Refine
Year of publication
- 2017 (260) (remove)
Document Type
- Part of a Book (260) (remove)
Language
- German (260) (remove)
Has Fulltext
- yes (260)
Is part of the Bibliography
- no (260) (remove)
Keywords
- Hoppe, Felicitas (21)
- Literatur (20)
- Deutsch (19)
- Rezeption (19)
- Benjamin, Walter (17)
- Zeugnis (15)
- Erzähltheorie (14)
- Goethe, Johann Wolfgang von (14)
- Tabu (14)
- Zeuge (14)
Institute
Der Beitrag zeigt, dass sich die Etablierung des Phänomens der 'Prager deutschen Literatur' auf den beiden Konferenzen von Liblice von 1963 und 1965 ganz im Zeichen der Dichotomie von Zentrum und Peripherie vollzog. Diese fand vor allem in der wertenden Abgrenzung einer vermeintlich durchgängig humanistischen 'Prager deutschen Literatur' (als Zentrum) gegen eine umfassend nationalistische, ja präfaschistische sudetendeutsche Literatur (als Peripherie) Anwendung. Erstaunlicherweise findet sich jedoch sowohl im Beitrag zur Weltfreunde-Konferenz von Paul Reimann als auch dem von Eduard Goldstücker zudem ein Argumentationsmuster, in dem Prag als Peripherie zu den Hauptstädten vermeintlich 'welthistorischer Völker' (Reimann) oder zu Wien (als Hauptstadt Österreich-Ungarns bei Goldstücker) profiliert wird und die besondere Bedeutung der 'Prager deutschen Literatur' gerade aus dieser peripheren Lage abgeleitet wird. Insgesamt ergibt sich die Diagnose einer inkonsistenten Begründung der einen 'Prager deutschen Literatur', die nach einer Neukonzeption dieses Phänomens verlangt.
Der Beitrag untersucht das Thema des kulturellen Zentrums Mitteleuropa in einer Reihe von literarischen und essayistischen Texten des Schriftstellers und Diplomaten Jiří Gruša. Die Texte beziehen sich auf politische und kulturpolitische Auseinandersetzungen während der gesamten Lebenszeit des Autors. Am Beginn steht die Reminiszenz des Autors an die Symbiose zwischen der deutschen und tschechischen Kultur in Prag bis zum Jahre 1938, auf die die Beobachtung der Zerstörung durch die faschistische und die sozialistische Diktatur folgt ('Gebrauchsanweisung für Tschechien und Prag'). Danach werden die Gesellschaftskritik des Autors im Roman 'Der 16. Fragebogen' und die Auseinandersetzung um die 'Charta 77' in der Polemik seiner Essays behandelt. Gezeigt wird, dass in den Texten, die der Autor noch in seiner Zeit als Botschafter in Deutschland und Österreich schrieb, dieses Thema des geistigen Zentrums Mitteleuropa und seiner Gefährdung in Vergangenheit und Gegenwart durchgehend präsent war. Am Ende wird eine Würdigung Grušas als zweisprachiger Schriftsteller in der besten Tradition Mitteleuropas wiedergegeben.
Schlesien ist eine Region mit einer komplizierten multinationalen Vergangenheit, seit Jahrhunderten ein multikultureller Übergangsraum, stets Peripherie einer größeren territorialen und sprachlichen Einheit. Ein Großteil dieser heute überwiegend in Polen gelegenen Region gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zum deutschen Sprachraum. Polnisch sprach nur eine Minderheit der Bevölkerung. Nach dem Krieg hat sich das Blatt gewendet, und heutzutage gibt es im überwiegend polnischen Sprachgebiet nur vereinzelt deutsche Sprachinseln. Der nachstehende Beitrag befasst sich mit der Situation der deutschsprachigen Schlesier in Polen und der Überlebensfähigkeit der deutschen Sprache in der Region.
Der Beitrag enthält eine Analyse des 1927 erschienenen Romans Der Sprung ins Ungewisse von Paul Zifferer, einem wenig bekannten, aus Mähren stammenden österreichischen Schriftsteller. Dieses Prosawerk bietet eine bemerkenswerte Auffassung des Phänomens Zentrum und Peripherie aus territorialer, sozialer, psychologischer, kultureller und politischer Sicht. Überdies stellt es ein wenig erforschtes Kapitel der literarischen Moderne dar.
In diesem Beitrag wird ein Aufzeichnungsbuch aus der Großstadt, der Prosaband "Die Kurve" (1920) von Elisabeth Janstein (1891-1944), einer bis heute ziemlich unbekannten Autorin aus dem Umfeld des sogenannten Prager Kreises, mit dem für die Gattung vorbildhaften "Spleen de Paris" von Charles Baudelaire (1869) und einigen motivverwandten, teils auch auf Baudelaire beziehbaren Texten von Rilke in Verbindung gebracht. Als weiterer Bezugspunkt dient das Tagebuch der Russin Maria Bashkirtseff (1898). Auf die Großstadtthematik lassen sich dabei verschiedene Aspekte der Antithese von Zentrum und Peripherie projizieren, die anscheinend transkulturell verbreitet sind: die Gegensätze von moderner Zivilisation und einfachem Leben; Armut und Reichtum; Drogen, Künstlertum und Alltagsleben.
Die Anthroposophie gilt als eine der großen Lebensreformbewegungen des 20. Jahrhunderts. Auch in den böhmischen Ländern fand sie seit ihrer Entstehung 1913 Anhängerinnen und Anhänger, die sich sowohl im Zentrum Prag als auch in verschiedenen Städten der böhmischen, mährischen und schlesischen Provinz organisierten. Parallel zu ihren Studienaktivitäten waren zahlreiche AnthroposophInnen auch künstlerisch und in diesem Zusammenhang literarisch aktiv. Eine Rezeption ihrer Werke fand bislang jedoch aus verschiedenen Gründen kaum statt. Im Artikel werden exemplarisch einige Künstlerbiographien angeführt, die verdeutlichen sollten, inwieweit die kosmopolitisch-esoterische und pazifistische, übernationale Ausrichtung der Lehre Rudolf Steiners vielleicht eine Einreihung in die klassische 'Schublade' der Prager, deutschböhmischen oder deutschmährischen Literatur verhindert hat.
