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Wendet man sich der Frage nach dem Selbstverständnis und den Rollen von deutschen Intellektuellen nach 1945 zu, so muß man sich bewußt halten, daß vier, fünf wichtige Jahrzehnte der Geschichte 'des' modernen Intellektuellen - mit fast allen denkbaren diskursiven Zuschreibungen - bereits absolviert und auch realisiert sind. Es gab den Typus des Intellektuellen als Sprecher für universelle Werte (Gerechtigkeit, Wahrheit, Vernunft), der als Moralist die Unabhängigkeit des Geistes gegenüber der Macht behauptete. Es gab inzwischen aber auch zuhauf den 'intellektuellen Verräter', um es pointiert zu sagen, der im Namen einer partikularen National-, Rassen- oder Klassenidentität auftrat und als Ideologe einer säkularisierten Heilslehre mit einem totalitären Regime gemeinsame Sache machte; der also an die Kompatibilität von Geist und Macht glaubte oder sie opportunistisch praktizierte. Nazideutschland hatte genügend Beispiele hervorgebracht. Martin Heidegger, Carl Schmitt und Gottfried Benn (für ein reichliches Jahr) sind nur die berühmtesten. Doch auch linke Intellektuelle, und unter ihnen viele Schriftsteller, die als Parteikommunisten (oder "Kommunisten ohne Parteibuch") agierten, kann ich nicht anders denn als Abtrünnige von der universalen Mission der Intellektuellen sehen - im Licht unseres geschichtlichen Wissens selbst dann, wenn sie an ihre Mission und die Universalität der von ihnen vertretenen Werte glaubten.
This paper analyzes loan pricing when there is multiple banking and borrower distress. Using a unique data set on SME lending collected from major German banks, we can instrument for effective coordination between lenders, carrying out a panel estimation. The analysis allows to distinguish between rents that accrue due to single bank lending, rents that accrue due to relationship lending, and rents that accrue due to the elimination of competition among multiple lenders. We find the relationship lending to have no discernible impact on loan spreads, while both single lending and coordinated multiple lending significantly increase the spread. Thus, contrary to predictions in the literature, multiple lending does not insure the borrower against hold-up. JEL Classification: D74, G21, G33, G34
Das "Carl- und Gerhart-Hauptmann-Haus" und das "Gerhart-Hauptmann-Haus / Haus Wiesenstein" sind zwei von vier Museen in Polen und Deutschland, die heute an Leben und Werk jenes Dichters erinnern, der als Enfant terrible des Kaiserreiches galt und laut einer Umfrage von 1906 der zweitbekannteste Deutsche nach dem Kaiser war. Auf der Ostsee-Insel Hiddensee entstand im "Haus Seedorn", dem ehemaligen Sommerhaus Hauptmanns und heutigen "Gerhart-Hauptmann-Haus", bereits 1956 eine Gedenkstätte, und in Erkner bei Berlin existierte 1957 im heutigen "Gerhart-Hauptmann-Museum Erkner", der so genannten "Villa Lassen", die Hauptmann von 1885 bis 1889 als junger Autor mit seiner Frau Marie bewohnte, ein erster bescheidener Gedenkraum. Jedes der vier – polnischen und deutschen – Museen repräsentiert eine je unterschiedliche Phase im Leben des Nobelpreisträgers, der bereits zu Lebzeiten in die Riege der Klassiker aufstieg und in der Weimarer Republik gar als Reichspräsidentschaftskandidat gehandelt wurde. 2003 vereinbarten die Museen eine verstärkte Zusammenarbeit und gründeten einen bislang einzigartigen grenzüberschreitenden Verbund, um mit vereinten Kräften für Gerhart Hauptmann und sein Werk werben zu können.
Hans-Georg Soldat rezensiert Günter de Bruyns Aufsatzsammlung "Deutsche Zustände. Über Erinnerungen und Tatsachen, Heimat und Literatur" aus dem Jahre 1999. Fast unversehens für den Leser weitet sich die Betrachtung jüngster Gegenwart zu einer subtilen Analyse ihrer Wurzeln, wird zu einer deutschen Geschichtsschreibung allgemein, zur Darstellung der Verdrängungsprozesse, die dabei in Ost und West gleichermaßen eine Rolle spielen. Das Überzeugende daran ist, dass dies ohne jeden Eifer geschieht, unaufgeregt, überlegen und dennoch unglaublich engagiert.
Hans-Georg Soldat rezensiert für NDR 3 / Radio 3 die im Jahr 2001 im Aufbau Taschenbuchverlag Berlin erschiene Aufsatzsammlung feuilletonistischer Arbeit "Ich bin ein Narr und weiß es" von Rolf Schneider. "Liebesaffären deutscher Literaten" ist der Untertitel des schmalen Bandes, hervorgegangen aus einer Serie für eine Berliner Tageszeitung - wobei der Begriff "Literaten" sehr weit gefasst wird. Zwanzig Geschichten um Liebe, erotische Verirrung, Abhängigkeit und oft schmerzhafte Trennung, einige etwas bekannter, manche ziemlich unbekannt, viele jedoch auch nur vergessen, weil die zugehörigen Schriftsteller bzw. Schriftstellerinnen nicht mehr präsent sind. Zur Berechtigung seines Feuilletons meint Rolf Schneider, sie seien "mehr als bloß eine Sammlung biographischer Pikanterien. Sie sind ein Stück Kultur- und Sittengeschichte." Was ebenso wahr wie banal ist, weil es auf jedes Schicksal zutrifft.
