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Im Mittelpunkt dieser Arbeit stand die Untersuchung der Reaktivität von Chlorsilanen gegenüber Elektronenpaardonoren. Als Basis hierfür diente die Alkylamin-katalysierte (NMe3, NMe2Et, NEt3) quantitative Disproportionierung von Si2Cl6 bzw. Si3Cl8 zum Neopentasilan 3 und SiCl4 (T ≤ RT, Schema 40). Obwohl diese Reaktion bereits seit über 60 Jahren bekannt ist, sind für ihren Mechanismus nur Vermutungen aufgestellt worden. In Kooperation mit der Gruppe um M. Holthausen ist es hier gelungen, das SiCl2-Amin-Addukt 57 als entscheidende Zwischenstufe zu identifizieren (1H29Si-HMBC-NMR-Experiment sowie DFT-Rechnungen). Si(SiCl3)4, die thermodynamische Senke des Systems, entsteht durch anschließende Insertion des Dichlorsilylens in Si−Cl-Bindungen – bevorzugt am höchst substituierten Si-Zentrum (es bilden sich keine linearen bzw. weniger verzweigten Oligosilane). Zudem lässt sich das koordinierte Amin vom SiCl2-Addukt wieder abspalten, was die Si(SiCl3)4-Synthese überhaupt erst ermöglicht. Dieses Verhalten unterscheidet sich grundlegend vom jenen literaturbekannter stabilisierter Chlorsilylene: hier bindet der Donor so stark an das Si-Atom, dass er den ambiphilen Charakter des Silylens zugunsten der Lewis-basischen Funktion einschränkt. Daher kann man mit diesen Addukten auch keine Oligosilane aufbauen, die mittlerweile auch das Interesse der chemischen Industrie erweckt haben...
Die Modulation molekularer Systeme mit Licht ist ein in den letzten Jahren immer stärker untersuchtes Forschungsgebiet. Es existiert bereits eine große Anzahl an Publikationen, die mittels statischer Spektroskopie und anderer statischer Methoden Einblicke in die ablaufenden Prozesse gewähren konnten. Untersuchungen im Ultrakurzzeitbereich sind jedoch eher selten, liefern aber detaillierte Informationen zu den ablaufenden Prozessen. Den Wissensstand diesbezüglich zu erweitern, war Ziel dieser Dissertation.
Untersucht wurden neun photoschaltbare, molekulare Dyaden hinsichtlich ihrer Dynamik nach Photoanregung. Die Dyaden setzten sich aus einem Fluorophor (Bordipyrromethen, BODIPY), einem Photoschalter (Dithienylethen, DTE; offen oder geschlossen) und gegebenenfalls einer COOH-Ankergruppe zusammen.
Die Unterschiede in den Molekülstrukturen bestanden in der Verknüpfung der einzelnen Bauteile (kurze oder lange, beziehungsweise gerade oder gewinkelte Brücke) und der Art des Fluorophors und des Photoschalters (jeweils zwei verschiedene Strukturen).
Durch Belichtung mit UV- oder sichtbarem Licht konnten photostationäre Zustände generiert werden, die 40 – 98 % geschlossenes Isomer (je nach Molekül) beziehungsweise 100 % offenes Isomer enthielten.
Unter Verwendung von Licht verschiedener Wellenlängen konnten beide Teile der Dyade (BODIPY beziehungsweise DTE) separat angeregt und hinsichtlich der ablaufenden Photodynamik untersucht werden, wobei der Fokus der Arbeit auf transienten Absorptionsmessungen mit Anregung des BODIPY lag. Bei einem Großteil der untersuchten Moleküle kam es in diesem Fall, je nach Zustand des Photoschalters, zu einem intramolekularen Energietransfer nach der Theorie von Theodor Förster. Durch diese Energietransferprozesse kommt es zu einer drastischen Verkürzung der Lebenszeit des angeregten Zustands des BODIPY. Ausgehend von Lebenszeiten im Bereich von Nanosekunden im Falle der offenen Dyaden (entspricht der Fluoreszenzlebensdauer) reduziert sich die Lebenszeit auf wenige Pikosekunden, beziehungsweise je nach Aufbau des Moleküls sogar noch weiter. Die unterschiedlich schnellen Transferprozesse sind im Sinne der Förster-Theorie durch die unterschiedlichen Entfernungen und relativen Orientierungen der beiden beteiligten Übergangsdipolmomente (von DTE und BODIPY) erklärbar.
Neben Experimenten mit Anregung des BODIPY-Teils der Dyaden wurden weitere Experimente durchgeführt, in denen der geschlossene Photoschalter direkt angeregt wurde. Aus diesen Messungen konnten Erkenntnisse über die Relaxation des DTE erlangt werden. Auf diese Weise war es möglich, bei einigen der Moleküle die Ringöffnungsreaktion zu beobachten und zu charakterisieren. Im Fall von Dyade 4 konnten zusätzlich kohärente Schwingungen des Moleküls nach Photoanregung detektiert werden, die sich anhand einer Frequenzmodulation der Absorptionsbande des BODIPY-Teils über einen Zeitbereich von 2 ps beobachten ließen.
Durch RNAinterferenz (RNAi) läßt sich die Expression eines beliebigen Gens spezifisch unterdrücken. Dafür müssen in das Zytoplasma kurze, doppelsträngige RNA Moleküle (siRNA bzw. shRNA) eingebracht werden, die teilweise komplementäre Sequenzen zu dem Zielgen aufweisen. Um siRNAs mit einer hohen Effizienz und Kopienzahl in die Zielzelle einzubringen, wurden Transfersysteme unterschiedlicher Art entwickelt. Nicht-virale Transfersysteme können nur einen transienten Effekt auslösen - ein Umstand, der für Langzeitstudien eine mehrfache Transfektion bedingt. Zur Lösung dieses Problems wurden retrovirale Vektorsysteme entwickelt, die durch Integration der shRNA-Expressionskassette in das zelluläre Genom eine stabile Unterdrückung eines Zielgens erreichen können. Insbesondere für präklinische Studien in vivo ist jedoch ein System mit erhöhter Transferrate wünschenswert, um in möglichst vielen Zielzellen einen RNAi-Effekt zu bewirken. Sliva et al. konnten zeigen, dass das Murine Leukämie Virus (MLV) theoretisch diese Anforderung erfüllt. Dafür wurde eine shRNA-Expressionskassette in das Virusgenom eingefügt und in vitro ein RNAi-Effekt nachgewiesen. In der vorliegenden Arbeit wurde dieses System nun durch die Verwendung von microRNA-adaptierten shRNAs (shRNAmir) verbessert. In mehreren Publikationen wurde bestätigt, dass shRNAs, die endogenen microRNAs nachempfunden sind, eine höhere Effizienz und niedrigere Toxizität aufweisen. Zunächst wurde die für die genetische Stabilität optimale Orientierung der shRNAmir-Expressionskassette bestimmt. Das Konstrukt in reverser Orientierung wies eine Deletion in der shRNAmir Promotersequenz auf, die wahrscheinlich durch Interferenz mit dem 5’LTR Promoter entstanden ist. Mit dem genetisch stabilen Viruskonstrukt wurden Experimente zur Reduktion der Expression von Markergenen durchgeführt, um die Effizienz der RNAi-Aktivität leicht zu quantifizieren. Dafür wurden humane Fibrosarkom (HT1080) Zellen infiziert, die eGFP oder Luziferase stabil exprimieren.
Mit eGFP- und Luziferase-spezifischen shRNAmir-Expressionskassetten konnte nach Infektion eine Herunterregulation von eGFP auf etwa 20 % und für Luziferase auf unter 10% beobachtet werden. Das Kontrollvirus, das eine unspezifische shRNAmir kodiert, hatte keinen Einfluss auf die Expression beider Markerproteine. Die Kinetik mit der die Markerproteine herrunterreguliert wurden, war abhängig von der Virusdosis. Die Virusdosis hatte aber keinen Einfluß auf die Stärke des RNAi-Effekts, der nach Infektion aller Zellen festgestellt werden konnte. Dieses Ergebnis entspricht der Erwartung an ein replikatives Transfersystems, das je nach applizierter Virusdosis unterschiedlich schnell RNAi in der Zellkultur ausbreitet und induziert. Die Anwendbarkeit dieses RNAi-Transfersystems auch für endogene Gene wurde mit MMP14-spezifischen shRNAmirs gezeigt. Nach Infektion von HT1080 Zellen mit den entsprechenden Viren in HT1080 Zellen konnte eine verringerte Menge an MMP14 mRNA und Protein nachgewiesen werden. Dies konnte funktionell durch eine verringerte Menge an intermediärem MMP2 und durch eine reduzierte Invasivität bestätigt werden. Zudem war die Fähigkeit dieser Zellen subkutane Tumore zu bilden stark eingeschränkt.
Um die Anwendbarkeit dieses Systems für in vivo Applikationen zu zeigen, wurde in Mäuse, die Luziferase-exprimierenden Tumoren trugen, MLV-shLuc oder das Kontrollvirus systemisch appliziert. 21 Tage nach Virusgabe konnte in den Tumoren von MLV-shLuc infizierten Mäusen eine Abnahme der Luziferaseaktivität auf 15 % nachgewiesen werden. Auch in Mäusen, die systemisch applizierte Tumorzellen erhielten, konnte eine Tendenz von RNAi-vermittelter Luziferase-Reduktion beobachtet werden.
Damit wurde in dieser Arbeit ein neuartiges RNAi-Transfersystem geschaffen, das in der Lage ist, auch in vivo einen starken und lang andauernden RNAi-Effekt auszulösen. Die Einzigartigkeit besteht in der Kombination von shRNAmir und Replikations-kompetenten Retroviren. Dadurch konnte eine erweiterte Transferrate von shRNAmir in Tumorzellen erreicht werden, so dass nun Genfunktionsstudien mit sehr hoher Aussagekraft möglich sind.
In jüngster Zeit werden vom humanen Immundefizienzvirus-1-abgeleitete lentivirale Vektoren auch in der Gentherapie eingesetzt. Obwohl diese Vektoren nicht-mitotische Zellen transduzieren können, sind sie für einen Gentransfer in primäre ruhende Zellen oft nicht geeignet. In der Abteilung „Medizinische Biotechnologie“ des Paul-Ehrlich-Insituts wurde ein vom simianen Immundefizienzvirus SIVsmmPBj-abgeleiteter lentiviraler Vektor entwickelt, welcher im Gegensatz zu HIV-1-abgeleiteten Vektoren effizient in der G0-Phase des Zellzyklus arretierte humane Fibroblasten und humane primäre Monozyten transduzieren kann (Mühlebach et al., 2005). Im dieser Arbeit wurde das Potenzial dieses neuen Vektors für mögliche Anwendungen in der Gentherapie untersucht, indem seine Transduktionsfähigkeit für weitere primäre Zellen bestimmt wurde. Dabei waren humane hämatopoetische Stammzellen von besonderem Interesse, da sie die Vorläuferzellen aller Zellen des Blutes sind und die Eigenschaft zur Selbsterneuerung besitzen. Die Effizienz des Gentransfers in unstimulierten Stammzellen mit dem SIVsmmPBj-Vektor war jedoch nicht höher als mit anderen lentiviralen Vektoren. Interessanterweise konnte aber ein Einfluss der lentiviralen Vektoren auf das in vitro-Differenzierungspotenzial der transduzierten Stammzellen in die verschiedenen Vorläuferzellen beobachtet werden: Nach Transduktion mit dem SIVsmmPBj- und einem HIV-2-abgeleiteten Vektor differenzierten die Stammzellen bevorzugt in granulozytäre Vorläuferzellen, während die Transduktion mit einem HIV-1-abgeleiteten Vektor die Anzahl aller Vorläuferzellen deutlich reduzierte und insbesonders die Differenzierung in Makrophagenvorläuferzellen verminderte. Zur Untersuchung ihres Differenzierungs-potenzials in vivo wurden transduzierte hämatopoetische Stammzellen zur Repopulierung des Knochenmarks von NOD/SCID-Mäusen eingesetzt. Hierbei wurde jedoch kein Einfluss der verschiedenen lentiviralen Vektoren auf die Differenzierung der Stammzellen beobachtet. Allerdings konnte nur in einem sehr geringen Anteil der transplantierten Zellen eine Expression des übertragenen Gens nachgewiesen werden, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die transduzierten Zellen die Fähigkeit zur Repopulierung verloren hatten. Insgesamt ist jedoch zu sagen, dass entgegen der Erwartungen der neue Vektor keinen Vorteil gegenüber HIV-1-Vektoren zur Transduktion von hämatopoetischen Stammzellen aufweist. Weiter wurde die Transduktionsfähigkeit des SIVsmmPBj-Vekors für humanen B-Lymphozyten, Makrophagen und dendritische Zellen untersucht. Auf ruhenden B-Lymphozyten besaß der SIVsmmPBj-Vektor keinen Transduktionsvorteil gegenüber einem HIV-1-abgeleiteten Vektor, während Makrophagen und dendritische Zellen mit signifikant höherer Effizienz transduziert werden konnten. Die hohe Transduktionseffizienz des SIVsmmPBj-Vektors für Monozyten und dendritische Zellen eröffnet die Möglichkeit einer Anwendung in der Immuntherapie, da dendritische Zellen die professionellsten und effektivsten Antigen-präsentierenden Zellen sind. Daher wurde die generelle Eignung des SIVsmmPBj-Vektors für immuntherapeutische Anwendungen untersucht. Ein Tumor-assoziiertes Antigen (Mart-1) wurde in Monozyten übertragen und die transduzierten Zellen zu reifen dendritischen Zellen maturiert. Diese Zellen besaßen die Fähigkeit, Antigen-spezifische zytotoxische T-Zellen zu generieren, deren Funktion durch Sekretion von Zytokinen, in Einzelfällen auch durch spezifische Lyse von Mart-exprimierenden Tumorzellen nachgewiesen wurde. Weiterhin wurde gezeigt, dass nach Transduktion von Monozyten und deren Differenzierung zu Makrophagen auch diese prinzipiell in der Lage sind, Antigen-spezifische zytotoxische T-Zellen zu generieren. Obwohl hier keine vergleichenden Untersuchungen zur Effizienz des T-Zell-Primings durchgeführt werden konnten, ist die prinzipielle Eignung des SIVsmmPBj-abgeleiteten Vektors für eine Immuntherapie damit nachgewiesen. Schließlich wurde untersucht, ob die Maus oder nicht-menschliche Primaten als Tiermodelle für eine mögliche Weiterentwicklung des Vektors in Frage kommen. Murine Monozyten konnten jedoch nicht effizient transduziert werden. Hingegen erwies sich der SIVsmmPBj-Vektor als gut geeignet zur Transduktion von simianen Monozyten, so dass ein Affenmodell für Anwendungen des SIVsmmPBj-Vektors, wie beispielsweise zur Tumor-Immuntherapie oder für Vakzinierungsstudien, in Frage kommt.
Die enorme genetische Variabilität von HIV-1[14],[50] und die mangelnde Korrelation zwischen genetisch definierten Subtypen einerseits und antigener Variation[51]-[56] andererseits verhindern bisher die Entwicklung eines effizienten, breit neutralisierenden Impfstoffes. Neueren Ansätzen liegt daher das Konzept einer serologischen Klassifikation zu Grunde[61],[62], die verschiedene HIV-Subtypen nach ihrer serologischen Reaktivität und nicht nach ihrem genetischen Ursprung klassifiziert. Diese Ansätzen beruhten allerdings auf der Verwendung ausgewählter Consensus-Modellpeptide der immunodominanten V3-Region des viralen Hüllproteins gp120 und monoklonaler Antikörper weniger HIV-1-Subtypen[61]. Somit ist nicht auszuschließen, dass aus dem Einsatz weiterer Peptide und anderer Antikörper bislang unidentifizierte Serotypen resultieren. Es lag nahe, den ursprünglichen Ansatz auf eine wesentlich breitere Basis von Antikörpern und Peptiden zu stellen. Als Antikörperquelle kamen hierbei die polyklonalen Seren HIV-1-positiver Patienten in Betracht; man machte sich dabei das native HIV-spezifische Antikörperreservoir zu Nutze. Seitens der Peptide als Zielmoleküle einer Ermittlung serologischer Reaktivität bot sich ein kombinatorischer Zugang an. Ziel der vorliegenden Arbeit war demnach die Entwicklung eines immunologischen Testsystems für das Screening humaner HIV-positiver Seren gegen kombinatorisch erzeugte Peptide mit dem Hintergrund, einen minimalen Satz reaktiver Peptide zu identifizieren, die eine serologisch basierte Charakterisierung der Reaktivität verschiedener HIV-1-Subtypen erlaubt. Um Reaktivitätsmuster zwischen Seren verschiedener Subtypen ermitteln und ausschließlich signifikante, hochreaktive Sequenzen finden zu können, sollte dieses Assay zudem die Möglichkeit der mehrfachen Wiederholbarkeit mit derselben Peptidbibliothek bieten. Diese im Rahmen der vorliegenden Arbeit umgesetzten Ziele lassen sich somit wie folgt zusammenfassen: Entwicklung eines Verfahrens zur schnellen und eindeutigen massenspektrometrischen Sequenzierung von Peptiden aus kombinatorischen Bibliotheken, Entwicklung eines immunologischen Testsystems für das iterative Screening HIV-positiver Seren gegen festphasengebundene Peptide, Screening von Serenpools verschiedener genetisch bestimmter Subtypen von HIV-1 gegen eine kombinatorische Peptidbibliothek, die die genetische Variation der V3-Region von gp120 reflektiert, und Multivariate Analyse der gefundenen Peptidsequenzen mit dem Ziel einer serologischen Interpretation derselben. Das Verfahren zur schnellen und im Vergleich zum herkömmlichen Kettenabbauverfahren nach Edman weniger aufwändigen massenspektrometrischen Sequenzierung als reaktiv bestimmter Peptide basiert auf der adaptiven Einführung Kettenabbruch erzeugender Sequenzen während der Synthese der kombinatorischen Peptidbibliothek nach einer modifizierten One Bead One Peptide"-Synthese[118],[119]. Diese Codierung wird sequenztreu durch den Einsatz von Mischungen aus der Fmoc-geschützten Aminosäure, die für diese Sequenzposition vorgesehen ist, und ihres N-terminal permanent blockierten Derivats eingeführt. Das Programm Biblio optimiert das Codierungsmuster hinsichtlich minimaler Einführung von Terminationssequenzen und minimalem Einsatz Kettenabbruch erzeugender Reagenzien, um den Anteil des Hauptpeptids pro Bead nur so gering wie möglich zu vermindern. Eine MALDI-massenspektrometrische Analyse der Peptide eines betreffenden Beads liefert somit neben dem Signal des Hauptpeptids auch die Sequenz des Peptide codierenden Signale. Diese werden von Biblio zur gesuchten Peptidsequenz decodiert. Des weiteren konnte ein immunologisches Testsystem für das iterative Screening festphasengebundener Peptide entwickelt werden. Dieses beruht auf der Detektion der Bindung des Serumantikörpers an das Peptid durch einen Sekundärantikörper, der an den Primärantikörper bindet und mit einem fluoreszenten Farbstoff markiert ist. Eine Bindung ließ sich somit fluoreszenzmikroskopisch nachweisen. Um eine Wiederholbarkeit des Screenings zu gewährleisten, wurde die Peptidbibliothek mittels eines Epoxidharzklebstoffs auf der Probenunterlage fixiert. Eine Entfernung des Immunkomplexes gelingt durch mehrfache Behandlung mit pH 1. Eine 80640 Spezies umfassende Decapeptidbibliothek, die die genetische Variabilität der immunodominanten V3-Schleife der viralen Hüllproteins gp120 von HIV-1 wiedergibt, wurde gegen Serenpools verschiedener HIV-1-Subtypen gemäß diesem Verfahren iterativ gescreent. Insgesamt 36 Peptide konnten aufgrund ihrer intensiven Fluoreszenz als hochreaktiv erkannt werden; sie wurden mit MALDI-Massenspektroskopie und anschließender Decodierung durch Biblio sequenziert. Eine Auswahl von vier der 36 ermittelten Sequenzen erwies sich als ausreichend für eine Differenzierung der zugrunde liegenden HIV-1-Subtypen. Eine anschließende multivariate Analyse der gefundenen Sequenzen in bezug auf ihr Seroreaktivitätsmuster ermöglichte die Bestimmung neuer, konservierter Epitope der Bindung polyklonaler Serenantikörper von HIV-1 und die Identifikation der für diese Bindung kritischen Aminosäurepositionen der betrachteten Decapeptide. Diese Epitope könnten in nachfolgenden Studien auf ihre Bedeutung hinsichtlich ihres Neutralisationspotentials bezüglich primärer HIV-Isolate getestet werden. Das hier entwickelte Verfahren zum iterativen Screening codierter Peptidbibliotheken jedoch ist nicht auf das HIV-System beschränkt, es bietet vielmehr einen universellen Zugang zur reaktivitätsbasierten Evaluation festphasengebundener Substanzbibliotheken, die die volle genetische Variabilität ihrer biologischen Zielregion abbilden. Eine dieser Regionen könnte beispielsweise der Antigenrezeptor von B-Lymphocyten darstellen, der die B-Zellen durch Kontakt mit einem Antigen aktiviert. Diese regen die B-Zelle zur Proliferation und deren Nachkommen zur Differenzierung zu antikörpersezernierenden Zellen gegen diese Antigene an. Sie bilden damit ein interessantes Ziel, auf diesem Wege eine effektive Immunantwort hervorzurufen[146],[150].
Obwohl die Kristallstrukturen der CytochromcOxidase aus RinderherzMitochondrien und dem Bodenbakterium P. denitrificans bekannt sind und die Funktionsweise des Enzyms mit Hilfe zahlreicher Methoden bereits intensiv untersucht wurde, wird nach wie vor kontrovers diskutiert, an welcher Stelle im katalytischen Zyklus wieviele Protonen aufgenommen bzw. gepumpt werden und über welchen der beiden Protoneneintrittspfade dies geschieht. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, diesen Fragestellungen mit Hilfe von elektrischen Messungen nachzugehen, um dann ein genaueres Bild von der mechanistischen Funktionsweise des Enzyms zu erhalten. Hierzu wurden Teilschritte des katalytischen Zyklus der CytochromcOxidase aus P. denitrificans genauer untersucht. Dies gelang durch Spannungsmessungen an der schwarzen Lipidmembran mit Ru II (2,2'bipyridyl) 3 Cl 2 (Rubpy) als lichtinduzierbarem Einelektronendonor. Es konnte gezeigt werden, daß ausgehend vom vollständig oxidierten Zustand O nach Lichtanregung ein Elektron von Rubpy auf die Oxidase übertragen und anschließend vom CuA zum Häm a mit einer Zeitkonstanten von » 20 µs transportiert wird. Zeitaufgelöste spektroskopi sche Messungen deuten darauf hin, daß das Elektron auf dem Häm a verbleibt. Die Reduktion dieses Kofaktors führt zu einer Protonenaufnahme über den KWeg mit einer Zeitkonstanten von » 175 µs. Nimmt man an, daß sich Häm a in der Mitte des Dielektrikums befindet (Hinkle und Mitchell, 1970), so deuten die relativen Amplituden der beiden Phasen an, daß etwa 0.8 Protonen aufgenommen werden, in sehr guter Übereinstimmung mit (Capitanio et al., 2000). Aus MehrfachblitzExperimenten unter anaeroben Bedingungen, ausgehend vom OZustand, konnten erste Erkenntnisse über den E ® R Übergang gewonnen werden, nämlich daß hierbei ein Prozeß mit einer Zeitkonstanten von ca. 1.1 ms auftritt und daß sowohl K als auch DWeg an diesem Teilschritt des katalytischen Zyklus beteiligt sind. Da mit der MehrfachblitzMethode aber immer ein Gemisch aus verschiedenen Zuständen entsteht, war es nicht möglich, quantitative Aussagen über die Zahl der transportierten Ladungen zu treffen. Aus diesem Grund wurde eine Möglichkeit gesucht, den EZustand in hoher Ausbeute mit ausreichender Stabilität herzustellen, um dann ein Elektron zu übertragen. Dies gelang durch Darstellung des OxoferrylZustandes F mit Hilfe von H 2 O 2 und anschließende Zweielektronenreduktion durch CO. Die Übertragung von einem Elektron auf den so gebildeten EZustand lieferte 3 Phasen im Spannungssignal mit Zeitkonstanten von » 25 µs, » 200 µs und » 1.5 ms. Die relativen Amplituden dieser Phasen und die Ergebnisse von K und DWegMutanten legen nahe, daß nach Aufnahme des 2. Elektrons vermutlich ein Proton über den KWeg aufgenommen und anschließend 1 Proton über den DWeg gepumpt wird. Es konnte somit zum ersten Mal gezeigt werden, daß bereits während des reduktiven Teils (O ® R) des katalytischen Zyklus ein Proton von der intrazellulären zur extrazellulären Seite transportiert wird und zwar ohne daß unmittelbar vorher die Sauerstoffreduktion stattgefunden haben muß. Erste Experimente zum P ® F Übergang lassen sich so deuten, daß mit Aufnahme des 3. Elektrons ein Proton zum binuklearen Zentrum transportiert und mindestens 1, wenn nicht gar 2 Protonen durch das Enzym gepumpt werden. Hier sind noch weitere Experimente nötig, um die genaue Zahl der transportierten Ladungen und die für die einzelnen Protonenbewegungen verwendeten Protoneneintrittspfade zu bestimmen. Messungen zum F ® O Übergang schließlich zeigten, daß nach dem CuA ® Häm a Elektro nentransfer mit einer Zeitkonstanten von ca. 25 µs vermutlich 1 Proton über den DWeg bis zu den Hämen transportiert (t » 270 µs) und anschließend ein Proton ebenfalls über den DWeg gepumpt wird (t » 1.5 ms). Aus den gewonnenen Daten wurde ein neuer Mechanismus für die Sauerstoffreduktion in der ParacoccusCOX entwickelt. Dieser beruht auf dem von Mitchell und Rich postulierten Elektroneutralitätsprinzip (Mitchell und Rich, 1994) und ist stark an das von Michel vorgeschlagene Modell (Michel, 1998; Michel, 1999) angelehnt. Zur Klärung der Fragen, ob sich bakterielles und RinderzEnzym eventuell in ihrem Mechanismus unterscheiden oder ob nicht eventuell ein Proton während des O ® E Übergangs gepumpt wird (allerdings nur, wenn unmittelbar vorher die Sauerstoffreduktion durchlaufen wurde), sind u.a. noch intensivere Untersuchungen des P ® F Teilschrittes notwendig. Im Rahmen dieser Arbeit wurden weiterhin 2 verschiedene Kobaltkomplexe auf ihre Eignung als lichtinduzierbare Sauerstoffdonatoren (cagedSauerstoff) für die COX untersucht. Hierbei stellte sich heraus, daß beide Verbindungen ungeeignet sind, da sie entweder instabil sind ((µsuperoxo)bis[pentaammincobalt(III)]) oder Nebenreaktionen mit dem Protein eingehen ((µperoxo)(µhydroxo)bis[bis(bipyridyl)cobalt(III)]). Abschließend wurde der Einfluß von Zn 2 Ionen auf elektrogene Schritte im katalytischen Zyklus genauer erforscht. Es wurde deutlich, daß Zn 2 bakterielle COX von beiden Seiten inhibieren kann, wobei die Bindestelle(n) auf der intrazellulären Seite im Gegensatz zur extrazellulären Seite hochaffin ist/sind. Die elektrischen Messungen deuten darauf hin, daß hierbei sowohl D als auch KWeg blockiert werden, wobei die exakte Position der Metallbindestelle(n) noch zu klären ist.