Der folgende Beitrag thematisiert zunächst den Paradigmenwechsel um 1900 zwischen den marginalisierten Humanwissenschaften und den zentrierten Naturwissenschaften und stellt zugleich die Positionierungen der bedeutendsten Zeitgenossen wie Julius Hart, Hermann Bahr, Wilhelm Scherer, Arno Holz und Wilhelm Bölsche dar. Im zweiten Teil wird die in ihrer Zeit marginale ideengeschichtliche Konzeption von Ricarda Huch angesprochen, die sich als Dichterin und Literaturkritikerin für die Überwindung der ausschließlich rationalen, technisch orientierten Erkenntnis einsetzt und ihrem Lesepublikum ein Synthesekonzept präsentiert, welches sich an der Biographie und am künstlerischen Werk von Novalis orientiert sowie das Zusammenwirken von Geist und Natur im literarischen und sprachlichen Bild festhält.
Franz Grillparzers Trauerspiel 'König Ottokars Glück und Ende' wurde lange Zeit als ein patriotisches Festspiel (miss-)verstanden. Ebenso interessant wie die Frage nach der Berechtigung dieses (Miss-)Verständnisses ist jedoch die Frage, wie Grillparzer in diesem Drama den Lauf der Geschichte darstellt. Die zwei rivalisierenden männlichen Hauptfiguren, nämlich Ottokar von Böhmen und Rudolf von Habsburg, lassen sich als Repräsentanten zweier historischer Epochen interpretieren. Während Rudolf eine neue Zeit proklamiert und sich gleich in deren Zentrum stellt, bleibt Ottokar dem Vergehenden verpflichtet und stirbt an der Peripherie einer kommenden Epoche, deren Gebot er zu spät erkennt.
Vorgänge der Kommunikation und solche der medialen Vermittlung sind an Prozessen von Marginalisierung oder auch Zentralisierung beteiligt. Die Neukonstruktion und Neukategorisierung des Raums wird daher an sprachlichen Zeugnissen (briefliche Selbstauskünfte, Lyrik, Publizistik) nachgezeichnet. Der Beitrag verfolgt die allmähliche kulturelle Entperipherisierung der pommerschen Insellandschaft und insbesondere Rügens, indem drei Phasen unterschieden und behandelt werden: 1. die mittelalterliche und frühneuzeitliche Abwertung oder Bewertung des Nordens unter dem Blickpunkt christlicher Mission und biblischer Ordnungsvorstellungen, 2. das Entstehen einer Kunstmythologie um 1800, die sich auf Shakespeare, Rousseau, Ossian sowie die germanisierte skandinavische Überlieferung berief und Pommern zur utopisch idyllischen wie zur unwirtlich-wilden, das heißt auch erhabenen Landschaft formte und 3. die Durchdringung Gesamtpommerns durch die Zentralitätsstruktur preußischer Institutionalisierungs- und Ordnungsprozesse nach 1815.
Der Artikel geht auf die Darstellung des kulturellen Engagements des Grafen Albert Joseph Hoditz (1706 - 1778) ein, das im Rosswalder Schloss und in dessen Garten entwickelt wurde. Die Rosswalder Gartenlandschaft wird im Bezug auf die europäische Literaturgeschichte vorgestellt. Darüber hinaus spiegelt sie künstlerische Interessen des Grafen Albert Joseph Hoditz wider und weist auf die Phänomenalität dieses an der Peripherie liegenden Dominiums hin.
In Ulrichs von Liechtenstein Frauendienst tauchen zahlreiche Motive auf, welche von einem weitgehenden Kulturtransfer zeugen dürften. Das deutlichste Beispiel dafür ist die Venusfahrt des Erzählers, wobei der bislang abgewiesene Ritter den Einsatz deutlich erhöht, und eine im Ganzen vollkommen inszenierte Liebesfahrt unternimmt. Dabei schafft er nicht nur zwischen seiner eigenen ritterlichen Kultur und der weit entfernten Antike eine plakative Verbindung, sondern versucht, dank der Instrumentalisierung der Liebestradition, von der verachteten Peripherie her ins ersehnte Zentrum zu gelangen.
Der Beitrag geht der Frage nach, wie sich die noch in den 1980er Jahren marginalisierte Migrationsliteratur heutzutage unter der Etikettierung 'Interkulturelle Literatur' auf dem literarischen Markt allmählich etabliert hat und mittlerweile zur zentralen Tendenz der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur geworden ist. Am Beispiel von Autoren und Autorinnen tschechischer Herkunft, Jiří Gruša, Libuše Moníková und Michael Stavarič, wird die 'Verortung' der 'interkulturellen Literatur' im Spannungsfeld von Peripherie und Zentrum dargestellt und ihr Mehrwert diskutiert.
Anhand ausgewählter vor allem deutschsprachiger historiographischer Texte des Hoch- und Spätmittelalters werden die Strategien der Versprachlichung von 'Herrschaft' untersucht. Berücksichtigt werden einerseits die frühe volkssprachliche Produktion des 13. Jh.s (Sächsische Weltchronik), andererseits spätere Werke des 14.-15. Jh.s, die durch Provenienz in den böhmischen Ländern bzw. durch entsprechende thematische Ausrichtung gekennzeichnet sind, teilweise mit Einbeziehung von anderssprachigen Vorlagen oder Parallelfassungen (Textkomplexe der Dalimil-Chronik (mit dem vorangestellten annalistischen Abriss), Pulkava-Chronik und Vita Caroli). Dadurch wird die zentrale Rolle von 'Herrschaft' in dieser Gattung dargelegt, wobei zugleich der Einsatz relativ unterschiedlicher sprachlich-formulatorischer Mittel beobachtet werden kann.
Das Thema des Beitrags sind die Familiennamen deutscher Herkunft in den Kirchenbüchern der russisch-orthodoxen Gemeinden in Ostkujawien an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Es ist eine nicht zahlreiche Gruppe, denn die Mehrheit der Anthroponyme bilden die Familiennamen ostslawischer Herkunft. Die Namen wurden mithilfe der kyrillischen Schrift geschrieben. Das ist einer der Gründe, warum es so schwierig war, eindeutig die Etymologie der Namen zu bestimmen. Außerdem gab es hybride Namen, die von der Koexistenz der Völker in Ostkujawien zeugen.