Hans-Georg Soldat rezensiert für NDR 3 / Radio 3 die 1999 im Suhrkamp Verlag erschiene tagebuchartige Essaysammlung "Das erste Jahr. Berliner Aufzeichnungen" von Durs Grünbein. Wieder erweist sich, welch Ausnahme-Autor der jetzt 38 jährige Durs Grünbein ist. Nicht nur, dass die Tagebuchaufzeichnungen in den Ablauf und die Vorgeschichte der deutschen Wiedervereinigung, ihre psychologischen Hemmnisse und spezifischen mentalen Schwierigkeiten, sie haben weit aus mehr zu bieten - literarische Miniaturen, Ausflüge in die Welt der Wissenschaft, Anekdoten aus dem Alltag. Nebenbei vermitteln sie sogar eine Ahnung von dem Werdegang dieses verschlossenen, ernsten Dichters.
Die Tricks und Schliche, mit denen Immobilienmakler arbeiten, um potentielle Interessenten über das Medium der Anzeigenwerbung zur Kontaktaufnahme zu bestimmen, sind äußerst vielfältig. Hierzu zählen zunächst die typischen Aufschneidereien, mit denen trickreich über die wirtschaftliche Bedeutung des Immobilienmaklers, seine Qualifikation und/oder Leistungsfähigkeit getäuscht wird; ferner Strategien, mittels derer die Maklereigenschaft des Inserenten verschleiert werden soll (sog. "maklerbezogene Irreführung"). Die Irreführungsgefahr ist in diesem Bereich besonders groß, weil eine Verifizierung der Werbeaussage für den Interessenten - wenn überhaupt - erst im Zuge einer ersten Kontaktaufnahme möglich ist. Entsprechendes gilt für Werbepraktiken, mit denen gezielt versucht wird, über vertragseingehungsrelevante Objektinformationen zu täuschen (sog. "objektbezogene Irreführung') Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang, daß Immobilienmakler - insbesondere was den Bereich der Preis- und Größenangaben angeht - häufig unzulässige Werbeangaben verwenden, die nicht nur besonders leicht zu überprüfen sind, sondern zudem auch völlig ungeeignet, etwaige Wettbewerbsvorteile auszulösen ("BagateUverstäße ~'). Überdies sind Werbestrategien auszumachen, mit denen - werbepsychologisch geschickt - versucht wird, potentielle Interessenten anzulocken, oder über gefühlsbetonte Appelle auf ihre Entscheidungsfreiheit absatzorientiert Einfluß zu nehmen. ... Ein Ende des "Absahnens durch Abmahnen" ist noch immer nicht in Sicht. Ungeachtet der Gesetzesänderungen in den Jahren 1986, 1994 und 2000 sind allein im Bereich der Immobilienwerbung derzeit ca. 15 Abmahn- und Gebührenvereine sowie weitere 17 (Schein-) Gewerbetreibende namentlich bekannt, die das Verfolgen von Wettbewerbsverstößen aktiv als Erwerbsquelle (Rechtsverfolgungskosten und Vertragsstrafen) betreiben; und die "Dunkelziffer" dürfte weitaus höher liegen! Genutzt, oder besser gesagt, ausgenutzt wird zu diesem Zweck in besonderem Maße das Abmahnverfahren, was insofern nicht weiter verwundert, als hier eine Darlegung der potentiellen Klagebefugnis ebenso wenig erforderlich, wie eine (gerichtliche) Prüfung - insbesondere auch was den Mißbrauchstatbestand angeht - vorgesehen ist. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß sich die mißbräuchlichen Abmahnpraktiken fast ausschließlich gegen Bagatellverstöße (z.B. "ca.-Angaben", "Sonder- Afa", "Wfl/Nfl", etc.) richten, mithin gegen solche Wettbewerbsverstöße, die den Immobilienmaklern häufig in Unkenntnis oder aus bloßer Nachlässigkeit unterlaufen, den Schutzzweck des Wettbewerbsrechts nicht wirklich tangieren und (3) im Anzeigenteil leicht aufzuspüren und wegen ihrer Häufigkeit und Gleichartigkeit einfach zu verfolgen sind. ...