Es wurde die Photodynamik freier kolloidaler CdSe Quantenpunkte sowie die Elektronentransfer(ET)-Dynamik im System bestehend aus CdSe Quantenpunkten und adsorbiertem Methylviologen mit Hilfe der Femtosekunden-Laserspektroskopie im sichtbaren Spektralbereich untersucht. Die freien CdSe Quantenpunkte wiesen eine multiphasische Rekombinationsdynamik der photoinduzierten Exzitonen auf, was durch das Vorhandensein von Quantenpunkten mit unterschiedlichem Passivierungsgrad innerhalb einer Quantenpunktprobe erklärt wurde. Sowohl die Rekombinationsdynamik des Exzitons als auch die Intraband-Relaxation von Elektron und Loch besaßen eine Abhängigkeit von der Partikelgröße. Die 1P-1S-Relaxationzeit des Elektrons betrug in Partikeln mit Durchmessern von 3 nm und 6,3 nm 0,12 ps bzw. 0,24 ps, woraus sich Energieverlustraten von 1,0 eV/ps und 3,8 eV/ps berechnen ließen. Die sehr schnelle Natur der 1P-1S-Relaxation und die gefundene Größenabhängigkeit stehen im Einklang mit dem vermuteten Auger-artigen Energietransfer vom hochangeregten Elektron auf das Loch. Durch diesen Prozess kann das theoretisch vorhergesagte „phonon bottleneck“ effizient umgangen werden. Zudem konnte eine größenabhängige Biexziton-Bindungsenergie zwischen 40 meV und 28 meV ermittelt werden. Die Untersuchung von Multiexzitonen in CdSe Quantenpunkten zeigte einen schnellen Zerfallskanal. Es handelt es sich um die Auger-Rekombination. Die Rekombination nach 1P-Anregung wurde in Form von sequenziellen Schritten N, N-1, N-2,..., 1 interpretiert. Für das System bestehend aus CdSe Quantenpunkten und adsorbiertem Methylviologen wurde war eine Zunahme der ET-Rate bei steigender Akzeptorkonzentration zu beobachten, die mit der Zunahme von Akzeptorzuständen erklärt werden kann. Ferner wurde eine maximale ET-Rate erreicht, die bei einer weiteren Erhöhung der Akzeptorkonzentration nicht überschritten wird. In weiteren Versuchsreihen konnte gezeigt werden, dass die Größe der Partikel einen Einfluss auf den ET-Prozess zwischen Quantenpunkt und Methylviologen hat. Eine kombinierte Studie, in der sowohl das Quantenpunkt/Methylviologen-Verhältnis als auch die Quantenpunktgröße variiert wurde, verdeutlichte, dass eine Verkleinerung der Partikel zu einem Anstieg der ET-Rate führt. Die Variation der Partikelgröße geht mit einer Veränderung der Triebkraft der ET-Reaktion im gekoppelten System einher. Der gefundene Zusammenhang zwischen der Triebkraft der Reaktion und der ET-Rate ist gut mit der Marcus-Theorie vereinbar. In einer Serie von Experimenten am Quantenpunkt/Methylviologen ET-System wurde die Anregpulsenergie variiert, um den Einfluss von Multiexzitonen auf den Elektronentransfer zu untersuchen. Es zeigte sich, dass nach Mehrfachanregung der Quantenpunkte die Separation von bis zu vier Elektron-Loch-Paaren möglich ist. Für den Elektronentransfer im untersuchten ET-System wurde eine ET-Zeit von ca. 200 fs ermittelt. Diese ist deutlich kürzer als die gefundenen Auger-Rekombinationszeiten, die sich zwischen 1,5 ps und 5 ps bewegen. In einer Studie an CdSe/CdS Kern/Schale Partikeln wurde der Einfluss einer passivierenden anorganischen Schale auf den ET-Prozess untersucht. Bei der gewählten Heterostruktur handelte es sich um Typ I Kern/Schale Partikel, in denen sowohl Elektron und Loch hauptsächlich im Kern eingeschlossen sind. Es wurde ein exponentieller Abfall der ET-Rate mit wachsender Schalendicke beobachtet, weshalb davon auszugehen ist, dass die CdS-Schale als elektronische Barriere wirkt, durch die das photoangeregte Elektron tunneln muss, um mit dem Akzeptor reagieren zu können. Schließlich wurde der Einfluss des Elektronentransfers im ET-System auf die Entstehung von Phononen untersucht. Sowohl in freien Quantenpunkten als auch im gekoppelten System konnte das LO sowie das LA Phonon beobachtet werden, wobei das LA Phonon im gekoppelten System stark unterdrückt ist. Im Falle der freien Quantenpunkte sind die beobachteten Oszillationen eine Folge der Frequenzmodulation der Absorption des angeregten Zustandes. Mit Hilfe des Huang-Rhys-Parameters ließ sich ermitteln, wie stark in freien Quantenpunkten das LO Phonon an das Exziton gekoppelt ist. Der berechnete Huang-Rhys-Parameter betrug 0,012. Im Falle des gekoppelten Systems weist die spektrale Signatur der kohärenten Oszillationen darauf hin, dass diese durch die Frequenzmodulation der linearen QP-Absorption verursacht werden. Im Falle des gekoppelten Systems sind die beobachteten Phononen nicht an das Exziton sondern an die ET-Reaktion gekoppelt, d. h. der ET selbst induziert Gitterschwingungen im Reaktionsprodukt. Der berechnete Huang-Rhys-Parameter, der die ET-Phonon-Kopplung beschreibt, berechnete sich ebenfalls zu 0,012, was verdeutlicht, dass die ET-Phonon-Kopplung ähnlich stark wie die Exziton-Phonon-Kopplung ist. Mit Hilfe der spektralen Abhängigkeit der Oszillationen in freien Quantenpunkten und im gekoppelten System ließ sich eine Biexziton-Bindungsenergie von 35 meV berechnen.
Adenosintriphosphat (ATP) als universelles Energieäquivalent der Zelle wird durch die oxidative Phosphorylierung synthetisiert, bei der Elektronen entlang des elektrochemischen Gefälles der Atmungskette über verschiedene Redoxkomplexe transferiert und durch die chemiosmotische Kopplung Protonen über die Membran gepumpt werden. Der Protonengradient wird dann von der ATP-Synthase genutzt, um ADP zu ATP zu phosphorylieren. Zentraler Redoxkomplex der Atmungskette vieler Pro- und Eukaryonten ist der bc1-Komplex, der Elektronen von Ubichinol auf Cytochrom c überträgt, von wo sie nachfolgend auf die Cytochrom c-Oxidase transferiert werden. Das mesophile Bodenbakterium Paracoccus denitrificans wird als Modellsystem für den mitochondrialen Elektronentransfer (ET) verwendet, da es eine aerobe Atmungskette exprimiert, die der mitochondrialen homolog ist, allerdings einen wesentlich einfacheren Aufbau der einzelnen Redoxkomplexe aufweist. Auch Thermus thermophilus als extrem thermophiles Bakterium bildet eine vergleichbare aerobe Atmungskette aus, wobei deren Proteine allerdings eine hohe Thermostabilität aufweisen, wodurch sie in das Interesse der Forschung gerückt sind. Ziel dieser Arbeit war die funktionelle Charakterisierung des ET zwischen Komplex III und IV der Atmungsketten von P. denitrificans und T. thermophilus, die aufgrund ihrer mesophilen und thermophilen Eigenschaften unterschiedliche Mechanismen in der Wechselwirkung ihrer Redoxproteine aufweisen. Es wurden lösliche Redoxfragmente verwendet, um anhand von Mutagenesestudien, Stopped-Flow (SF)- und Laserflash-Kinetiken (LF) unter pre-steady state-Bedingungen sowie FRET-Experimenten den ET zu untersuchen. Für die LF-Experimente wurde eine photoaktive Rutheniumverbindung kovalent an Cyt c552 gekoppelt, durch die bei Laseranregung das Häm photooxidiert und dadurch der ET von einem reduzierten Redoxpartner induziert werden kann. Die Strukturdaten des bc1/Cyt c-Cokomplexes aus Hefe zeigen, dass direkte Kontakte zwischen Cyt c1 und Cyt c durch unpolare Wechselwirkungen und eine zentrale Kation-p-Interaktion vermittelt werden. Daher wurden anhand von Sequenz- und Struktur-alignments äquivalente Aminosäurepositionen im Paracoccus Cyt c1 identifiziert, die an der Wechselwirkung zu Cyt c552 beteiligt sein könnten. Diese wurden durch gerichtete Mutagenese in ihrem Raumvolumen, ihrer Polarität oder Ladung variiert und in kinetischen Studien untersucht. Für die LF-Kinetiken sowie für die FRET-Experimente wurden Oberflächen-Cysteinmutanten des Cyt c1 bzw. c552 generiert, über deren SH-Gruppen kovalent der Rutheniumkomplex bzw. Fluorophore gekoppelt werden konnten. Die ET-Reaktion zeigt zwei Phasen in Abhängigkeit von der Ionenstärke. Bei niedrigen Ionenstärken ergeben sich Geschwindigkeitskonstanten von 109 M -1s-1 und eine geringe Ionenstärkeabhängigkeit (etwa eine effektive Ladung), wohingegen bei Ionenstärken ab 35 mM 2-3 effektive Ladungen pro Redoxpartner beteiligt sind und bimolekulare Geschwindigkeitskonstanten von 107 bis 109 M-1s-1 erhalten werden. Diese Ergebnisse deuten auf die Bildung eines Encounter-Komplexes bei niedrigen Ionenstärken hin, der ein Ensemble verschiedener Distanzen und relativer Orientierungen der Redoxpartner zueinander darstellt. Diese Annahme wurde ebenfalls durch FRET-Experimente bestätigt, durch die selbst bei niedrigen Ionenstärken keine definierten Abstände erhalten werden konnten. Die Geschwindigkeitskonstanten der bimolekularen Reaktion weisen auf einen diffusionskontrollierten Prozess hin, an dem 2 bis 3 effektive Ladungen an der elektrostatischen Annäherung der beiden Redoxpartner beteiligt sind. Diese Ergebnisse werden durch vorherige kinetische Untersuchungen und EPR-Studien des ET von Cyt c552 zum CuA-Fragment der aa3-Oxidase bekräftigt, für den die gleiche Anzahl effektiver Ladungen und die Bildung eines Encounter-Komplex gefunden wurden. Lediglich c1-Mutanten, deren variierte Aminosäuren sich direkt oberhalb der Hämspalte und in der Sequenz um bzw. innerhalb des Hämbindemotivs befinden, bewirken eine Verlangsamung der Gesamtreaktion und ein leicht verändertes Ionenstärkeverhalten, das auf eine leicht verschobene Interaktionsfläche hindeutet. Es wurde durch Sequenz- und Strukturalignments kein aromatischer Rest in direkter Nähe der entsprechenden Position im Paracoccus Cyt c1 gefunden, der wie im Hefekomplex eine stabilisierende Kation-p-Interaktion zwischen den Redoxpartnern vermittelt. Zur Untersuchung des ET zwischen Komplex III und Komplex IV aus T. thermophilus wurde die hydrophile Cytochrom c-Domäne der caa3-Oxidase in Analogie zum Paracoccus-System als lösliches Redoxfragment kloniert, heterolog exprimiert und charakterisiert. Dieses Fragment wurde in SF-Studien eingesetzt, um den ET zu seinen potentiellen Redoxpartnern Cyt cbc des bc-Komplexes und Cyt c552 zu charakterisieren. Es konnte gezeigt werden, dass das ccaa3-Fragment Elektronen von beiden Redoxpartnern empfängt, wobei die ET-Reaktion mit Cyt c552 so schnell verläuft, dass sie durch SF-Techniken nur schlecht aufgelöst und lediglich eine Größenordnung der Geschwindigkeitskonstanten abgeschätzt werden kann (kon ~ 1010 M-1s-1). Die Reaktion mit Cyt cbc verläuft auch noch schnell (kon = 108-109 M-1s-1) und ist nahezu unabhängig von der Ionenstärke, was eine hydrophobe Wechselwirkung zwischen beiden Redoxpartnern bestätigt. Die Ergebnisse deuten erstmals darauf hin, dass ein ET direkt zwischen zwei Redoxproteinkomplexen (bc-Komplex und caa3-Oxidase) stattfindet, ohne dass ein Elektronenüberträger (wie z. B. Cyt c552) zwischengeschaltet ist. Um die Übertragbarkeit der Erkenntnisse, die hier über den ET an löslichen Redoxfragmenten gewonnen wurden, in einem Proteinkomplex zu verifizieren, wurde ein bc1-Komplex verwendet, in dem die für P. denitrificans einzigartige saure Cyt c1-Domäne deletiert ist. Der Komplex wurde für eine erleichterte Aufreinigung mit einem His-tag versehen, homolog exprimiert und erste Aufreinigungs- und Charakterisierungsschritte unternommen. Er soll zukünftig eingesetzt werden, um die Mutationen des löslichen c1-Fragmentes in den Komplex zu überführen und die Mutanten kinetisch mittels pre-steady state- und steady state-Techniken im Vergleich zum bc1WT-Komplex zu untersuchen, ohne dass die Effekte der Punktmutationen durch die hohe negative Ladungsdichte der sauren Domäne überlagert werden.
Der Elektronentransfer von NADH zu Sauerstoff ist ein essentieller Bestandteil im Energiehaushalt der Zelle und wird durch transmembrane Enzymkomplexe vermittelt. Hohe Geschwindigkeit und Spezifität dieser Reaktionen sind dabei von großer Bedeutung. In der Atmungskette von Paracoccus denitrificans und Thermus thermophilus wird Sauerstoff durch Cytochrom c Oxidasen umgesetzt. Beide Enzymkomplexe erhalten die für diese Reaktion notwendigen Elektronen von einem Cytochrom c552 in einer sehr schnellen bimolekularen Reaktion bei hoher Selektivität für das Partnerprotein. Hauptziel dieser Arbeit war es, lösliche Module der elektronenakzeptierenden CuA-Domäne der Cytochrom c Oxidasen zu generieren, das Kupferzentrum zu rekonstituieren und die Proteine für Wechselwirkungsstudien mit den Cytochrom c-Partnern zugänglich zu machen. Die Charakterisierung der Elektronentransferreaktionen erfolgte durch stopped-flow Spektroskopie und ermöglichte die Bestimmung der bimolekularen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten unter verschiedenen Ionenstärkebedingungen. Ein Vergleich zwischen dem mesophilen Reaktionspaar aus P. denitrificans mit dem thermophilen aus T. thermophilus zeigte die unterschiedlichen Interaktionsmechanismen auf. Während die Reaktion in T. thermophilus weitgehend auf Ladungsinteraktionen verzichtet, wurde für die Reaktanden aus P. denitrificans eine Beteiligung von 2 - 3 Ladungen mit entgegengesetztem Vorzeichen auf jedem Protein festgestellt. Die Interaktionen wurden weiterhin durch chemical-shift-perturbation Experimente mittels NMR-Spektroskopie charakterisiert. Durch Isotopenanreicherung des Cytochroms c552 aus P. denitrificans konnten für dieses Protein Aminosäurereste identifiziert werden, die an einer direkten Bindung mit dem CuA-Partnerprotein beteiligt sind. In einem ähnlichen Ansatz wurde auch die Interaktionsfläche der löslichen CuA-Domäne aus T. thermophilus charakterisiert. Für das Cytochrom c552 aus P. denitrificans konnte gezeigt werden, daß bei direkten Kontakten zwischen den Proteinen fast keine Ladungen beteiligt sind und primär ungeladene Reste die Wechselwirkung dominieren. Ein ähnliches Bild wurde auch für die Interaktion der löslichen CuA-Domäne aus T. thermophilus mit ihrem Substrat ermittelt. Für die lösliche CuA-Domäne aus P. denitrificans konnte aufgrund der geringen Stabilität keine Zuordnung durchgeführt werden, so daß eine Charakterisierung der Interaktionsfläche nicht möglich war. Weiterhin wurde ein für T. thermophilus bisher nicht beschriebener Komplex III aufgrund von Sequenzdaten identifiziert. Eine lösliche Domäne des membranständigen Cytochrom c1 wurde in E. coIi heterolog exprimiert, aufgereinigt und charakterisiert. Die Elektronentransferkinetiken zum Cytochrom c552 wurden durch stopped-flow Spektroskopie aufgenommen, und das Cytochrom c1 wurde als effizienter Elektronendonor für das Protein identifiziert. Für spätere Mutageneseansätze wurde ein Plasmid-basiertes Expressionssystem für das extrem thermophile Eubakterium T. thermophilus etabliert, um Schwierigkeiten, die bei der Expression von Cofaktor-tragenden Membranproteinen auftreten können, zu umgehen. Durch Expression eines löslichen c-Typ Cytochroms und der ba3-Cytochrom c Oxidase in T. thermophilus konnte gezeigt werden, daß dieses homologe Expressionssystem funktional ist und damit rekombinante Proteine exprimiert werden können. Durch die Konstruktion von Histidin-Tags konnte die Aufreinigung der Proteine erleichtert werden und eine notwendige Abgrenzung von chromosomal kodierten Wildtyp-Formen erfolgen.
Elektronentransferprozesse in Pd-Komplexen 1,4-Chinon-basierter Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden
(2009)
PdII-katalysierte Oxidationsreaktionen organischer Verbindungen stellen wichtige synthetische Werkzeuge dar. Um das Übergangsmetall in katalytischen Mengen einsetzen zu können ist es nötig, das im Zuge der Substratumwandlung entstehende Pd0 seinerseits wieder zu reoxidieren. Im großtechnischen Wacker-Prozess setzt man zu diesem Zweck das Redoxsystem CuII/CuI ein, welches Elektronen von Pd0 aufnimmt und sie auf molekularen Sauerstoff überträgt, so dass als einziges Abfallprodukt Wasser entsteht. Da beim Einsatz von Kupfersalzen allerdings Probleme durch unerwünschte Nebenreaktionen auftreten können, stieß man auf der Suche nach alternativen Redox-Cokatalysatoren auf 1,4-Benzochinon. Man nimmt an, dass der Reoxidation von Pd0 eine Koordination des 1,4-Benzochinons an das Übergangsmetallatom vorausgeht. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Arbeit ein 1,4-Naphthochinon-basierter Bis(pyrazol-1-yl)methan-Ligand entwickelt, dessen Pd-Komplex das katalytisch aktive Übergangsmetallatom und den Redox-Cokatalysator in einem einzigen Molekül vereint. Eine direkte intra- und intermolekulare 1,4-Chinon/Pd-Koordination wird durch das Ligandendesign jedoch verhindert. Anhand dieses Modellsystems sollte dann untersucht werden, ob alternativ zu den etablierten mechanistischen Vorstellungen zum Ablauf des Elektronentransfers, eine durch den Raum verlaufende elektronische Kommunikation der beiden redoxaktiven Zentren möglich ist. Sollte das der Fall sein, wäre man künftig bei der Entwicklung und Optimierung solcher Hybridkatalysatoren nicht auf die Miteinbeziehung des 1,4-Chinons in die Koordinationssphäre des Übergangsmetallions angewiesen, sondern könnte diese ausschließlich an die koordinationschemischen Erfordernisse des Pd-Zentrums anpassen. Nachdem das Modellsystem zur Verfügung stand, galt es im ersten Schritt, die elektrochemischen Eigenschaften von freiem Ligand und PdII-Komplex mittels Cyclovoltammetrie zu bestimmen. Mit Kenntnis der Redoxpotentiale wurden daraufhin elektrochemisch selektiv reduzierte Spezies des Liganden bzw. seines PdII-Komplexes erzeugt und deren UV-vis-Spektren in situ aufgenommen. Letztere lieferten nötige Referenzwerte für die folgenden Experimente. Auf Grundlage dieser Vorarbeiten konnte nun die elektronische Kommunikation der redoxaktiven Zentren in dem Komplex untersucht werden. Da im Modellsystem zunächst beide redoxaktive Zentren in der oxidierten Form vorliegen, war es erforderlich, das PdII-Ion selektiv zu reduzieren, um dem System an der richtigen Stelle Elektronen zuzuführen. Als Reduktionsmittel wurde Triethylamin gewählt; entsprechende Vergleichsexperimente stellten zuvor sicher, dass dieses keine Nebenreaktionen mit dem Liganden selbst eingeht. Im Zuge der Reduktion des PdII-Zentrums ist eine Änderung der UV-vis-spektroskopischen Eigenschaften des Liganden zu beobachten. Ein Vergleich der erhaltenen Daten mit den Referenzspektren der elektrochemisch erzeugten reduzierten Spezies legt den Schluss nahe, dass nach Überführung des PdII-Zentrums in die nullwertige Stufe der durch den Raum verlaufende Übergang eines Elektrons auf den 1,4-Naphthochinon-basierten Liganden erfolgt. Das hierbei entstehende 1,4-Naphthosemichinonradikal wurde zusätzlich ESR-spektroskopisch nachgewiesen.
Zur Generierung der transmembranären elektrochemischen Ionengradienten kann in den Archaea die Protonenpumpe Bakteriorhodopsin Lichtenergie in einen aktiven, auswärtsgerichteten Protonentransport konvertieren. In Vertebraten erlaubt die Aktivität der Na+, K+-ATPase den Aufbau von Ionengradienten, indem sie unter ATP-Hydrolyse Na+-Ionen aus der Zelle und K+-Ionen in die Zelle transportiert. Die molekularen Mechanismen, die es diesen Ionenpumpen ermöglicht, primär aktiven, gerichteten Ionentransport zu bewerkstelligen sind fein abgestimmten und ortsspezifischen Konformationsänderungen. Die Untersuchung der Dynamik und der Ortsspezifität der Konformationsgleichgewichte der Na+,K+-ATPase und des Bakteriorhodopsin, sowie eines homologen bakteriellen Proteins, sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Na+,K+-ATPase: Die Methode der Voltage-Clamp-Fluorometrie auf Basis zielgerichteter Fluoreszenzmarkierung erlaubte es Konformationsänderungen der Na+,K+-ATPase zeitaufgelöst und ortsspezifisch nachzuweisen und diese partiellen Reaktionen des Na+,K+-ATPase Reaktionszyklus zuzuordnen. Dazu wurden elektrophysiologische Messungen an heterolog exprimierter Na+,K+-ATPase durchgeführt, in der einzelne Cysteine in vermutlichen Reporter-Positionen im Bereich extrazellulär orientierter Schleifen eingebracht werden. Nach Fluoreszenzmarkierung mit TMRM bildete die Mutante N790C einen molekularen Sensorkomplex und reagierte auf K+-Zugabe und Spannungssprünge mit Änderungen in der Fluoreszenzintensität, welche durch Zugabe des spezifischen Na+,K+-ATPase Inhibitors Ouabain gehemmt werden konnten. Die in der vorliegenden Arbeit vorgestellten Ergebnisse erlauben - in situ unter physiologischen Bedingungen - erstmalig Einblicke in die molekularen Details der Konformationsänderungen der Na+,K+-ATPase. Bakteriorhodopsin: Spannungsklemme-Experimente an heterolog exprimiertem Bakteriorhodopsin ergaben Einblicke in die Regulation des Protonenpumpens durch das elektrochemische Membranpotential. Messungen am Wildtyp und den Mutanten D96N, D96G, F171C, F219L und der "Tripel"-Mutante BRD96G,F171C,F219L zeigten, dass das Protonenpumpen von Bakteriorhodopsin maßgeblich durch die Lebensdauer und Spannungsabhängigkeit des M-Intermediats geregelt wird und resultierten in einem Modell für die Erklärung effizienten, vektoriellen Transports auf der Grundlage fein abgestimmter Konformationsänderungen. Proteorhodopsin: Mit Hilfe zeitaufgelöster UV/VIS- und FT-IR-spektroskopischen Messungen, sowie Photostrom-Messungen an künstlichen Lipidmembranen und spannungsgeklemmten Xenopus-Oozyten - die Proteorhodopsin heterolog exprimierten - konnte gezeigt werden, dass Proteorhodopsin als eine pH-abhängige einwärts- oder auswärtsgerichtete Protonenpumpe fungieren kann. Dieses Verhalten steht im Gegensatz zu Bakteriorhodopsin, für das nur unidirektionaler Transport nachgewiesen werden konnte.
Chloridkanäle und -transporter sind an wichtigen physiologischen Prozessen beteiligt [Jentsch et al., 2002; Zifarelli & Pusch, 2007; Jentsch, 2008] und mutationsbedingte Funktionsdefekte können mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht werden [Planells-Cases & Jentsch, 2009]. Trotz der großen physiologischen Relevanz bilden diese Proteine eine unterrepräsentierte Klasse in der pharmakologischen Wirkstoffsuche [Verkman & Galietta, 2009], auch aufgrund fehlender adäquat robuster und Durchsatz-starker Testsysteme. Vor allem die Vertreter der intrazellulären CLC-Proteine, von denen bereits zwei eindeutig relevanten Krankheiten zugeordnet werden konnten (ClC-5 – Dent´sche Krankheit; ClC-7 – Osteopetrose), entziehen sich aufgrund ihrer vesikulären Lokalisation den klassischen elektrophysiologischen Methoden. Aus diesem Grund kam in dieser Arbeit die SSM-Technik [Schulz et al., 2008] zur Charakterisierung des lysosomalen Cl-/H+-Antiporters ClC-7 zum Einsatz. Bei geeigneter Membranpräparation können mit dieser Methode auch vesikuläre Transportprozesse elektrophysiologisch untersucht werden. Neben der grundlegenden biophysikalischen Untersuchung von ClC-7 war es mit Hilfe der SSM-Technik möglich, die Protonen-gekoppelte Antiportaktivität dieses vesikulären CLC-Vertreters nachzuweisen. Außerdem wurde ein robuster Assay etabliert, der auch die pharmakologische Untersuchung von ClC-7 erlaubt. Mit diesem konnte gezeigt werden, dass ClC-7 spezifisch durch die Chloridkanalblocker DIDS und NPPB mit relativ hoher Affinität (DIDS: IC50= 39 µM, NPPB: IC50= 156 µM) zu inhibieren ist. Da ClC-7 auch als potentielles Target in der Osteoporose-Therapie diskutiert wird [Schaller et al., 2005], bietet die SSM-Technik somit eine Plattform für pharmakologische Untersuchungen an diesem Transporter. Neben dem Wildtyp Protein wurde weiterhin die Funktionalität einer physiologisch wichtigen, der Osteopetrose zuzuordnenden Mutante (G215R), untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Mutante noch immer eine signifikante Transportaktivität besitzt, jedoch einen schweren Lokalisationsdefekt aufweist und nicht mehr korrekt in die Lysosomen transportiert wird. Durch Koexpression der funktionalen beta-Untereinheit Ostm1 [Lange et al., 2006] war es möglich, die lysosomale Lokalisation teilweise, jedoch nicht vollständig wiederherzustellen. Dieser Effekt könnte somit ein Grund für den relativ milden Krankheitsverlauf der mit dieser Mutation verbundenen autosomal dominanten Osteopetrose (ADOII, Alberts-Schönberg Krankheit) sein. Da die SSM-Technik bisher ausschließlich zur Untersuchung primär und sekundär aktiver Transporter zum Einsatz kam [Schulz et al., 2008; Ganea & Fendler, 2009], wurde weiterhin die Eignung der Methode zur Charakterisierung passiver Ionenkanäle anhand des ligandengesteuerten P2X2 Rezeptors überprüft. Ein Vergleich der gewonnenen elektrophysiologischen und pharmakologischen Daten lieferte gute Übereinstimmungen mit den Ergebnissen konventioneller elektrophysiologischer Untersuchungen. So konnte gezeigt werden, dass sich die SSM-Technik auch zur Charakterisierung von Ionenkanälen eignet. Da Ströme über Ionenkanäle bei den klassischen Methoden über eine extern angelegte Spannung gesteuert werden, solch eine Kontrolle bei der SSM-Technik jedoch nicht möglich ist, wurde schließlich in dieser Arbeit versucht, mit Hilfe der lichtgesteuerten Protonenpumpe Bakteriorhodopsin (bR) eine Spannungskontrolle zu etablieren. Anhand eines Fusions-basierten Modellsystems [Perozo & Hubbell, 1993] konnte gezeigt werden, dass lichtgesteuerte Ionenpumpen prinzipiell zur Kontrolle von Ionenkanälen an der SSM genutzt werden können. Allerdings eignet sich bR aufgrund seiner geringen Plasmamembranexpression in CHO Zellen nicht zur direkten Koexpression und Steuerung von Vertebraten-Proteinen. Der Einsatz eukaryotischer Ionenpumpen, kombiniert mit Anionendiffusionspotentialen [Perozo & Hubbell, 1993], könnte sich allerdings als erfolgsversprechend erweisen und die SSM-Technik auch für die Charakterisierung von stark spannungsabhängigen Ionenkanälen öffnen.