Das deutsche Passiv-Paradigma befindet sich im Umbruch. Getragen wird ein Paradigma von einer allgemeinen abstrakten kategorialen Bedeutung, der sogenannten Zielkategorie (werden-Passiv). Im Rahmen von Grammatikalisierungsprozessen kann das Paradigma ausgebaut werden, wobei neue Mitglieder in Konkurrenz oder Opposition zu der Zielkategorie treten. Periphere Mitglieder des Paradigmas (gehören-Passiv, bekommen-Passiv) werden anhand ihrer semantischen und morphosyntaktischen Merkmale eingeordnet.
Dieser Beitrag möchte einerseits darstellen, wie im Gegenwartsdeutschen mit der konzeptuellen Domäne 'Spiel' Welt metaphorisch modelliert wird. Den Ausgangspunkt der Analysemethode bilden dabei die Theorie der konzeptuellen Metapher von Lakoff/Johnson (1980/2003) und deren Modifizierung um 'abstrakte Subkonzepte' (Baldauf, 1997, 2000). Anhand der Ergebnisse der Untersuchung soll andererseits auch gezeigt werden, inwiefern es sich bei der Spielmetaphorik in der deutschen Gegenwartssprache um kein peripheres, sondern ein zentrales Phänomen handelt, das die Wahrnehmung der Welt und die 'Sicht der Dinge' maßgeblich prägt.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit geschlechtsspezifischen Phraseologismen im Deutschen. Er setzt sich zum Ziel, sie nach ihrer Verwendung in der Sprachgemeinschaft in Zentrum und Peripherie zu gliedern. Werden die geschlechtsspezifischen Phraseologismen in der Sprachgemeinschaft verständlich und gemäß dem allgemein üblichen Sprachgebrauch verwendet, dann werden sie dem Zentrum zugeordnet. Phraseme hingegen, die als abwertend, derb, vulgär und diskriminierend gebraucht werden, werden als peripher angesehen. Die Untersuchung wird anhand eines Korpus von zwei phraseologischen Wörterbüchern durchgeführt und mit Belegen aus dem Mannheimer Referenzkorpus (DeReKo) untermauert
Grammatik und Phraseologie
(2017)
Das Ziel des Beitrags ist festzustellen, inwieweit die metasprachliche Markierung von Phrasemen im Lehr- und Übungsbuch der deutschen Grammatik (Dreyer und Schmitt, 2009) der Terminologie in der phraseologischen Basisliteratur entspricht, und in welchem Ausmaß die metasprachlich markierten Phraseme in dieser Übungsgrammatik das Zentrum bzw. die Peripherie der Phraseologie darstellen. Im Zusammenhang damit wird auch dem Ort des Vorkommens dieser Phraseme Aufmerksamkeit geschenkt. Von den vier am häufigsten verwendeten Bezeichnungen bezieht sich der Ausdruck 'Redensarten' bis auf Ausnahmen auf (Teil-)Idiome, d.h. Phraseme, die zum Zentrum des Phraseolexikons gehören. Sie kommen fast nur in den Übungen vor. Mit dem Ausdruck 'feste Wendungen', der vor allem als Einleitung von Beispielen in den theoretischen Erläuterungen verwendet wird, werden häufiger (57-mal) periphere Phraseme (nicht- oder schwachidiomatische und strukturelle Phraseme sowie Modellbildungen) als die zentralen (Teil-) Idiome (40-mal) bezeichnet, aber der Unterschied im Umfang beider Gruppen ist nicht so groß wie bei den als (verbale) 'feste Verbindungen' bzw. 'Funktionsverbgefüge' (FVG) bezeichneten Phrasemen. In dieser Gruppe sind 263 der 287 Wortverbindungen nicht- oder schwach-idiomatische Phraseme, Kollokationen nach Burger (2010), allerdings können bei Weitem nicht alle zugleich den (prototypischen) FVG zugeordnet werden. Die 24 in dieser Gruppe angeführten Idiome haben zwar dieselbe syntaktische Struktur wie die Kollokationen, und einige bilden auch wie FVG aktionale Reihen, aber aufgrund anderer semantischer Eigenschaften müssen sie von beiden Phrasemtypen unterschieden werden.
Der Beitrag ist im Rahmen der Ausarbeitung eines derivationellen Valenzlexikons entstanden, in dem Valenzträger des Deutschen und Tschechischen für verschiedene kategoriale Kontexte erfasst werden sollen. Anhand des Musterlemmas für abfallen wird diskutiert, welche Kriterien zur Festlegung von zentralen und peripheren Varianten des jeweiligen Lexems geeignet sind und welche linguistischen Besonderheiten an der Peripherie des genannten Lexems auftreten.
Den Untersuchungsgegenstand dieses Beitrags bilden Partizipien in der deutschen Sprache. Der Begriff 'Partizip' wird in der Form, in der ihn die Lerner in Grammatiken und Schulbüchern als Partizip I (laufend) und Partizip II (gelaufen) kennen lernen, je nach zugrundeliegender Auffassung als 'Mittelwort', 'Verb', 'Adjektiv', 'Verbaladjektiv', 'adjektivisches Verb' oder 'verbalbasiertes Adjektiv' bezeichnet. Diese Benennungen spiegeln auf der einen Seite die vielfältigen Eigenschaften des Partizips wider, auf der anderen Seite führen sie zu zahlreichen Fragen, denen in dieser Arbeit nachgegangen wird. Da die Verwendungs- und Wortbildungsmöglichkeiten eines Partizips sehr vielfältig sind und da es anscheinend nicht eindeutig als Wort einer einzigen Wortart einzustufen ist, stellt das deutsche Partizip einen vielversprechenden Untersuchungsgegenstand dar. Der Beitrag setzt sich zum Ziel, die Verwendungsmöglichkeiten von Partizipien zu beschreiben, und zwar auf der Basis analysierter Korpusdaten, die als authentisches Sprachmaterial den tatsächlichen Gebrauch des Partizips in der modernen deutschen Sprache widerspiegeln.