Seit den ersten Strafrechtsreformgesetzen von 1969 und 1970 sind in den letzten Jahren wieder Änderungen des Sanktionenrechts vorgenommen worden, und seit einiger Zeit sind weitere im Gespräch. Dazu zählt auch das Fahrverbot als alternative Hauptstrafe. .... Die Untersuchung beginnt (Teil A) mit der Darstellung und Erläuterung des Schuldprinzips und des Grundsatzes der schuldangemessenen Strafe, der in § 46 Absatz 1 StGB Ausdruck gefunden hat und auf dem Rechtsstaatsprinzip basiert. 13 Dabei werden die Aussagen "keine Strafe ohne Schuld" und "jede Strafe nur im Ausmaß der Schuld" deutlich hervorgehoben und ausgelegt und neben die Legitimationsgrundsätze des Strafens gestellt. Vor dem Hintergrund dieser Darlegung der Grundsätze von Schuld und Strafe wird die Bedeutung der "Schuld als pragmatisches Konstrukt der Begrenzung des Strafrechts" aufgezeigt.14 Dieses Konstrukt bildet die Ausgangsbasis für die Beschreibung und Erläuterung der verschiedenen Schuldbegriffe und für deren unterschiedliche Ansatzpunkte und Ausgestaltungen. Es wird mit Hilfe der genauen Betrachtung dieser Begriffe die Frage beantwortet, wie die Schuld inhaltlich gestaltet sein muß, um die staatliche Strafe und das Strafrecht zu begrenzen. Der zweite Hauptteil der Untersuchung (Teil B) wird eingeleitet mit der Metafrage nach den kriminalpolitischen Hintergranden fOr die Forderung nach neuen Alternativsanktionen. Hierbei wird auch Bezug genommen auf die gemeinnützige Arbeit und den elektronischen Hausarrest als alternative Hauptstrafen. Im Anschluß an diese Betrachtung wird das Fahrverbot als Hauptstrafe aufseine Fahigkeit hin untersucht, Wirksamkeit zu entfalten. Ferner wird umfassend der Frage nachgegangen, ob das Fahrverbot eine schuldangemessene Strafe darstellen und im Vergleich zu der zu ersetzenden Geldstrafe und der Freiheitsstrafe verfassungsrechtlichen Prinzipien gerecht werden kann. Bei dieser Prüfung, ob die neue Sanktionsalternative verfassungsgemaß ist, wird im Hinblick auf den 'das Strafrecht begrenzenden Schuldbegriff erörtert, inwiefern die Verhangung eines Fahrverbotes die von diesem gezogenen Grenzen tatsachlich einhalten kann. Darüber hinaus wird erörtert, wie es sich mit verfassungsrechtlichen Grundsatzen vertragt, wenn man, wie die derzeitige Justizministerin Däubler-Gmelin, eine Sanktion im Bereich der besonderen Strafempfindlichkeit des Bürgers ansiedeln möchte. Im dritten und letzten Teil der Arbeit (Teil C) werden die im zweiten Teil herausgearbeiteten Ergebnisse im Hinblick auf die Untersuchung eines vom Fahrzeugführen unabhängigen Fahrverbots als alternative Hauptstrafe zusammenfassend aufgeführt. Danach werden diese GeSichtspunkte auf die verschiedenen, im ersten Teil der Arbeit aufgeführten, Straftheorien projiziert. Dabei wird erörtert, ob ein Fahrverbot ohne bestehende Zusammenhangstat den Zielen und Zwecken der einzelnen Straftheorien gerecht werden kann.
Als im Jahr 1480 eine stattliche Anzahl von überwiegend bäuerlichen Zeugen zu den Rechtsverhältnissen der Schafweide zu Lautern östlich von Schwäbisch Gmünd befragt wurde, wußten etliche nicht ihr genaues Alter anzugeben. Wann ihr Erinnerungsvermögen einsetzte, datierten sie mit der Nennung allgemein bekannter Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis ihrer Zeitgenossen besonders verankert gewesen sein müssen. Ein Bauer aus Lauterburg gedachte "der vinsternuß und dess grossen sterbens". Ein anderer aus Unterkochen verwies auf den Armagnakeneinfall im Elsaß. Ein Schafknecht erinnerte sich an einen Blitzschlag in den Turm der Schwäbisch Gmünder Johanniskirche. Der alte Bantz von Mögglingen sagte aus, "er sye ee elter dann das mann vor Hochenzollern gelegen sy", und auch Lienhard Protolf bestimmte sein Alter nach diesem Ereignis, der Belagerung der Burg Hohenzollern durch ein Aufgebot der Reichsstädte und Württembergs 1422/1423. An erster Stelle aber steht der etwa dreißig Jahre zurückliegende Städtekrieg von 1449/50, der in den Aussagen von nicht weniger als acht Zeugen erwähnt wird.
Seit 2003 wird die Krankenhausvergütung in Deutschland schrittweise auf ein neues, leistungsorientiertes System auf Basis von Fallpauschalen (diagnosis related groups – DRG) umgestellt. Die Über gangsphase, in der gesonderte gesetzliche Regelungen gegolten hatten, sollte Ende 2008 auslaufen, weshalb der gesetzlichen Rahmen für die Nachkonvergenzzeit neu geregelt werden musste. Neben diesen technischen Regelungen und einem einheitlichen Bundesbasisfallwert standen auch die Reform der Investitionsfinanzierung, der weitere Ausbau des Wettbewerbes und die schlechte Finanzsituation der Krankenhäuser auf der Agenda des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes (KHRG). Aufgrund der heterogenen Interessenslagen von Bund und Ländern, gestaltete sich auch bei diesem Reformgesetz die Kompromisssuche schwierig. Herausgekommen ist ein Gesetz, dass die Reformpolitik der letzten Jahre weiterführt, die Aufgabe der zukünftigen Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung aber nicht löst und die problematischen Auswirkungen des DRG-Systems negiert. Das Diskussionspapier zeichnet die wichtigsten Schritte des Gesetzgebungsprozesses nach, präsentiert und diskutiert die wichtigsten Inhalte des Gesetzes und ordnet das KHRG in den Reformkontext der letzten Jahre ein.
