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Zwei Paradigmen werden üblicherweise angeführt, mit denen der Versuch unternommen wurde und wird, die Geographie als Geographie, d.h. in Abgrenzung zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu begründen: das traditionelle und das raumwissenschaftliche. Beide kritisiere ich als Ideologien, denen falsche Abstraktionen zugrunde liegen, nämlich Geodeterminismus bzw. Raumfetischismus. Zuvor werden die grundlegenden Begriff „Paradigma“, „Ideologie“ und „Abstraktion“ bestimmt.
Die Beiträge dieses Heftes unter dem Titel „Kritische Geographie“ gehen auf die gleichnamige Ringvorlesung zurück, die im Sommersemester 2006 am Institut für Geographie an der Universität Potsdam stattfand (vgl. Abb. 1). Die Idee zu dieser Veranstaltungsreihe war in unserer Gruppe „Kritische Geographie Berlin“ entstanden, in der wir zwar einerseits immer wieder gemeinsam Themen diskutier(t)en, andererseits aber – neben dem „Alltagsgeschäft“ der Lohnarbeit in der Wissenschaft und anderswo – kaum Zeit für tatsächlich gemeinsame Projekte hatten (und auch nach wie vor kaum haben). Weil wir alle zudem den Mangel an kritischen Inhalten in der universitären Lehre in der Geographie nicht nur aus dem eigenen Studium in schmerzlicher Erinnerung hatten, sondern auch immer wieder von linken Geographiestudierenden auf diese angesprochen worden waren, erschien uns die Form der Ringvorlesung als Möglichkeit, beide Probleme gleichzeitig produktiv anzugehen. Auf diese Weise war und ist es möglich, die Inhalte, an denen wir und andere „kritische Geograph/inn/en“ ohnehin gerade arbeiten, miteinander und mit Studierenden zu diskutieren, auch wenn diese Inhalte kein aufeinander aufbauendes oder sonst wie konsistentes Programm ergeben. Was die Beiträge der Ringvorlesung – und dementsprechend dieses Heftes – eint, ist vielmehr ihr „gesellschafts-, herrschafts- und machtkritischer Anspruch. Was damit gemeint ist, diskutiere ich nach einigen Anmerkungen zu Inhalt und Kontext des vorliegenden Heftes im Fortgang dieses Editorials.
Feministische Geographien und geographische Geschlechterforschung umfassen eine Vielzahl an Themenfeldern und Fragestellungen zum Zusammenhang von Raum und Geschlecht(lichkeit), die aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven in allen geographischen Bereichen behandelt werden können. In unserem Beitrag liefern wir einen Überblick über Inhalte, Ziele und Entwicklungspfade von Geschlechter- und feministischer Forschung in der deutschsprachigen Geographie. Dieser Überblick ist in allgemeine Überlegungen zu Geschlechterforschung in den Sozialwissenschaften eingebettet und an verschiedenen geschlechtertheoretischen Perspektiven – Frauen-, Geschlechterverhältnis-, Männer-/Männlichkeits- und Geschlechtsforschung – orientiert. Entlang der Frage "Wie weiblich ist die Nacht?" werden die Ausführungen zu den Fragestellungen, Blickachsen und Arbeitsweisen feministischer Geographien an zwei Beispielen konkretisiert und vertieft.
Alexopoulou (2008) argues that Greek provides new evidence for the concept of binding illusions that was hypothesized by Fox and Sauerland (1996). Of special interest from my perspective is Alexopoulou’s argument that binding illusions arise not only with existential and universal quantifiers, but also with negative and interrogative quantifiers. The purpose of this note is to speculate on how to account for these kinds of binding illusions semantically building on Alexopoulou’s argument. In the following I refer to Alexopoulou’s (2008) paper as BIRG (Binding Illusions and Resumption in Greek) and to Clitic Left-Dislocation as CLLD. BIRG’s argument is based on the generalization concerning CLLD in Greek. Generally, a left-dislocated noun phrase cannot bind a pronoun in its clause in Greek.
Wer unseren Planeten erforschen will, muss sich auf die Socken machen. Forschungsreisen gehören für fast alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in diesem Heft Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren, selbstverständlich zum Beruf. Dass sie dabei natürlich neben rein forschungsbezogenen auch ganz persönliche Erfahrungen machen, bereichert ihr Leben. Und sie haben wunderbare kleine Geschichten zu erzählen, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. ...