Dieser Vortrag stellt Kriterien der Auswahl von deutsch-tschechischen und tschechisch-deutschen Teilkorpora für die Analyse der deutsch-tschechischen Wortstellungsunterschiede, einen Kommentar zur Analyse der Dependenzgrammatik und der Thema-Rhema-Gliederung und die Veröffentlichung einiger Erkenntnisse dieser Forschungsarbeit vor.
Am Beispiel des Diskurses um die Besetzung des Landesschulrates, die im Rahmen der Wiener Punktationen von 1890 erfolgen sollte, wird in dem folgenden Beitrag der potenzielle Einfluss von Zeitungen in der Peripherie auf die Einstellungen des Lesepublikums exemplifiziert. Unter die Lupe wird dabei der Aussiger Anzeiger genommen, der sich in erster Linie an das nordböhmische Publikum wendete. Es wird vor allem die Frage verfolgt, mit welchen sprachlichen Mitteln der Diskurs im Aussiger Anzeiger geführt wurde, und auf welche Art und Weise somit dieses Periodikum die Meinungen und daher schließlich auch Handlungen seiner Leser zu beeinflussen suchte. Der Diskurs um die Besetzung des Landesschulrates ist ein Teildiskurs des Diskurses um die Wiener Punktationen, wobei Letzterer wiederum einen Teildiskurs des nationalpolitischen Diskurses in den böhmischen Ländern des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts darstellt
Manfred Franks hermeneutische Zeichentheorie im Kontext der neuesten diskursanalytischen Ansätze
(2017)
Es werden heute im Rahmen der germanistischen Diskursanalyse weitreichende Diskussionen über die anzuwendende Bedeutungs- und Sprachwandeltheorie geführt, sowie auch Fragen gestellt nach dem epistemologischen Status der zu beschreibenden Diskursstrukturen und nach der Rolle der individuellen und sozialen Faktoren innerhalb der Prozesse der Diskurskonstitution. Die inhaltsorientierten Linguisten dieser Strömung befassen sich also mit den Themen, die von einem der bedeutendsten deutschen Sprachtheoretiker Manfred Frank bearbeitet wurden, und zwar in Auseinandersetzungen mit denjenigen strukturalistisch geprägten Forschern und Sprachphilosophen, von denen die zeitgenössischen Diskurstheoretiker maßgeblich beeinflusst sind. Mein Beitrag beabsichtigt, Franks sprachtheoretischen Ansatz in der laufenden Debatte unter den Diskursanalytikern hypothetisch zu verorten.
Die soziokultivierte (effiziente) Kommunikation hängt von der Motivationswelt (von den Erfahrungen, Einstellungen, Bedürfnissen, Werten, Interessen usw.) der einzelnen Kommunikationsakteure und von der Erhaltung der Proportionalität zwischen den Akkommodations- und Assimilationsprozessen in der Kommunikation ab. Bei der Durchsetzung der Motivationswelt der Kommunikationsakteure spielt in einigen Kommunikationssituationen "die Beschäftigung" mit dem Kollektivgedächtnis eine bedeutende Rolle, d.h. welche Erinnerungen werden und in welchem Ausmaß aus dem Kollektivgedächtnis herausgezogen, und welche bleiben zielbewusst deaktiviert. Diese Tatsache bestätigt auch die linguistische Analyse der Äußerungen, die auf die Persönlichkeit von Ferdinand Porsche zielen.
Der folgende Text beschäftigt sich mit der gesprochenen Sprache, und zwar konkret mit der Sprache der Politik am Beispiel der politischen Talkshow "Günther Jauch". In der Analyse ist die Hauptaufmerksamkeit den Antworten der Talkshow-Gäste gewidmet, wobei die Antworten unter dem Aspekt des Formulierungsverfahrens untersucht werden. Das Ziel des Textes ist, die typischsten Merkmale von Formulierungsverfahren bei den Antworten in der politischen Diskussion vorzustellen. Einzelne Formulierungsverfahren werden dann an ausgewählten authentischen Beispielen demonstriert, die durch Transkriptionen aus der Talkshow "Günter Jauch" gewonnen wurden.
Jede Wortschatzschicht hat ihren begrifflichen Kern, und ebenso gilt dies auch für die politische Lexik, deren Schichtung sich aus der ständigen Entwicklung der Sprache und Gesellschaft ergibt. Diese Schichtung reflektiert aktuelle gesellschaftlich-politische Ereignisse. Benennungen von diesen landeskundlichen Gegebenheiten - Politemen -, die Objekt unserer Untersuchungen sind, werden durch die Gesellschaftsentwicklung aktualisiert oder neu gebildet, d.h. sie sind durch den zeitlichen Kontext determiniert. Außerdem werden in unserem Beitrag mehrere Forschungsansätze von Sprache in der Politik, den Charakteristika und der Klassifikation der politikbezogenen Wörter behandelt.
Die medizinische Fachsprache nimmt eine Sonderstellung unter den Fachsprachen ein, was auf ihren umfangreichen Wortschatz zurückzuführen ist. Im medizinischen Fachvokabular lassen sich Zentrum und Peripherie unterscheiden. Die Einteilung der Fachwörter vollzieht sich auf unterschiedlichen Ebenen, sowohl auf der morphologischen Ebene, als auch auf der semantischen. Der Fachlichkeitsgrad der Fachwörter stellt ein weiteres Einteilungskriterium dar. Im Zentrum befinden sich Substantive und Adjektive, die anderen Wortarten treten in den Hintergrund der medizinischen Fachsprache. Nach dem semantischen Kriterium kann man Organe und Krankheiten dem Zentrum des Wortschatzes zuordnen, während andere medizinische Einheiten, wie z.B. physiologische Prozesse, Operationen, Instrumente u.a. die Peripherie bilden. Die medizinischen Fachwörter haben einen unterschiedlichen Fachlichkeitsgrad und werden dadurch auf verschiedenen Kommunikationsstufen verwendet. Das untersuchte Sprachmaterial stammt aus den deutschsprachigen medizinischen Zeitschriften Ärztewoche und Ärzteblatt.