Kann gutes Latein in einem Bewerbungsgespräch von Vorteil sein? Folgt man der Argumentation eines im Herbst 1501 vor der Tübinger Universitätsöffentlichkeit aufgeführten Dialogs, so wird man diese Frage ohne weiteres bejahen müssen. Im vierten Akt tritt ein Hofbeamter des Königs - gemeint ist Maximilian I. - auf, der als Antwort eine kleine Geschichte erzählt. In Innsbruck wandte sich ein ansonsten durchaus gebildeter Mann an Kardinal Peraudi, Botschafter des Papstes im Reich, um sich um eine geistliche Stelle, eine Pfründe, zu bewerben. Er hatte kaum die Anrede in holprigem Latein gestottert, als ihm der Angesprochene auch schon bedeutete, er solle wegtreten. Der Bittsteller lief rot an und wurde fortan am Hof nicht mehr gesehen.
Die vorliegende Arbeit hat den Versuch gemacht, die den Ausschüssen in der Sozialversicherung, speziell im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, zukommende zentrale Bedeutung aufzuzeigen. Viele wichtige Entscheidungen werden durch Ausschüsse getroffen, und zwar nicht nur durch besondere Ausschüsse LS.v. § 36 a SGB IV, sondern auch ganz maßgeblich durch Erledigungs- und Vorbereitungsausschüsse. Das Gesetz regelt Bildung und Tätigkeit von Ausschüssen bei den Sozialversicherungsträgern allerdings nur unvollständig. Abgesehen von der Vorschrift des § 36 a SGB IV enthält das SGB IV mit § 66 lediglich einige wenige Bestimmungen für den zahlenmäßig geringeren Teil der Ausschüsse, die Erledigungsausschüsse, die mit ihren Entscheidungen an die Stelle des jeweiligen Organs treten, während die Tätigkeit der Vorbereitungsausschüsse, die in der Praxis eine im doppelten Sinne "entscheidende" Rolle spielen, gesetzlich nicht geregelt ist. Die vom Schrifttum - soweit ersichtlich - nahezu einhellig vertretene Auffassung, die Tätigkeit von Vorbereitungsausschüssen unterliege keinerlei Bestimmungen, insbesondere nicht den für die Erledigungsausschüsse geltenden gesetzlichen Regelungen, ist abzulehnen. Die Praxis zeigt nämlich, daß die Vorbereitungsausschüsse im Zusammenwirken mit der hauptamtlichen Verwaltung einen maßgeblichen Teil der Arbeit für die Organe "erledigen", indem sie beschlußreife Vorlagen entwickeln, die dann in aller Regel von den Organen ohne jegliche bzw. ohne größere Diskussion und Änderungen sanktioniert werden, so daß die Gefahr besteht, daß sich die Organe selbst vielfach nur noch als Ratifikationsorgan oder - krasser ausgedrückt - als "Abstimmungsmaschinerie" verstehen, sie aber zumindest als solche angesehen werden müssen. Die gängige - in der Rechtslehre und in der Praxis anzutreffende - Auffassung, wonach die Tätigkeit von Vorbereitungsausschüssen quasi keinerlei Regelungen unterliegen soll, ist in ihrer Konsequenz aber umso unhaltbarer, als die Selbstverwaltungsorgane für ihre Arbeit demokratischer Legitimation bedürfen: ihre Entscheidungen müssen auf den Willen der Betroffenen, der Repräsentierten, zurückgeführt werden können. Die vorliegende Untersuchung hat aufgezeigt, daß die Organe umfassender demokratischer Legitimation bedürfen, was gleichermaßen für die Ausschüsse zu fordern ist. Der Gesetzgeber hat für die Erledigungsausschüsse Vorschriften (betreffend die Besetzung der Ausschüsse, die Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen und - ansatzweise - die Festlegung übertragbarer Aufgaben) geschaffen, die im Grundsatz eine ausreichende Repräsentation des Willens der Betroffenen gewährleisten können. Für die Vorbereitungsausschüsse fehlt jegliche gesetzliche Regelung, so daß der Ruf nach dem Gesetzgeber naheläge. Andererseits sollten die Selbstverwaltungsträger im Hinblick auf das ihnen eingeräumte und ohnehin nur noch in Teilen verbliebene Selbstverwaltungsrecht möglichst geringen Einschränkungen - auch