Membranproteine der renalen Bürstensaumzellen spielen eine wichtige Rolle beim Transport von organischen Kationen in der Niere. Mit der ersten Klonierung eines Transporters für organische Kationen wurden die Grundlagen für eine Aufklärung der Transportvorgänge auf molekularer Ebene gelegt. Der Transportmechanismus und die physiologische Funktion des in den Plasmamembranen von Niere und Gehirn exprimierten Transporters für organische Kationen 2 (OCT2) werden zur Zeit -- teilweise kontrovers -- diskutiert. In dieser Dissertation wurde der aus der Rattenniere klonierte elektrogene Transporter für organische Kationen rOCT2 nach heterologer Expression in Oozyten des Krallenfrosches Xenopus laevis mit elektrophysiologischen Methoden charakterisiert. Zur Anwendung kam neben der konventionellen ZweiElektrodenSpannungsklemme vor allem die ''giant patch clamp"Technik. Als neue Methode speziell für Transstimulationsexperimente bei geklemmtem Membranpotenzial wurde die amperometrische Spannungsklemme entwickelt, mit der ein Ausstrom von Dopamin aus vorinkubierten Oozyten mittels Oxidation an einer CarbonfaserElektrode bei gleichzeitiger Aufzeichnung des elektrischen Transmembranstromes gemessen werden kann. Die Kontrolle der physiologischen Salzlösungen beiderseits der Membran in ''patch clamp" Experimenten erlaubte eine leichte Unterscheidung wechselwirkender Substanzen in Substrate wie: Cholin, Dopamin, Tetramethylammonium und Tetraethylammonium und Hemmstoffe wie: Chinin und Tetrabutylammonium (TBA). Anhand von substratinduzierten elektrischen Ausströmen konnten erstmalig für einen Transporter für organische Kationen apparente Substrataffinitäten von der zytoplasmatischen Seite bestimmt werden. Sie liegen in derselben Größenordnung wie zuvor auf der extrazellulären Seite bestimmte Affinitäten. Der schon früher vorgeschlagene elektrogene Ausstrom von Substrat auch gegen ein negatives Membranpotenzial wurde damit bestätigt. Es wurde eine Hemmung rOCT2vermittelter Ströme durch Schwermetalle und durch Isobutylmethylxanthin gefunden. Die zytoplasmatische Zugabe der Inhibitoren TBA und Chinin hemmte sowohl substratinduzierte Einwärts als auch Auswärtsströme. Die Inhibierung der Auswärtsströme erfolgte dabei kompetitiv. Von der extrazellulären Seite aus hemmte Chinin im Gegensatz zu TBA Einwärtsströme nichtkompetitiv, was auf eine Transinhibierung nach einer unspezifischen Membranpassage des Chinins hindeutet. Die Analyse von StromSpannungskennlinien zeigte, dass die maximalen Transportraten und apparenten Affinitäten der Substrate spannungsabhängig sind. Umkehrpotenziale, die in Anwesenheit von Substrat beiderseits der Membran gemessen wurden, lagen bei den durch die Nernstgleichung vorhergesagten Werten. Dieses Ergebnis identifiziert das elektrochemische Potenzial als treibende Kraft für den Transport von organischen Kationen bei neutralem pH und schließt die Existenz eines elektroneutralen OrganischeKationen/ProtonenAustauschmodus aus. Die rOCT2spezifische Leitfähigkeit war bei sättigenden Konzentrationen von organischen Kationen beiderseits der Membran im Vergleich zu halbsättigenden reduziert. Diese Beobachtung ist mit einem zyklischen Transportmodell erklärbar, bei dem der Transporter nach erfolgtem Transport eines organischen Kations entweder als leerer Transporter oder mit einem auf der anderen Seite gebundenen Kation in seine Ausgangstellung zurückkehren kann, wobei die Translokation der Bindungsdomäne jeweils mit einer Konformationsänderung des Transporters einhergeht. Der Austausch von organischen Kationen erfolgt dabei elektroneutral. Einen weiteren Beleg für einen elektroneutralen Austauschmodus für organische Kationen liefern amperometrische Messungen an reversibel mit Dopamin beladbaren Oozyten. Es konnte ein rOCT2vermittelter, durch Chinin hemmbarer Dopaminausstrom gemessen werden, der in Abhängigkeit des Membranpotenzials durch extrazelluläres Cholin entweder transstimulierbar oder transinhibierbar war. Die im Rahmen dieser Dissertation durchgeführten Untersuchungen belegen, dass rOCT2 als basolateral lokalisierter Transporter hervorragend dazu geeignet ist, mit der vom elektrochemischen Potenzial getriebenen Substrataufnahme in die Bürstensaumzellen den ersten Schritt der Sekretion von organischen Kationen durch die Niere zu leisten. Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass rOCT2 bei einem ausreichenden Konzentrationsgradienten von Cholin bei der physiologisch bedeutsamen Reabsorption von Cholin beteiligt sein könnte, indem dieses gegen das negative Membranpotenzial, womöglich im Austausch gegen ein anderes organisches Kation, transportiert wird. Zeitaufgelöste Messungen mit Substrat oder Spannungssprüngen sowie Bindungs und Transportstudien nach gezielter Mutagenese könnten zukünftig einer weiteren Aufklärung des Transportmechanismus dienen. Einige die Charakterisierung von rOCT2 in ''inside out"Patchen betreffende Ergebnisse dieser Dissertation wurden bereits im Journal of Biological Chemistry veröffentlicht und auf internationalen Konferenzen präsentiert. Andere Ergebnisse sind Teil einer vom American Journal of Physiology zur Veröffentlichung angenommenen Arbeit und eine weitere Veröffentlichung ist in Vorbereitung.
Lichtgesteuerte Channelrhodopsine (ChR) haben im letzten Jahrzehnt neue Wege zur Untersuchung neurophysiologischer Zusammenhänge eröffnet. Die ersten grundlegenden Charakterisierungen von Channelrhodpsin-1 und Channelrhodopsin-2 (ChR-1 und ChR-2) zeigten bereits die hohe Selektivität dieser Ionenkanäle für Protonen gegenüber monovalenten und divalenten Kationen und veranschaulichten die Dominanz der einwärtsgerichteten gegenüber den auswärtsgerichteten Kationenströmen durch die Kanalpore (Einwärtsgleichrichtung) (Nagel et al., 2002; Nagel et al., 2003). Nach Expression von Channelrhodopsin können erregbare Zellen mit einem Ruhepotential von -60 mV durch Licht depolarisiert und Aktionspotentiale (AP’s) ausgelöst werden (Boyden et al., 2005; Li et al., 2005; Nagel et al., 2005b). Aufgrund der Einwärtsgleichrichtung von ChR nehmen die lichtaktivierten Ströme mit zunehmender Depolarisation ab, sodass die vollständige Ausbildung des AP’s nicht gestört wird. Dadurch wird ChR zu einem optimalen optogenetischen Werkzeug. Dennoch ist die Einwärtsgleichrichtung bisher wenig detailliert charakterisiert. Auch die zugrunde liegenden Mechanismen sind nicht genau bekannt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte anhand von Patch-Clamp Messungen gezeigt werden, dass zwei Mechanismen die Rektifizierung des Kanalstroms durch ChR-2 hervorrufen: eine Spannungsabhängigkeit der Einzelkanalleitfähigkeit und eine Spannungsabhängigkeit der Offenwahrscheinlichkeit. Die Spannungsabhängigkeit der Einzelkanalleitfähigkeit ist von der Art der geleiteten Ionen abhängig und konnte experimentell über die Unterschiede der stationären IV-Kurve für H+ und Na+ bei symmetrischen Ionenkonzentrationen bewiesen werden. Des Weiteren wurden die Resultate für unterschiedliche Ionenbedingungen anhand eines Ionenbindungsmodells mit einem „3-Barrieren 2-Bindungsstellen“ Profil für die Kanalpore simuliert. Die Spannungsabhängigkeit der Offenwahrscheinlichkeit ist an eine Lichtadaption des ChR-2 Proteins gekoppelt. Diese Lichtadaption konnte mithilfe von repetitiven Messungen, d.h. Strommessungen mit mehrfachen kurzen Lichtblitzen (10 ns), gezeigt werden. Da die Lichtadaption wie auch die Kanalkinetik stark vom pH abhängig sind, ist anzunehmen, dass mechanistisch wichtige De- und Reprotonierungsreaktionen mit diesen Prozessen einhergehen. Ferner konnte über die Untersuchung der elektrophysiologischen Eigenschaften der ChR-2 Mutante E90A eine Region im Protein identifiziert werden, die höchstwahrscheinlich am Protonentransport durch die Kanalpore beteiligt ist. Die Mutante E90A wies eine verringerte Protonenleitfähigkeit und eine natriumabhängige Blockierung der lichtaktivierten Ströme bei niedrigem extrazellulären pH auf. Doppelbelichtungsexperimente mit gelbem oder kurzwelligem blauen Licht ergaben außerdem neue Hinweise auf die Identität einiger Intermediate des Photozyklus. Die vorgestellten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die bisher beschriebene „lichtadaptierte“ Form, die als P480 Intermediat bezeichnet wird, eher einem P520 Intermediat entspricht. Außerdem konnte im Rahmen dieser Arbeit eine funktionelle Beteiligung des Intermediats P390, in dem die Schiff Base deprotoniert ist, am Photostrom von ChR-2 im Wildtyp-Protein gezeigt werden. Diese Beteiligung ist bisher nur für ChR-2 Mutanten bekannt (Bamann et al., 2010). Neben der Untersuchung der Kanaleigenschaften von ChR-2 wurde in dieser Arbeit auch der Frage nachgegangen, ob an den Photozyklus von ChR-2 eine vektorielle Protonenverschiebung über der Membran gekoppelt ist. Mithilfe der BLM-Technik und Patch-Clamp Messungen an elektrofusionierten HEK-293 Zellen (Zimmermann et al., 2006) konnte gezeigt werden, dass auch ohne elektrochemische Triebkraft lichtaktivierte Ströme (Pumpströme) zu beobachten sind, die einer vektoriellen Protonenverschiebung von 0,2 - 0,4 Ladungen pro Photozyklus entsprechen. Die Doppelbelichtungsexperimente und der vektorielle Protonentransport geben einen Einblick in den Zusammenhang zwischen Photozyklus und den funktionalen Zuständen des Kanals. Die Ergebnisse zeigen das komplexe Geflecht zwischen Spannungsabhängigkeit, der Kinetik und den offenen Zuständen und wurden in einem Modell zusammengefasst. Weiterhin wurde in dieser Arbeit eine stabile Zelllinie für die Expression von ChR-1 etabliert, die eine genauere Charakterisierung dieses Proteins möglich macht. Es konnte gezeigt werden, dass ChR-1 ebenso wie ChR-2 eine Kationenleitfähigkeit besitzt. Aus zeitaufgelösten Messungen wurde außerdem ermittelt, dass ChR-1 gegenüber ChR-2 eine verkürzte Zykluszeit besitzt. Die verkürzte Zykluszeit von ChR-1, die zu kleineren Gesamtstromamplituden im Vergleich zu ChR-2 führt und die vergleichsweise geringere Expression, v.a. in transienten Expressionssystemen, limitiert dessen neurophysiologische Anwendung. Zusammenfassend stellt die vorliegende Dissertation eine detaillierte biophysikalische Charakterisierung von Channelrhodopsinen dar, die neue Erkenntnisse über die mechanistische Kopplung der Kanalfunktion an den Photozyklus hervorbringt. Zudem kann sie eine Grundlage für die gezielte Suche nach Channelrhodopsin Mutanten bieten, deren Kinetik oder analeigenschaften für die neurophysiologische Anwendung optimiert sind.
Mit den in dieser Arbeit entwickelten und getesteten Nachweismethoden konnte in verschiedenen Marktstudien gezeigt werden, dass sowohl molekularbiologische als auch immunologische Verfahren für den Nachweis von versteckten Allergenen in Lebensmitteln geeignet und auch miteinander vergleichbar sind. Dies wurde in zwei Studien deutlich, in denen beide Methoden sowohl für den Haselnuss- bzw. Erdnussnachweis miteinander verglichen wurden. In beiden Studien wurde eine sehr gute Übereinstimmung der beiden Verfahren gefunden. Nur in Einzelfällen gab zwischen beiden Methoden Abweichungen im Resultat, was aber fast ausschließlich Proben betraf, die einen sehr geringen Anteil (ca. 10 ppm Protein) Haselnuss bzw. Erdnuss enthielten. Damit konnte erstmals im direkten Vergleich gezeigt werden, dass PCR-basierte Methoden für den Allergennachweis in prozessierten Lebensmitteln genauso gut geeignet sind, wie antikörperbasierte Methoden. Allerdings besteht bis zum heutigen Zeitpunkt das Problem solche Anteile korrekt zu quantifizieren, da es an Referenzmaterialien mangelt, die es ermöglichen würden einen Mengenstandard für ein quantitatives Verfahren herzustellen. Momentan sind quantitative Messungen nur exakt möglich, wenn die zu untersuchende Lebensmittelmatrix genau bekannt ist und ein entsprechender Standard generiert werden kann. Trotzdem bieten beide Verfahren die Möglichkeit prozessierte Lebensmittel sehr empfindlich auf allergene Bestandteile zu untersuchen, um somit sicherzustellen dass die aktuellen gesetzlichen Regelungen und Richtlinien für die Etikettierung von Lebensmitteln, wie die EU-Richtlinie 2006/146/EU bzw. die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV), von den Lebensmittelherstellern eingehalten werden. Weiterhin bieten die etablierten Nachweismethoden den Herstellern die Möglichkeit, ihre Produktion im Hinblick auf potenzielle Kontaminationsrisiken mit allergenen Zutaten zu überprüfen bzw. die Effizienz der verwendeten Reinigungsmethoden einzuschätzen. Dies wurde erstmals im Rahmen an einer Modellstudie in Zusammenarbeit mit einem Aromenhersteller durchgeführt. In dieser Studie sollte die Effizienz von verschiedenen Reinigungsprozeduren hinsichtlich der Kontaminationsgefahr von allergenfreien Nachfolgeprodukten überprüft werden. Es konnte gezeigt werden, dass der verwendete Reinigungsprozess sehr effektiv abläuft und nicht mit Kontaminationen gerechnet werden muss. Diese Studie hat exemplarisch gezeigt, dass es möglich ist, allergenspezifische Nachweismethoden in einem Betrieb einzusetzen, um die Belastung der Produktionsanlage und der hergestellten Produkte mit potenziellen Allergenen zu überwachen. Prinzipiell sollte es also möglich sein allergenspezifische HAACCP Konzepte innerhalb eines Betriebes zu etablieren, um so die Produktsicherheit noch weiter zu verbessern. Abschließend kann man sagen, dass die Entwicklung von allergenspezifischen Nachweismethoden einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit darstellt. Nicht nur dass diese Methoden wichtig sind, um bestehendes Recht zu überwachen, sie sind auch für die Lebensmittelproduzenten ein wichtiges Werkzeug die Qualität ihrer Produkte zu erhöhen.
Diese Arbeit teilt sich in zwei Themenblöcke, deren zentrales Element Borat-Anionen darstellen, die unterschiedlichste Funktionen erfüllen. Durch entsprechende Wahl der Substituenten am Bor können sowohl Anionen mit schwach koordinierenden Eigenschaften erzeugt werden, als auch Borate, die sich zum Einsatz als Ligand in der Koordinationschemie eignen. ...
In dieser Arbeit wurde das Potential von CD34-positiven hämatopoetischen Stammzellen (HSC) und Endothelprogenitorzellen (EPC) aus peripherem Blut bzw. Nabelschnurblut sowie von aus diesen Vorläuferzellen differenzierten Zellen als Zielzellen für die Gentherapie der Hämophilie A untersucht. Der Gentransfer erfolgte mit einem lentiviralen Vektorsystem der zweiten Generation, das einen bicistronischen Transfervektor mit internem CMV-Promotor, einer FVIII-cDNA mit Deletion der B-Domäne, einem IRES-Element und dem EGFP-Gen als Markergen enthielt. Das Vektorsystem wurde zunächst für die Transduktion humaner hämatopoetischer Zellinien verwendet, die verschiedene Leukozytentypen repräsentierten, um es in bezug auf Gentransfereffizienz und FVIII-Expressionsstärke zu evaluieren. Im Rahmen dieser Versuchsreihe konnte zum ersten Mal gezeigt werden, daß hämatopoetische Zellen grundsätzlich in der Lage sind, FVIII zu sezernieren. Zugleich verwiesen die Befunde auf mögliche Expressionsprobleme, da trotz durchweg erfolgreichen Gentransfers und FVIII-Transkription nur in den Überständen von vier der sechs charakterisierten Zellinien FVIII-Protein meßbar war. In anschließenden Experimenten mit humanen und murinen HSC sowie humanen Granulozyten und Makrophagen konnte nach lentiviralem Gentransfer keine Sezernierung von FVIII-Protein detektiert werden. In expandierten humanen HSC wurden jedoch FVIII-mRNA und intrazelluläres FVIII-Protein detektiert, so daß in diesen Zellen ein Exportdefekt für das FVIII-Protein vorzuliegen schien. Da hämatopoetische Zellen und Endothelzellen mit dem Hämangioblasten eine gemeinsame Vorläuferzelle besitzen, wurde zudem geprüft, ob aus CD34-positiven Stammzellen generierte Endothelprogenitorzellen (EPC) in der Lage sind, therapeutisch relevante FVIII-Mengen zu sezernieren. In Anwesenheit von VEGF, FGF-2, SCF und SCGF-beta wurden adhärente Zellen gewonnen, die aufgrund des Musters der Expression von Oberflächenmarkern und durch ihr Verhalten im Matrigel-Assay einen eindeutig endothelialen Phänotyp besaßen. Diese Zellen wurden (bezogen auf die Zahl der eingesetzten CD34-positiven Zellen) um bis zu neun Größenordnungen expandiert. Nach lentiviraler Transduktion der Zellen, die weder das Proliferationspotential der Zellen noch ihren Phänotyp veränderte, wurde eine hocheffiziente FVIII:C-Sezernierung (7,0-7,8 IU/10 hoch 6 Zellen/48 Std.) gemessen. Im ELISA fielen leicht erhöhte FVIII:Ag-Werte auf, und eine nachfolgende Western Blot- Analyse legte nahe, daß dies auf unvollständige intrazelluläre Spaltung des FVIII-Polypeptids in schwere und leichte Kette zurückführbar sein könnte, die sich wegen der weiteren proteolytischen Aktivierung im Plasma jedoch nicht negativ auf die Gerinnungsaktivität in vivo auswirken sollte. Die Befunde dieser Arbeit identifizieren EPC aus CD34-positiven Nabelschnurblutzellen als potentielle Zielzellen für eine FVIII-Substitution nach ex vivo-Gentransfer, da sie sich nicht nur durch ihr hohes Expansionsvermögen auszeichnen, sondern auch durch die Fähigkeit zur rekombinanten FVIIISezernierung auf sehr hohem Niveau, das nur wenig unter dem FVIII-Sekretionspotential humaner Hepatozyten liegt. Primäre hämatopoetische Zellen sind aufgrund eines Exportdefektes zwar nicht direkt für eine FVIII-Substitution, möglicherweise aber für eine Toleranzinduktion geeignet.
Zur Vorhersage der Konformationen organischer Moleküle in wässriger Lösung wurde ein explizites Solvatationsmodell (TPA3) für das Kraftfeldprogramm MOMO entwickelt, getestet und erfolgreich angewendet. Für jede zu optimierende Konformation wird eine der räumlichen Ausdehnung entsprechende Solvathülle generiert. Dadurch werden zu große Solvathüllen mit vielen Wassermolekülen vermieden. Diesem ersten Schritt liegt das Aneinanderreihen von Eiselementarzellen und ungeordneten Wasserzellen zugrunde. Überschneidungen oder unrealistisch nahe Orientierungen von Wassermolekülen zu dem solvatisierten Molekül werden ausgeschlossen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass in der Umgebung von Wasserstoffbrücken-Donoren und -Akzeptoren im solvatisierten Molekül Wassermoleküle zu finden sind.
Die Optimierung vereinfachter Wassermoleküle ohne molekularen Zusammenhalt basiert auf vektoriellen Ausgleichsbewegungen, in die die Bewegungsvektoren der minimierten Wassermolekül-Atome eingehen. Dadurch ist es möglich, ein einziges Potential für Coulomb- und vdw-Wechselwirkungen ohne Vernachlässigung der Rotation zu nutzen, was eine deutliche Rechenzeitoptimierung bedeutet. Die besondere Beachtung der Programmstruktur von MOMO und die sich daraus ergebende Interaktion des Solvatationsmodells mit nahezu allen relevanten Programmteilen des Kraftfeldprogramms ermöglicht trotz ihres kontinuierlichen Austauschs eine Unterscheidung von präzise behandelten nahen und vereinfachten fernen Wassermolekülen während der gesamten Minimierung. Gleichzeitig werden von jedem nahen Wassermolekül die Einzelenergiebeiträge der Wechselwirkungen mit dem solvatisierten Molekül direkt in den Potentialen gesammelt und durch Summation die Stabilisierungsenergie Estab bestimmt.
Somit wird ein Nahbereich mit ungeordneten Wassermolekülen um ein solvatisiertes Molekül herum mit der gesamten in MOMO möglichen Präzision behandelt. Hierbei ist die Berechnung von Wasserstoffbrücken zwischen dem solvatisierten Molekül und umgebenden Wassermolekülen für Estab von entscheidender Bedeutung. Hingegen wird der Fernbereich ausgehend und basierend auf der Eisstruktur rechenzeitoptimiert behandelt. Dynamik und Durchmischung mit dem Nahbereich werden durch den auf der Minimierung der isolierten Atome basierenden TPA3-Algorithmus erreicht.
Mit den erreichten Rechenzeitoptimierungen können systematische Konformationsanalysen an Di- und Tripeptiden in Wasser mit bis zu 2500 Konformationen problemlos durchgeführt werden. Mit den statistischen Auswertungsmethoden des Clusterings, der Medianbildung und der Datenrasterung ergaben sich aussagekräftige Energieflächen über Ramachandran-Diagrammen der berechneten Peptide. Die Visualisierung der Trajektorien und der Minimum-Konformationen der Peptide mit deren Wasserstoffbrücken und der daran beteiligten Wassermoleküle sowie die detaillierte Analyse der Energiebeiträge lieferten eine solide Interpretationsbasis der vorhergesagten Strukturen.
Insgesamt wurden Konformationsanalysen im Vakuum und mit dem neu entwickelten TPA3-Solvatationsmodell an zehn Peptiden durchgeführt. Ungeschützte Peptide wurden in unterschiedlich protonierten Formen berechnet. Vergleichende Konformationsanalysen mit AMBER11 und TIP3P-Solvatationsmodell waren nur für die zwitterionische Form möglich.
Bei dem geschützten Alaninpeptid N-Acetyl-L-L-dialanin-N-methylamid zeigte sich eine Begünstigung der PPII-Struktur. Daneben trat ein Minimum im β-Faltblattbereich auf; eine Stabilisierung des αR-helikalen Bereichs wurde ebenfalls beobachtet. Dies entspricht den in der aktuellen Literatur zu findenden spektroskopisch erhaltenen Ergebnissen.
Aufgrund nicht vorhandener Informationen bezüglich der Energiebeiträge durch das explizite TIP3P-Solvatationsmodell war die Auswertung der AMBER11-Konformationsanalysen auf die Verteilung der Konformationen im Ramachandran-Diagramm begrenzt und somit stark eingeschränkt. Bezüglich N-Acetyl-L-L-dialanin-Nmethylamid ergaben sich auch mit AMBER11 Häufungen im PPII- und β-Faltblatt-Bereich und darüber hinaus im αD-helikalen Bereich.
Für Peptide mit negativ geladenen Seitenketten in der zentralen Position wurden Konformationen, die in Turns zu finden sind, als begünstigt berechnet. Bei Tripeptiden mit Aminosäuren, die Donoren D bzw. Akzeptoren A zur Wasserstoffbrückenbildung in ihren Seitenketten besitzen (Ala−Lys−Ala, Ala−Asp−Ala, Cys−Asn−Ser), wurden in allen Fällen zweifache Wasserstoffbrücken über verbrückende Wassermoleküle hinweg (D/A···H2O···D/A) beobachtet. Diese scheinen insbesondere bei Ala−Asp−Ala durch Beteiligung des Aspartatrestes und einem zweimalig negativen Energiebetrag von mehr als 10 kJ/mol Einfluss auf die Konformation zu nehmen und δ-Turn-Konformationen zu stabilisieren. Die AMBER11-Konformationsanalyse mit TIP3P-Modell ergab hingegen eine deutliche Häufung minimierter Konformationen für φ < 120°. Diese Häufung zeigt sich als deutlicher Streifen im Ramachandran-Diagramm bei φ ≈ 60°. Die α-helikalen Konformationen αD und αL sowie die C7 ax-Struktur sind von AMBER11 hier stark begünstigt. Die Konformationsanalyse mit TPA3-Solvatationsmodell an Ala−Lys−Ala zeigte mehrere Minima; die Konformationen im Bereich δR / PPII / C7 eq werden jedoch besonders stabilisiert. Ein verbrückendes Wassermolekül ist auch hier beteiligt.
