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"Genua bedeutet zunächst eine Wende. Es war die gräßte Mobilisierung, die diese Bewegung bislang weltweit auf die Beine gestellt hat. Allerdings ist es nicht einfach für eine gerade entstandene Bewegung, einen solchen Schlag zu Überleben. Deshalb würde ich in Bezug auf Genua auch nicht von einem Erfolg sprechen, sondern eher von einer Etappe: Wir haben unsere Unschuld verloren, weil wir uns unserer Rechte zu sicher waren. (...) Genua zeugt von einer militärischen Logik der Regierung bezüglich der Mobilisierungen gegen den G8. Wir haben Widerstand geleistet und auch der Widerstand war eine politische Angelegenheit. Doch die militärische Logik des Konflikts zu akzeptieren, wäre Wahnsinn und politischer Selbstmord. In Genua waren alle Ordnungskräfte, die Armee, die Geheimdienste der acht - äkonomisch und militärisch - mächtigsten Länder des Planeten. Unsere Bewegung kann sich nicht mit dieser Militärmacht messen. Wir würden im Laufe von drei Monaten zerdrückt werden. Also müssen wir einen dritten Weg finden zwischen denen, die ihre Ablehnung der ökonomischen Globalisierung nur verbal äußern und jenen, die sich für die symbolische Geste entscheiden wie es z.B. das Demolieren einer Bank sein kann. (...) Doch gegenüber dem Risiko, umgebracht zu werden, halten wir am Recht auf Schutz fest." Luca Casarini, Sprecher der Tute Bianche ...
Selbstständig Beschäftigten wird in der Öffentlichkeit ein erhöhter Individualismus und Egoismus nachgesagt. Gleich, ob die ihnen zugeordneten Eigenschaften positiv oder negativ bewertet werden, scheint Einigkeit zu bestehen, dass sie kein Interesse an einer organisierten Interessensvertretung haben. Sei es weil sie in Gewerkschaftsform als anachronistisch und fortschrittshemmend angesehen wird oder weil die vermeintlich privilegierte Situation der Selbstständigen eine Interessensvertretung überflüssig oder unerwünscht macht. Im folgenden Beitrag sollen einerseits die Relevanz der Frage der Organisierung und Interessensvertretung im Bereich der selbstständig Beschäftigten dargelegt werden und andererseits ihr Verhältnis zu traditionellen Interessensvertretungen (Gewerkschaften, Kammern usw.) sowie ihre Vorstellungen von einer Interessensvertretung dargestellt werden. Grundlage für den zweiten Teil sind die Ergebnisse einer Untersuchung in Berlin im Rahmen der zweijährigen Studie "Moriana" (1999/2000) des Mailänder Instituts A.A.Ster in sieben europäischen Städten. Diese hatte die Erforschung der neuen sozialen Zusammensetzung und der sich ausbreitenden neuen Arbeitsformen in metropolitanen Zentren zum Ziel, die während des Fordismus durch das Modell des urbanen Industriekapitalismus gekennzeichnet waren, in der heutigen Transitionsphase durch Formen informeller Ökonomie, gesellschaftlicher Ökonomie und Dienstleistungsökonomie. ...
Hugo Chávez gewann 1998 mit 56,4% die Präsidentschaftswahlen. Er führte einen antineoliberalen Diskurs, vor allem gegen die Privatisierung des staatlichen Erdölkonzerns Petroleos de Venezuela S.A. (PDVSA) und versprach Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung. Am 2. Februar 1999 übernahm er das Amt. Am 25. Juli wurde die verfassungsgebende Versammlung gewählt, am 15. Dezember die neue Verfassung, die "Bolivarianische Verfassung", via Referendum mit etwa 80% angenommen. 2000 wurde Chávez, bei Wahlen gemäß der Verfassung, mit 59,7% der Stimmen erneut Präsident. Seine Wahlkampagne wurde von fast allen linken Parteien, Basisgewerkschaften, Indígena-, LandarbeiterInnen und Basisorganisationen unterstützt. Die Regierung besteht derzeit aus fünf Parteien und baut auf einer breiten Basis auf. ...