beim Einrichten und "Betreiben" von Ausschüssen - unterworfen werden, zumal die Ausschußarbeit wie auch die Zusammenarbeit zwischen Organen und Ausschüssen sowie der hauptamtlichen Verwaltung ohne größere Reibungen funktioniert. Damit stehen die Ausschüsse in einem Spannungsfeld von Selbstverwaltungsdemokratie und Verwaltungseffizienz. Die vorliegende Arbeit hat den Versuch gemacht, dieses Spannungsfeld aufzulösen. Die Erledigungsausschüsse unterliegen Schranken, die durch § 66 SGB IV gezogen werden. Die Regelungen des § 66 SGB IV bedürfen der Auslegung. Ergänzend können die überwiegend recht detaillierten kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen bei der Bestimmung der Grenzen der Tätigkeit von Erledigungsausschüssen herangezogen werden - auch wenn die kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen nicht einschränkungslos auf die Sozialversicherungsträger entsprechend angewendet werden können. Auf die Vorbereitungsausschüsse sind mangels gesetzlicher Regelungen einige der für Erledigungsausschüsse geltenden Vorschriften für sinngemäß anwendbar zu erklären. Im übrigen können auch bezüglich der Vorbereitungsausschüsse verschiedene kommunalverfassungsrechtliche Regelungen zur Bestimmung der Grenzen der Tätigkeit herangezogen werden. Insbesondere folgende wesentliche Feststellungen sind hinsichtlich der Arbeit von Ausschüssen in der gesetzlichen Unfallversicherung zu treffen: - Ein Ausschuß hat aus mindestens 4 Personen zu bestehen. Eine Ausschußgröße von 2 Personen bei gleichzeitiger Teilnahme einer bzw. mehrerer anderer Personen (z.B. Geschäftsführer/Bedienstete des Versicherungsträgers) an den Sitzungen reicht nicht aus. - Vorbereitungsausschüsse können nur aus den Reihen der Organmitglieder bzw. deren Stellvertretern besetzt werden, d.h. für organfremde Personen ist als Ausschußmitglieder kein Raum. - Vorbereitungsausschüsse müssen gruppenparitätisch zusammengesetzt sein. - Gemeinsame Ausschüsse von Vorstand und Vertreterversammlung sind unzulässig, ebenso getrennte Ausschüsse beider Organe, die gemeinsam tagen und gemeinsame Beschlüsse fassen. Zulässig sind lediglich getrennte Ausschüsse, die gemeinsam tagen, aber getrennte Beschlüsse fassen. - Die Vorbereitungsausschüsse der Vertreterversammlung haben - wie auch deren Erledigungsausschüsse - grundsätzlich öffentlich zu tagen. - Den Vorbereitungsausschüssen können Aufgaben jeglicher Art zur Vorberatung übertragen werden. - Das jeweilige Mutterorgan hat ein Rückhol-, Nachprüfungs- und Weisungsrecht gegenüber den Ausschüssen. - Die Information der Organmitglieder und ihrer Stellvertreter muß möglichst umfassend sein, um einerseits eine reibungslose Arbeit zu gewährleisten und andererseits die Defizite im Bereich demokratischer Legitimation auszugleichen. Hierzu gehört insbesondere die Übersendung der Sitzungsprotokolle auch an die Stellvertreter der Organmitglieder. Diese Aufzählung von an die Ausschußarbeit zu stellenden Anforderungen macht deutlich, daß Ausschußarbeit - und in besonderem Maße die Tätigkeit von Vorbereitungsausschüssen - nicht einfach als Tätigkeit nachgeordneter Gremien abgetan werden kann, die etwa im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts weitgehend frei gestaltet werden könnte. Insbesondere das Erfordemis demokratischer Legitimation verlangt das Einhalten bestimmter Spielregeln, wobei der Tätigkeit von Vorbereitungsausschüssen in diesem Zusammenhang wegen fehlender gesetzlicher Regelungen besondere Bedeutung zukommt und diesen Ausschüssen damit auch besondere Beachtung zu schenken ist. Im Sinne der Selbsterhaltung der Selbstverwaltung bedarf es daher einer Einschränkung der Selbstgestaltung, deren Grenzen die vorliegende Arbeit aufzuzeigen versucht hat.