Wo wächst die Palmyrapalme? : mit Satellitendaten praxistaugliche Verbreitungskarten erstellen
(2008)
Die äthiopische Palmyrapalme (Borassus aethiopum) mit einer Wuchshöhe von bis zu 30 Metern gehört zu den größten afrikanischen Palmenarten. Ihr Erhalt ist für die Menschen in Benin und Burkina Faso von großer Bedeutung, denn sie stellen aus den Blättern der Palme Matten, Körbe und Hüte her. Die melonengroßen, glänzend orangen Früchte sind essbar. Inzwischen geht das Verbreitungsgebiet dieser wichtigen Nutzart stark zurück. ...
Wasser weltweit : wie groß sind die globalen Süßwasserressourcen, und wie nutzt sie der Mensch?
(2008)
Ohne Wasser kein Leben – die ersten organischen Moleküle entwickelten sich im Wasser, aus Wasser plus Kohlenstoff und Stickstoff, und auch heute brauchen Pflanzen, Tiere und Menschen viel Wasser, um zu überleben. Die Erde ist der einzige Planet mit flüssigem Wasser und der einzige Planet, auf dem es Leben gibt, zumindest in unserem Sonnensystem. Zwei Umstände bewirken gemeinsam, dass nur die Erde die richtige Temperatur für flüssiges Wasser an ihrer Oberfl äche hat: ihr Abstand zur Sonne und ihre Masse. Aufgrund ihrer ausreichend großen Masse kann sie eine Atmosphäre halten, die die mittlere Oberflächentemperatur von –18 °C auf +15 °C erhöht. Nur daher konnte sich im Frühstadium der Erdentstehung das Wasser, das in großen Mengen aus dem Erdinnern ausgaste, an der Oberfläche als flüssiges Wasser in den Ozeanen sammeln.
Lebensmittelkrisen wie BSE, Schweinepest, Vogelgrippe und der »Gammelfleischskandal« haben das Vertrauen der Verbraucher in den Agrarmarkt erschüttert. Deshalb verwenden Produzenten und Einzelhändler heute mehr Anstrengungen als jemals zuvor darauf, der verunsichernden Anonymität der global organisierten Produktion durch die Herstellung sozialer Nähe entgegenzuwirken. So suggerieren Herkunftszertifi kate für Regionalprodukte sowie eine schnell steigende Zahl von Hygiene-, Sozial- und Umweltstandards Verlässlichkeit aufgrund von geringen räumlichen Distanzen und unabhängiger Kontrolle, während Initiativen wie »Caretrace: Meet the Farmer« dadurch Vertrauen schaffen sollen, dass sich der Konsument im Internet über den individuellen Produzenten informieren kann. Doch die Folgen dieser Umbrüche für Produktionsweisen und Anbauregionen sind bislang nur wenig bekannt.
In der Frauenarbeit liegt einer der wichtigsten Schlüssel zur Weltentwicklung. Frauen arbeiten – bezahlt und unbezahlt – sehr viel mehr als Männer. Weltweit sind 40 Prozent der Menschen in Beschäftigungsverhältnissen Frauen. Die unbezahlte Familien- und Fürsorgearbeit, wozu neben Versorgung, Erziehung, emotionaler und gesundheitlicher Pfl ege auch die unentlohnte Arbeit in der Landwirtschaft gehört, ist bekanntlich überwiegend Frauensache. Frauen sind somit zugleich zentrale Akteurinnen und Adressatinnen, wenn es um die Lösung der großen Probleme von Weltentwicklung wie Klimawandel, Ernährungskrise oder Bevölkerungsentwicklung geht. Auch die großen politischen Ziele wie die Sicherung von Frieden und Demokratie lassen sich nur erreichen, wenn Männer und Frauen wirklich gleichberechtigt sind.
Mumbai, Mexico City, Lagos und Kairo – das sind Megacities des neuen Jahrtausends. Sie leiden ausnahmslos unter ähnlichen Problemen: Mehr als die Hälfte der Einwohner lebt von unregelmäßigen Einkünften in den Slums am Rande der Metropolen. Die soziale Polarisierung wächst ebenso wie das Sicherheitsproblem. Wo das staatliche Gewaltmonopol zunehmend zerfällt, nutzen private Akteure ihre Chance, um Sicherheit zu schaffen und Gebiete zu kontrollieren – nicht selten gewaltsam.
