar, bislang vorliegende sozialwissenschaftliche Befunde zur Lebenswirklichkeit von Nachtrennungsfamilien in Deutschland allgemeinverständlich in knapper Form zu bilanzieren. Folgende thematische Schwerpunkte werden behandelt: 1) Allgemeine Trends und rechtliche Rahmenbedingungen, 2) Elternschaft und Partnerschaft nach Trennung und Scheidung, 3) Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit nach Trennung und Scheidung sowie 4) Finanzielle Folgen von Trennung und Scheidung. Diese Aspekte werden aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und zugrundeliegende empirische Analysen decken ein breites Spektrum der derzeit verfügbaren Datenquellen ab.