Im vorliegenden Beitrag werden Ergebnisse einer kontrastiv angelegten deutsch-tschechischen Analyse von ausgewählten Ratgeber- und Diskussionsforen präsentiert, die auf eine konkrete Hauterkrankung namens Pityriasis rosea Gibert (dt. Röschenflechte) ausgerichtet sind. Die Aufmerksamkeit wird auf den Gebrauch einschlägiger medizinischer Terminologie einerseits durch Ärzte und andererseits durch Patienten und deren Angehörige gerichtet, wobei der Frage nachgegangen wird, welche außer- sowie innersprachlichen Faktoren die Verwendung der medizinischen Terminologie beeinflussen und welche kontextuellen Modifizierungen diese erfährt. Anhand eines interlingualen Vergleichs wird demonstriert, welche Ausdrücke im 'terminologischen Zentrum' und welche an der 'terminologischen Peripherie' bei den Usern solcher Foren in den beiden Sprachen stehen und ob diesbezüglich irgendwelche Unterschiede feststellbar sind.
In der heutigen Zeit haben digitale internetbasierte Kommunikationskanäle den Zugang zu Informationen und Fachinhalten stark vereinfacht. Das Fachwissen wird größtenteils demokratisch durch neue Technologien erreichbar. Diese Veränderung steht im Zentrum der sprachwissenschaftlichen Untersuchung. Mit diesem Zustand eröffnen sich neue Möglichkeiten für die gegenseitige Kommunikation zwischen Experten und Laien in unterschiedlichsten Fachbereichen. Im Rahmen dieses Artikels wird ein fachorientiertes Internetforum untersucht, das zu einer etablierten Kommunikationsplattform wurde. Es stellt einen neuen Kanal für die Vermittlung von Fachwissen bzw. für professionelle Beratung mit einer Reihe von unterschiedlichen Optionen dar. Die Merkmale der Experten-Laien-Kommunikation werden am Beispiel des Internetforums des Computer- und Elektrohändlers Conrad erläutert.
In der Gegenwart muss man sich im Alltag mit vielen Fachwörtern auseinandersetzen, sowohl im fachlichen als auch im nicht fachlichen Kontext. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, mit welchen Fachausdrücken ein Leser / eine Leserin deutscher Zeitungen konfrontiert wird, also wie viel Fachwissen ihm / ihr zugemutet wird. Das Untersuchungskorpus besteht aus insgesamt zehn Ausgaben zweier seriöser überregionaler Zeitungen (der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung). Die Aufmerksamkeit wird vor allem den theoretischen Ausgangspositionen und der methodischen Vorgehensweise bei der Ermittlung von Fachwörtern sowie der Erläuterung ihrer Stellung in nicht-fachlichen Kontexten gewidmet.
Um die zentralen Spracherscheinungen von den peripheren unterscheiden zu können, braucht man sprachliche Daten. Nicht nur aus dem Bedürfnis heraus, authentische Beispiele einfach und schnell finden zu können, greift man heutzutage nach Textkorpora unterschiedlicher Art. Im Beitrag wird am Beispiel des deutschen Verbs lassen gezeigt, wie man sich ein Parallelkorpus bei prachvergleichenden Analysen zu Nutze machen kann und wie man die Korpusbelege auswertet, um die zentralen Phänomene des jeweiligen Sprachsystems hervorzuheben.
Eine am Gebrauch orientierte Sprachbeschreibung ist auch in der Grammatik mit sprachlicher Variation und mit Veränderungen des Gebrauchs konfrontiert. Anhand dreier Beispiele aus dem zentralen Bereich der deutschen Grammatik soll gezeigt werden, dass sich in der Variation, die man dort beobachtet, eine funktionale Nutzung des vorhandenen Inventars darstellt. Diese funktionale Nutzung ist dadurch gekennzeichnet, dass seltenere und daher synchron auffälligere Konstruktionen für spezifische Funktionen genutzt werden. Der Genitiv ist tatsächlich aus formalen Gründen seiner Morphologie auffällig. Er ist nicht vom Dativ unterschieden beim Femininum, doppelt markiert bei den starken Maskulina und Neutra und nur beschränkt bildbar im Plural. Diese Eigenheiten beschränken seine Nutzung als normaler Kasus. Gerade aber die auffällige Markierung mit dem Element {-(e)s} hat dazu geführt, dass der Genitiv nun zur Anzeige genereller Abhängigkeit genutzt wird, und zwar als Genitivattribut wie als unmarkierte Form bei einer Gruppe von Präpositionen (wie dank, trotz, wegen, entlang usw.). Beim zweiten Fall, dem Verhältnis von starken und schwachen Verben, zeigt sich, dass der Übergang von der starken zur schwachen Flexion, die erkennbar den Normalfall im morphologischen System darstellt, gerade häufige und in ihrer Bedeutung grundlegende Verben (wie geben, nehmen usw.) nicht betrifft, so dass die starke Flexion als Markierung für solch einen zentralen Status gelten kann. Der dritte Punkt hängt damit zusammen: das Ausgreifen der würde-Form als Konjunktiv II (auch bei gut markierten starken Verben) ist so im größeren Zusammenhang der Nutzung von Klammerformen zu sehen.
Die Sprache kann mit einem Schachspiel verglichen werden: Einerseits ist der jeweilige Spielstand ein System, in dem einzelne Figuren in einer bestimmten Relation zu anderen Figuren stehen. Darüber hinaus aber ist jedes Spiel ein dynamischer Vorgang, in dem aufgrund von Spielregeln und der Strategie der Spieler permanent neue Spielstände erreicht werden. In diesem Sinn hat das Sprachspiel systemischen Charakter. Das Prinzip von Zentrum und Peripherie kennzeichnet auch das System des Sprachspiels. Das Sprachspiel ist also ein Gebilde mit einem kompakten Kern und einer diffusen Peripherie, die in die Peripherie einer oppositiven Kategorie oder Klasse übergeht. Die Kategorien oder Klassen des Sprachspiels sind aber nicht oppositive Einheiten mit jeweils bestimmten Merkmalen. Die Kategorien des Sprachspiels sind vielmehr Situationen, in denen sich Texte gewissermaßen 'bewähren' müssen, also Situationen, die von Texten bewältigt werden müssen. Dies betrifft sowohl die Produktion als auch die Rezeption von Texten.