Wolken haben einen maßgeblichen Einfluss auf den Wasserhaushalt der Erde, das Wettergeschehen und das Klima. Sie wissenschaftlich zu beschreiben, ist schwierig – und das erschwert die Niederschlagsvorhersage ebenso wie die Klimamodellierung. Wichtig für die Entstehung von Regen in unseren Breiten sind Eispartikel. Sie machen einen großen Teil der Wolken aus. Doch wie bilden sie sich, und warum sind sie für viele physikalische Prozesse in den Wolken unentbehrlich? Und schließlich: Wirkt sich menschliches Handeln auf die Wolken aus?
Staubwolken sind im Universum die Geburtsstätten neuer Sterne. Dort wiederholen sich Prozesse, die vor 4,56 Milliarden Jahren auch zur Entstehung unseres Sonnensystems geführt haben. Noch heute gibt es Zeugen aus dieser Zeit: Kometenstaub, Sternenstaub und interstellarer Staub. Die »Stardust-Mission« hat sie eingefangen, und Frankfurter Geowissenschaftler haben darin – dank modernster Labor-Analytik – erstaunliche Funde gemacht.
Der Ozean gehört zu den am wenigsten erforschten Regionen unseres Planeten, obwohl er für den Wärme- und Energiehaushalt der Erde und die Gemeinschaft ihrer Bewohner eine wichtige Rolle spielt. Der Mensch fischt und badet vor allem in den Flachmeeren. Dort ist auch die Schifffahrt am dichtesten. Doch obwohl die Flachmeere nur etwa 5 Prozent des Ozeanbodens ausmachen, wirken sich Veränderungen empfindlich auf alle Meeresbewohner aus, bis in die dunkle, kalte und nahrungsarme Tiefsee.
"Herakleitos sagt, dass die Wachenden ein und dieselbe gemeinsame Welt (éna kai koinòn kosmon) haben, während von den Schlafenden ein jeder sich zu seiner eigenen (Welt; eis ídion apostréphesthai) abwende." (DK 22 B 89) Diese "eigene" Welt des Schlafenden heißt ídios kósmos, die Welt der Träume. "In der Nacht entzündet der Mensch ein Licht für sich selbst, sterbend, seine Sehkraft ist erloschen." (DK 22 B 26). – Heraklit (535 - ca. 475 v. u.Z.) trifft die Überzeugung der gesamten antiken Kultur, dass der Wachzustand eine Welt des Zugänglichen, des Lichterfüllten, die Welt also des Öffentlichen, des Gemeinsamen und des Logos darstelle: koinos kósmos. ...
Schon früh hatte das Unbekannte viele mit Versprechungen gelockt. Aber das Reisen war mit Gefahren verbunden. Vor allem Seereisen erforderten Mut. Nicht immer waren es Abenteuerlust oder Neugier, die Menschen hinaustrieben. Viele Reisende waren Pioniere und Entdecker. Inseln und Berge, Ströme und Meeresengen sind nach ihnen benannt. Von den Anstrengungen des Reisens, den oft seltsamen oder auch überraschenden Begegnungen mit dem Fremden, den Beobachtungen von Flora und Fauna wissen wir durch ihre Aufzeichnungen, die später als Reiseberichte publiziert wurden. Besonders im 18. Jahrhundert waren Reiseberichte ein äußerst beliebtes Genre, weil sie auf unterhaltsame und spannende Weise über die nahe und ferne Fremde informierten. Gelegentlich fungierten sie auch als kritischer Spiegel der alten Welt.
Die Kreativwirtschaft beschäftigt in Frankfurt etwa ebenso viele Menschen wie das Kreditgewerbe, trägt bislang allerdings lediglich 4,6 Prozent zum städtischen Gesamtumsatz bei. Seit einigen Monaten richtet die Frankfurter Wirtschaftsförderung ihr Augenmerk besonders auf den Kreativsektor. Der »1. Frankfurter Kreativwirtschaftsbericht«, den Wirtschaftsdezernent Boris Rhein (CDU) im Sommer der Öffentlichkeit vor stellte, wurde von Humangeografen der Goethe-Universität unter Leitung von Christian Berndt, Pascal Goeke und Peter Lindner erarbeitet.