Bei den Tripeptiden mit sperrigen Seitenketten, wie Ala−Phe−Ala und Gly−Phe−Gly, wird eine sterische Abschirmung durch den Phenylrest deutlich, die zu einer Abschwächung der Begünstigung von PPII-Konformationen führt. Stattdessen sind α-helikale Konformationen favorisiert. Bei Gly−Phe−Gly scheint diese Abschirmung einen weniger starken Einfluss zu haben: im PPII- und β-Faltblattbereich sind wieder Minima vorhanden. Generell sind die Ergebnisse der MOMO/TPA3-Konformationsanalysen im Einklang mit der aktuellen Literatur und sehr plausibel für Peptide, bei denen (noch) keine eindeutigen Literaturergebnisse vorliegen. Die aktuelle Annahme, dass intramolekulare Wasserstoffbrücken in Peptiden Turn-Konformationen in Wasser stabilisieren könnten, wird mit den in dieser Arbeit mehrfach aufgetretenen zweifachen Wasserstoffbrücken über verbrückende Wassermoleküle erweitert.
Mit AMBER11 konnte dagegen kaum Bezug zu experimentellen Literaturergebnissen hergestellt werden. Dies liegt vor allem daran, dass die für eine aussagekräftige Auswertung unverzichtbaren Energiebeiträge der Peptid-Wechselwirkungen mit einzelnen Wassermolekülen mit AMBER11 nicht zur Verfügung standen. AMBER11 eignet sich daher kaum als Referenz für die mit MOMO und dem neu entwickelten TPA3-Solvatationsmodell erhaltenen Ergebnisse.
Der erste Teil dieser Promotionsarbeit umfasste die Etablierung und Validierung eines in vitro Testsystems zur Auffindung von Substanzen, die selektiv die Interaktion der mitogenen Signalmoleküle Ras und Raf inhibieren können. Die Deregulation der Ras-Signalkaskade spielt in einer Vielzahl maligner Transformationen eine bedeutende Rolle. Daher besteht in der pharmazeutischen Forschung großes Interesse an der Auffindung von Inhibitoren, die in der Lage sind, solche proliferativen Signale zu unterbinden und möglicherweise Ras- vermittelte Malignität einzudämmen. Das im Rahmen dieser Promotionsarbeit entwickelte Testsystem zur Detektion von Inhibitoren der Ras-Raf-Proteininteraktion basiert auf der intracistronischen ß-Galaktosidase Komplementation. Hierbei werden zwei sich nicht komplementierende Deletionsmutanten der ß-Galaktosidase, deren Affinität zueinander sehr niedrig ist, mit interagierenden Proteinpaaren fusioniert, wodurch es zur Ausbildung eines aktiven Enzymkomplexes kommen kann, dessen Aktivität sich über die Umwandlung eines fluorogenen Substrats nachweisen lässt. Bei Expression der interagierenden Fusionsproteine im E.coli Stamm ER2507 zeigte sich in intakten Zellen eine spezifische Komplementation der Interaktionspartner. Eine in vitro Komplementation der Fusionsproteine konnte trotz nativer Aufreinigung nicht beobachtet werden, da die Proteine im zellfreien System unter den gegebenen Versuchsbedingungen nur sehr schwach miteinander interagierten. Das zelluläre Testsystem ließe sich in dieser Form für die Wirkstoffsuche nach Inhibitoren der Ras-Raf-Proteininteraktion einsetzen. Die Evaluierung und Validierung muss aber für jedes interagierende Proteinpaar gesondert erfolgen. Der zweite Teil dieser Promotionsarbeit umfasste die Entwicklung und Charakterisierung zellulärer Systeme zur Validierung von PKB/Akt als Zielstruktur für die Entwicklung neuartiger anti-tumoraler Strategien. PKB/Akt wird in der Literatur als zentraler Mediator von zellulären Überlebenssignalen beschrieben. Zudem weisen verschiedene Tumore eine konstitutive Aktivierung und/oder eine Überexpression von PKB/Akt auf, was möglicherweise mit dem Auftreten von Chemoresistenz korreliert. Im Rahmen dieser Promotionsarbeit konnte durch die Etablierung eines geeigneten zellulären Modells die Bedeutung von PKB/Akt bei der Verhinderung des Auftretens von Anoikis herausgestellt werden. Darüber hinaus gelang es erstmals, einen kausalen Zusammenhang zwischen konstitutiver Aktivierung von PKB/Akt und der Vermittlung von Chemoresistenz in vitro als auch in vivo darzulegen. Bei der molekularen Untersuchung der PKB/Akt- vermittelten Desensitivierung von Lungenkarzinomzellen gegenüber Zytostatika zeigte sich, dass PKB/Akt Chemoresistenz durch breit gefächerte Eingriffe in die apoptotischen Hauptsignalwege über eine Vielzahl von Mechanismen wie beispielsweise die verstärkte Phosphorylierung der Initiator-Caspase 9, die erhöhte Expression des anti-apoptotischen Proteins Bcl-xL oder die verlangsamte Induktion von p53 vermittelt. Die selektive Inhibition der Kinaseaktivität von PKB/Akt stellt somit einen interessanten Ansatz für neuartige therapeutische Strategien dar, die darauf abzielen, Tumorzellen, die Chemoresistenz aufgrund einer hohen intrinsischen Aktivität von PKB/Akt aufweisen, durch Applikation eines PKB/Akt-Inhibitors gegenüber Standard-Chemotherapeutika zu resensitivieren und auf diese Weise eine Vielzahl von chemoresistenten Tumoren einer Therapie zugänglich zu machen.
Die Arachidonsäurekaskade spielt bei Entzündungsprozessen und der Schmerzentstehung eine wichtige Rolle. Deren primäre Produkte, die Leukotriene und die Prostaglandine, sind entzündungsfördernde Mediatoren und nehmen Einfluss auf den Entzündungs-auflösendenprozess und sind bei einer Dysregulation für diverse Erkrankungen wie z.B. Asthma bronchiale und allergische Rhinitis mitverantwortlich. Die Kaskade gliedert sich mit ihren beiden Hauptenzymen, Cyclooxygenase und 5-Lipoxygenase (5-LO), in zwei Wege auf. Beide Enzyme sind außerdem in der Lage entzündungsauflösenden Mediatoren zu bilden. Die Mediatoren wie z.B. Lipoxin können im Zellstoffwechsel einerseits über die Lipoxygenase-Route, oder andererseits wie „aspirin-triggered“-Lipoxin von der durch geeignete Wirkstoffe acetylierten Cyclooxygenase-2 (COX-2) katalysiert werden. Diese Mediatoren werden benötigt, um (chronische) Entzündungen und beschädigtes Gewebe zurück zur Homöostase zu führen.
Die Pharmakotherapie chronisch entzündlicher Erkrankungen mit guter Wirksamkeit und verträglichem Profil bei Langzeiteinnahme stellt jedoch eine Herausforderung dar. Die Therapie verzögern oft, z. B bei Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), die Entzündungsauflösung, da die Bildung von entzündungshemmenden und entzündungs-auflösenden Lipidmediatoren gehemmt werden. Die gezielte Modulation und Einflussnahme auf die Arachidonsäurekaskade an einem der beiden Enzyme, stellt daher einen guten Ansatz für eine verbesserte Therapiemöglichkeit von (chronischen) entzündlichen Krankheiten dar. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Synthese von Modulatoren und Inhibitoren der Arachidonsäurekaskade. Zum einen befasst sie sich mit der Entwicklung von irreversiblen COX-2-acetylierenden Substanzen als neues anti-entzündliches und entzündungsauflösendes Prinzip. Zum anderen mit der Untersuchung der Struktur-Wirkungsbeziehung (SAR) von 2-Aminothiazolen als direkte 5-LO-Inhibitoren ausgehend von SKI-II, welches zuvor als Leitstruktur zur Entwicklung von 5-LO-Inhibitoren entdeckt wurde.
Als Leitstrukturen für die irreversiblen COX-2-acetylierenden Substanzen wurden bekannte COX-2 selektive Substanzen ausgewählt sowie vereinzelte nicht-selektive NSAR. Es wurden an der COX-2 Kristallstruktur Docking-Studien durchgeführt, um die geeignetsten Positionen für die Einführung einer (labilen) Acetylgruppe zu identifizieren. Aufgrund dieser Studien wurden drei Positionen ausgewählt zur Derivatisierung. Es wurden daraufhin zahlreiche Derivate synthetisiert von Celecoxib, Valdecoxib, Rofecoxib, Etericoxib, als Vertreter der (COX-2) selektive Inhibitoren, sowie von Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Nimesulid-Analoga als Vertreter der nicht-selektiven NSARs. Zusätzlich wurden Derivate synthetisiert mit Michael-Akzeptoren als kovalente bindende Komponente. Alle synthetisierten Substanzen wurden sukzessiv auf ihre COX inhibitorischen Eigenschaften hin untersucht und auf COX-2 Selektivitäten überprüft. Weiterhin wurden von allen Derivaten Auswaschungs-Studien durchgeführt als Vorversuche welche Derivate eine irreversible COX-2-Inhibition hervorrufen. In den Vorversuchen zeigte die Verbindung ST-1650 am deutlichsten eine COX-2-Selektivität sowie eine starke irreversible Inhibition der COX-2. Die Verbindung ST-1650 wurde weiterhin auf indirekte Hinweise zur Entstehung von heilungsfördernden Mediatoren untersucht anhand von: M1-Macrophagen Polarisation und einem Schmerzmodell, dem Zymosan-Überempfindlichkeit Pfotenmodell. Im Makrophagen-Modell konnte ST-1650 keine Phänotypverschiebung hinzu entzündungsauflösenden M2-Makrophagen bewirken, sowie in den Schmerzmodellen leider keine schnellere Schmerzauflösung als die Kontrollgruppe. Ob diese Effekte durch mangelnde oder zu geringer Entstehung von entzündungshemmenden Mediatoren zurückzuführen ist, ist noch unklar.
Für die SAR der 2-Aminothiazole als direkte 5-LO-Inhibitoren wurden über 60 Verbindungen synthetisiert und untersucht. Zu Beginn erfolgte eine Optimierung der Grundstruktur als 5-LO-Inhibitor. Es wurden die Einflüsse der Substituenten des Thiazolsrings und des Aminolinkers auf die 5-LO-Aktivität ermittelt, um die SAR initialer Arbeiten zu vertiefen. Nach der SAR-Untersuchung im intakten Zellsystem konnten durch Kombination bevorzugter Strukturelemente die zwei Verbindungen ST-1853 und ST-1906, als neue potente 5-LO-Inhibitoren entwickelt werden, die sich als nicht-toxisch herausstellten. Diese beiden 5-LO-Inhibitoren wirken um einen Faktor 10 potenter und sind weniger toxisch verglichen mit der Leitstruktur SKI-II. ST-1853 wurde innerhalb der Arachidonsäurekaskade auch auf Off-targets getestet, deren Aktivitäten sie erst bei 100-fach höherer Konzentration beeinflusst, sowie in humanem Vollblut, wo sie sich ihre 10-fach bessere Wirksamkeit im Vergleich zu SKI-II bestätigte. Darüber hinaus erwies sich ST-1853 bei den ersten Überprüfungen seiner Stabilität unter physiologischen Bedingungen wie bei der in vitro Metabolisierung durch Rattenlebermikrosomen als ausreichend stabil und daher zur weiteren Charakterisierung gut geeignet.
Entwicklung neuer Multikomponentenreaktionen zur Synthese von Amin- und α-Aminosäurederivaten
(2016)
Die Entwicklung neuer Synthesemethoden ist von enormer Bedeutung hinsichtlich der Darstellung von neuen Verbindungen mit speziellen, anwendungsorientierten Eigenschaften und in Bezug auf die Suche nach ökologisch verträglicheren und effizienteren Herstellungsmethoden. Multikomponentenreaktionen (MCRs) bieten hierbei eine gute Ansatzmöglichkeit. Gegenüber den klassischen, linear verlaufenden 2-Stufen-Reaktionen weisen MCRs eine hohe Atom-Ökonomie und effiziente Bindungsbildung auf, können zur Minimierung von Zeit-, Energie-, Material- und Kostenaufwand sowie zur geringeren Generierung von Abfallmengen beitragen und ermöglichen einen schnellen Aufbau diverser Molekülstrukturen. Vor diesem Hintergrund gelang im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Entwicklung mehrerer 3-Komponentenreaktionen basierend auf der nukleophilen Addition von Arylboronsäuren an in situ gebildete N-Acyl- bzw. N-Sulfonylimine, womit die Synthese von diversen alpha-substituierten Amiden, chiralen, alpha-substituierten Sulfonamiden, chiralen alpha-Arylglycinen sowie von Arylmethylsulfonamiden erfolgte. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umsetzung hinsichtlich der Methode mit Amiden war die Verwendung eines dualen Katalysatorsystems aus Lewis-Säure und Pd(II) sowie die Anwesenheit von Wasser. Die enantioselektiven Varianten konnten mittels Sulfonamide anstelle der Amide sowie unter Einsatz von Pd(II) und einem chiralen Oxazolin-Liganden erreicht werden. Die neuen Methoden sind einfach in der Durchführung, weisen einen breiten Substrat-bereich auf und im Falle der asymmetrischen Varianten hohe Enantioselektivitäten.
Allerdings besitzt die Reaktionsführung über Organoboronsäuren zwei entscheidende Nachteile: Zum einen bedarf es der Verwendung vorfunktionalisierter Boronsäuren und zum anderen werden stöchiometrische Mengen borhaltiger Abfälle erzeugt. Daher wurden im Rahmen dieser Arbeit auch Prozesse untersucht, bei denen hinsichtlich der Atom-Ökonomie keine unnötig vorfunktionalisierten Startmaterialien eingesetzt werden und bei denen keine oder nur ökologisch vollkommen unbedenkliche Nebenprodukte entstehen. Ein erster Ansatz in diese Richtung gelang dabei mit der Entwicklung einer neuen 3-Komponentenreaktion basierend auf einer Brønsted-Säurekatalysierten, benzylischen C–H-Bindungsfunktionalisierung von 2-Alkylazaarenen.
An den Folgen der HIV-Infektion sind bisher mehr als 15 Millionen Menschen gestorben und die Zahl der Neuinfektionen wächst ständig. Nach Einführung der hochaktiven antiretroviralen Kombinationstherapie (HAART) 1995 konnte die HIV-Replikation im Patienten unterdrückt und der Verlauf der Krankheit verzögert werden. Aber die Bildung resistenter HIV-Stämme während der Therapie und die hohe Toxizität der Medikamente limitieren diese Erfolge. Einen neuen Therapieansatz bietet die genetische Modifikation von T-Lymphozyten zur "intrazellulären Immunisierung" der Zielzellen von HIV. Dabei werden die Zellen mit einem retroviralen Vektor transduziert und exprimieren ein antivirales Gen, das sie vor der HIV-Infektion schützt. In Vorarbeiten der Arbeitsgruppe von Laer wurde der retrovirale Vektor M87- Ineo entwickelt, der die Expression des membranverankerten Fusionsinhibitors C36/T20 auf der Zelloberfläche ermöglicht. Durch das Peptid sind die Zielzellen effizient vor der Infektion mit HIV geschützt (Hildinger et al., 2001). Das therapeutische Gen von M87-Ineo besteht aus dem Signalpeptid von LNGFR für die Translokation in das ER, dem inhibitorischen Peptid C36/T20, das von HIV-1 gp41 abgleitet ist, einem flexiblen Linker sowie aus der Transmembrandomäne von LNGFR für die Verankerung in der Plasmamembran. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser retrovirale Vektor erfolgreich für die klinische Applikation zur Gentherapie der HIV-Infektion optimiert. Ziel war es, die potentielle Immunogenität des exprimierten Peptides zu minimieren, die Expression zu erhöhen sowie der Resistenzbildung entgegenzuwirken. Der Linker im Basiskonstrukt M87-Ineo ist abgeleitet aus dem Gelenk des murinen Antikörpers von IgG2 und verleiht dem Hemmpeptid Flexibilität. Um die potentielle Immunogenität des exprimierten Peptides zu reduzieren, wurde der Linker des murinen Antikörpers IgG2 durch Gelenke ("Hinge") von humanen Antikörpern der IgG-Klasse ersetzt. Das Konstrukt mit der humanen "Hinge" von IgG2 exprimierte genauso hoch wie das Basiskonstrukt und hemmte mindestens so effizient die HIV-Replikation. Durch die N-terminale Verlängerung des C-Peptids um 10 Aminosäuren konnte das Risiko der Resistenzbildung minimiert werden. Das verlängerte C-Peptid war in der Lage, HIV-Hüllproteine zu hemmen, die gegen das C36/T20-Peptid resistent sind. Das optimierte Peptid von M87o bestand somit aus dem Membrananker von trunkiertem CD34, dem Linker von humanem IgG2 sowie aus dem verlängerten C-Peptid (C46). Weiterhin wurde ohne Verlust der Expression oder Hemmwirkung des membranverankerten C-Peptids ein RNAElement (RRE decoy) erfolgreich als weiteres Hemmprinzip in den Vektor eingefügt, um die Bildung resistenter HIV-Stämme zu unterbinden. Durch Einsatz eines optimierten Leaderelementes im retroviralen Vektor konnte die Expression des inhibitorischen Peptides mehr als verzehnfacht werden. Damit konnte das Peptid und dessen Hemmung erstmals auch in primären Zellen nachgewiesen werden. Der Vergleich zwischen dem Basiskonstrukt M87-Ineo und dem optimierten Konstrukt M87o-RRE-Ineo zeigte, dass die erhöhte Expression auch mit einer wesentlich verbesserten Hemmwirkung einherging. In Zell-Zellfusionsassays wurde außerdem nachgewiesen, dass die Wirkung des C-Peptids auf der Hemmung des Viruseintritts von HIV in die Zelle beruht. Für die klinische Applikation wurde der Vektor M87o-RRE konstruiert, der die optimalen Vektorelemente und Peptidmodule enthielt, aber aus dem das Neomycin-Resistenzgen entfernt wurde. Dies führte zu einer nochmals höheren Expression des C-Peptids sowie zur weiteren Verminderung der Immunogenität des retroviralen Vektors. Das Markergen wurde ohnehin nicht mehr benötigt, da die genetisch modifizierten Zellen aufgrund der hohen Transgenexpression einfach detektiert werden konnten. Der optimierte Vektor M87o-RRE hemmte die HIV-Replikation so effizient, dass bisher keine resistenten Stämme isoliert werden konnten. Bei Toxizitätsstudien in Maus und Rhesusmacaquen konnten keine Nebenwirkungen oder Immunogenität beobachtet werden. Durch die erfolgreiche Optimierung steht nun für die klinische Studie der Phase I der bestmögliche retrovirale Vektor zur Verfügung.
Um die Bedeutung bestimmter Neurone oder Klassen von Neuronen innerhalb von Nervensystemen zu untersuchen, sind Methoden, die eine Manipulation der Aktivität der Neurone in vivo erlauben, besonders nützlich. Die bisher zur Verfügung stehenden Methoden haben jedoch Einschränkungen in beispielsweise der Zelltypspezifität, der zeitlichen Präzision, der Reversibilität oder der Anwendbarkeit in frei beweglichen Tieren. Im Rahmen dieser Arbeit wurden optogenetische, d.h. auf der Expression lichtempfindlicher Proteine basierende Methoden entwickelt, um eine präzise Manipulation des Membranpotentials definierter Neurone durch Licht zu ermöglichen. Die Techniken wurden daraufhin zur Untersuchung z.B. der Neurotransmission sowie der Funktion kleiner Netzwerke im Nervensystem des Nematoden Caenorhabditis elegans verwendet. Die zelltypspezifische heterologe Expression des lichtgesteuerten Kationenkanals Channelrhodopsin-2 (ChR2) aus der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ermöglichte es, Muskel- oder Nervenzellen der Nematoden durch blaue Beleuchtung innerhalb weniger Millisekunden zu depolarisieren. Dadurch ließen sich spezifische Verhaltensweisen in frei beweglichen Tieren auslösen. Dieser Ansatz wird in Zukunft die Untersuchung der Bedeutung einzelner Neurone innerhalb ihrer Schaltkreise deutlich erleichtern. So konnte hier gezeigt werden, dass die Photostimulation des propriorezeptiven Neurons DVA eine signifikante Erhöhung der mittleren Körperbiegungswinkel während der sinusförmigen Fortbewegung der Tiere zur Folge hatte. Außerdem wurde versucht, die Anwendbarkeit von ChR2 durch die gezielte Manipulation der subzellulären Lokalisation mittels Fusion mit speziellen Peptiden oder Proteinen zu erhöhen. Des Weiteren wurde eine zur Verwendung von ChR2 analoge Methode zur Hemmung von Neuronen durch Licht entwickelt. Hierfür wurde die lichtgetriebene Cl--Pumpe Halorhodopsin aus Natronomonas pharaonis (NpHR) zelltypspezifisch in C. elegans exprimiert. Durch Photoaktivierung von NpHR mit gelbem Licht war es möglich, Muskelzellen und cholinerge Neurone zu hyperpolarisieren und somit in ihrer Aktivität zu hemmen. Dies führte in frei beweglichen Tieren zu einer augenblicklichen Paralyse verbunden mit einer drastischen Reduktion der Schwimmfrequenz und einer Erhöhung der Körperlänge. Die Aktionsspektren von ChR2 und NpHR sind unterschiedlich genug, um eine unabhängige Photoaktivierung der beiden Proteine mit blauem und gelbem Licht zu ermöglichen. Dadurch konnte die Aktivität von Muskelzellen und cholinergen Neuronen nach Koexpression der beiden Proteine bidirektional kontrolliert werden. Es wurden somit Methoden entwickelt, die in vivo eine zeitlich äußerst präzise Manipulation des Membranpotentials definierter Neurone mit Licht verschiedener Wellenlängen ermöglichen. Die Beobachtung der dadurch induzierten Verhaltensänderungen erlaubt es, zuverlässige Aussagen über die Bedeutung einer Nervenzelle für die Ausprägung eines Verhaltens zu treffen und wird die Erforschung der Nervensysteme von C. elegans und anderen Modellorganismen deutlich vereinfachen. Schließlich wurden in dieser Arbeit optogenetische Methoden zur Untersuchung der synaptischen Übertragung an neuromuskulären Synapsen (neuromuscular junctions, NMJs) von C. elegans entwickelt. Hierfür wurde ChR2 in GABAergen oder cholinergen Neuronen exprimiert, um eine lichtgesteuerte Freisetzung des inhibitorischen Neurotransmitters GABA bzw. des exzitatorischen Neurotransmitters Acetylcholin (ACh) an NMJs zu erreichen. Die Methode wurde OptIoN getauft, ein Akronym für „Optogenetic Investigation of Neurotransmission“, also „optogenetische Untersuchung der Neurotransmission“. Die GABA-Freisetzung hatte ähnlich wie die NpHR-vermittelte Photoinhibition von Muskelzellen eine Reduktion der Schwimmfrequenz und Erhöhung der Körperlänge zur Folge. Die Ausschüttung von ACh verursachte hingegen starke Muskelkontraktionen verbunden mit einer Reduktion der Körperlänge. Die Änderungen der Körperlänge waren bei Mutanten mit verschiedenen Neurotransmissionsdefekten signifikant unterschiedlich im Vergleich zum Wildtyp. Außerdem kam es während längerer Beleuchtungsphasen in Mutanten mit defektem Recycling der synaptischen Vesikel (SV) zu einer verstärkten Abnahme der lichtinduzierten Effekte. OptIoN ermöglicht es dadurch erstmals, die Mechanismen des SV-Recyclings in C. elegans Verhaltensexperimenten zu untersuchen. In elektrophysiologischen Messungen ließen sich durch kurze Lichtpulse wiederholt und mit hoher Frequenz Neurotransmitter-spezifische postsynaptische Ströme evozieren. Diese Ströme waren in Mutanten mit gestörter SVExozytose reduziert und gingen bei wiederholter Stimulation in Mutanten mit defektem SVRecycling schneller zurück. Die Verwendung von OptIoN erleichtert die elektrophysiologische Untersuchung neuronaler Defekte und stellt erstmals eine Möglichkeit dar, Vorgänge der neuronalen Plastizität in dem genetischen Modellsystem C. elegans zu untersuchen. Das Potential von OptIoN zeigte sich unter anderem auch in der Identifizierung eines neuen, über metabotrope GABA-Rezeptoruntereinheiten vermittelten Mechanismus zur heterosynaptischen Hemmung cholinerger Neurone.