Immer häufiger finden verschiedenste Formen von Infografiken Einzug in Comics aller Couleur. Mit Rückgriff auf bildwissenschaftliche Grundbegriffe wird anhand zweier aktueller Beispiele nach einem Minimalkriterium dafür gefragt, was den Unterschied von einem Piktogramm zu einer Comic-Darstellung ausmachen könnte: Angenommen wird eine wechselseitige Bedingtheit von visueller Kontextbildung zur Individuation von Personen und Objekten. Es wird gezeigt, wie diese verschiedenen medialen Semantiken innerhalb des Comic-Vokabulars auf zwei unterschiedliche Weisen interagieren können.
"Mit dem Gesicht nach Westen und dem Rücken zu den anderen", das umschreibt die für die jüngere Generation im östlichen Europa so typische West-Ausrichtung, die aber dem direkten Nachbarn auf der anderen Seite der Grenze kaum Interesse zollt. Diese Äußerung wurde zum Leitmotiv und Movens des Forschungs- und Ausstellungsprojekts comiXconnection strip – bandă desenată – strip – képregény – ϲрипп, das die extrem unterschiedlich entwickelten Comic-Szenen aufspürt und zueinander in Beziehung setzt. Ein Projekt, das sich im Laufe der Vorbereitung und Umsetzung mit immer neuen Grenzen konfrontiert sah.
Dieser Artikel thematisiert die Anfänge und Hintergründe der Beziehung zwischen europäischer Comic-Kultur und amerikanischer Comic-Geschichte. Die erfolgreiche Etablierung amerikanischer Comics in Europa Mitte der 1930er Jahre ist eng mit den internationalen Wirtschaftsbeziehungen verbunden; verständlich wird sie aber nur, wenn man sich vor Augen führt, welchen Einfluss Engagement und Vernetzung einzelner Persönlichkeiten hatte. Es war zum Beispiel das Verdienst von John A. Brogan, Foreign Sales Manager der 1929 gegründeten internationalen Vertriebsabteilung von King Features Syndicate, dem es gelang, den europäischen Zeitungen passende Comic-Strips zum Verkauf anzubieten. Aus seinen Bemühungen resultierte in Europa die Gründung von Agenturen, die hauptsächlich dem Vertrieb von Comics gewidmet waren. Auf diese Weise wurden die organisatorischen und personellen Voraussetzungen für den transatlantischen Kulturtransfer im Bereich der Comics geschaffen.
Die Interaktion von Bildern und Schrift definiert zwar den Comic nicht; dieser Interaktion in Comics nachzugehen, bietet jedoch wesentlichen Aufschluss darüber, was die spezifische historische und moderne Ästhetik dieser unter den vielen denkbaren Kunstformen ausmacht, die mit Bildern in Sequenz Sinn oder Narration generieren. Der Beitrag geht dieser Spur an drei Beispielen aus 'Astérix', aus Demian5s 'When I am King' und aus Matt Fractions 'Hawkeye' nach; er stützt sich dabei auf Jacques Rancières Beschreibungen des ästhetischen Regimes.
Comics wurden als Unterrichtsgegenstand in deutschen Schulen und in der pädagogischen Literatur zum ersten Mal in den 1970er Jahren aufgegriffen. Zumeist ging es im Kunst- und Deutschunterricht darum, das Medium als Phänomen zu betrachten, seine Ästhetik und Inhalte zu analysieren und kritisch zu hinterfragen. Nicht selten mit dem Ziel, die Comics als triviales, populistisches und stereotypes Massenmedium zu charakterisieren. Die Zeiten haben sich geändert: Comics werden heute selbstverständlich als ein geeignetes Unterrichtsmedium gesehen, mit dem auf anschauliche und attraktive Weise fachspezifische und fächerübergreifende Kompetenzen vermittelt werden können. So können sie Geschichtsbewusstsein schaffen, zum kreativen Schreiben und Literaturverständnis anregen, Sprachkompetenzen ausbilden, interkulturelles Lernen fördern und bieten in Eigenproduktion eine kreative Möglichkeit Geschichten zu erzählen. Der Landesverband Berlin des BDK bot in seiner Fachtagung Kolleg_innen in sieben Workshops innovative Anregungen für einen Einsatz von Comics im Unterricht.
Der Comic ist für die Jugendlichen eine Kunstform, in der eine experimentelle Identitätssuche in ganz konkreten Interaktionen inszeniert werden kann. Lebensweltliche Zusammenhänge werden dabei in ihren fiktionalen narrativen Entwürfen und in der "Logik der Bilder" gestaltet und variiert. Dabei zeugen die Arbeiten der Jugendlichen von einer Auseinandersetzung mit medialen oder fiktiven Vorbildern. Selbstpositionierungen werden in den Zeichnungen erprobt und in den Rollenentwürfen der Charaktere des Comics ausgehandelt. Die Szene der Comiczeichner_innen wird dabei zur sekundären Sozialisationsinstanz für die Jugendlichen. Hier spielt – vor allem auf der Ebene der 'Fan-Art' – die Aushandlung von Sexualität und Geschlecht innerhalb der 'Peergroup' eine entscheidende Rolle. Der 'Shojo'-Manga, die Eigenart der Manga-Kultur und Manga- und Anime-Fanszene ermöglichen Identitätsaushandlungen, in denen Homosexualität positiv konnotiert ist. Die Jugendlichen können sich in ihren Bildgeschichten mit lesbischer und schwuler Lebensführung und verschiedenen Geschlechtsidentitäten auseinandersetzen und in ihren Zeichnungen und Geschichtendiese Handlungsoptionen und Orientierungen erproben.