Dem Wandel rechtzeitig begegnen : Landesförderung ermöglicht richtungsweisende Klimafolgenforschung
(2008)
In 1912 and 1913, the Neohellenic theatre festivals of the experimental stage in Hellerau become a meeting point of the Europeen avant-gardes. The musical stage reform of Appia and Jaques-Dalcroze was a decisive for the evolution of modern drama and dance. It is, however, hardly compatible with conservative concepts of poetry, which is shown by Claudels production of his mystery play Verkündigung (L' Annonce faite à Marie) in Hellerau and by Rilke's criticism.
Mit Unterstützung der Schopenhauer-Gesellschaft konnte das Archivzentrum der Frankfurter Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg ein wichtiges Dokument zur Geschichte der Familie Schopenhauer aus dem Jahr 1820 erwerben. Die Urkunde wurde auf der 10. Auktion des Historischen Wertpapierhauses vom 2. bis 4. Mai 2008 in Würzburg zur Versteigerung angeboten. Sie belegt, dass der 1766 in Danzig geborenen Johanna Schopenhauer, Mutter des berühmten Frankfurter Philosophen Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860), sowie deren Tochter Adele vom wirtschaftlich angeschlagenen Handelshaus Abraham Ludwig Muhl & Co. eine Leibrente von 300 Reichstalern zugesprochen wurde. Johanna und Adele waren in der Folge des Bankrotts des Handelshauses Muhl von 1819 in wirtschaftliche Nöte geraten. Johanna hatte 70 Prozent ihrer gesamten dortigen Einlagen verloren. Der ebenfalls betroffene Arthur Schopenhauer ließ sich nicht auf einen Vergleich des Handelshauses ein und konnte somit – im Gegensatz zu Mutter und Schwester – seine eigenen Finanzanlagen nach dreijähriger intensiver Verhandlung retten. Aufgrund seiner jahrelangen Meinungsverschiedenheiten mit der mütterlichen Hofrätin und Schriftstellerin Johanna verweigerte Arthur in der Folgezeit die finanzielle Unterstützung, so dass Johanna ihren aufwendigen Lebensstil in Jena nicht mehr weiter fi nanzieren konnte. Die Schriftstellerei wurde bis zu ihrem Tod im Jahre 1838 zu ihrer vorrangigen Einnahmequelle. Die Urkunde mit der Signatur Schop, XXVI, 40 ist sehr gut erhalten. Drei der acht Johanna Schopenhauers Rente Wertvolle Urkunde für Schopenhauer-Archiv ersteigert auf Blütenpapier geschriebenen, doppelseitigen Folioseiten wurden handschriftlich verfasst. Sämtliche Seiten sind rechts bestoßen und haben eine Knickfalte. Im Absender wird das Handelshaus Abraham Ludwig Muhl & Co. genannt. Das Archivzentrum freut sich, ein solch zentrales Dokument zur wissenschaftlichen Untersuchung des schwierigen Verhältnisses von Arthur Schopenhauer zu seiner Mutter Johanna Schopenhauer in seinen Beständen zu wissen. Die Vermögens- und Familienverhältnisse der Familie Schopenhauer können anhand der umfangreichen Unterlagen aus dem Nachlass von Arthur Schopenhauer von Montag bis Freitag jeweils von 9.30 bis 16.30 Uhr nach Voranmeldung und im Rahmen der Benutzungsordnung eingehend untersucht werden.
In diesem Verzeichnis werden Biotoptypen gemäß §32 Naturschutzgesetzes Abs. 1 in Baden-Würtemberg wiedergegeben. Die Unterteilung erfolgt in Gewässer, Terrestrisch-morphologische Biotoptypen, Gehölzarme terrestrische und semiterrestrische Biotoptypen, Gehölzbestände und Gebüsche, Wälder und Biotoptypen der Siedlungs- und Infrastrukturflächen mit Angaben der jeweiligen Flächen und Naturschutzstatus.