Wenn sich am 20. März der Beginn des Irakkrieges zum zweiten Mal jährt, werden über 30000 Iraker im Dienste privater Militärfirmen (PMF) stehen. Hinzu kommen 6000 bis 20000 Ausländer. PMF stellen damit die – nach den US-Streitkräften – zweitstärkste "Armee" im Irak. Die coalition of the willing (Koalition der Willigen) wird immer mehr zu einer coalition of the billing (Koalition der Rechnungsteller). In den letzten zehn Jahren unterzeichnete allein die US-Regierung über 3000 Verträge mit Privatunternehmen, um sich deren Dienstleistungen für ihre im Ausland stationierten Truppen zu sichern. Im Irak vergab die Bush-Regierung, einem Report des Centre for Public Integrity in Washington zufolge, Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 48,7 Mrd. US-Dollar an 150 solcher privater Militärdienstleistungsunternehmen. Schon bei der Invasion wurden viele der hoch entwickelten Waffensysteme von Spezialisten bedient (so zum Beispiel Predator-Drohnen, Global Hawks, B-2 Stealth-Bomber). Im Irak obliegt es Mitarbeitern von PMF, Patrouille zu laufen, Gebäude und Infrastruktur zu bewachen und den Personenschutz zu stellen. Selbst das Personal in den irakischen Militärgefängnissen stammt von privaten Sicherheitsdiensten. So waren Mitarbeiter der PMF Caci und Titan in die Foltervorfälle im Abu-Ghraib-Gefängnis verstrickt. Aber auch Privatunternehmen greifen mittlerweile gerne auf die Dienste von PMF zurück. ...
Nach dem US-Kontingent, das im Dezember 2004 auf 150.000 Soldaten erhöht wurde, stellen die von den privaten Militärdienstleistern (PMC) gestellten Truppen die zweitstärkste "Armee" im Irak. Laut Angaben des PMC Custer Battles stehen über 30.000 Iraker und "viele Tausend andere" im Dienste von PMCs. Die Zahl der für PMCs aktiven Ausländer wird in verschiedenen Quellen auf 6.000 bis 20.000 geschätzt. Schon bei der Invasion im März 2003 wurden viele der hochentwickelten Waffensysteme auf den Kriegsschiffen im Golf von Spezialisten vier verschiedener PMCs bedient, ebenso die Waffensysteme der Predator-Drohnen, Global Hawks und B-2 Stealth-Bomber. Im Irak obliegt es Mitarbeitern von PMCs Patrouille zu laufen, Gebäude und Infrastruktur zu bewachen und für irakische sowie US-Vertreter die Leibwachen zu stellen. Selbst das Personal in den irakischen Militärgefängnissen stammt von privaten Sicherheitsdiensten. So waren auch Mitarbeiter der privaten Sicherheitsdienste Caci und Titan in die Foltervorfälle im Abu-Ghraib-Gefängnis verstrickt. Aber auch Privatunternehmen greifen im Irak auf die Dienste von PMCs zurück.
Der vorliegende Aufsatz analysiert die Bildungsreformen, die in Venezuela seit Antritt der Regierung unter Hugo Chávez im Februar 1999 in die Wege geleitet wurden. Nach einem kurzen historischen Überblick bis 1999 folgt eine Erörterung der grundlegenden Linien der Bildungspolitik. Daran schließt die Darstellung des neuen Modells der Escuelas Bolivarianas (Bolivarianische Schulen) an sowie der Misiones (Missionen) genannten Sonderprogramme im Bildungssektor, welche einen Schwerpunkt der Umsetzung des Anspruchs „Bildung für alle“ darstellen: Die Misión Robinson I, II und III für die Alphabetisierung und den Grundschulabschluss und die Misión Ribas für die weiterführende Schule. Darauf folgt die Beschreibung der Umsetzung der in der 1999 verabschiedeten Verfassung garantierten kostenlosen „Höheren Bildung für alle“ mittels der Misión Sucre und der Universidad Bolivariana de Venezuela (Bolivarianische Universität Venezuelas, UBV) sowie des Berufsbildungsprogramms Misión Vuelvan Caras. ...