Thesenförmige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse (1) Der Begriff der Finanzinstrumente untergliedert sich in originäre und derivative Finanzinstrumente und umfaßt somit alle Außenfinanzierungsbeziehungen sowie daraus abgeleitete Geschäfte. (2) Finanzderivate sind im Unternehmen zur Steuerung von Marktrisiken einsetzbar. Schwerpunkte des Einsatzes von Finanzderivaten bilden das Hedging, die Spekulation und die Arbitrage. (3) Zur bilanziellen Abbildung derivativer Finanzinstrumente enthält das deutsche Handelsrecht - von Vorschriften zur Fremdwährungsumrechnung bei Kreditinstituten abgesehen - keine expliziten Regelungen. Die Bilanzierung unternehmerisch eingesetzter Finanzderivate richtet sich daher nach den allgemeinen Bilanzierungsnormen, d.h. nach kodifizierten wie nicht kodifizierten GoB unter Orientierung am Sinn und Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Dieser besteht in der Ermittlung eines entziehbaren Betrages unter Beachtung der Interessen von Gesellschaftern und Unternehmensgläubigern; der Informationsvermittlung kommt de lege lata nur eine Nebenfunktion zu. (4) Die Bilanzierung spekulativer, d.h. nicht zu Sicherungszwecken eingesetzter Finanzderivate läßt sich innerhalb des GoB-Gefilges prinzipiengerecht lösen: Der Einzelbewertungsgrundsatz gebietet die bilanzielle Isolation von anderen Bilanzierungsobjekten, das Realisationsprinzip untersagt die erfolgswirksame Berücksichtigung festgestellter Marktwerterhöhungen, das Imparitätsprinzip erfordert die aufwandswirksame Antizipation von (Markt-)Bewertungsverlusten. (5) Schwierigkeiten bereitet eine GoB-konforme Bilanzierung sichernder Finanzderivate aufgrund einer offenen Dissonanz zwischen strengem EinzeIbewertungsgrundsatz und dem Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Die aktuelle Bilanzierungspraxis sowie der überwiegende Teil des handelsrechtlichen Schrifttums versucht dieses Problem durch Einschaltung bilanzieller Bewertungseinheiten zu lösen. Hierzu werden - je nach verfolgter Bewertungseinheiten-Konzeption - auf unterschiedlichen Aggregationsebenen (Mikro-, Portfolio- oder Makro-Ebene) Finanzinstrumente zu Zwecken der bilanziellen Bewertung zusammengefaßt und saldiert bewertet. Lediglich ein verbleibender Bewertungsverlustüberhang ist gemäß dem Imparitätsprinzip aufwandswirksam zu erfassen; Bewertungsgewinnüberhänge bleiben nach dem Realisationsprinzip unberücksichtigt. Im Falle von Makro-Bewertungseinheiten soll eine Bewertung gänzlich unterbleiben. Um Eingang in eine bilanzielle Bewertungseinheit zu finden, sollen Finanzinstrumente verschiedene objektive und subjektive Anforderungskriterien erfiillen, welche jedoch hinsichtlich Qualität und Quantität innerhalb des Schrifttums in unterschiedlicher Strenge gesehen werden. (6) Sämtliche Bewertungseinheiten sind kritikwürdig auf grund mangelnder konzeptioneller Stringenz sowie aufgrund des großen Spielraums, der dem Bilanzierenden zur Gestaltung des Jahresergebnisses zwar nicht willentlich, jedoch faktisch eingeräumt wird. Die herrschenden Bewertungseinheiten-Konzepte sind de laga lata fragwürdig und teilweise abzulehnen. Sie eignen sich ebenfalls nicht als Ausgangsbasis für eine am Sinn und Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ausgerichtete Bilanzierungsmethode de lege ferenda. (7) Die internationalen Rechnungslegungsstandards US-GAAP und lAS weisen neben Vorschriften bezüglich einer detaillierten Berichterstattung über finanzinstrumentelle Engagements auch explizite Normen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten auf Die Entwicklung bewegt sich hier in Richtung umfassender Vorgaben sowie einer breiten Marktbewertung. Gleichwohl ergeben sich Grenzen durch ein nach wie vor institutionalisiertes Hedge-Accounting und eine an Zwecksetzungen des Bilanzierenden ausgerichtete bilanzielle Vorgehensweise. Aus deutscher Sicht ist den derzeit bestehenden internationalen Standards zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten weder de lege lata noch de lege ferenda zu folgen. (8) Hervorgehoben durch ein Diskussionspapier des lASC aus dem Jahre 1997 ergibt sich als stringente Methode zur bilanzielIen Abbildung originärer und derivativer Finanzinstrumente eine vollumfilngliche, ergebniswirksame Marktwertbilanzierung (reine Marktwertbilanzierung). Diese erfordert den BiJanzansatz jedes Finanzinstruments zum aktuellen Marktwert sowie die unmittelbar erfolgswirksame Erfassung festgestellter Bewertungsgewinne und -verluste. Die beachtlichen Vorzüge der reinen Marktwertbilanzierung bestehen in einem gänzlichen Verzicht auf die Bildung von Bewertungseinheiten bzw. auf ein Hedge-Accounting, wodurch bilanzielle Gestaltungsspielräume spürbar