1932 befindet sich die Weimarer Republik an ihrem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tiefpunkt. Was ließe sich angesichts des angeschlagenen Selbstbewußtsein der Nation besser instrumentalisieren als der hundertste Todestag des Olympiers Goethe, als die Epiphanie des Unsterblichen, als ein "Ehrenjahr des deutschen Menschen und der deutschen Kultur". Nicht nur in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Goethes Werk und den gigantischen staatlichen Feierlichkeiten, mehr noch in den populären Medien, in allen Radiosendern, in sämtlichen Zeitungen, in allen politischen Lagern, von Nationalsozialisten und Katholiken, von Juden und Kommunisten wird Goethe auf fatale Weise ideologisch vereinnahmt.
Hubert Sauper verfügt über eine individuelle filmkünstlerische Handschrift; er ist ein ‚auteur‘ im besten Sinn des Wortes. Seine Interpretationen der Vorkommnisse beruhen auf dem Wissen, dass es keine objektive Realität gibt und schon gar keine neutrale Reproduktion der - selben. Er desavouiert Klischees über den Zustand der Wirklichkeit, indem er nicht nur einen Plot schafft, in dem es um wirtschaftspolitische Machenschaften des internationalen Großkapitals geht, sondern auch für eine emotionale Logik und Motivation der Geschichte sorgt. Sein Werk besticht durch eine Bildsprache, die weit über die filmische Gestaltung des Augenblicks hinausgeht. Tansania erscheint letztlich als ein Mikrokosmos, der eine konzentrierte, weil überspitzte Erfassung und Darstellung genereller Strukturen der menschlichen Gesellschaft in unserer Zeit erlaubt. Selbstverständlich ist Darwin’s Nightmare kein ‚objektiver‘ Film geworden – was wäre denn das über haupt, noch dazu bei einem solchen Thema? Der Regisseur hat viel - mehr Partei ergriffen für Menschen, die im großkapitalistischen Getriebe völlig unter die Räder zu kommen drohen. Er profiliert sich als konzeptionelles Zentrum eines Schaffensprozesses, in dem mit Hilfe technischhand werklicher und ästhetischer Strategien aus den Wahr nehmungen, Stellungnahmen, Handlungen und Fähigkeiten der Beteiligten etwas entsteht, das dem Rohmaterial der Wirklichkeit eine ganz bestimmte Aussage abringt. Dieses Etwas ist lediglich durch Sauper selbst, seine Crew und Interviewpartner verbürgt verbürgt; ein Film wie Darwin’s Nightmare öffnet neue Seh- und Hörräume, die über das Gezeigte hinausweisen, das wie ein Spiegel unsere eigene Existenz reflektiert. Auf eine paradigmatische Weise wird vorgeführt, dass heute die Produktion des Authentischen und Glaubwürdigen nicht ein für allemal erfolgt, sondern höchstens in einem relativen Sinn – wie im vorliegenden Fall etwa in Bezug auf unsere europäische, postkoloniale Bewusstseins geschichte. Nicht zuletzt dafür werden der Regisseur, Mitwirkende des Films und deren Familien oft ange griffen, hand greiflich verfolgt, verhaftet und eingesperrt, des Landes Tansania verwiesen oder sonst in einer Weise bedroht, dass im Sommer 2006 sogar eine diplomatische Intervention des österreichischen Außenministeriums not wendig wurde.18 Seien es also Eliza, die die Fertigstellung des Films nicht mehr erlebt hat, oder Raphael, der seine Pfeile wie ein Kämpfer in archaischer Ver gan gen heit mit Gift bestreicht, oder die Buben, die sich den Mund schnell mit ein paar Fäusten Reis voll stopfen, den sie im täglichen Überlebenskampf gerade ergattert haben: Sie alle repräsentieren in Rede und Bild einen spezifischen Wahrheitsgehalt, der diesseits fiktionalen Geschichtenerzählens liegt und den konkreten Zustand der westlichen Gesellschaft mitbetrifft. Das Bedürfnis nach dieser Art von investigativer Aufklärung wird von den primären Nachrichten- und Informationsmedien Fernsehen und Tageszeitungen offensichtlich nicht mehr bzw. nur unzulänglich befriedigt, weshalb der Dokumentarfilm überall auf der Welt eine neue Wertschätzung erfährt. Jeder gelungene Film ist, so meinte Hubert Sauper einmal, eine „innere Reise, auf der man mehr findet, als man sucht.“ (Der Standard, 1.2.2006) Besser kann man das ästhetische und ideologische Programm von Darwin’s Nightmare nicht beschreiben.