Traumsequenzen werden im Comic meistens so in die erzählte Realität eingebettet, als würde die Figur sie in genau diesem Moment erleben. Gemeinsam mit der Figur überschreitet der Leser die Grenze zwischen erzählter Realität und erzähltem Traum. Es gibt konventionell etablierte Marker, um diese Grenze sichtbar zu machen. Im Comic kann die Grenze zwischen erzählter Realität und erzähltem Traum durchbrochen werden; Figuren und andere Elemente können aus dem Traum ausbrechen oder in fremde Träume gelangen. Der Traum kann auch Mittel zur Grenzüberschreitung sein. Die Grenzen des Traums können einen Raum umschließen, in dem die Grenzen der Physik und Logik nicht mehr gelten. Die künstlerische Auseinandersetzung mit erlebten und fiktiven Träumen bereichert den Comic; an den Traum erinnernde Elemente und Ereignisse finden sich im Comic dann auch außerhalb von Traumsequenzen. Der Comic kann die erzählte Realität wie den erzählten Traum behandeln.
Edukative Grenzüberschreitung : Text-Bild-Verweise in 'The League of Extraordinary Gentlemen'
(2017)
Zwar integrieren Comics bildliche und textuale Elemente. Oft herrscht in einzelnen Bildern oder Szenen aber ein Primat des Texts oder des Bildes vor. Dies bedeutet eine faktische Text-Bild-Trennung im Comic-Panel. 'The League of Extraordinary Gentlemen' macht diese Text-Bild-Grenzen durch gezielte Überschreitungen fruchtbar: Die implizite Hierarchie von Text und Bild wird durch gegenseitige, explizite Verweise aufeinander in Frage gestellt. Dies lässt auch den Informationswert der einzelnen Panels zweifelhaft erscheinen: Geht hier mehr vor sich, als auf den ersten Blick ersichtlich ist? 'League' provoziert so ein aufmerksames, 'detektivisches Lesen', das sensibel ist gegen die Verweisstrukturen des Comics. Dieser zeigt über sich selbst – auf einen Kanon literarischer Vorlagen – hinaus.
Markus Färbers 'Reprobus' aus dem Jahr 2012 ist im Genette’schen Sinne ein Palimpsest der mittelalterlichen Legende des Heiligen Christophorus, angesiedelt in einer dystopischen Welt, in der eine geographisch reale 'Welt der Legenden und Mythen' durch Erosion zu verschwinden droht. Westlich davon liegt, durch einen Fluss abgegrenzt, eine düstere von Menschen bewohnte Megastadt. Dorthin zurückgekehrt, versucht Christus, sich und Christophorus / Reprobus wieder in das Gedächtnis der Bewohner_innen zu bringen. Die Missionarstätigkeit und das Martyrium der alten Version fehlen. Stattdessen versucht Reprobus mehrfach vergeblich über den Grenzfluss aus der Welt der Menschen wieder in die der Legenden zu gelangen. Dieser Grenze zwischen Logos und Mythos, die immer unüberwindbarer wird, gilt es in ihrer allegorischen Konstellation Beachtung zu schenken. Denn an die Stelle der traditionellen Moralisatio ist in diesem Buch folgende Frage getreten: „If the myths have gone away, will the stories ever stay in our time?“ In Färbers Werk spiegelt sich eine Hoffnung, von der Benjamin in seiner Allegorietheorie spricht: das Aufgreifen von verschwindenden Dingen, ob materieller oder geistiger Natur, und deren Besetzen mit neuen Bedeutungen könnte sie über die Grenze, vor dem Vergessen, für die jeweilige Gegenwart der Künstler_innen, die damit zu Allegoriker_innen werden, retten.
Lieber Anti als Held : Wiederholen und 'Werden' als Leitmotive in Charles Burns' 'Black Hole'
(2017)
Charles Burns’ Comic 'Black Hole', in dem die Jugendlichen einer High-School als Folge einer sexuell übertragbaren Krankheit mutieren, greift den in Superheldencomics klassischen Topos der Metamorphose auf. Im Gegensatz zu den positiven Mutationen im DC- oder Marvel-Universum, zeigt 'Black Hole' nur Deformation, die sich nicht ästhetisch oder sinnvoll auflösen lässt. Kritisch werden Erwachsenwerden und Pubertät als monströse Transformation einer Gruppe erfasst und Grenzen zwischen Realität und Phantastik, Individualisierung und Konformität, sowie sexuelle Dichotomien thematisiert. Die von Burns dargestellten Metamorphosen lassen sich mit dem Begriff des 'Werdens' fassen, mit dem Deleuze und Guattari die Idee eines strukturalistischen Ordnungssystems etablieren, das die Differenzen der einzelnen Subjekte als deren Beziehungen untereinander erfasst und diese mittels Techniken der Phantastik und der Metamorphose erkennbar zu machen vermag. Neben den Metamorphosen, ist es die Ideen der Mannigfaltigkeit des 'Werdens' und dessen infektiöse Ausbreitung, die sich analog in Burns’ Bilderwelten findet. Die Werdungs-Gruppe wird dabei nicht durch traditionelle soziale Paradigmen geprägt oder gar durch den Konsens einer homogenen Gruppe, wie sie etwa der Superheldencomic beschreibt. Indem Narrativik und Graphik die Grenzen des Medium Comics ausloten, offenbart Black Hole einen phantasmagorischen Raum der Ich-Werdung. Konventionellen Erzählformen wird eine Diachronie entgegengesetzt, die es genauer zu bestimmen gilt.
Der Beitrag untersucht mithilfe literaturwissenschaftlicher Konzepte die verschiedenen erzählerischen Funktionen der politischen Grenze in Comic- Erzählungen zum Israel-Palästina-Konflikt. Hier dienen unter anderem Guy Delisles 'Aufzeichnungen aus Jerusalem' und Joe Saccos 'Palästina' als illustrierende Beispiele. Unter Zurhilfenahme von sozio-kulturellen Überlegungen werden die Funktionen der Grenze als Trenner, Aktant und Kommunikateur untersucht. Vorliegende Untersuchung liefert Ansätze, Grenz-Erzählungen zu analysieren und darüber hinaus die Grenze als wirkungsmächtiges Subjekt der Erzählung zu untersuchen.