Die Identifikation neuer Hits und Leitstrukturen sind die ersten Schritte bei der Entwicklung neuer Arzneistoffe. Dieser Herausforderung wird derzeit primär mittels High-Throughput-Screening oder der gezielten Modifikationen bekannter Liganden begegnet. Eine weitere Option ist das computerbasierte virtuelle Screening, das es kostengünstig ermöglicht, in kurzer Zeit sehr viele Moleküle auf ihre potentielle biologische Aktivität hin zu untersuchen. Der in dieser Arbeit verwendete Ansatz zur Identifikation neuer Inhibitoren der 5-Lipoxygenase und der Cyclooxygenase-2 beruht auf dem Verfahren des ligandenbasierten virtuellen Screenings. Unter der Voraussetzung der Kenntnis mindestens eines Referenzliganden können so mittels einer Ähnlichkeitsanalyse potentielle neue strukturelle Grundgerüste identifiziert werden. Zu diesem Zweck wurde ein auf atomaren Partialladungen und der dreidimensionalen Struktur der Moleküle basierender Deskriptor (Charge3D/TripleCharge3D) entwickelt. In retrospektiven Studien mit Cyclooxygenase-2 Inhibitoren wurde die Effektivität der neuen Deskriptoren überprüft und mittel eines evolutionären Algorithmus optimiert. Der Charge3D Deskriptor erreicht Anreicherungsfaktoren bis zu 16,1 im ersten Perzentil der durchsuchten Datenbank, wohingegen der TripleCharge3D Deskriptor mit seiner detailierteren Ladungsauftrennung Werte von bis zu 24,8 erreichte. Ein ebensolches retrospektives Screening wurde für 5-Lipoxygenase Inhibitoren durchgeführt. Den maximalen Anreicherungsfaktor von 6,1 im ersten Prozent der Datenbank erreichte hier der Charge3D Deskriptor, der TripleCharge3D Deskriptor erreichte 5,3. Diese wesentlich geringeren Werte sind auf die Diversität der 5-LO Inhibitoren (54 Inhibitoren mit 39 verschiedenen Grundgerüsten) und deren unterschiedliche Inhibitortypen (Redox, nicht Redox und Eisen-bindende Inhibitoren) mit ihren jeweiligen Bindemodi zurückzuführen. In Screenings nach 5-LO Inhibitoren in der Naturstoffdatenbank der Firma AnalytiCon Discovery und COX-25-LO Dualinhibitoren in Datenbanken der Firma Asinex konnten unter Verwendung der beiden Deskriptoren Inhibitoren, mit für diese Targets bislang unbekannten Scaffolds identifiziert werden. Unter Verwendung des 2D Pharmakophor Deskriptors CATS wurden zuerst zwei neue Scaffolds für Inhibitoren der 5-LO identifiziert. Struktur 1 ist den in vitro Assaydaten zufolge ein direkter Inhibitor der 5-LO. Struktur 2 hingegen erreicht seine Wirkung nicht nur über die direkte Interaktion mit der 5-LO. Eine Erklärung dafür wäre die Wechselwirkung mit dem 5-LO aktivierenden Protein FLAP, der Hemmung der Translokation der 5-LO zur Kernmembran, oder die Inhibition 5-LO aktivierender bzw. inaktivierender Kinasen. In nachfolgenden Screenings mit den Strukturen 1 und 2 als Referenzstrukturen konnten mittels der Charge Deskriptoren Substanzderivate (17 Moleküle) mit 5-LO inhibitorischer Wirkung (5 Moleküle mit IC50 Werte ≤ 1 μM an partiell aufgereinigter 5-LO), identifiziert werden. Für das Screening nach COX-2/5-LO Dualinhibitoren wurden 11 Strukturen mit 7 unterschiedlichen Scaffolds unter Verwendung der Charge Deskriptoren aus gewählt. Drei Moleküle zeigten keine 5-LO Aktivität, und jeweils eines nur in intakten PMNLs bzw. im S100 Zellüberstand. Die restlichen 6 Moleküle waren in beiden 5-LO Assays aktiv (intakte PMNLs IC50 zwischen 2 und 15 μM, S100 Zellüberstand 5-LO zwischen 0.5 μM und 25 μM). Somit zeigten 7 Moleküle im S100 Assay Aktivität und konnten als direkte Inhibitoren der 5-LO identifiziert werden. Im Cyclooxygenase-2 Aktivitätsassay mit intakten MonoMac6 Zellen zeigte eine der 11 Strukturen zudem eine geringe (IC50 = 70 μM) inhibierende Aktivität. Modifikationen zur Verbesserung der COX-2 Hemmung könnten in einem potenten COX-2/5-LO Dualinhibitor resultieren, der beispielsweise in der Schmerzbehandlung eingesetzt werden könnte. Ein weiteres Projekt war die Erstellung eines Homologiemodells der 5-LO basierend auf der 15-Lipoxygenase Struktur des Kaninchens (PDB-Struktur: 1LOX). Die Sequenzidentität der beiden Strukturen (1LOX / humane 5-LO) lag bei 37 %. Das Modell wurde zum einen zur Vorhersage von zugänglichen Caspase-6 Schnittstellen an der 5-LO angewandt, und zum anderen wurden Dockingexperimente in Aktiven Zentrum und in Bereichen der C2-like Domäne der 5-LO durchgeführt. Hyperforin, ein bekannter Inhibitor d er 5-Lipoxygenase, wurde an verschiedenen Stellen des Modells für Dockingexperiment eingebracht. Die im Aktiven Zentrum erreichten Scorewerte (Chemscore = -9±1) deuteten hier auf eine unfavorisierte Bindungsstelle hin. BWA4C (ein bekannter Eisenbinder) und ZM230487 (ein nicht-redox Inhibitor) erhielten im Aktiven Zentrum Scorewerte von 27±0,1 und 22±2,5, wodurch eine Bindung als wahrscheinlich angenommen werden kann. Weitere Dockingexperimente an der C2-like Domäne, und speziell am Interface zwischen der C2-like und der katalytischen Domäne, ergaben ähnlich hohe Chemscorewerte für Hyperforin, BWA4C und ZM230487. Aus diesen Resultaten ließ sich kein eindeutiger Bindemodus für Hyperforin ableiten. Eine Positionierung im Aktiven Zentrum ist nach diesen Experimenten unwahrscheinlich, so dass die Existenz einer weiteren, experimentell noch nicht identifizierten Bindestelle vermutet werden kann. Eine solche Interaktionsfläche könnte als Ansatzpunkt für die Entwicklung weiterer 5-Lipoxygenaseinhibitoren eine zentrale Rolle einnehmen.
Bei einer HIV-1-Infektion ist die Krankheitsprogression zum Vollbild AIDS mit dem Auftreten von Virusvarianten assoziiert, die den Chemokinrezeptor CXCR4 zum Zelleintritt verwenden. Dagegen nutzen SIV ein breites Korezeptorspektrum, vor allem CCR5. Im Verlauf einer SIV-Infektion findet kein Korezeptorwechsel von CCR5 zu CXCR4 statt. In dieser Arbeit wurde der Einfluß einer solchen Änderung der Korezeptornutzung auf die SIVagm-Infektion in-vitro und auf den Verlauf der apathogenen SIV-Infektion in-vivo nach Infektion von Schweinsaffen untersucht. Um die Korezeptorspezifität eines SIV zu CXCR4 zu verändern, wurde das in AGM und Schweinsaffen apathogene SIVagm3mc verwendet, das als Korezeptoren zum Zelleintritt CCR5, BOB und BONZO nutzt. Die potentielle Korezeptorbindungsstelle, der zu HIV-1 homologe V3-Loop des Oberflächen-Hüllproteins gp130-SU des SIVagm3mc wurde durch den V3-Loop des CD4 / CXCR4-tropen HIV-1-Klons BH10 ersetzt. Das resultierende SIVagm3-X4mc erwies sich als replikationskompetent und verwendete zum Zelleintritt ausschließlich CD4 / CXCR4. Die Replikation wurde durch den natürlichen Liganden des CXCR4, SDF-1a, dosisabhängig gehemmt. Überraschenderweise besaß SIVagm3-X4mc die Eigenschaft, in-vitro nicht nur in IL2 / PHA-stimulierten sondern auch in unstimulierten PBMC von Schweinsaffen und AGM replizieren. Nach Infektion von je zwei Schweinsaffen (Macaca nemestrina) mit SIVagm3mc bzw. SIVagm3-X4mc konnte bis zu 14 Monate nach Inokulation keine Krankheitsentwicklung und kein Abfall der absoluten Anzahl der CD4 -T-Lymphozyten beobachtet werden. Die Virusbelastung der Tiere war vergleichbar und die Korezeptornutzung blieb auch nach in-vivo Replikation erhalten. Interessanterweise konnte SIVagm3-X4mc, nicht aber das Wildtypvirus SIVagm3mc, durch Sera von SIVagm3mc und SIVagm3-X4mc infizierten Schweinsaffen neutralisiert werden. HIV-1-spezifische Antikörper konnten in Sera eines mit SIVagm3-X4mc infizierten Tieren nachgewiesen werden. Diese Studie beschreibt zum ersten Mal den erfolgreichen Austausch eines V3-Loops bei SIV. Das resultierende SIVagm3-X4mc, das wie beabsichtigt CD4 / CXCR4-positive Zellen infizierte, war im Gegensatz zum Ausgangsvirus in der Lage, in nicht-stimulierten PBMC zu replizieren und zeigte Sensitivität gegenüber neutralisierenden Antikörpern, die in SIVagm3mc- und SIVagm3-X4mc-infizierten Schweinsaffen induziert wurden.
Für eine zukünftige Gentherapie der Immunschwächekrankheit AIDS ist ein effizienter, spezifischer und sicherer Gentransfer in CD4-positive Zellen des peripheren Blutes erforderlich. Hierzu bieten sich vom murinen Leukämievirus (MLV) abgeleitete retrovirale Pseudotypvektoren an, die das Hüllprotein (Env) des HIV-1 oder des simianen Immundefizienzvirus der Afrikanischen Grünen Meerkatze (SIVagm) tragen und daher einen selektiven Gentransfer in CD4-positive Zielzellen bewirken (Transduktion). [MLV(SIVagm)]-Vektoren haben gegenüber [MLV(HIV-1)]-Vektoren den Vorteil, daß sie von Seren HIV-1-positiver Patienten nicht neutralisiert werden und daher auch in HIV-1-infizierten Patienten angewendet werden könnten. Jedoch kann aufgrund des Tropismus von SIVagm mit [MLV(SIVagm-wt)]-Vektoren nur die kleine Subpopulation der CCR5-positiven Zellen innerhalb der humanen CD4-positiven Lymphozyten (3 bis 15%) transduziert werden. Das Ziel dieser Arbeit war es daher, den Tropismus des SIVagm Env so zu modifizieren, daß auch die Mehrzahl der CD4-positiven Lymphozyten, die den CXCR4-Korezeptor exprimieren (70 bis 95%), transduziert werden kann. Hierzu wurde die putativ für die Korezeptorbindung verantwortliche V3- Loop-Region im Env des SIVagm durch die homologe Region eines CXCR4-tropen HIV-1-Stammes ersetzt. Mit diesem modifizierten Env gelang es, [MLV(SIVagm-X4)]- Pseudotypvektoren herzustellen, die spezifisch CD4/CXCR4-positive Zellen transduzieren können. Neben der Bedeutung für die Generation neuer Vektoren für die Gentherapie beweist dieses Ergebnis die bisher nicht gezeigte Äquivalenz der V3- Loops der Hüllproteine von HIV-1 und SIVagm für die Korezeptornutzung. Um die neuen [MLV(SIVagm)]-Vektoren charakterisieren zu können und für eine spätere Anwendung weiterzuentwickeln, wurden stabile Zellinien etabliert, die große Vektormengen mit Titern zwischen 6x103 und 7,6x105 i.E./ml produzierten. Mittels Ultrazentifugation konnten Vektorpräparationen mit Titern bis zu 108 i.E./ml hergestellt werden. Die neu generierten [MLV(SIVagm-X4)]-Vektoren erwiesen sich wie die [MLV(SIVagm-wt)]-Vektoren als resistent gegenüber der Neutralisierung durch Seren HIV-1-infizierter Spender und könnten damit in vivo angewendet werden. In Experimenten zur Bestimmung der Transduktionseffizienz in primären peripheren Blutlymphozyten humaner Spender konnte der selektive Gentransfer mittels [MLV(SIVagm)]-Vektoren in CD4-positive Zellen gezeigt werden, während herkömmliche, amphotrope Vektoren CD4-positive und -negative Lymphozyten gleichermaßen transduzierten. Beide [MLV(SIVagm)]-Vektoren erlaubten im Vergleich zu den eingesetzten amphotropen MLV-Vektoren eine höhere Transduktionseffizienz in CD4-positiven Zellen. Neben Zielzell-Spezifität und Effizienz ist die Sicherheit neuer Vektorsysteme entscheidend für die Anwendbarkeit in der humanen Gentherapie. Eine Übertragung replikationskompetenter Retroviren (RCR) gilt hierbei als das Hauptrisiko bei der Nutzung retroviraler Vektoren. Auch bei der Herstellung von [MLV(HIV-1)]- oder [MLV(SIVagm)]-Pseudotypvektoren könnten durch Rekombinationsereignisse in den Verpackungszellen replikationsfähige Hybridviren entstehen. Bei der Untersuchung dieser Vektorsysteme wurde allerdings bisher keine spontane Bildung von RCR nachgewiesen. In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, durch molekulare Klonierung gezielt derartige Hybridviren zu generieren, um zu klären, ob solche Onko/Lenti-Hybridviren replikationsfähig sein können, zudem sollte gegebenenfalls das pathogene Potential dieser Viren untersucht werden. Dazu wurden die vollständigen Leserahmen des rev- und des env-Gens des HIV-1 bzw. SIVagm anstelle des MLV env-Gens in das Genom eines infektiösen molekularen Klon des MLV inseriert. Die Klonierungsstrategie wurde dabei so gewählt, daß alle notwendigen mRNAs gebildet werden konnten. Die Hybridvirusklone waren nach Transfektion in 293T-Zellen tatsächlich in der Lage, neben den MLV-Genen auch HIV-1 bzw. SIVagm env und rev funktionell zu exprimieren. Es konnten infektiöse Partikel nachgewiesen werden, die das Hybridvirusgenom auf Zielzellen übertragen konnten. In den infizierten Zielzellen wurde jedoch nur die Expression von MLV/SIVagm nachgewiesen werden. Keines der beiden Hybridviren erwies sich als replikationskompetent. Dies deutet darauf hin, daß die Bildung replikationskompetenter Onko/Lenti-Hybridviren unwahrscheinlich ist. Mit den [MLV(SIVagm)]-Vektoren steht somit ein Vektorsystem zur Verfügung, das sich für In-vivo-Anwendungen im HIV-infizierten Patienten eignet. Es konnte gezeigt werden, daß humane CD4-positive Lymphozyten mittels [MLV(SIVagm)]-Vektoren spezifisch, aber auch effizienter und sicherer transduziert werden als unter Verwendung bisher beschriebener amphotroper MLV-Vektoren.
Die somatische Gentherapie ist eine neuartige Therapieform, bei der Gensequenzen in Zielzellen eingebracht werden, um die verschiedensten Defekte auf molekularer Ebene zu beheben. Für die Entwicklung von Vehikeln, mit denen dieser Gentransfer effizient durchzuführen ist, werden in vielen Studien modifizierte Retroviren verwendet. Mit Hilfe des Transport- und Integrationsmechanismus der Retroviren ist es möglich das genetische Material stabil in das Genom der Zielzellen zu integrieren. Im Hinblick auf eine lebenslange Heilung bestimmter Erbkrankheiten können die retroviralen Vehikel auch zum Gentransfer in Stammzellen verwendet werden. Eine wichtige Rolle spielt die stabile Genexpression der eingeschleusten Sequenzen, um einen Therapieerfolg auf lange Sicht zu erreichen. In vielen Studien erfolgte jedoch eine Erniedrigung der Genexpression nach mehreren Wochen und auch das Ausbleiben der Transkription oder Translation des therapeutischen Gens konnte beobachtet werden. Das Abschalten therapeutischer Gene wird meist durch zelluläre Mechanismen hervorgerufen, hierzu gehören Methylierungen bestimmter Chromosomenabschnitte oder die Bindung von Repressormolekülen an Promotorregionen. Die Sequenzumgebung mit der das therapeutische Genmaterial in das Genom der Zielzellen integriert, ist somit besonders wichtig. Die viralen Sequenzen, die zum Einschleusen und für die Integration des therapeutischen Gens notwendig sind, tragen oft erheblich zur Expressionshemmung bei. Ein retroviraler Vektor, der nach Integration der proviralen DNA alle nicht benötigten viralen Sequenzen selbständig deletiert, würde störende Einflüsse durch umgebende Sequenzen vermindern. Das therapeutische Gen verbliebe mit wenigen viralen Sequenzen in der Zelle. Ein System, das nach Integration des therapeutischen Gens alle nicht erwünschten viralen Sequenzen selbständig und gezielt entfernt, stellt das entwickelte Cre/loxPVektorsystem dar. Dieser retrovirale Vektor enthält ein spezifisches Rekombinationssystem, das nach Integration der proviralen DNA in das Genom einer Zelle alle nicht benötigten viralen Sequenzen selbständig deletiert. Das therapeutische Gen verbleibt mit wenigen Sequenzen im Zielzellgenom. Störende Einflüsse durch transkriptionelles Silencing oder Translationshemmung durch umgebende Sequenzen werden damit vermindert. Die Anordnung der Gene und Sequenzen zur Entwicklung eines selbstdeletierenden Cre/loxP-Vektors wurde für die stabile Expression eines Markergenproduktes untersucht. Das modifizierte Gen des Nervenwachstumsfaktors LNGFR (LNGFR, engl. – Low Affinity Nerve Growth Factor Receptor) diente anstelle eines therapeutischen Gens als Modell für eine Proteinexpression in verschiedenen Zielzellen. In dieser Studie wurde ein konventionelles retrovirales Vektorsystem mit den entwickelten Cre/loxP-Vektoren verglichen. Beide Vektorsysteme integrierten das LNGFRD-Gen zusammen mit den nötigen viralen Sequenzen in das Genom der Zielzellen. Nach Integration des konventionellen Vektors blieb die Sequenzumgebung des LNGFRD-Gens erhalten. Durch das Cre/loxPVektorsystem konnten die störenden viralen Sequenzen durch den spezifischen Rekombinationsmechanismus entfernt werden und nur die LNGFRD-Expressionskassette verblieb mit wenigen Elementen im Genom der Zielzellen. Mit beiden Vektorsystemen konnte eine Expression des LNGFD-Rezeptors erreicht werden, wobei die zu erreichende Expressionshöhe des Rezeptor mit dem Cre/loxP-Vektorsystem zum Teil erhöht war, im Vergleich zum Kontrollsystem. Der Anteil an Zellen, die nach Gentransfer den LNGF-Rezeptor exprimierten, war nach einigen Modifikationen ebenfalls vergleichbar mit dem System des konventionellen Gentransfervektors. Die Verwendungsmöglichkeiten des entwickelten Cre/loxPVektorsystems sind auf vielen Gebieten denkbar. Retrovirale Vektoren werden zum einem zur Behandlung von monogenen Erbkrankheiten verwendet, bei denen das therapeutische Gen den Defekt des fehlerhaften Gens ausgleicht. Ein retroviraler Cre/loxP-Vektor könnte hierbei zu einer lebenslangen Expression des Genprodukts genutzt werden. Außerdem könnten Gene transferiert werden, die nur temporär exprimiert werden sollen. Hierzu könnte ein induzierbarer Cre/loxP-Vektor verwendet werden. Zur Bekämpfung von Krebs oder HIV werden Untersuchungen mit Apoptose-Genen und Suizid-Genen durchgeführt, die bei einer unerwünschten Immunreaktion mit Hilfe des Cre/loxPSystems eliminiert werden könnten. Für die Zell- und Gentherapie werden zur Zeit Studien zur kontrollierten Expansion von Stammzellen und Endothelzellen durchgeführt, wobei Genen verwendet werden, die diesen Zellen einen Proliferationsvorteil verschaffen. Die vollständige Abschaltung dieser Gene nach der Zellexpansion ist wünschenswert. Mit dem Cre/loxP-Vektorsystem könnte eine reversible Immortalisierung erzielt werden, was die Sicherheit einer späteren Transplantation erhöhen würde. Die Deletion weiterer viraler Sequenzen erhöht außerdem die Sicherheit des Gentransfers für eine erstrebenswerte lebenslange Integration von Gensequenzen. Die Möglichkeiten zur Mobilisierung eingeführter retroviraler Sequenzen durch Mutationen oder Rekombinationen mit endogenen Viren wird stark vermindert, da Elemente, wie das virale Verpackungssignal oder virale Genkassetten entfernt werden können. Der entwickelte Cre/loxP-Vektor ist außerdem ein selbstdeletierender Vektor, der nicht nur die spezifischen Bindestellen der loxP-Elemente enthält, sondern auch das CreGen zur Rekombination. Die spezielle Anordnung der Elemente zur Rekombination erlaubt nicht nur eine spezifische Rekombination, sondern auch die Deletion des Gens der CreRekombinase. Das Cre/loxPSystem deletiert sich somit selbständig, was einen weiteren Sicherheitsaspekt darstellt.
Zytotoxische T-Lymphozyten und natürliche Killer-Zellen sind hochspezialisierte Zellen des Immunsystems, die durch Sekretion der Serin-Protease Granzym B (GrB) und des membranolytischen Proteins Perforin Virusinfizierte, körperfremde oder auch Tumorzellen durch Induktion von apoptotischem Zelltod eliminieren. Während Perforin für die Aufnahme von Granzym B in Zielzellen verantwortlich ist, wirkt Granzym B im Zytosol als aktive Effektor-Caspase und spaltet Caspase-3 und andere zelluläre Caspasen sowie verschiedene zentrale Caspasen-Substrate. Granzym B aktiviert damit wie Caspase-3 Apoptose-Signalwege am unteren Effektorende und umgeht daher die meisten Kontrollmechanismen, die in Tumorzellen häufig dereguliert sind und zur Resistenz gegenüber klassischer Chemo- und Strahlentherapie führen. Beide Proteasen stellen damit vielversprechende Enzymaktivitäten für die Verwendung als Effektorfunktion in Tumorzell-spezifischen zytotoxischen Fusionsproteinen dar. In der vorliegenden Arbeit wurden rekombinante Formen von Granzym B und Caspase-3 hergestellt und daraufhin untersucht, ob beide Enzyme mit dem ErbB2-spezifischen "single chain" Antikörper scFv (FRP5) als Tumorzell-spezifischer Zellbindungsdomäne fusioniert werden können, ohne dadurch die Faltung der Proteasen zu verhindern, um eine gezielte Applikation in Tumorzellen und Eliminierung der Zellen durch Apoptose zu ermöglichen. Die Herstellung von Granzym B als rekombinantes Protein im präparativen Maßstab war bisher nicht in der Literatur beschrieben worden. In dieser Arbeit konnte humanes aktives Granzym B in der Hefe Pichia pastoris mit Ausbeuten von 1 bis 4 mg/l Kultur exprimiert werden. Zum Nachweis der enzymatischen Aktivität wurde ein in vitro Assays etabliert, bei dem rekombinante Procaspase-3 als Substrat für Granzym B eingesetzt wurde. Nach intrazellulärer Applikation mit einem synthetischen Transduktionsreagens induziert das gereinigte Protein Apoptose in HeLa Zellen. Wie für endogenes Granzym B in der Literatur beschrieben, wird rekombinantes Granzym B aus Pichia pastoris sehr schnell in HeLa Zellen aufgenommen, lokalisiert aber in vesikulären Strukturen, in denen die enzymatische Aktivität eingeschlossen ist. Aus verschiedenen Expressionskulturen wurden jedoch zwei unterschiedliche Proteine isoliert, die bei vergleichbarer molarer Masse und enzymatischer Aktivität in Zellen aufgenommen wurden bzw. nicht internalisierten, was darauf hinweist, daß eine posttranslationale Modifikation der Protease für die Bindung von Granzym B an Zielzellen verantwortlich ist. Während für die Freisetzung von Granzym B aus den Membranvesikeln und Induktion von Apoptose Perforin erforderlich ist, konnte in dieser Arbeit beobachtet werden, daß Kulturen verschiedener etablierter Tumorzellinien nach Behandlung mit Granzym B auch in Abwesenheit von Perforin-Aktivität auffallende morphologische Veränderungen zeigen, die mit dem partiellen Verlust des Kontakts zum Kultursubstrat verbunden sind. Dies deutet darauf hin, daß Granzym B auch extrazellulär auf Zellen einwirkt, indem es Komponenten der extrazellulären Matrix spaltet, und so indirekt Apoptose durch Anoikis induziert. Dieser Effekt ist jedoch für eine mögliche therapeutische Verwendung von Granzym B nicht von Bedeutung, da relativ hohe Proteinkonzentrationen erforderlich sind. Um Granzym B selektiv gegen Tumorzellen zu richten, wurden verschiedene Fusionen mit dem "single chain" Antikörper scFv(FRP5) sowie einer bakteriellen Translokationsdomäne von Exotoxin A oder Diphtherietoxin konstruiert und in E. coli oder Pichia pastoris exprimiert. Während verschiedene in E. coli hergestellte Fusionsproteine nicht enzymatisch aktiv waren, konnte im Überstand einer Pichia Expressionskultur volle-Länge GrB-scFv(FRP5) sowie Granzym B Aktivität nachgewiesen werden. Die Expressionsrate war allerdings so gering, daß eine präparative Isolierung nicht möglich war. Es konnte damit aber gezeigt werden, daß die Fusion heterologer Proteindomänen an den C-Terminus von Granzym B unter Erhalt der enzymatischen Aktivität prinzipiell möglich ist, während zusätzliche Peptidsequenzen am N-Terminus der Protease zumindest partiell zum Verlust der enzymatischen Aktivität führen. Aktive Caspase-3 besteht aus zwei Peptiden p12 und p17, die im aktiven Enzym ein Tetramer (p12 p17)2 bilden. Um Caspase-3 selektiv in Tumorzellen zu applizieren, wurden ebenfalls Möglichkeiten untersucht, eine der beiden Untereinheiten mit dem scFv(FRP5) als Tumorzell-spezifische Zellbindungsdomäne zu fusionieren. Während aus den beiden separat in E. coli exprimierten p12 und p17 Untereinheiten durch gemeinsame Rückfaltung enzymatisch aktive Caspase-3 rekonstituiert werden konnte, führte die Fusion heterologer Proteindomänen an den N- und C-Terminus der p12 Untereinheit sowie an den C-Terminus der p17 Untereinheit zum Verlust der enzymatischen Aktivität, wahrscheinlich aufgrund der Verhinderung der korrekten Faltung des Protease-Tetramers. Dagegen konnte an den N-Terminus der p17 Untereinheit eine bakterielle Translokationsdomäne unter Erhalt der enzymatischen Aktivität fusioniert werden; ein entsprechendes Konstrukt, das zusätzlich den "single chain" Antikörper scFv(FRP5) enthielt, wurde aber in E. coli vollständig degradiert. Nachdem die Idee, Granzym B oder aktive Caspase-3 zur selektiven Induktion von Apoptose in Tumorzellen für therapeutische Zwecke einzusetzen, bereits seit längerem diskutiert wird, es jedoch bisher praktisch nicht möglich war, entsprechende rekombinante Fusionsproteine in funktionaler Form herzustellen, liefern die Ergebnisse dieser Arbeit wichtige grundlegende Informationen, wie die weitere Entwicklung solcher Moleküle erfolgreich durchgeführt werden könnte.