eingedämmt werden. Weiterhin zeichnet sich die reine Marktwertbilanzierung durch einen Ansatz aus, welcher originäre und derivative Finanzinstrumente sowohl der Aktiv- als auch der Passivseite gleichermaßen umfaßt, der Methodik der innerbetrieblichen Steuerung und Kontrolle von Finanzinstrumenten entspricht, eine verbesserte Informationsgewährung durch Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ermöglicht und eine unkomplizierte Umsetzung gewährleistet. (9) Eine Rezeption der reinen Marktwertbilanzierung fiir Finanzinstrumente ist de lege lata aufgrund eindeutig entgegenstehender Gesetzesnormen nicht möglich. Indessen bildet die reine Marktwertbilanzierung eine de lege ferenda interessante Methode zur bilanziellen Abbildung derivativer und originärer Finanzinstrumente. Zur Übernalnne in die handelsrechtliche Rechnungslegung erfordert die reine Marktwertbilanzierung in erster Linie ein geändertes Verständnis des Realisationssowie des Imparitätsprinzips. Dies kann erreicht werden durch die Annalnne der Marktbewertung als Realisationstatbestand, eine ausgeprägte Abschlußstichtagsbetrachtung sowie die Befiirwortung der Eindämmung stiller Reserven. Insgesamt läßt sich zeigen, daß eine reine Marktwertbilanzierung konzeptionell zunächst nicht im Widerspruch zu Gläubiger- oder Gesellschafterinteressen steht. Gleichwohl konkretisieren sich die Schwachpunkte und damit das Scheitern einer reinen Marktwertbilanzierung an maßgeblichen Objektivierungsrestriktionen: Die Existenz eines Marktes für das zu bilanzierende Finanzinstrument, die Bewertbarkeit des Finanzinstruments durch den Markt sowie die sichere Realisierbarkeit festgestellter Bewertungsergebnisse stellen Voraussetzungen dar, welche zwar zu einer erfolgswirksamen Erfassung von Marktbewertungsergebnissen zu fordern sind, in Fällen bestimmter Finanzinstrumente hingegen nicht erfüllt werden. (10) Die streng vorsichtige Marktwertbilanzierung stellt eine Alternativmethode zur bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten de lege ferenda dar, welche auf der reinen Marktwertbilanzierung autbaut. Kennzeichnend ist bier der Ansatz von Finanzinstrumenten zu ihrem Marktwert und die Erfassung festgestellter Bewertungsergebnisse auf einem bilanziellen Sonderposten zu Zwecken der Wertkompensation. Ein nach Saldierung auf diesem Sonderposten verbleibender Bewertungsverlustüberhang ist aufwandswirksam zu erfassen, während ein Bewertungsgewinnüberschuß erfolgsneutral abgegrenzt wird. Weiterhin sind nicht objektiv bewertbare Finanzinstrumente nach dem bisherigen Verständnis des Vorsichtsprinzips einzeln zu bilanzieren. Diese Bilanzierungsmethode weist gegenüber der überkommenen handelsrechtlichen Bilanzierung im wesentlichen die gleichen Vorteile wie die reine Marktwertbilanzierung auf: ist allerdings der gewachsenen handelsrechtlichen Denkweise eher verwandt. Konzeptionelle Schwächen der streng vorsichtigen Marktwertbilanzierung liegen in geringfiigigen bilanziellen Gestaltungsspielräumen sowie in einer kategorischen Ablehnung der Ertragswirksamkeit sämtlicher überschießenden Bewertungsgewinne. (11) Eine ,,Mischung" aus reiner und streng vorsichtiger Marktwertbilanzierung bildet die gemildert vorsichtige MarktwertbiIanzierung, welche im Rahmen dieser Arbeit als Methode zur Bilanzierung derivativer und originärer Finanzinstrumente de lege ferenda befiirwortet wird. Wesensmerkmal dieser Konzeption ist die an der Bewertungsqualität der zu bilanzierenden Finanzinstrumente ausgerichtete Vorgehensweise. Im Rahmen verschiedener Typisierungen von Anforderungskriterien sowie Ausnahmetatbeständen gestaltet sich die gemildert vorsichtige Marktwertbilanzierung im wesentlichen dreistufig: Finanzinstrumente höchster Bewertungsqualität, i.e. die meisten standardisierten Finanzinstrumente sowie nicht standardisierte Finanzinstrumente, welche unproblematisch duplizierbar (und damit glattstellbar) sind, machen einen Bilanzansatz zu M,arktwerten erforderlich; positive wie negative Marktwertänderungen werden erfolgswirksam erfaßt. Finanzinstrumente, die zwar objektiv bewertbar sind, deren unverzügliche GlattsteIlbarkeit jedoch als nicht gesichert angesehen werden kann, sind zu Marktwerten zu bilanzieren; Bewertungsverluste erlangen Aufwandswirksamkeit, und Bewertungsgewinne sind, soweit sie nach Wertkompensation verbleiben, erfolgsneutral abzugrenzen. Finanzinstrumenten ohne Sekundärmarkt bzw. ohne objektive Bewertbarkeit bleibt eine Marktbewertung verwehrt; diese sind nach dem geltenden Verständnis des Imparitätsprinzips einzeln zu bilanzieren. Die Vorzüge der gemildert vorsichtigen Marktwertbilanzierung für Finanzinstrumente gegenüber den ad legern latam vorgeschlagenen Bilanzierungsmethoden