Für die Fußnote
(2017)
Existiert eine Comic-Wissenschaft? Wer die Beiträge durchsieht, die in der hier vorliegenden Dokumentation der Tagung 'Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten' formuliert wurden, kann feststellen, dass sie alle den wissenschaftlichen Charakter wahren, der an den Universitäten in unseren Tagen gelehrt wird. Es gibt AutorInnennamen, Titel, längere Untertitel, abstracts und Fußnoten. Es ist alles in bester Ordnung: wenn die Grenzen der Comics befragt werden, müssen ja nicht gleich die Grenzen der Wissenschaftlichkeit in den Blick geraten. Doch wird sich bei der genaueren Lektüre der Eindruck nicht abwehren lassen, dass es etwas Disparates oder sogar Desparates gibt, dass zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen, Methoden und Schreibweisen Grenzen existieren, die nicht ausdrücklich benannt, reflektiert oder eben wissenschaftlich bearbeitet werden, dass die Fiktion einer Comicwissenschaft nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die vielen Forschungen und Studien sich immer wieder in die verschiedenen Fächer verteilen, wie sie in ihren unterschiedlichen Zugängen, Methoden, Gegenständen,Interessen, Wissensformen, Aussagen tradiert sind.
Das Projekt "Bibliothek der Alten" der Künstlerin Sigrid Sigurdson (Historisches Museum Frankfurt / Main) archiviert individuelle Erinnerungen, eingebunden in vielfältige Spuren, in Text-, Ton- und Bilddokumenten. Stöbert man in den zugänglichen Kartons, erkennt man, wie ein Erinnerungsgeflecht zu einem dynamischen Prozess wird, wie sich individuelle Erinnerungen mit anderen verbinden. Erinnerungen sind dabei trügerisch, selektiv, perspektivisch, fragmentarisch, labil. Wie die Kunst der "Spurensicherung", insbesondere die Archive Boltanskis, demonstriert,können sich Realität und Fiktion mischen und doch Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses sein. Bei aller Konstruktion und Unsicherheit: Erinnerungen bestimmen unser Leben ständig. Erinnern ist dabei ein vielschichtig grenzüberschreitender Prozess. Gerade die Kunst der Bildgeschichte hat den Konstruktionsprozess des Erinnerns auf unterschiedliche Weise aufgegriffen. In Miguelanxo Prados Bildroman 'Ardalén' (dt. 2013) wird Erinnerung zum grenzüberschreitenden Thema in mehrfacher Hinsicht, zwischen heute und früher, zwischen Realität und Wahn, zwischen den Persönlichkeiten. Wie die Kunst der Bildgeschichte ein prozessuales Erinnerungsgeflecht darstellbar und miterlebbar machen kann, wie sie mit einer grenzüberschreitenden intermedialen Ästhetik, die unterschiedliche Bildformen und Textsorten funktional einbindet, den Rezipienten in dieses Spiel emotional und reflexiv einbindet, soll – in vergleichende Kontexte gestellt – am Beispiel Prados sowie an Matthias Gnehms 'Der Maler der Ewigen Portrait Galerie', 2013, vorgestellt werden.
Comics sind nicht linear, es gibt keine Vorgabe, ob wir zuerst die Bilder betrachten oder den Text lesen. So lassen die Brüche zwischen den Paneln, zwischen den Zeichen, zwischen den einzelnen Heften auch immer einen Raum entstehen. Einen Grenzraum, der verschiedene Lesarten und Fragen ermöglicht. Die dem Comic spezifische Ästhetik der Brüche und Wiederholungen wird im Comic 'Hure h' explizit benutzt, um Fragen nach Identität, Geschlechterrollen und Begehren aufzuwerfen und gesellschaftliche Zuschreibungen zu hinterfragen. Identität wird im Comic 'Hure h' nicht als feststehende Einheit dargestellt, sondern in ihrer fragmentierten Struktur gezeigt. Die Brüche in der Darstellung von Identität und die parodistische Bezugnahme auf gesellschaftliche Akte machen den Raum für eine Grenzüberschreitung der Geschlechternormen auf. Die Differenz zwischen den dargestellten Zeichen und deren imaginierten gesellschaftlichen Konnotationen lässt die Möglichkeit entstehen, dass Normvorstellungen und Konstruktionen von 'gender' und 'sex' als solche aufgezeigt und dadurch aufgebrochen werden.
Im ersten Teil der vorliegenden Analyse werden zwei Themen in Jungs Schrift untersucht: die Amoralität und Unbewusstheit Gottes sowie dessen Menschwerdung. Dann soll erörtert werden, wie Jung zu seiner Interpretation kommt, und schließlich wird gezeigt, welche Bedeutung Jung der Hiobschrift für das 20. Jahrhundert und danach beimisst.
Indem Benjamin die "Umkehr" als zentrales Element herausgreift – also das Verwandeln von Leben in Schrift und nicht von Schrift in Leben -, löst er Kafka aus einer nur auf das Judentum beschränkten Bedeutung und zeigt dessen Relevanz für das Verständnis von Geschichte überhaupt. Die Form des Kafka’schen Werks enthalte "Hinweise auf einen Weltzustand". Insofern tut sich in der Auseinandersetzung zwischen Benjamin und Scholem bezüglich der Frage von Heiligkeit und Schrift etwas Neues auf: Wie wahre Hoffnung nur für die Hoffnungslosen ist, so erscheint das Verständnis echter Heiligkeit als rein theologischer Kategorie durch die Erkenntnis der nicht mehr heiligen Schrift bedingt.
Die Bibel ist Weltliteratur 'und' eine heilige Schrift - damit spreche ich sowohl bereits den Kern des Beitrages als auch die Schwierigkeit dieser Konstellation an. In welchem Verhältnis steht die Bibel als Literatur zu dem Begriff der Heiligkeit, der ihr kanonisch, normativ und auch inhaltlich zuerkannt wurde und teils wird? Beide Aspekte, sowohl ihre Literarizität (1. 'Bible as Literature') als auch ihre Einordnung als eine heilige Schrift (2. Die Bibel als heilige Schrift), werden im Folgenden in einem Wechselspiel aus literaturwissenschaftlicher und theologischer Hermeneutik untersucht, da diese beiden Disziplinen die Bibel als literarisches und/oder religiöses Medium wahrnehmen und aufgreifen.