Die Entwicklung neuer und Verbesserung bestehender Methoden zur theoretischen Beschreibung molekularer Systeme ist eine der wichtigsten Aufgaben der theoretischen Chemie, vor allem zur Berechnung elektronisch angeregter Zustände zur Simulation von Spektren. Das Ziel dieser Arbeit ist in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung des algebraisch-diagrammatischen Konstuktionsverfahrens (ADC), einer Methode zur Berechnung elektronisch angeregter Zustände, und die Bereitstellung effizienter Computerprogramme zum theoretischen Studium optischer Eigenschaften von "open-shell" Molekülen. Im Vordergrund stehen hierbei die physikalisch richtige Beschreibung von ladungsgetrennten Zuständen und solchen mit hohem Doppeltanregungscharakter. Verbesserte theoretische Methoden sind notwendig, da die zu berechnenden Systeme häufig für eine Beschreibung mit vorhandenen hochgenauen ab initio Methoden zu groß sind. Einfachere, durchführbare Methoden wie z.B. semi-empirische oder DFT-basierte Methoden, die es erlauben, sehr große Molekülsysteme mit mehr als 100 Atomen zu beschreiben, weisen häufig große, nicht vorhersagbare Fehler auf. Experimente im Forschungsgebiet angeregter Zustände von Molekülen finden spektroskopisch statt und erfordern auf der anderen Seite eine Unterstützung durch zuverlässige theoretische Voraussagen. Die Weiterentwicklung der Theorie ist also auch im allgemeinen Interesse der Chemie, Biologie und der anderen Naturwissenschaften. Teil 1 dieser Arbeit umfasst die Theorie, während in Teil 2 deren Anwendung auf ausgewählte Systeme zu finden ist. Nach einer allgemeinen Einführung in die Problematik und grundlegenden Methoden der Quantenchemie in Kapitel 1, wurde im ersten Teil von Kapitel 2 die Methode zur Berechnung angeregter Zustände und ihrer Eigenschaften vorgestellt, auf der diese Arbeit basiert, nämlich das algebraisch-diagrammatische Konstruktionsverfahren (ADC). Dabei sind Eigenschaften von ADC zu betonen, die es von den anderen Methoden unterscheidet. Zum einen werden in ADC alle angeregten Zustände energetisch zuverlässig beschrieben, das heißt Rydberg-, Ladungstransfer- und doppelt angeregte Zustände findet man im Anregungsspektrum an der richtigen Position. Andererseits ist die Methode eine der schnellsten zur Beschreibung doppelt angeregter Zustände (z.B. bei Polyenen) und eignet sich, deren Relevanz im Spektrum zu ermitteln. Denn die beiden Schemata ADC(2)-s und ADC(2)-x unterscheiden sich in der störungstheoretischen Behandlung doppelt angeregter Zustände um eine Ordnung, ADC(2)-s beschreibt sie in nullter Ordnung, ADC(2)-x in erster. Im folgenden Abschnitt stehen die ausführlichen Gleichungen des ADC-Verfahrens für unseren Computercode. Kapitel 2 wurde abgeschlossen durch die Gleichungen der Erweiterung von ADC zur Behandlung von "open-shell" Molekülen auf UADC. Kapitel 3 umfasst die Beschreibung der "intermediate state representation" (ISR), die zur Berechnung von Eigenschaften angeregter Zustände dient und die theoretische Herleitung des UADC-Verfahrens erlaubt. Am Anfang von Teil 2 in Kapitel 4 steht die Untersuchung der Genauigkeit und Zuverlässigkeit des neu entwickelten UADC-Verfahrens. Dabei wurden elf verschiedene, mittelgroße, aromatische Moleküle ausgewählt, zu denen in der Literatur auch experimentelle Daten zu Vergleichszwecken zu finden waren. Das Ergebnis ist sehr überzeugend und nur minimal aufwändiger als ADC. Kapitel 5 zeigt eine erste Anwendung von UADC auf größere Moleküle und stellt die Eigenschaft der Bestimmung von doppelt angeregten Zuständen von ADC und UADC noch einmal heraus. Der Vergleich der Polyene mit ihren "open-shell" Partnern, den Polyen-Radikalkationen und den neutralen Polyenylradikalen, zeigte, dass der Einfluss der Doppeltanregungen in den Radikalen kleiner ist, für eine exakte Beschreibung der angeregten Zustände ist er jedoch nicht zu vernachlässigen. Danach wurde eine Extraplation der angeregten Zustände von langkettigen Polyenen, Polyenradikalkationen und Polyenylradikalen vorgenommen, die den konjugierten pi-Systemen von Karotinoiden als Modellsysteme dienen. Die Beschreibung der Polyene bestätigte die experimentellen Vorhersagen zu Karotinoiden. Eine erste Anwendung der ISR bezüglich der Berechnung von Eigenschaften angeregter Zustände ist mit der Berechnung von Dipolmomenten angeregter Zustände in Kapitel 6 durchgeführt worden. Die Ergebnisse zeigen eine gute Übereinstimmung mit anderen Methoden und Messergebnissen. Eine weitere Anwendung der ISR ist die Berechnung von resonanten Zwei-Photonen-Absorptionsspektren, mit deren Hilfe spektroskopisch "dunkle" Zustände detektiert werden können. Die zur Berechnung notwendigen Übergangsdipolmomente zwischen angeregten Zuständen aus der ISR wurden dazu in einer sogenannten "sum-over-states" Näherung verwendet. Eine mögliche andere Berechnung über einen geschlossenen Ausdruck mit Hilfe der ADC-Näherung ist noch nicht implementiert.
Das Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung und Synthese von spaltbaren Linkern. Dabei wurden zwei unterschiedliche Themengebiete bearbeitet: 1) Entwicklung eines enzymatisch spaltbaren Safety-Catch-Linkers, der eine flexible Modifizierung ermöglicht für den potentiellen Einsatz zur zielgerichteten Zellaufnahme von (Antisense-)Oligonukleotiden. 2) Entwicklung eines Fluorid-spaltbaren Linkers für die reversible Fluo¬reszenz¬markie¬rung von Triphosphaten zum Einsatz in einer neuen Methode der DNA-Sequenzierung. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein neuer, variabler enzymatisch spaltbarer Safety-Catch-Linker entwickelt und es wurden drei Derivate synthetisiert. Die drei neuen Safety-Catch-Linker sind über Amid- bzw. Esterbindungen an die 5' Position von 2' Desoxythymidin angebunden und sind Substrate für zwei unterschiedliche Enzyme. Zwei der synthetisierten Derivate des Linkers sind Substrate der Penicillin G Acylase und eins ist ein Substrat für die Pyroglutamyl Aminopeptidase I. Sie wurden hinsichtlich ihrer Spaltungs- und Stabilitätseigenschaften intensiv untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Ester-verknüpften Linker für eine Anwendung unter physiologischen Bedingungen geeignet sind. Es wurden kinetische Spaltungsexperimente durchgeführt und dabei eine sehr effektive enzymatische Spaltung durch das entsprechende Enzym beobachtet. Es wurde außerdem der Mechanismus einer, bei höheren pH-Werten beobachteten, nicht-enzymatischen Spaltung aufgeklärt. Darüber hinaus konnte das sehr basenlabile, mit Pyroglutamyl Aminopeptidase I spaltbare Derivat unter Anwendung einer aminoschutzgruppenfreien Oligonukleotidsynthesemethode erfolgreich in ein Antisense-Oligonukleotid eingebaut werden. Für das EU-Projekt „ArraySBS“ wurde im Rahmen dieser Arbeit ein neuer, hoch effizient mit Fluoridionen spaltbarer Linker für die reversible Anbindung eines Fluoreszenzfarbstoffs an die Baseneinheit eines Nukleotids entwickelt. Die spaltbare Einheit des Linkers basiert auf dem Strukturmotiv der 2-Cyanoethylgruppe, als Spacer zwischen dem Nukleotid und dem Fluoreszenzfarbstoff wurde eine Triglykoleinheit verwendet. Die Spaltungseigenschaften wurden an einer Modellverbindung, einem modifizierten Nukleosid und einem immobilisierten Oligonukleotid intensiv untersucht. Dabei wurde eine vollständige Spaltung mit 1 M TBAF in THF in weniger als einer Minute gefunden und die erwartete beta-Eliminierung als Spaltungsmechanismus bestätigt. Mit Hilfe des entwickelten Linkers wurden vier neue, Fluoreszenz-markierte, reversible Terminatoren in sehr hoher Reinheit hergestellt und analytisch eindeutig identifiziert. Dabei handelt es sich um ein Fluorescein-markiertes 2'-Desoxyuridin Derivat, ein Cy3-markiertes 2' Desoxycytidin, ein Cy5-markiertes 2'-Desoxyguanosin und ein TexasRed-markiertes 2' Desoxyadenosin Derivat. Diese wurden dann in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern des EU Projekts erfolgreich durch eine DNA-Polymerase in DNA-Template eingebaut und in einem ersten Anwendungsexperiment an immobilisierten Hairpin-Templaten in zwei Sequenzierungszyklen eingesetzt.
Nach der Entdeckung und strukturellen Aufklärung des Ribosoms war bekannt, dass neben den Proteinen auch regulatorische RNA Sequenzen für die Steuerung biologischer Prozesse im Organismus verantwortlich sind. Dazu zählt unter anderem das trans-activation responsive element (TAR) aus HIV-1, welches am terminalen 5' Bereich (1-59) aller HIV-1 mRNAs eine identische bulge-loop Struktur ausbildet. Die basale Trans-kription des integrierten HIV Promotors ist in Abwesenheit des viralen trans-activator of transcription (Tat) sehr gering (und abhängig von zellulären Transkriptionsfaktoren). Sobald Tat exprimiert wird, bindet es zusammen mit dem humanen positive trancription elongation factor b (p-TEFb) spezifisch an TAR und aktiviert die Transkriptionsrate des viralen Genoms und die Bildung von volllängen Transkripten drastisch. Die Notwendigkeit der Tat-vermittelten Aktivierung als Grundlage einer funktionierenden HIV Replikation macht dieses System zu einem hoch interessanten Target für eine antivirale HIV Therapie. Basierend auf der Hemmung des Tat/TAR Komplexes wurde in den vergangen Jahren eine Reihe von Verbindungen identifiziert, die zwar in-vitro eine inhibierende Wirkung zeigten, aber keine von ihnen konnte bis jetzt als Therapeutikum Verwendung finden. So wäre die noch ausstehende Entdeckung eines effizienten Tat Antagonisten, der ohne die zelleigene Transkription zu beeinträchtigen eine Reduzierung der Virusreplikation von 80 - 90 % akut infizierter Zellen bewirkt, ein bedeutender Durchbruch in der HIV Forschung. Durch eine längere Behandlung von chronisch infizierten Zellen könnte so die Transkription des viralen Genoms abgeschaltet und dadurch eine Eliminierung latenter HIV Reservoirs ermöglichen werden.
Das Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung neuartiger TAR Liganden, zunächst auf Grundlage eines nicht auf Strukturmodellen beruhenden Ligandenscreenings, gefolgt von einem strukturbasierten Ligandendesign. Bei der Suche nach potentiellen Wirkstoffen, beschränkte man die Auswahl der untersuchten Verbindungen auf Guanidin- und Amidinanaloga. Dazu zählten einfache Guanidinderivate mit unterschiedlichen aromatischen Resten sowie heterocyclische Verbindungen, wie Isochinoline, Chinazoline, Perimidine und Phenanthridine. Die Bindungsaffinitäten dieser Wirkstoffkandidaten in Bezug zu TAR wurden über einen FRET Assay nach Matsumoto[1] bestimmt. Eine Auswahl an Verbindungen wurde zudem über eine NMR Titration charakterisiert (AK Schwalbe). Dadurch konnte beobachtet werden, an welcher Position die Liganden mit der TAR RNA in Wechselwirkung treten. Bei diesen Untersuchungen zählten 1,7-
Diaminochinolin (IC50 = 150 µM), 2,4,6-Triaminochinazolin (IC50 = 40 µM) sowie 6,8-Diaminophenanthridin (IC50 = 15 µM) zu den aktivsten Verbindungen.
Um eine Aussage über die Bindungsposen treffen zu können, wurde mittels HF-docking Methoden die Komplexgeometrie energetisch optimiert. Ausgehend von diesen Bindungsmodellen entwickelte man eine Leitstruktur, die als Grundlage eines strukturbasierten Ligandendesigns diente. Im Fokus stand hierbei die Entwicklung einer GC-Basenpaar erkennenden Untereinheit. Mit 3,5-Diamino-9-methyl-3,4,9,10-tetrahydro-1H-pyrrolo[3,4-b]phenanthridin-8(2H)-on (IC50 = 45 µM) konnte ein Ligand identifiziert werden, der im NMR Titrationsexperiment ausschließlich am Basenpaar G26/C39 von TAR eine Verschiebung der Iminoprotonen induzierte. In einem weiteren Projekt versuchte man eine Selektivitätssteigerung durch simultane Adressierung zweier Bindungsstellen zu erreichen. Nachdem im NMR Experiment gezeigt werden konnte, dass 2,4,6-Triaminochinazolin mit hoher Affinität an zwei verschiedenen Bereichen der RNA bindet, wurden eine Reihe dimerer 2,4,6-Triaminochinazolinderivate mit unterschiedlich langen Linkern hergestellt. Mit diesem Ansatz gelang es den hoch affinen Liganden N6,N6'-(1,4-phenylenbis(methylen))bis(chinazolin-2,4,6-triamin) (IC50 = 150 nM) zu identifizieren.
Die Suche nach neuen Zielmolekülen und Wirkstoffen für die Schmerztherapie ist eine unerlässliche Aufgabe, um Nebenwirkungen heutiger auf dem Markt befindlicher Schmerzmedikamente entgegenzuwirken. Ein vielversprechendes Ziel - als Alternative zu cyclooxigenasehemmenden Medikamenten (tNSDAIDs und Coxibe) - ist die mikrosomale Prostaglandin E-Synthase 1 (mPGES-1). In dieser Arbeit wurden zwei Substanzklassen rund um die Benzensulfonamid-Leitstruktur FR4 und die Quinazolinon-Leitstruktur FR20 aufgebaut. Die Benzensulfonamidklasse enthält 32 Derivate, die Klasse der Quinazolinone 24 Derivate. Beide Strukturklassen konnten durch chemische Modulation an verschiedenen Resten erweitert werden. Durch strukturelle Variationen konnte die Aktivität der FR4-Klasse von initial 14 µM auf 0,8 µM (FR4-Dev28) optimiert werden. In der FR20-Klasse konnten zahlreiche equipotente Derivate gefunden werden. Beide Klassen zeigten eine niedrige Toxizität (ab etwa 100 µM) und konnten auch auf zellulärer Ebene den PGE2-Level konzentrationsabhängig reduzieren. In humanen Vollblutversuchen wurde die Kreuzreaktivität dieser Substanzen auf andere Eicosanoide untersucht. Beide Klassen konnten auch hier den PGE2-Level reduzieren. Ein Prostanoidshunting in Folge der mPGES 1-Hemmung konnte dabei nicht festgestellt werden. Darüber hinaus wurde eine dualinhibitorische Funktion der Benzensulfonamide beobachtet. Neben der mPGES-1 wurde auch das 5LOX-vermittelte LTB2-Level reduziert. Dieser Effekt trat bei den Quinazolinonen nicht auf. Neben der humanen mPGES-1 wurde auch der Einfluss auf das murine Enzym untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die Hemmung von der Wahl der Klasse abhängt: Benzensulfonamide hemmen die murine mPGES-1, Quinazolinone nicht. Damit konnte erstmals eine Strukturklasse mit dualinhibitorischer (mPGES-1/5LOX) und speziesübergreifender Hemmung (human/murin) beschrieben werden. Untersuchungen an erstellten Homologie-Modellen der humanen und murinen mPGES-1 zeigten Unterschiede der Bindetaschen der beiden Spezies. PLIF-Analysen der beiden Strukturklassen deckten verschiedene Bindungsmuster auf. In vivo-Pharmakologische Untersuchungen von FR4-Dev6 zeigten eine sehr schnelle Resorption ins Blut (tMax = 10 min) sowohl nach intraperitonealer als auch nach oraler Applikation, gefolgt von einer raschen Verteilung in zahlreiche Organe. Hohe Konzentrationen wurden im Gastrointestinaltrakt und der Niere gemessen, beides Organe, in denen PGE2 eine physiologische Funktion ausübt. Die Konzentration fiel bereits nach 30 min in allen Organen wieder stark ab, ein basaler Level war aber noch nach sechs Stunden mit der eigens entwickelten LC-MS/MS-Methode detektierbar. Eine antiinflammatorische Wirkung in einem Zymosan-induzierten Entzündungsmodell konnte nicht bestätigt werden, da die gewählte Formulierung bereits den PGE2-Level stark reduzierte. Eine starke Akkumulation von FR4-Dev6 konnte aber im Pfotenödem gemessen werden. Die umfassende Charakterisierung der vorgestellten Substanzklassen hat neben grundlegenden Struktur-Aktivitätsbeziehungen neue Einsichten in die Wirkungsweise von mPGES-1-Inhibitoren geliefert. Diese Ergebnisse können in Zukunft für weitere Entwicklungen von neuartigen, verträglicheren Analgetika, Antiphlogistika und Antipyretika mit dem Zielmolekül mPGES-1 genutzt werden.
Der lentivirale Gentransfer in humane blutbildende Stammzellen ist in Hinblick auf eine kurative Gentherapie von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des hämatopoetischen Systems und er Krebstherapie von Bedeutung. Die Fähigkeit, sowohl zu proliferieren als auch in alle hämatopoetische Linien zu differenzieren, macht die pluripotenten CD34 - Stammzellen zu einem idealen Ziel für die dauerhafte Präsenz von Transgenen. Der Erfolg einer Gentherapie ist nicht nur abhängig von der Effizienz des Transfers des therapeutischen Gens in hämatopoetischen Stammzellen, sondern auch von der dauerhafte Expression des Transgens. Ein Modell zur Entwicklung einer somatischen ex vivo Gentherapie in hämatopoetischen Stammzellen ist die chronische Granulomatose (CGD). Die Krankheit beruht auf der genetisch bedingten Fehlfunktion der NADPH-Oxidase und ist mit wiederkehrenden, schweren und lebenslang auftretenden Infektionen verbunden. Eindringende Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien werden aufgenommen, können jedoch in den phagozytierenden Vakuolen nicht abgetötet werden, da keine Sauerstoffradikale, Wasserstoffperoxid oder Folgeprodukte gebildet werden. Eine somatische Gentherapie, die eine autologe Knochenmarktransplantation mit genetisch modifizierten Zellen vorsieht, könnte CGD-Patienten die Möglichkeit einer kurativen Therapie eröffnen. Als Grundlage für die Entwicklung einer lentiviralen Gentherapie wurden zunächst lentivirale Vektoren konstruiert und mit diesen die Bedingungen der transienten Transfektion im Hinblick auf einen hohen Virustiter optimiert. Diese Vektoren wurden auf Basis des humanen Immundefizienzvirus (HIV) konstruiert und waren alle aufgrund von Deletionen in 3´ LTR selbst-inaktivierend. Das bedeutet, daß nach der reversen Transkription kein viraler Promotor mehr enthalten war, und damit die Transgen-Expression über einen internen Promotor initiiert wurde. Der pSIN-GFP Vektor enthielt grünes Fluoreszenzprotein (GFP) als Markergen und einen internen Cytomegalievirus(CMV)-Promotor. Durch Austausch der Promotor- /"Enhancer"-Sequenzen in der 5´LTR entstand der pCGWS Vektor, der unabhängig vom Tat- Transaktivator war. Die Expressionsrate konnte durch Insertion des posttranskriptionell regulatorisch wirkende Element (WPRE), das hinter das Transgene kloniert wurde, erhöht werden. Der pCIGWS Vektor wurde durch Einfügen einer multiple Klonierungsstelle und eine interne ribosomale Eintrittsstelle (IRES) zwischen dem internen Promotor und dem Transgen generiert. Dieser Vektor erlaubte jedoch nicht, wie gewünscht, die gleichzeitige Detektion der Expression eines Transgens und des Markerproteins. Die im Rahmen der Optimierung der Transfektionsbedingungen wurden unterschiedliche Verhältnisse der zur Virusproduktion notwendigen drei Plasmide zueinander ausgetestet. Die beobachteten Schwankungen des Virustiters waren bei den gewählten Verhältnissen nicht signifikant. Mit der Erhöhung der DNA-Menge an Hüllprotein Plasmid konnte auch in diesem Versuch eine vermehrte Bildung von Synzytien beobachtet werden, die sich negativ auf den Titer auswirkte. Die Behandlung der Transfektionsansätze mit Natriumbutyrat (NaBut) ergab eine deutliche Steigerung des Virustiters, wobei die Steigerung nicht mit dem Titer, der ohne NaBut erreicht wurde, korrelierte. Im Experiment zur Untersuchung des Einflusses von verschiedenen Kulturmedien auf den Titer, wurden für die verwendeten Medien keine großen Unterschiede festgestellt. Bei den Experimenten zur Konzentrierung von infektiösen Viruspartikeln haben sich Ultrazentrifugation, "Low Speed"-Zentrifugation und Anionenaustauschchromatographie als Methoden bewährt. Mit diesen Verfahren konnten konzentrierte Viruslösungen generiert werden, die sehr hohe Transduktionseffizienzen auf Zellinien zeigten. Mit den angereicherten Viruspartikellösungen konnten auch CD34 -Stammzellen erfolgreich transduziert werden. Im Hinblick auf Angaben aus der Literatur konnten vergleichbare Transduktionseffizienzen erzielt werden, wobei hier fast ausschließlich ultrazentrifugierter Virusüberstand verwendet wurde. Mit der Etablierung des chromatographischen Verfahrens zur Anreicherung von Viren konnte ein alternatives System aufgezeigt werden. Am Modell der X-chromosomal gebundenen chronischen Granulomatose (X-CGD) konnte durch lentiviralen Transfer eines therapeutischen Gens (gp91phox) die funktionelle Rekonstitution der NADPH-Oxidase nachgewiesen werden. Dazu wurden lentivirale Vektoren konstruiert, die gp91phox als therapeutisches Gen enthielten. In molekularbiologischen Untersuchungen konnte zum einen die Integration des Transgens und zum anderen eine hohen Expression des gp91phox-Proteins gezeigt werden. In der durchflußzytometrische Untersuchung konnte für weniger als die Hälfte Zellen einer Modellzellinie (X-CGD PLB-985-Zellen) eine Transduktion nachgewiesen werden. In den funktionellen Untersuchungen wurde eine Rekonstitution der NADPH-Oxidase Aktivität von 80% und mehr im Vergleich zu PLB-985-Wildtypzellen detektiert. Die hohe funktionelle Rekonstitution bei geringer Transduktionseffizienz war auf eine hohe Expression aufgrund von Mehrfachintegration des Transgens zurückzuführen. Die Untersuchungen mit den lentiviralen gp91phox-Vektoren haben gezeigt, daß diese gute Voraussetzungen für die Entwicklung einer somatischen Gentherapie für CGD-Patienten mitbringen. Studien mit CD34 -Zellen und Stammzellen von X-CGD Patienten sind im weiteren notwendig, um die therapeutische Relevanz zu belegen. Neben der Fortentwicklung des Vektors muß auch die Methodik zur Generierung und Anreicherung der viralen Partikel, sowie das Transduktionsprotokoll der Stammzellen weiter optimiert werden.
Entwicklung von Methoden zur Konformationsanalyse supramolekularer Komplexe in Kraftfeldprogrammen
(2003)
Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wurde mit dem SUPRA-Algorithmus ein Verfahren zur Berechnung der Struktur Supramolekularer Komplexe programmiert und in das Kraftfeldprogramm MOMO implementiert. Bei der Konformationsanalyse Supramolekularer Komplexe ergibt sich das Problem, dass die Anzahl der notwendigen Rechenschritte mit der Größe der zu berechnenden Struktur, genauer mit der Anzahl vorhandener Torsionsfreiheitsgrade, exponentiell ansteigt. Dieses Problem wurde umgangen, indem die Rechnung in drei kleinere Abschnitte aufgeteilt wurde. Es werden nacheinander drei Konformationsanalysen durchgeführt. Zuerst erfolgt jeweils eine Konformationsanalyse für die beiden beteiligten Einzelmoleküle. Deren Strukturen dienen dann wiederum als Eingabe für die dritte, eigentliche Konformationsanalyse des Supramolekularen Komplexes. Ziel dieser Arbeit war dann unter anderem zu überprüfen, ob trotz der Vereinfachungen diese Vorgehensweise effiziente Ergebnisse liefert. Zu Beginn wurden Berechnungen für den Komplex Adenin-Uracil durchgeführt, die Resultate stimmten mit experimentell gefundenen Paarungsmustern (Watson-Crick, reverse Watson- Crick, Hoogsteen, reverse Hoogsteen) überein. Eine weitere Rechnung am Komplex Cytosin- Guanin fand als Ergebnis Watson-Crick- und reverse Watson-Crick-Paarung. Die besten Ergebnisse wurden unter Verwendung des Ladungsmodells von Gasteiger und Marsili sowie der Wasserstoffbrücken-Potenzialfunktion von Vedani und Dunitz ohne Berücksichtigung der van-der-Waals-Wechselwirkungen erhalten. Diese Kraftfeldeinstellungen wurden im weiteren Verlauf der Arbeit als die optimalen Parameter für den SUPRA-Algorithmus beibehalten. Anschließend wurden zwei Komplexe fluormodifizierter Basenpaare berechnet, um die in einem RNA-Duplex experimentell aufgefundenen C-H...F-C-Brücken rechnerisch zu reproduzieren. Nur für eines der beiden Basenpaare konnte dieses Wasserstoffbrücken- Bindungsmuster erhalten werden, für das andere Dimer wurde die erwartete Struktur nicht gefunden. Es sollte deshalb der gesamte RNA-Duplex berechnet werden. Hierzu war das Programm MOMO nur sehr bedingt geeignet, und zwar sowohl was den Aufbau des Doppelstranges betraf als auch die Energie- und Geometrieberechnung. Trotz umfangreicher Versuche gelang es nicht, die Doppelhelixstruktur im Verlauf der Energieminimierung beizubehalten. Durch Anpassung der Kraftfeldparameter konnte aber eine stark aufgeweitete Helixstruktur berechnet werden, in welcher die modifizierten Basen nach dem experimentell gefundenen Muster gepaart waren. Außerdem wurde der SUPRA-Algorithmus anhand eines Dipyridon-Komplexes auf seine Fähigkeit getestet, Moleküle mit mehreren Torsionsfreiheitsgraden zu berechnen. Hier ergab sich wegen der konformationellen Flexibilität eine Rechenzeit von über drei Wochen. Das Ergebnis der Rechnung stimmte gut mit der experimentell gefundenen Struktur überein. Am Beispiel zweier Komplexe selbstkomplementärer Diketopiperazine sowie eines Komplexes aus N,N'-Di(tert-butyl)-melamin und 5,5-Dimethylbarbitursäure wurden Rechnungen von Komplexen aus mehr als zwei Molekülen durchgeführt. Es zeigte sich eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse mit den bekannten Kristallstrukturen. Als letztes wurden anhand zweier selbstkomplementärer Acetylhydrazon- und dreier Diketon- Diol-Komplexe fünf unbekannte Strukturen doppelt wasserstoffbrücken-gebundener Dimere vorhergesagt. Anschließend sollte jeweils die Kristallstruktur bestimmt und mit dem Ergebnis der Vorhersage verglichen werden. Im Fall der Diketon-Diol-Komplexe gelang bisher keine Züchtung eines entsprechenden Mischkristalls, sondern die beteiligten Komponenten kristallisierten einzeln aus. Bei den zwei Acetylhydrazonen dagegen konnten Kristalle erhalten werden. Eine der Kristallstrukturen wies das mit dem SUPRA-Algorithmus vorhergesagte Dimer auf. Im Verlauf der Arbeit zeigte sich des Öfteren, dass die gewählte Strategie, die Anzahl der Startstrukturen bei der Konformationsanalyse zu begrenzen, um ein exponentielles Ansteigen der Rechenschritte zu verhindern, erfolgreich war. Mehrmals fanden sich als Ergebnis der Rechnung Strukturen von komplexgebundenen Molekülen, die sich stark von der Startkonformation eines Einzelmoleküls unterschieden, so zum Beispiel im Falle des Dipyridon-Komplexes oder der Diketon-Diol-Komplexe. Für die Zukunft sind weitere Kristallisationsversuche der Acetylhydrazone geplant, um eventuelle Polymorphe aufzufinden, bei denen sich auch eine Übereinstimmung mit der zweiten vorhergesagten Struktur zeigt. Weiterhin ist beabsichtigt, die Packungsenergien der gefundenen Kristallstruktur sowie einer theoretischen Kristallstruktur, die in ihrem Wasserstoffbrückenbindungs-Muster der mit MOMO gemachten Vorhersage entspricht, zu berechnen und zu vergleichen. Durch Einführung verschiedener Liganden in das Acetylhydrazon und Vergleich der daraus resultierenden Packungsmuster sollen Regeln über die den Kristallisationsprozess bestimmenden Einflussfaktoren abgeleitet werden. Weiterhin soll eine Reihe von anderen Verbindungsklassen synthetisiert, strukturell untersucht und berechnet werden, um so weitere Vergleiche zwischen theoretischen Vorhersagen und Kristallstruktur anstellen zu können. Für das Programm MOMO wäre wünschenswert, den Multipol-Ansatz in die Vollversion zu integrieren, um eine exaktere Berechnung von Basenstapelungs- und anderen p-p- Wechselwirkungen zu erreichen. Darüber hinaus sollte eine Parametrisierung des von S. Monz verbesserten Abraham-Ladungsmodells vorgenommen werden. Beides würde zu einer Verbesserung der Beschreibung intermolekularer Wechselwirkungen führen, welche für den SUPRA-Algorithmus relevant sind.