entsprechen grundSätzlich denen der reinen Marktwertbilanzierung, wobei die gemildert vorsichtige Marktwertbilanzierung auf grund ihrer differenzierenden Behandlung die Probleme der reinen Marktwertbilanzierung zusätzlich zu lösen vermag. Der hauptsächliche Nachteil der gemildert vorsichtigen Marktwertbilanzierung besteht in ihrer mitunter komplizierten Umsetzbarkeit. (12) Zinsswaps und Forward Rate Agreements (FRAs) verkörpern finanzwirtschaftlich Zinsderivate mit symmetrischem Risikoprofil und zivilrechtlich synallagmatische, schwebende Geschäfte. Weiterhin sind diese Instrumente anhand verfiigbarer Marktdaten mittels eines finanzwirtschaftlichen Modells objektiv und unkompliziert zu bewerten und zudem unverzüglich glattstellbar. Die Bilanzierung von Zinsswaps und FRAs ergibt sich de lege lata gemäß weitgehend eindeutiger GoB-Ausrichtung. Unter Anwendung der gemildert vorsichtigen Marktwertbilanzierung de lege ferenda ist für beide Finanzinstrumente die uneingeschränkt erfolgswirksame Bi1anzierung zu Marktwerten zu befürworten. (13) Zinsbegrenzungsvereinbarungen stellen optionsbasierte Finanzinstrumente mit einem mithin asymmetrischen Risikoprofil dar. Zu ihrer Bewertung ist ein Optionspreismodell heranzuziehen, welches zwar grundsätzlich eine objektive und marktorientierte Wertermittlung ermöglicht, jedoch einem Bereich noch nicht abgeschlossener finanzwirtschaftlicher Forschung entspringt. Zudem kann eine unverzügliche und unkomplizierte Glattstellbarkeit von Zinsbegrenzungsvereinbarungen nicht als gewährleistet angesehen werden. Die handelsrechtliche Bilanzierung von Zinsbegrenzungsvereinbarungen erfolgt unter weitgehend systematischer GoB-Orientierung. Nach Umsetzung der gemildert vorsichtigen Marktwertbilanzierung ergibt sich die Bilanzierung von Zinsbegrenzungsvereinbarungen zu ihrem modellmäßig ermittelten Marktwert, wobei lediglich Bewertungsverluste vollständige Erfolgswirksamkeit erfahren. Bewertungsgewinne, welche über eine Kompensation mit den Bewertungsverlusten anderer Finanzinstrumente hinausgehen, sind hingegen erfolgsneutral abzugrenzen.
Schuldenanstieg und Haftungsausschluss im deutschen Föderalstaat : zur Rolle des Moral Hazard
(2007)
Einleitung: Die deutschen Staatsschulden sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Künftige Generationen werden zusätzlich aufgrund der demographischen Entwicklung durch die umlagenfinanzierten sozialen Sicherungssysteme belastet. Gerade auch der Anstieg der Verschuldung der Bundesländer war in den letzten Jahrzehnten spürbar. So betrug die Verschuldung aller deutschen Bundesländer zusammengenommen 1991 noch 168 Mrd. Euro, während Anfang 2007 die Verschuldung 483 Mrd. Euro betrug, was eine knappe Verdopplung der Schuldenquote der Länder (Verschuldung in Prozent des BIP) auf ca. 21 Prozent impliziert. In der aktuellen Diskussion um die Reform des deutschen Föderalismus besteht Einigkeit in der Diagnose des Problems. Die Entwicklung der Staatsschulden ist kritisch und darf sich so nicht fortsetzen. Uneinigkeit herrscht hingegen über die Ursache des Anstiegs. Ebenfalls wird um die beste Möglichkeit, diesen zu bremsen, gerungen. Verschiedene Autoren argumentieren, dass der Verschuldungsanstieg der deutschen Bundesländer vor allem auf den Moral Hazard Anreiz zurückzuführen ist. Der vorliegende Diskussionsbeitrag diskutiert dies als einen der möglichen Gründe des Schuldenanstiegs. Hierzu wird zunächst das Konzept kurz eingeführt. Anschließend wird die bestehende empirische Evidenz für Deutschland diskutiert. Schließlich wird eine Bewertung und Einordnung in die aktuelle Debatte vorgenommen. Schlußbemerkungen: Im vorliegenden Diskussionsbeitrag wird das "Moral hazard" Problem als einer der möglichen Gründe für den beobachteten starken Anstieg der Verschuldung deutscher Bundesländer diskutiert. Es wurde gezeigt, dass die Finanzmärkte kaum auf die erheblichen Unterschiede in den fiskalischen Fundamentaldaten der Länder reagieren. Mit einer Fallstudie wurde außerdem verdeutlicht, dass das aktuelle Bundesverfassungsgerichtsurteil zu einer eventuellen Haushaltsnotlage von Berlin Berlin die Risikoeinschätzung der Märkte für deutsche Bundesländer nicht verändert hat. Alles in allem scheint es sinnvoll, über eine größere Beteiligung der Gläubiger an Risiken einzelner Länder nachzudenken. Dies dürfte aber den Schuldenanstieg nur bei bereits hoch verschuldeten Ländern begrenzen und möglicherweise einem Notlagenfall vorbeugen, nicht aber den grundsätzlichen "Defizit-Bias" der Finanzpolitik kompensieren. Insgesamt scheinen deswegen vorgelagerte Regeln notwendig, um den Anstieg der Verschuldung schon früh zu unterbinden und somit Belastungen zukünftiger Generationen zu reduzieren.