Es handelt sich um einen Auszug aus der Dissertation "Den Stein steinern machen". Remotivierung des Wortes um 1900, die sich mit den Auswirkungen der sprachtheoretischen Überlegungen Friedrich Nietzsches, Ernst Machs, Fritz Mauthners sowie der zeitgleich wirkenden russischsprachigen Theoretiker auf ausgewählte Prosawerke von Rilke, Kafka und Musil befasste.
Erkan Atalays Studie zeigt den aufklärungskritischen Impuls der frühen Dramatik Schillers auf; behandelt werden insbesondere Die Räuber sowie Die Verschwörung des Fiesco zu Genua. Im Mittelpunkt steht dabei Schillers Absicht, eine Kritik der neuzeitlichen Subjektivität zu liefern. Leitender Begriff der Untersuchungen Atalays ist der Gigantismus und damit jene nicht mehr durch ständische Regeln und Traditionen bestimmte Subjektivität, die an ihrer autonomen Selbstbegründung scheitert, weil Selbstbefreiung in Solipsismus und schließlich in Größenwahn überzugehen droht. Die Arbeit zeigt mit kritischem und ausgesprochen selbständigem Blick auf die Forschung, wie es Schiller in Anlehnung an Konzepte des englischen Sensualismus und der Moralphilosophie um den "ganzen Menschen" zu tun ist. Das in Schriften Kants, Mendelssohns oder Wielands explizit oder implizit formulierte "Gefahrenpotential" "der Aufklärung" für das in den Prozess des Mündigwerdens entlassene Individuum bereitet die kritischen Positionen Schillers vor, die Atalay – im Sinne nachträglicher Setzungen zu den frühen Dramen – der epochalen Abhandlung Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen entnimmt. Im Vordergrund steht dabei Schillers Absage an jene aufklärerischen Konzepte, die sich nicht etwa um eine „Rehabilitation der Sinnlichkeit“ (P. Kondylis) verdient machen, sondern die eine einseitige Orientierung an der Verstandeskultur propagieren und so "den ganzen Menschen" marginalisieren. Auf diese Weise gelingt es Atalay, den "Egoismus" etwa eines Franz Moor aus unterschiedlichen Blickrichtungen zu erklären: zum einen in der Konfrontation mit Kants Konzept einer Kultur der Mündigkeit, deren Konsequenzen, insbesondere bezogen auf die ablehnende Haltung gegenüber der Religion, das Drama vorführt; zum anderen in Erinnerung an Mendelssohns Warnung vor den "inhumanen" Folgen einer bloß "theoretischen" Aufklärung; und zum dritten mit Wielands Forderung nach einer enttabuisierten (nämlich der „uneingeschränktesten“) „Untersuchung“, die keinerlei Denkverbote zulässt. Aus dieser Perspektive verkörpern Karl und Franz einerseits die zwei entgegen gesetzten Tendenzen des Zeitalters: den prometheischen Individualismus (Karl) und den konsequenten Materialismus (Franz). Andererseits führen sie genau darin die möglichen Gefahren einer sich einseitig verselbständigenden Aufklärung in den jeweiligen Extremen vor. Als "tertium comparationis" dieser "Perversionen" kann der Egoismus des gekränkten "Genies" gelten, der sich etwa auch in der Figur des Grafen von Lavagna, Fiesco, wiederholt, und in diesem Fall zudem mit der politischen Philosophie des Jahrhunderts begründet wird.