Außergewöhnliche Fortschritte in der Human- und Mausgenetik führten zur Charakterisierung einer Vielzahl von krankheitsrelevanten Mutationen, die entweder natürlich auftreten oder über genetische Manipulation im Tiermodell erzeugt wurden. Die nahezu vollständige Sequenzierung der Genome von Mensch und Maus im Rahmen der internationalen Sequenzierungsprojekte ebnete den Weg für groß angelegte, internationale Mutagenese-Programme, die zum Ziel haben jedes einzelne Gen funktionell zu charakterisieren. Der hierfür bevorzugte Organismus ist die Maus, weil der Aufbau des Mausgenoms dem menschlichen Genom sehr ähnlich ist und weil für die Maus embryonale Stammzellen (mES Zellen) existieren, die ohne Einschränkung ihres pluripotenten Status in Gewebekultur genetisch manipuliert werden können. Darüber hinaus lassen sich mES Zellen über Blastozysteninjektion in Mäuse konvertieren. Dadurch können die Folgen von in vitro gesetzten Mutationen im Kontext eines Gesamtorganismus analysiert werden. Die so genannte „Knock out“ Maus ist ein weit verbreitetes Tiermodell, das nicht nur Genfunktionen in vivo offenbart, sondern auch die Modellierung humaner genetischer Erkrankungen ermöglicht. Außergewöhnliche Fortschritte in der Human- und Mausgenetik führten zur Charakterisierung einer Vielzahl von krankheitsrelevanten Mutationen, die entweder natürlich auftreten oder über genetische Manipulation im Tiermodell erzeugt wurden. Die nahezu vollständige Sequenzierung der Genome von Mensch und Maus im Rahmen der internationalen Sequenzierungsprojekte ebnete den Weg für groß angelegte, internationale Mutagenese-Programme, die zum Ziel haben jedes einzelne Gen funktionell zu charakterisieren. Der hierfür bevorzugte Organismus ist die Maus, weil der Aufbau des Mausgenoms dem menschlichen Genom sehr ähnlich ist und weil für die Maus embryonale Stammzellen (mES Zellen) existieren, die ohne Einschränkung ihres pluripotenten Status in Gewebekultur genetisch manipuliert werden können. Darüber hinaus lassen sich mES Zellen über Blastozysteninjektion in Mäuse konvertieren. Dadurch können die Folgen von in vitro gesetzten Mutationen im Kontext eines Gesamtorganismus analysiert werden. Die so genannte „Knock out“ Maus ist ein weit verbreitetes Tiermodell, das nicht nur Genfunktionen in vivo offenbart, sondern auch die Modellierung humaner genetischer Erkrankungen ermöglicht. Mit dem Ziel Kranheitsgene ihren Signalwegen zuzuordnen wurde in dieser Dissertation ein in situ Proteinmarkierungssystem entwickelt, das Hochdurchsatz-proteomik in mES Zellen ermöglicht. Das System beinhaltet die Einführung einerProteinmarkierungskassette in mES Zellen, die konditionale FlipROSAβgeo-Genfal-lenintegrationen in proteinkodierenden Genen enthalten. Weil die Konditionalität der FlipROSAβgeo-Genfallenkassette auf einem sequenzspezifischen Rekombinations-mechanismus beruht, kann diese postinsertionell über Rekombinase-vermittelten Kassettenaustausch (RMCE) durch eine Proteinmarkierungskassette ersetzt werden. Das hierfür entwickelte Konstrukt entspricht einem durch 5’ Spleißakzeptor- und 3’ Spleißdonorsequenzen definierten dizistronischen Exon, in dem ein Hygromyzin-Resistenzgen über eine P2A Polyproteinspaltungssequenz mit einem für das egfp (enhanced green fluorescent protein) kodierenden nLAP-Tag (N-terminal localization and affinity purification) verbunden ist. Eine erste Validierung dieses Exons in einem retroviralen Genfallenansatz ergab, dass sämtliche in Hygromyzin selektierte und auf DNA-Kassettenintegrationen untersuchte Klone nLAP-markierte Proteine exprimierten. Im Folgenden wurden in den GGTC (German Gene Trap Consortium) und EUCOMM (European Conditional Mouse Mutagenesis Project) mES Zellressourcen Genfallenintergationen identifiziert, die sich für eine RMCE vermittelte, N-terminale in situ Proteinmarkierung eignen. Als kompatibel wurden Genfallenklone klassifiziert, die eine FlipROSAβgeo-Integration im ersten Intron eines proteinkodierenden Gens aufweisen, wobei diese Integration sowohl hinter einem ersten nichtkodierenden, als auch hinter einem ersten kodierenden Exon liegen kann. Allerdings darf im letzteren Fall die kodierende Sequenz keine funktionale Domäne enthalten und muss kurz genug sein, um bei Verlust nicht mit der endogenen Proteinfunktion zu interferieren. Auf diesen Kriterien basierend wurden in den GGTC und EUCOMM Ressourcen 25.130 Proteinmarkierungs-kompatible Genfallenklone identifiziert, die 3.695 mutierten Genen entsprechen. Hiervon wurden acht für die Validierung der RMCE-vermittelten Proteinmarkierungsstrategie ausgewählt. In jedem Fall gelang es die Genfallen-kassette mit dem Proteinmarkierungsexon zu ersetzten. Sowohl der Genfallen-, als auch der RMCE-Proteinmarkierungsansatz führte ohne Ausnahme zur Expression nLAP-Tag markierter Proteine, wobei in allen 13 untersuchten Klonen die Größe der markierten Proteine derjenigen der entsprechenden nativen Proteine mit zusätzlichem Marker entsprach. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass die physiologische Expression der markierten Proteine sich von denen der Wildtypproteine in der Regel nicht unterscheidet und für Lokalisations- und massenspektrometrische Interaktionsstudien ausreicht. Darüber hinaus spiegelten 90% der hier untersuchten markierten Proteine das subzelluläre Lokalisationsmuster der entsprechenden nativen Proteine wider. Ähnlich verhielt es sich mit den Interaktionspartnern der jeweiligen Proteine, die sich aus bereits bekannten, aber auch noch bisher unbekannten Proteinen zusammensetzen. Insgesamt wurden in dieser Dissertation die Voraussetzungen zu einer Hochdurchsatzproteomanalyse in mES Zellen geschaffen. Während der RMCE-Ansatz die Markierung von über 3.600 Proteinen in mES Zellen ermöglicht, eignet sich der Genfallenansatz neben der Proteinmarkierung in murinen auch für die Markierung von Proteinen in humanen Zellen. In dieser Hinsicht ist die Markierung von Proteinen in humanen ES Zellen und in reprogrammierten Stammzellen (iPS) von Patienten mit unterschiedlichsten Erkrankungen besonders attraktiv, weil damit sowohl Spezies- als auch Krankheitsspezifische Unterschiede im Ablauf individueller Signaltransduktionskaskaden definiert werden können.
Eine in vivo Modifizierung von Blutstammzellen wäre für eine Reihe gentherapeutischer Therapieansätze vorteilhaft. Dies würde voraussetzen, dass retrovirale Vektoren gezielt auf Blutstammzellen ausgerichtet werden können. Für dieses sogenannte Zelltargeting bietet sich das vom Milznekrose-Virus von Vögeln (SNV) abgeleitete Vektorsystem an, bei dem die Rezeptorbindungsdomäne des Env-Proteins modifiziert werden kann. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollte ein SNV-basierter retroviraler Zelltargeting-Vektor entwickelt werden, der einen selektiven Gentransfer in die primären humanen CD34-positiven hämatopoetischen Zellen ermöglicht. Zur weitergehenden Charakterisierung des SNV-Vektorsystems sollte geklärt werden, ob das Env-Protein des SNV ein mit anderen gamma-retroviralen Env-Proteinen vergleichbares R-Peptid aufweist, dessen mögliche Rolle bei viralem Zelleintritt ebenfalls untersucht werden sollte. Um eine Zielzell-Spezifität des SNV-Vektors zu erreichen, wurde die gesamte SU-Domäne des SNV-Env-Proteins mit einem einkettigen Antikörperfragment (scFv) ersetzt, das gegen das CD34 Molekül gerichtet ist,. Mit diesem modifizierten Env gelang es, [(antiCD34-TM)SNV]-Vektorpartikel herzustellen, die spezifisch CD34-positive Zellen transduzierten. Essentiell für die Erzeugung solcher Vektoren war die Etablierung einer stabilen Verpackungszelllinie, die Vektorpartikel mit einem Titer von 2x105 i.E./ml produzierte. In Transduktionsexperimenten mit verschiedenen Zelllinien wurde gezeigt, dass [(antiCD34-TM)SNV]-Vektoren eine deutliche Präferenz für CD34+-Zellen und nicht für CD34--Zellen besitzen, wobei der Unterschied in der Transduktionseffizienz zwischen CD34-positiven und –negativen Zellen um den Faktor 100 lag. [(antiCD34-TM)SNV]-Vektoren waren in der Lage, den Reportergentransfer auch in primäre humane Stammzellen zu bewirken. Hierzu wurde ein Transduktionsprotokoll so optimiert, dass die aus dem Nabelschnurblut isolierten CD34+-Zellen transduziert werden konnten. Der für diese Zielzellen bestimmte Vektortiter betrug bis zu 2x106 i.E./ml. In einem Gemisch von primären CD34+- und CD34--Zellen konnte der Vektor zwischen dem Target- und Nontarget-Zellen unterscheiden. Somit wurde zum ersten Mal nicht nur Spezifität, sondern auch Selektivität des SNV-Vektorsystems demonstriert. Dieses Ergebnis ist für eine Weiterentwicklung des Vektors für die in vivo Anwendung in Rahmen einer Gentherapie eine wichtige Voraussetzungen. Im zweiten Teil der Arbeit wurde der Fusionsvorgang bei Virus-Eintritt näher untersucht. Anlass dafür war die experimentelle Beobachtung, dass das Env-Protein des SNV bei der Virusknospung von einer viralen Protease innerhalb der zytoplasmatischen Domäne proteolytisch gespalten wird. Ein Sequenz-Vergleich des SNV TM-Proteins mit dem MLV TM-Protein ergab Hinweise darauf, dass es sich um die Abspaltung des sogenannten R-Peptides analog zu MLV handeln könnte. Die Expression von SNV-Env- Mutanten mit einem entsprechend verkürzten C-Tail (Env delta R) führte zur Synzytien-Bildung. Die bildung hochfusogener Oberflächenhüllproteine durch die Abspaltung des R-Peptids konnte auch für andere gamma-Retroviren gezeigt werden. Die Synzytienbildung konnte quantitativ unter den Env delta R-Varianten verschiedener gamma-Retroviren in einem etablierten Fusionsassay verglichen werden. Das Env delta R des endogenen Retrovirus des Schweins (PERV) des Typs A erwies sich als potentestes Fusionsagens. Als Folge der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurde postuliert, dass die Abspaltung des R-Peptides ein allgemeiner Mechanismus bei der Partikelreifung der gamma-Retroviren ist und eine fusionsregulierende Rolle besitzt. Eine Weiterentwicklung fusionsaktiver Env-Varianten als mögliche therapeutische Gene für eine Tumor-Gentherapie ist somit diskutierbar.
In der vorliegenden Dissertation wurden Antikörperfragmente, um sie zu oligomerisieren, an alpha-Helixbündel rekombinant fusioniert und die Fusionsproteine sowie deren Produktion untersucht. Dabei wurde durch Fusion eines Fv-Antikörperfragmentes an das trimere alpha-Helixbündel "Coil-Ser" das Fusionsprotein "Fv7E2-CS" entwickelt. Wegen der Fusion an Coil-Ser liegt das Ev-Fragment selbst in trimerem Zustand vor und kann auch sein Antigen, eine Cytochrom-c-Oxidase aus Paracoccus denitri/icans, binden und dadurch trimersieren. Antikörper gehören zur Immunabwehr der Wirbeltiere und sind Proteine, die in den Organismus eingedrungene, fremde Moleküle als "Antigene" spezifisch binden. Im momentan stark expandierenden Forschungsgebiet des "Antikörper-Designs" werden Antikörper und ihre Fragmente modifiziert, was besonders für die Entwicklung medizinischer Diagnostiken und Therapien vielversprechend ist. Eines der vielen Ziele ist die Steigerung der Bindungsaffinitäten, was unter anderem über die Vervielfältigung der natürlichen Bindestellen innerhalb eines künstlichen Antikörpermoleküls erreicht werden kann. Weiterhin möchte man Bindestellen gegen unterschiedliche Antigene in einem einzigen Antikörpermolekül vereinen, um dem Antikörper komplexere Funktionsfähigkeiten zu verleihen. Beide Ziele können durch Oligomerisierung der bindenden Antikörperfragmente verwirklicht werden. Zur künstlichen Oligomerisierung von Antikörperfragmenten wurde, neben anderen Strategien, die rekombinante Fusion an alpha-Helixbündel bereits einige Male erfolgreich angewandt. alpha-Helixbündel bestehen aus zwei bis etwa acht alpha-helikalen, längsseitig miteinander oligomerisierenden Peptidketten und können auch in natürlichen Proteinen als Oligomerisierungseinheiten fungieren. In der vorliegenden Dissertation wurden drei Fv-Antikörperfragmente und ein SchwerkettenAntikörperfragment mit drei verschiedenen alpha-Helixbündeln in unterschiedlichen Kombinationen rekombinant fusioniert und anschließend ihre Produktion und Funktion untersucht. Als Helixbündel zum Einsatz kamen das heterotetramere alpha-Helixbündel des neuronalen "SNARE"-Komplexes, die homo- als auch mit "Fos" heterodimerisierende Helix des AP-1-Transkriptionsfaktors ".Jun" und das synthetische, antiparallel homotrimerisierende Peptid "Coil-Ser". Die Expressionsprodukte vieler Fusionen konnten in Zellaufschlüssen mit Western Blots gefunden werden, nur einige aber ließen sich mit Affinitäts-Chromatographie in geringen Mengen (<0,1 mg/L Kultur) anreichern. Andere Produkte, bzw. bei einigen Fv-Fragmenten die Untereinheiten mit Peptid, waren durch die Fusion in ihrer Produktion deutlich gestört bis gar nicht vorhanden. Alle drei an Coil-Ser fusionierten Ev-Fragmente ließen sich in Mengen bis 0,5 mg/L Kultur anreichern. In der Gelfiltration zeigten sie sich mit vollständig assoziierten Untereinheiten, als auch mit vergrößerter, apparenter Molmasse im Vergleich zu den Fv-Fragmenten ohne fusioniertes Peptid. Von zweien der Coil-Ser-Fv-Fragmente konnte Antigenbindung beobachtet werden und davon bei Fv7E2-CS die Entstehung eines Fv-Antigen-Komplexes mit einer gegenüber dem ursprünglichen Antigen-Komplex sehr stark vergrößerten apparenten Molmasse. Mit analytischer Ultrazentrifugation wurde die Oligomerisierungsfähigkeit von Fv7E2-CS näher untersucht und für das ungebundene Fv-Fragment sowie für seinen Antigen-Komplex eine Massenkomponente mit im Vergleich zum jeweiligen Monomer dreifacher Molmasse gefunden. Für die Probe des Fv7E2-CS alleine wurde dabei ein Anteil an Komponenten trimerer Größenordnung von gut 95% ermittelt, also nahezu Homogenität, und in der Probe des Antigen-Komplexes zu 35 - 50 % Komponenten trimerer, sonst monomerer Größenordnung. Die Ursache für den niedrigeren Anteil an trimeren Komponenten in der Probe des Komplexes könnte hauptsächlich das hier vorhandene Detergenz sein, welches für das als Antigen fungierende Membranprotein Cytochrom-c-Oxidase nötig ist. Denn schon für das Fv7E2-CS alleine wurde in Kontrollen mit Detergenz eine Verringerung des Anteils an trimerer Komponente bzw. seiner mittleren Molmasse festgestellt. Das Fv-Fragment Fv7E2 ohne Peptid als auch dessen Antigen-Komplex zeigten in der Ultrazentrifuge keine bzw. nur unbedeutende Anteile an trimeren Massenkomponenten. Die Experimente deuten somit daraufhin, daß durch die Fusion des trimerisierenden Peptides Coil-Ser an Fv7E2 sowohl die Trimerisierung des Fv-Fragmentes, als auch bei Bindung des Antigens dessen Trimerisierung bewirkt wird. Das alpha-Helixbündel Coil-Ser ist folglich potentiell in der Lage, als Oligomerisierungseinheit für Fv-Antikörperfragmente eingesetzt zu werden. Wegen der aus Röntgenstrukturanalysen bekannten und für in Lösung prognostizierten Antiparallelität der Peptide im Coil-Ser-Bündel werden für die drei Fv-Fragmente bzw. die drei Bindestellen im Coil-Ser-Fusionsprotein einander entgegen-gesetzte Orientierungen vermutet, was für spätere Anwendungen von Bedeutung ist.
Erkrankungen des hämatopoietischen Systems treten oft als Folge balancierter chromosomaler Translokationen auf. Dabei ist das MLL Gen auf Chromosom 11 Bande q23 in zahlreiche reziproke chromosomale Translokationen involviert. Alle diese Veränderungen sind entweder mit einer akuten myeloischen oder lymphatischen Leukämie assoziiert. Translokationen mit Beteiligung des MLL Gens - mit Ausnahme der Translokation t(9;11) - werden aufgrund ihrer schlechten Therapierbarkeit und schlechten Prognose als Hochrisiko- Leukämien eingestuft. Das häufigste Partnergen ist das AF4 Gen (42% aller MLL Translokationen) auf Chromosom 4 Bande q21. Die daraus resultierende Translokation t(4;11) ist mit einer akuten lymphatischen Leukämie (pro-B ALL) assoziiert und tritt gehäuft bei Säuglingen und Kleinkindern auf. Das Resultat der Translokation t(4;11) ist letztendlich die Entstehung zweier reziproker Derivatchromosomen, die die beiden Fusionsgene MLL•AF4 und AF4•MLL kodieren. Welcher Mechanismus die Entstehung der Leukämie hervorruft, konnte bis heute nicht ausreichend geklärt werden. Basierend auf den Daten anderer MLLassoziierter Translokationen, dass ausschließlich das Derivat 11 Fusionsprotein onkogene Effekte vermittelt, wurde das Fusionsprotein MLL•AF4 intensiv erforscht. Erst Ende 2008 gelang es einer amerikanischen Arbeitsgruppe in einem Mll•AF4 knock-in Mausmodell den Krankheitsphänotyp einer AML bzw. einer prä-B ALL auszulösen. Allerdings exprimieren 80% aller t(4;11)-Patienten auch das reziproke AF4•MLL Fusionstranskript und die restlichen 20% tragen komplexe Aberrationen zwischen MLL, AF4 und einem dritten oder sogar einem vierten Partnergen. Deshalb befassen sich die Studien unserer Arbeitsgruppe hauptsächlich mit dem reziproken AF4•MLL Fusionsprotein. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass das AF4•MLL Fusionsprotein in den Zellen akkumuliert und dadurch onkogene Ereignisse auslöst, welche letztendlich in der Wachstumstransformation der Zellen resultieren. Aufgrund dieser Daten war davon auszugehen, dass das AF4•MLL Fusionsprotein ebenfalls einen entscheidenden Beitrag bei der Entstehung der Leukämie leistet. Um das leukämogene Potential der beiden Fusionsproteine MLL•AF4 und AF4•MLL in einem Mausmodell weiter zu untersuchen, wurde zunächst ein retrovirales Transduktionssystem in BA/F3-Zellen etabliert. Dabei wurden BA/F3-Zellen sowohl einzeln mit MLL•AF4 oder AF4•MLL als auch mit beiden Fusionsgenen der Translokation t(4;11) cotransduziert. Nachdem die Funktionalität der beiden Expressionskassetten, durch full-length Integration und durch Transkription erfolgreich nachgewiesen werden konnte, erfolgten erste Transduktions-/Transplantationsexperimente in Mäusen. Dafür wurden Lin-/Sca-1+ aufgereinigte Knochenmarkzellen mit retroviralen Überständen von MLL•AF4 und AF4•MLL einzeln- als auch co-transduziert. Mäuse denen MLL•AF4- oder Mock-transduzierte Lin-/Sca-1+-Zellen transplantiert wurden, entwickelten über einen Beobachtungszeitraum von 13 Monaten keinerlei Anzeichen einer leukämischen Erkrankung. Im Gegensatz dazu resultierte die Transplantation von AF4•MLLoder co-transduzierten Lin-/Sca-1+-Zellen in der Entwicklung einer leukämischen Erkrankung innerhalb von 7 Monaten. Anhand pathologischer Parameter, sowie durch histochemische, molekulare als auch durchflusszytometrische Analysen konnten drei verschiedene Immunophänotypen identifiziert werden. Die Expression des Fusionsproteins AF4•MLL resultierte in der Ausprägung des Phänotyps einer pro-B ALL oder einer B/T biphänotypischen akuten Leukämie (B/T BAL). In Anwesenheit beider Fusionsproteine der Translokation t(4;11) entwickelte sich ebenfalls eine B/T BAL oder einer Mixed Lineage Leukemia (MLL). Retransplantationsexperimente mit den primären leukämischen Blasten zeigten, dass die drei verschiedenen Krankheitsphänotypen stabil transplantierbar sind, wobei sich die Latenzzeit erheblich verkürzte. Damit wurde zum ersten Mal der Beweis erbracht, dass das Fusionsprotein AF4•MLL auch allein ohne die Gegenwart des Fusionsproteins MLL•AF4 in der Lage ist eine leukämische Erkrankung auszulösen. Aufgrund dieser Daten, vorausgehenden Studien unserer Arbeitsgruppe sowie den Studien zum Fusionsprotein MLL•AF4 ist davon auszugehen, dass der pathomolekulare Mechanismus der Translokation t(4;11) auf zwei Onkoproteinen basiert.
Etablierung, Charakterisierung und Anwendung eines In-vitro-Zellkulturmodells der Blut-Hirn-Schranke
(2001)
Es wurde durch die Optimierung der Isolierung und Kultivierung von cerebralen mikrovaskulären Endothelzellen (BCEC) ein in vitro-Zellkulturmodell der Blut-Hirn-Schranke (BHS) etabliert, das bezüglich seiner Permeabilitäts-Charakteristiken spezifische und herausragende Eigenschaften aufwies. Nach Abschluss der Etablierungs- und Optimierungsphase konnten im bovinen System wiederholt und reproduzierbar transendotheliale elektrische Widerstände (transendothelial electrical resistance, TEER) von zum Teil deutlich oberhalb 1000 Ohm mal cm hoch 2 erzielt werden, und die parazelluläre Permeabilität der bovinen BCEC-Monolayer für Sucrose lag annähernd auf dem niedrigen Niveau hochimpermeabler MDCK-Epithelzell-Monolayer und der entsprechenden in vivo-Parameter. Die per se niedrige Permeabilität des in vitro-BHS-Zellkulturmodells konnte sowohl durch Erhöhung des intrazellulären cAMP-Spiegels der BCEC als auch durch Kokultur der BCEC-Monolayer mit C6-Glioma- Zellen zusätzlich deutlich verringert werden. In Kombination konnte dabei ein TEER von über 3000 Ohm mal cm hoch 2 erzielt werden, einem Wert, der deutlich über dem TEER cerebraler pialer Kapillaren in vivo (1000-2000 Ohm mal cm hoch 2) liegt und in BHS-Zellkultursystemen bisher nicht einmal annähernd erreicht wurde. Der Vergleich des im Rahmen dieser Arbeit etablierten in vitro-BHS-Modells mit gut etablierten und charakterisierten BHS-Modellen bestätigten eindeutig dessen hohe Qualität und herausragende Eigenschaften. Im Rahmen eines indirekt-Kontakt-Kokultursystems konnte in zahlreichen Experimenten eindeutig und reproduzierbar gezeigt werden, dass eine Kokultur von postkonfluenten bovinen oder humanen BCECMonolayern mit humanen Makrophagen zu einer durch deutliche Erhöhung des TEER nachweisbaren Verringerung ihrer Permeabilität führte. Die bei den BCEC durch die Makrophagen induzierte TEER-Erhöhung war mit der durch die Kokultur mit C6-Glioma-ZeIlen bewirkten vergleichbar. Eine proinflammatorische Stimulation der Makrophagen vor Beginn der Kokultur zeigte keine eindeutige Beeinflussung ihrer Wirkung auf die mit ihnen kokultivierten BCEC-Monolayer. Eine Infektion der Makrophagen mit zwei verschiedenen HIV-1-Isolaten zeigte trotz Vorhandenseins einer produktiven HIV-1-lnfektion keine Auswirkung auf die von ihnen bewirkte TEER-Erhöhung bei den kokultivierten BCEC-Monolayer, es konnten diesbezüglich keine Unterschiede zwischen uninfizierten und infizierten Makrophagen festgestellt werden. Eine Erhöhung des intrazellulären cAMP-Spiegels führte bei den mit Makrophagen kokultivierten BCECMonolayern wie bei den mit C6-Glioma-Zellen kokultivierten BCEC-Monolayern zu einer zusätzlichen Steigerung des TEER. Die Inhibition der Adenylat-Cyclase und verschiedener Protein-Kinasen (Protein-Kinasen A, C, G und MLCK) zeigte keine Auswirkung auf die von Makrophagen bewirkte TEER-Erhöhung bei den kokultivierten BCEC-Monolayern; die Aktivierung der Protein-Kinase C führte zu dem gleichen Ergebnis. Die Inhibition der Phospholipase C und der Ca2~-vermittelten Aktivierung des Calmodulins zeigte ebenfalls keine Auswirkung auf die durch die Makrophagen- beziehungsweise C6-Kokultur bewirkte TEER-Erhöhung bei den BCEC-Monolayern. Eine Beteiligung der untersuchten Signaltransduktionswege an dem von Makrophagen oder 06 ausgeübten Einfluss auf die BCEC erscheint somit unwahrscheinlich. Der Befund, dass hämatogene Makrophagen in der Lage sind, bei kultivierten BCEC BHS-spezifische Eigenschaften zu induzieren und/oder aufrechtzuerhalten, ist überaus bemerkenswert, da diese Wirkung bislang ausnahmslos Zellen neuroektodermalen Ursprungs (beispielsweise Astrocyten) sowie glialen Zelllinien zugeschrieben wurde. Hämatogene Makrophagen oder davon abgeleitete Zellen des Hirnparenchyms könnten damit ein Teil der Mikroumgebung sein, die in vivo die charakteristischen Eigenschaften von Hirnendothelzellen modulieren, beispielsweise in Form der perivaskulären Mikrogliazellen, die in engem Kontakt mit den cerebralen Blutgefäßen stehen und höchstwahrscheinlich durch aus dem Blutstrom in das Gehirn einwandernde Monocyten/Makrophagen kontinuierlich ersetzt werden. Das in vitro-BHS-Zellkulturmodell wurde weiterhin für pharmakologische Studien eingesetzt, um den Einfluss von Nanopartikeln, die als potentielle brain targeting-Trägersysteme für Arzneistoffe diskutiert werden, auf die Barriere-Eigenschaften postkonfluenter cerebraler Endothelzellen zu untersuchen. Dabei zeigte sich, dass die Zugabe verschiedener Nanopartikel-Präparationen zu postkonfluenten BCECMonolayern zu einer deutlichen und konzentrationsabhängigen Erhöhung deren Permeabilität für Elektrolyte und makromolekulare Substanzen führte.
Evaluierung der zellfreien Produktion sekundär aktiver Transporter für die Proteinkristallisation
(2013)
Hintergrund: In den letzten Jahren ist der Diabetes mellitus zunehmend in den Fokus des weltweiten Interesses gerückt. Zahlreiche Arbeiten konnten eindrucksvoll aufzeigen, dass der Diabetes mellitus mit einer erhöhten Morbidität, einer verringerten Lebensqualität und Lebenserwartung sowie mit enormen Kosten für den einzelnen sowie die Gesellschaft verbunden ist. Um dieser „Lawine“ entgegenzutreten, sind in den letzten Jahren zahlreiche Anstrengungen unternommen worden. Eine war die Einführung zahlreicher neuer Wirkstoffe und Wirkstoffklassen, wie beispielsweise der kurzwirksamen Insulinanaloga. Aus pathophysiologischer Sicht bieten die Insulinanaloga gegenüber dem entsprechenden kurzwirksamen Humaninsulin zahlreiche Vorteile. Seit Einführung des ersten kurzwirksamen Insulinanalogas steht aber auch die Frage im Raum, ob und in wie weit die erheblichen Mehrkosten, die eine Therapie mit Insulinanaloga im Vergleich zu kurz wirksamem Humaninsulin verursachen, durch einen Zusatznutzen gerechtfertigt sind. Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2006 sowie eine Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2005 bescheinigten den kurzwirksamen Insulinanaloga nur einen geringen bzw. keinen Zusatznutzen im Vergleich zu Humaninsulin. Werden neben dem IQWiG-Bericht weitere Quellen herangezogen, die Aussagen zum Nutzen von Medikamenten machen, wie beispielsweise Leitlinien, finden sich zum Teil widersprüchliche Aussagen, obwohl alle zuvor genannten Publikationen für sich in Anspruch nehmen, die Grundlagen der Evidence based Medicine zu berücksichtigen. Sowohl innerhalb der primären (Klinische Studien) und sekundären (Metaanalysen, HTAs, Leitlinien) klinischen Evidenz, als auch im Vergleich zu Studien zur Pharmakokinetik und –dynamik herrscht eine Diskrepanz, die weiterer Analysen im deutschen Versorgungskontext bedarf. Methodik und Daten: Es wurde ein systematischer Review zu Metaanalysen über den Vergleich von kurzwirksamen Insulinanaloga vs. kurzwirksamem Humaninsulin wie auch zu Leitlinien hinsichtlich Empfehlungen zur Anwendung von kurzwirksamen Humaninsulin bzw. Insulinanaloga in der Evidenz und Versorgungsrealität von kurzwirksamen Insulinanaloga in der Behandlung des T2DM 3 Behandlung von Typ-2-Diabetikern durchgeführt. Die identifizierten Publikationen wurden nach internationalen Kriterien und mit Methoden der EbM bewertet. In einem zweiten Schritt, wurde die Versorgungsrealität, abgebildet über Routinedaten der Gesetzlichen Krankenversicherung Gmünder ErsatzKassse, untersucht. Hierfür wurden sowohl die Stammdaten, Arzneimitteldaten, Stationäre- und ambulante Daten sowie Daten aus den Disease Management Programmen verwendet. Die Identifikation von Typ-2-Diabetikern die erstmals ein kurzwirkendes Insulin nutzten, erfolgte über ein mehrstufiges Prinzip, welches eine Erweiterung der „internen Diagnosevalidierung“ nach Ferber und Kollegen darstellt. In einem abschließenden dritten Schritt werden die Ergebnisse aus dem deutschen Versorgungskontext mit den Angabenaus der publizierten klinischen Evidenz abgeglichen. Ergebnisse: Neben dem Abschlussbericht des IQWiG konnten über die systematische Evidenzrecherche zwei weitere systematische Reviews inklusiver Metaanalyse sowie 16 Leitlinien identifiziert und in die Untersuchungen eingeschlossen werden. Im Vergleich der verschiedenen Datensätze zeigt sich eine große Diskrepanz zwischen Studienpatienten auf der einen und Patienten im deutschen Versorgungskontext auf der anderen Seite. Insgesamt konnte die vorliegende Arbeit die nicht ausreichende Evidenzbasis für einen Zusatznutzen der Analoga erneut bestätigen und weiteren Forschungsbedarf aufzeigen. Fazit: Die kurzwirksamen Insulinanaloga sind nur ein Beispiel für Arzneistoffe (-klassen), bei denen Fragen zur Kosten-Nutzen-Relation aufgrund hoher Tagestherapiekosten und eines geleichzeitig beschränkten Budgets der GKV relevant sind. Die Zukunft unseres Gesundheitssystems wird mit davon abhängen, wie das Verfahren der Kosten-Nutzen-Bewertung konkret in Deutschland umgesetzt wird bzw. wie der Marktzugang geregelt werden soll. Eine Grundbedingung ist hierbei, dass die Versorgungs- wie auch die Outcomeforschung in Deutschland ausgebaut, der Umgangmit fehlenden Daten umfassend diskutiert wird und die verfügbaren Daten stärker miteinander verknüpft werden.
Die vorliegende Arbeit hat die Charakterisierung und Untersuchung des Stabilitätsverhaltens von
Parvulustat (PL), einem Homologen des α-Amylase-Inhibitors Tendamistat, zum Inhalt. Zur
weitreichenden Charakterisierung wurden verschiedene Proteinregionen des Parvulustats der CTerminus,
das hydrophobe Cluster, die Disulfidbrücken sowie die Proline auf ihren jeweiligen
Einfluss auf die Struktur und die thermodynamische Stabilität untersucht. In der vorliegenden
Zusammenfassung werden die Ergebnisse dieser Studien komprimiert präsentiert:
· Charakterisierung des Parvulustat-Wildtyps
Es galt vorweg herauszufinden, wie sich der Inhibitor unter nativen und denaturierten
Bedingungen verhält, um Rückschlüsse auf seine Merkmale und Strukturen zu ziehen. Die
erzielten Ausbeuten und die hohe Reinheit des isolierten Parvulustats erlaubten eine umfassende
Charakterisierung, einschließlich zahlreicher Kristallisationsexperimente, die vermuten lassen,
dass eine Kristallisation möglich sein sollte. Aufgrund der Tatsache, dass die Struktur des
Parvulustats bis 2009 unbekannt war, wurde die sekundäre Struktur mittels Circulardichroismus
und Fluoreszenzspektroskopie untersucht. Die Analyse des fernen UV-CD-Spektrums bei pH 7,0
und 25°C offenbarte eine „all-b-sheet“ Protein-Struktur. Mittels Fluoreszenzspektroskopie wurde
deutlich, dass die aromatischen Aminosäuren exponiert vorliegen. Um zunächst einen Einblick in
die Strukturveränderungen und die thermodynamische Stabilität zu erhalten, wurde der
temperaturinduzierte Entfaltungsübergang mittels CD-Spektroskopie verfolgt. Das Angleichen der
bei 230 nm gemessenen CD-Daten nach der linearen Extrapolations-Methode für eine
Zweizustands-Faltung ergab einen Tm-Wert von 82°C und D H(Tm) von 201,6 kJ/mol. Die
beträchtlichen Werte veranschaulichen die hohe Stabilität des Parvulustats. Eine aus den CDMessungen
bei 50° ergebende Übergangskurve zeigte, dass sich die Sekundärstruktur mit einem
Übergangsmittelpunkt bei 5,62 M GdnHCl kooperativ und reversibel entfaltet. Das Protein
entfaltet sogar infolge einer pH-Wert-Senkung bis auf pH 1 nicht vollständig, sondern es wechselt
direkt in einen Säure-Zustand („acid-state“). Dieser Zustand zeigt spektroskopisch die gleichen
Eigenschaften wie das native Protein, wobei die volle Inhibierungs-Aktivität nicht erhalten bleibt.
In sehr basischem Milieu bei pH 14 nimmt Parvulustat einen alkalisch denaturierten
Zwischenzustand IB an, der sich erheblich von dem GdnHCl-denaturierten, dem säurebehandelten
oder vom „molten globule“ Zustand unterscheidet. Allgemein behielt Parvulustat
über ein breites pH-Wert Spektrum (1,0-10,0) die native Struktur, bzw. eine „native like“ Struktur,
was erneut auf die enorme Stabilität des Proteins hindeutet. Die von Rehm et al. (Rehm et al.,
Theoretischer Teil
-4-
2009) aufgeworfene Hypothese des „induced fit“ Inhibierungsmechanismus des Parvulustats
konnte durch die in dieser Arbeit durchgeführten Experimenten bekräftigt werden. Mittels
Sekundärstrukturbestimmungen des Parvulustats unter Komplexbildung mit der a-Amylase
konnte eindeutig gezeigt werden, dass strukturelle Veränderungen am Inhibitor im Komplex
vorliegen. Durch zahlreiche Tests konnte festgestellt werden, dass die WRY-Region des
Parvulustats sich der Struktur der a-Amylase anpasst. Die Komplexierung des Parvulustats
bewirkte aber eine thermodynamische Destabilisierung der Inhibitor-Struktur.
· Einfluss des C-Terminus auf die Stabilität des Parvulustats
Um die Ursachen für die hohe Stabilität des Parvulustats auch im Vergleich zu Tendamistat (Tm:
79°C) zu finden, wurde der Einfluss des hoch flexiblen C-Terminus untersucht. Die Derivate mit
um zwei (PL-2AA), vier (PL-4AA) und sieben (PL-7AA) Aminosäuren verkürztem C-Terminus
wurden isoliert und analysiert. Die Entfaltungstemperaturen der verkürzten Derivate des
Parvulustats sinken mit abnehmender Zahl der Aminosäuren. Die Ergebnisse suggerieren, dass
der C-Terminus des Parvulustats eine entscheidende Rolle in der strukturellen Vollständigkeit des
Proteins während der thermischen Entfaltung spielt und damit auch in der Faltung (Tab.: 2.1). Der
Vergleich der Inhibitoraktivitäten der verkürzten Proteine mit dem nativen Parvulustat ergibt für
die Varianten PL-2AA und PL-4AA eine dem Wildtyp ähnliche Aktivität. Die Variante PL-7AA
weist eine leicht verringerte Aktivität auf.
Tabelle 2.1: ...
Einfluss hydrophober Oberflächenclustern auf Stabilität und Faltung
des Parvulustats
Parvulustat besitzt in der Mitte des ersten b-Faltblatts, um die Position 22 liegend, einen
hydrophoben Oberflächencluster. Wie mit Hilfe von Substitutionsexperimenten in dieser Region
gezeigt werden konnte, ist die thermodynamische Stabilität des Parvulustats in hohem Maße von
der Bildung dieses kleinen aber wichtigen hydrophoben Kerns bestimmt. Demnach muss das b-
Faltblatt I und das b-Hairpin I eine entscheidende Rolle in der Faltung von Parvulustat spielen.
Position 22 ist in zweierlei Hinsicht für die Stabilität des Parvulustats wichtig: einerseits durch die
energetisch wichtigen Wasserstoffbrückenbindungen und zum zweiten steuert die Stelle zur
Formation des hydrophoben Kerns bei. Die Daten suggerieren, dass es auch eine
thermodynamische Kopplung zwischen dem hydrophoben Effekt und der Präsenz von
Wasserstoffbrückenbindungen geben könnte. Zumindest aus der Sicht der Stabilität ist es
eindeutig, dass interatomare Interaktionen wie Wasserstoffbrückenbindungen, van-der-Waalsund
Dipol-Dipol-Wechselwirkungen notwendig sind, um eine stabile Bildung von b-Faltblättern
in Parvulustat und seinen Derivaten zu verwirklichen.
· Der Effekt der Proline auf die Stabilität des Parvulustats
Der Effekt der Substitution des Prolins durch Alanin an verschiedenen Positionen des Parvulustats
wurde ebenfalls untersucht. Im Ganzen betrachtet führt auch die Mehrfachsubstitution von Prolin
zu keiner nennenswerten strukturellen Veränderung im Parvulustat. Die durchgeführten
thermischen Entfaltungsexperimente bestätigen diese Beobachtungen. Alle Einzelmutanten (P5A,
P42A, P48A, P72A) zeigten eine höhere thermische Stabilität als der Wildtyp (Abb. 2.1).
Abbildung 2.1: Tm-Werte des Parvulustat-Wildtyps und seinen Prolin Mutanten.
Theoretischer Teil
-6-
Die fast gleich bleibenden Tm-Werte bzw. die Erhöhung der Stabilität des Parvulustats sind durch
die strukturelle Fluktuationen zu erklären, denn die rigide XAS-Pro-Bindung wurde durch die
flexible XAS-Ala-Bindung ersetzt.
· Der Einfluss der Disulfidbindung auf die Stabilität des Parvulustats
Der Einfluss der zwei Disulfidbrücken des Parvulustats wurde bezüglich Aktivität, spektraler
Eigenschaften sowie Stabilität untersucht. Hierfür wurden 25 Inhibitorvarianten mittels gezielter
Mutagenese gewonnen, in denen jeweils zwei Cysteinreste, die im natürlich vorkommenden
Parvulustat Disulfidbrücken bilden, durch andere Aminosäuren ersetzt wurden. Die Ergebnisse
zeigten, dass die Faltung Parvulustats ein zwei Zustand Verhalten besitzt, das außer in
Tendamistat in keinem anderen disulfid-verknüpftem Protein gefunden wurde. Dieses Verhalten
wurde durch die Entfernung von Disulfidbrücken nicht beeinflusst. Wie durch die CD- und
fluoreszenzspektroskopischen Experimente belegt werden konnte, ist die native Struktur des
Parvulustats durch die Entfernung der C43-C70-Disulfidbindung tiefgreifend verändert worden.
Passend zu den Veränderungen der Struktur haben die Mutationen schwerwiegende
Destabilisierungseffekte auf das Protein verursacht, was auch an der Erniedrigung der Freien
Gibbs Energie der Denaturierung und der Tm-Werte zu erkennen ist. Die Untersuchung des
Einflusses der Aminosäure-Substitution in den Positionen 43 und 70 auf die thermodynamische
Stabilität des Parvulustats führt zum Ergebnis, dass die Hydrophobizität und Polarität des Restes
70 einen bedeutenden Effekt auf die Stabilität des Proteins besitzt. Die Betrachtung der
thermodynamischen Daten macht deutlich, dass der Beitrag der freien Energie zur Stabilisierung
nicht nur abhängig von der eingeführten Aminosäure ist, sondern zum Teil auch von dem
strukturellen Kontext abhängt. Die Daten zeigen, dass die Substitution des Alanins an der Stelle
70 durch Leucin oder Threonin die Struktur um 0,3 bzw. 1,7 kJ/mol stabilisieren. Zusätzliche
Beiträge zum Unterschied bezüglich des ΔG°-Werts zwischen den Varianten C43AC70L/T und
C43L/TC70A können sich auch durch die unterschiedliche lokale Umgebung, wie z.B. die
Seitenketten von benachbarten Aminosäuren um die zwei Mutationsstellen ergeben. Der Tm-Wert
des Wildtyp-Proteins beträgt 82°C. Die Vergleiche dieser Größe mit der von der stabilsten
Cystein-defizitären Doppelmutante C43AC70T (47,3°C) ergibt eine Differenz von 34,7°C. Dieses
Ergebnis untermauert, dass die Disulfidbindung 2 eine extrem wichtige strukturelle Komponente
in der ungewöhnlich hohen Stabilität des Parvulustats darstellt.
Das Ziel der Arbeit war es dennoch die Daten der Stabilitäten einzelner Disulfidmutanten zu
sammeln und zu erfassen, um dadurch allgemeine Grundregeln für eine rationale Gestaltung der
Elimination beider Disulfidbrücken im Sinne einer vorhersagbaren Auswirkung auf die
Proteinstabilität zu bekommen.
Theoretischer Teil
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Der Versuch ein disulfidfreies Protein in großen Mengen aus S. lividans zu isolieren, stellte sich
aber als extrem schwierig dar. Nach der Änderung des Stamms des Wirtsorganismus
(Streptomyces lividans TK23), Erhöhung der Qualität der Protoplasten und der Expressions-
Bedingungen (19°C, 150 rpm) konnten auf dem SDS-Gel stärkere Banden des Derivats
C9AC25TC43AC70T-4AA beobachtet werden. Die Expression der Mutante
C9AC25TC43AC70L-4AA konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Die anschließende
Reinigung des Derivats C9AC25TC43AC70T-4AA des Parvulustats mittels Gelfiltration und RPHPLC
bzw. Isolierung des Proteins aus dem SDS-Gel brachte das erwünschte Produkt. Dieses
konnte mit der MALDI-Massenspektroskopie eindeutig nachgewiesen werden. Das aktive
Cystein-freie Derivat C9AC25TC43AC70T-4AA konnte auch auf dem a-Amylase Plattentest
nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass eine Expression und der Nachweis einer
cystein-freien Variante möglich sind, dennoch haben die Ausbeuten dieses Proteins für
weiterreichende Analytik nicht ausgereicht. Demnach sind die Disulfidbrücken für die Stabilität
und Struktur des Parvulustats von enormer Bedeutung dennoch sind sie nicht zwingend
erforderlich für die Aktivität und die Expression in S. lividans.
Der Ein-Elektron Transporter Adrenodoxin spielt in der Steroidhormonbiosynthese eine entscheidende Rolle. Bislang konnte der Elektronentransportmechanismus zwischen der Adrenodoxin-Reduktase und dem Cytochrom P450 mittels Adrenodoxin nicht eindeutig nachgewiesen werden. Um die molekularen Wechselwirkungen besser verstehen zu können wurden in der vorliegenden Arbeit strukturelle Untersuchungen am Rinderadrenodoxin durchgeführt. Nachdem es bereits 1998 gelang die Struktur des oxidierten Zustands des Adrenodoxins aufzuklären [Müller et al. 1998], sollte die Struktur des reduzierten Zustands Aufschluss über mögliche redoxbedingte konformationelle Änderungen geben. Die Strukturaufklärung mittels NMR erfordert hohe Expressionsausbeuten und effektive Aufreinigungsstrategien des rekombinant hergestellten Proteins. Deshalb wurde zunächst eine Steigerung der Expression von löslichem Adrenodoxin in E.coli angestrebt. In Minimalmedium lieferte die Expression unter Zusatz von 2,5g Glycerin und 1g Glucose optimale Ergebnisse. So konnte nach Optimierung der Aufreinigungsabfolge aus einem Liter M9-Medium bis zu 50 mg homogenes Protein isoliert werden. Nach Optimierung der Expressionsbedingungen und der Aufreinigungsstrategie konnte das Adrenodoxin mit den NMR aktiven Isotopen 15N sowie 13C angereichert werden. Die Reduktion des Adrenodoxins erfolgte durch Zusatz von Natriumdithionit unter strikt anaeroben Bedingungen. Die strukturelle Untersuchung mittels NMR setzt eine Zuordnung der Proteinresonanzen voraus. Diese erfolgte unter Verwendung verschiedener Tripleresonanzexperimente. Eine Zuordnung war aufgrund des stark ausgeprägten Paramagnetismus nur für solche Reste möglich, die sich mindestens 8 Å vom [2Fe-2S]-Cluster des Adrenodoxins entfernt befinden. Trotzdem konnten wichtige Regionen, die sich außerhalb des Einflussbereichs des [2Fe-2S]- Clusters befinden, zugeordnet und mit dem oxidierten Zustand verglichen werden. Aus den 15N-NOESY-HSQC und 13C-NOESY-HSQC-Spektren wurden für den reduzierten Zustand unter Zuhilfenahme des Programms NMR2st 1300 effektiv abstandsbeschränkende NOESignale eindeutig zugeordnet. Nach Minimierung der Zielfunktion wurden im letzten Schritt 50 Strukturen mit dem Strukturkalkulationsprogramm DYANA berechnet. Die 20 Strukturen mit den besten Targetfunkionen wurden als Strukturensemble dargestellt. Für das Proteinrückrat beträgt der RMSD 2,34 Å. Anhand der chemischen Verschiebungsänderungen konnten erste Unterschiede zwischen oxidierten und reduzierten Zustand des Adrenodoxins festgestellt werden. Besonders markant sind diese Veränderungen im Bereich des C-Terminus und des Loops 80-86. Änderungen konnten auch im "Chemical Shift Index" und beim Vergleich der NOE-Konnektivitäten beider Redoxzustände beobachtet werden. Gerade für die Aminosäurereste Asp76 und Asp79, die für die Wechselwirkung zu den Redoxpartnern essentiell sind, konnten Veränderungen im Aufspaltungsmuster der "NOE-Pattern" nachgewiesen werden, was auf konformationelle Änderungen im Bereich der Wechselwirkungsdomäne hindeutet. Der Vergleich der beiden Tertiärstrukturen lieferte weitere Indizien dafür, dass der C-Terminus redoxbedingte konformationelle Änderungen erfährt. Während des Erstellens dieser Arbeit konnte eine US-amerikanische Gruppe durch Zufall die Existenz eines Adrenodoxin (oxidiert) Dimers bei physiologisch relevanten Konzentrationen nachweisen [Pikuleva et al. 2000]. Bei der Dimerisierung spielt der C-Terminus eine entscheidende Rolle. Zwei intermolekulare Wasserstoffbrücken bilden sich zwischen CTerminus und Protein des jeweils anderen Partners aus. Redoxbedingte konformationelle Änderungen im Bereich des C-Terminus sollten die Auflösung des Dimers begünstigen. Um diese Vermutung zu bestätigen wurden Cross-Linking Experimente mit dem reduzierten und oxidierten Zustand des Adrenodoxins durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten die Annahme, dass sich das Adrenodoxin Dimer nach Reduktion auflöst. Außerdem konnte anhand der voll funktionsfähigen C-terminal verkürzten Mutante Adx(4-108) die tragende Rolle des CTerminus bei der Dimerbildung bewiesen werden. Aus den experimentell erhaltenen Daten wurde ein neuer Elektronentransportmechanismus postuliert, der sowohl Adrenodoxin Dimere als auch Adrenodoxin Monomere als Elektronentransporter annimmt [Beilke et al. 2002]. Die streng kontrollierte Steroidhormonbiosynthese wird durch den Einsatz von Adrenodoxin Dimeren beschleunigt und durch die redoxbedingte Auflösung der Dimere optimert. Die redoxbedingte Auflösung eines Dimers ist in der Biochemie einzigartig und kann zum Verständnis molekularer Wechselwirkungen beitragen. Für die gesamte Gruppe der vertebraten Ferredoxine sind aufgrund der Struktur- und Sequenzhomologie ähnliche Ergebnisse zu erwarten. Im zweiten Teil der Arbeit sollte die Ferredoxin-NADP -Reduktase (FNR) für strukturelle Untersuchungen mittels NMR zugänglich gemacht werden. Durch Verwendung von bakteriellen Expressionssystemen, insbesondere dem pQE30-Expressionssystem, konnte der Anteil an löslichem Protein im Vergleich zum Ursprungssystem um den Faktor 12 erhöht werden. Dabei führten möglichst niedrige Expressionstemperaturen und IPTG Konzentrationen zu den höchsten Proteinausbeuten. Ein verbessertes Isolationsverfahren wurde etabliert und ermöglicht die Darstellung von bis zu 90 mg FNR aus einem Liter LB-Medium. Eine Verlängerung der Expressionsdauer, hervorgerufen durch das Wachstum in M9-Medium und in D2O, verringerte den Anteil an vollständig intaktem Protein, weshalb auf eine kostspielige Proteinpräparation in dreifach angereicherten Minimalmedium verzichtet wurde.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit unterschiedlichen Aspekten der Faltung von Tendamistat, einem aus 74 Aminosäuren bestehenden a-Amylase lnhibitor aus Streptomyces tendae. Bei der oxidativen Rückfaltung des Tendamistats konnten bisher drei kinetische Phasen (t1, t2 und t3) identifiziert werden. Die mittlere (t2) bzw. langsame (ti) kinetische Phase, resultiert als Folge einer cis/trans lsomerisierung um eine der drei Xaa-Pro Bindungen im Tendamistat. Wie im ersten Teil dieser Arbeit gezeigt werden konnte, entsteht die prolinabhängige lsomerisierungsreaktion während der Rückfaltung (t3) als Folge einer trans -> cis Umlagerung um die A1a49-Pro50 Amidbindung nach Entfaltung des Proteins. Der Nachweis einer solchen lsomerisierung gelang auf rekombinantem Weg, durch gezielten Austausch der einzelnen Proline. Im Gegensatz dazu resultiert die mittlere kinetischen Phase (t2) als Folge einer Prolin-unabhängigen cis/trans-lsomerisierungsreaktion um mindestens eine vorhandenen nicht-Prolinbindungen im Protein. Diese Schlußfolgerung konnte durch Vergleich mit zahlreichen Literaturdaten und Experimenten weiter gestützt werden. Tendamistat ist damit das erste Protein in der Literatur, bei dem es gelang, eine solche Prolin-unabhängige lsomerisierungsreaktion experimentell nachzuweisen. Wie mit Hilfe von weiteren Substitutionsexperimenten im zweiten Teil der Arbeit gezeigt werden konnte, tragen hydrophobe Oberflächencluster entscheidend zur Stabilisierung des lnhibitors bei. Die dabei gemessenen Stabilisierungsbeiträge stehen in einem linearen Verhältnis zum Seitenkettenvolumen der eingeführten Aminosäurereste (Alanin << Valin << Isoleucin). Hierdurch ließ sich zeigen, daß der stabilisierende Einfluß solcher Cluster im Wesentlichen auf das Vorhandensein von hydrophoben Wechselwirkungen zurückzuführen ist. Für die Faltung von Proteinen, die wie das Tendamistat ausschließlich aus ß-Faltblättern bestehen, spielt die Bildung von ß-Hairpinstrukturen eine entscheidende Rolle Die in dieser Arbeit untersuchten ß-Hairpinmutanten L14A bzw. N25A zeigen im Vergleich zum Wildtyp eine extreme Destabilisierung der ß-Faltblattstruktur. Durch Vergleich der Aktivierungsenergien (DeltadeltaGD-TS) mit den freien Enthalpien (DeltadeltaG0N-D) konnte die strukturelle Entwicklung des ß-Hairpins im Übergangszustand an den beiden Positionen 14 bzw. 25 mitverfolgt werden (~-Wert Analyse). Entgegen den Erwartungen zeigen diese Untersuchungen, daß beide Positionen im Übergangszustand noch weitestgehend solvatisiert vorliegen. Damit scheint die nativ-ähnliche Zusammenlagerung des ersten ß-Hairpins erst nach Erreichen des Übergangszustands stattzufinden. Alle in dieser Arbeit vorgelegten Daten über die Faltung des alpha-Amylase lnhibitors sind konsistent mit dem Nukleations-Kondensations Modell. Analog der Tröpfchenbildung bei unterkühlten Gasen kommt es nach dem kollabieren der Proteinkette als Reaktion auf die veränderten Lösungsmittelbedingungen zur intramolekularen Suche nach Nukleationsstellen. Der Übergangszustand wird erreicht, wenn sich eine kritische Zahl stabilisierender Kontakte (unspezifische Nukleation) ausbilden konnte. Ob an einem solchen Nukleationskern stets bestimmte Seitenketten beteiligt sind (spezifische Nukleation), bleibt an dieser Stelle noch offen.