Die Forderung nach mehr und besserer Bildung zu stellen, hieß im Neuhumanismus um 1800 bekanntlich, auf eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Sinnlichkeit und Vernunft zu drängen. Weniger bekannt ist indessen, mit welchem Nachdruck zur Zeit der Weimarer Klassik Bildungsfragen in Anknüpfung an Schriften Platons als ein im Kern erotisches Problem erörtert wurden. Obgleich meist sorgfältig camoufliert, läßt sich die Thematisierung des Eros als Bildungstrieb von Winckelmanns "Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke" über Arbeiten Wilhelm von Humboldts bis hin zu Goethes "Faust"-Tragödie rekonstruieren. In diesem Zusammenhang erweist sich letztere als eine fundamentale Kritik am „klassischen“ Bildungskonzept: Während von Humboldt im Eros eine schöpferische Urkraft und fortschrittstiftende Dynamik sieht, von der schon die Griechen geahnt hätten, daß sie das Chaos zum Kosmos ordne, präsentiert Goethe den Eros als eine Macht, welche zu vermeintlich Großem drängend ins Chaos zurücktreibt. Ebenso wie das sich bildende Individuum bei von Humboldt streben auch Faust und seine Parallelfiguren eine Ganzheit ihrer individuellen Vermögen an, wobei es auch ihnen im Kern darum geht, sich mit autonomen Geburtsakten den Traum der Unsterblichkeit zu erfüllen. Goethe allerdings deckt mit seinem Trauerspiel die Nachtseite solchen Ganzheitsanspruches auf, indem er zeigt, daß die Aneignung der Lebenserzeugung durch den Mann einhergeht mit einer Verleugnung des Lebenserzeugenden in der Frau sowie einem – in der Moderne zunehmend zerstörungsmächtigen – Menschenhaß überhaupt.
Insbesondere die erzählende Literatur erschließt im Zeitraum von 1770 bis 1830 emphatisch oder kritisch "Arbeitsamkeit" als einen zentralen Wertbegriff der "buergerlichen Moral". Für die beiden Bezugsweisen gelten die Bearbeitungen des "Robinson Crusoe" durch J. H. Campe und J. K. Wezel als "prototypische" Texte.
Die "Berliner Abendblätter", das kurzfristige Zeitungsprojekt Heinrich von Kleists (1810/11), erhielten besondere Attraktivität durch Nachrichten und Darstellungen zum aktuellen Kriminalgeschehen. Mit seinen Texten zu diesem Gegenstandsbereich konnte sich Kleist vielfach auf die Polizei-Rapporte des Berliner Polizei-Präsidiums beziehen. Welche Strategien er dabei verfolgt, wird mit dem Beitrag erschlossen.
Heinrich Heine: "Im Hafen"
(2008)
In einem böhmischen Gasthof empfing der 70-jährige Goethe aus der dortigen Hausbibel die Inspiration zu dem hier betrachteten Gedicht, das er dem West-östlichen Divan einfügte, seinem größten lyrischen Zyklus, in dem er die westliche Welt und den islamischen Orient miteinander zu versöhnen suchte, hier aus christlicher Perspektive.
Kulturhermeneutik als Kulturpoetik : Friedrich Schlegels Über das Studium der griechischen Poesie
(2008)
Die kulturhermeneutische Relektüre wie die kulturpoetologische Ziel-Lesart Schlegels sind Bestandteil eines von Enthusiasmus methodisch wie darstellerisch getragenen „Studiums“, das seiner Anlage nach nicht stillgestellt werden kann und deshalb unabschließbare Formierungs- und Ausgleichsbewegungen installiert. Das beinhaltet eine systematische Sperrigkeit, wenn nicht Unverfügbarkeit von Wissen und Poiësis, begründet aber den möglichen Progress der "Modernen". Sie lernen kulturhermeneutisch, sich einfühlend in einer Geschichte steter Annäherung eine mobile Erfahrung des immer schon Anderen zu verschaffen, um es kulturpoetisch neu zu formieren. In die biblische Typologie von der Erfüllung des Buchstabens durch den Geist gefasst, bildet Schlegel im Aphorismus diesen generischen Weg zwischen der buchstäblichen Lesbarkeit der griechischen Kultur und ihrer intellektuell sich öffnenden Einholung durch die "Modernen" bündig ab: „In den Alten sieht man den vollendeten Buchstaben der ganzen Poesie: in den Neuern atmet man den werdenden Geist.“
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich (aber mit Anschließbarkeit an einige bisherige Interpretationsansätze, wie etwa den von Martel [2004]) gemäß dem narratologischen Analysekonzept auf das Gedicht als Reflexionsprozess (und der schließlich damit verbundenen Reflexion von Dichtung) im Rahmen der Imaginations- und Erinnerungsthematik, die bereits mit der Überschrift „Andenken“ angesprochen wird. Auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit anderen (insbesondere primär philosophisch-metaphysischen) Deutungsansätzen wird verzichtet.