Lange ist die Zeit vergangen, als die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung den Einsatzvon Söldnern durch den britischen König als "völlig unwürdig einer zivilisierten Nation" bezeichnete. Heute sind die USA der weltweit größte Nutzer von Private Military Contractors (PMCs). Ein Markt mit rasanten Wachstumsraten, der vor dem Irakkrieg global noch etwa 100 Milliarden Dollar betrug und nun auf etwa 200 Milliarden angestiegen ist. ...
In den vergangenen Jahren sind in Venezuela, Bolivien und Ecuador Linksregierungen gewählt worden, die eine Wiederverstaatlichung der Erdöl- und Erdgasressourcen ihrer Länder zu ihrem wichtigsten Projekt erklärt haben. Mit dieser Politik verfolgen sie das Ziel, die Kontrolle über die Rohstoffe zurückzugewinnen und die daraus resultierenden Mehreinnahmen für die eigene Entwicklung zu nutzen. Darüber hinaus setzt Venezuela seinen Ölreichtum auch zur lateinamerikanischen Integration ein. Dieses Ansinnen weist durchaus Ähnlichkeiten mit der europäischen Montanunion der 50er Jahre auf. Allerdings sind im lateinamerikanischen Fall ausschließlich staatliche Unternehmen beteiligt; dadurch soll verhindert werden, dass der Löwenanteil der Erträge weiterhin in die Kassen der transnationalen Energiekonzerne fließt. ...
Der Militär Chávez ist der Hoffnungsträger der sozialen Bewegung in Venezuela. Seine Rolle ist aber ambivalent. Einerseits stützt er die zunehmende Macht der Basisarbeit. Anderseits scheint Chávez ihr alleiniger Garant der Beteiligung und schwächt so die Selbstorganisation wieder. Klientelistische Strukturen, wachsende Korruption und das gescheiterte Verfassungsreferendum zeigen die Grenzen des jetzigen Transformationsprozesses auf.
Die neuen Söldner
(2008)
Bezahlte Erbringer von militärischen Dienstleistungen, Söldner genannt, sind in der Kriegsgeschichte nicht unbekannt. Mit der Erfindung der Privaten Militärunternehmen, der Private Military Contractors (PMC) und Private Security Contractors (PSC) Anfang der 1990er Jahre wurde das Geschäft allerdings in den vermeintlich »sauberen« Wirtschaftsbereich überführt. Somit können die Unternehmen offen rekrutieren und ihre Dienstleistungen auf dem Weltmarkt anbieten. Die Industrie der neuen Söldner hat sich in den vergangenen 20 Jahren weltweit entwickelt und PMC und PSC aus den USA, Großbritannien, Israel, Frankreich, Deutschland, Australien, Russland, Rumänien, Bulgarien und anderen Länder bieten Dienstleistungen jeder Art an. Hoch professionelle Unternehmen aus den USA und Großbritannien stellen jedoch mehr als 70 Prozent der Militärdienstleistungen rund um den Globus zur Verfügung. Sie kommen vor allem im Irak und Afghanistan, aber auch in Kolumbien, Somalia, Sudan und anderen Ländern zum Einsatz. ...
Nach ihrer angeblichen Demobilisierung in Kolumbien im Jahr 2003 begannen die Paramilitärs, massiv nach Venezuela einzusickern. Von den Grenzgebieten aus hatten sie sich zunächst im Gebiet des Andenkorridors im Nordwesten Venezuelas ausgebreitet. Sogar logistische Zentren zur Unterstützung der konterrevolutionären Aktivitäten einschließlich der Anwesenheit ausländischer Spezialisten soll es in der Region geben. Militärstrategischer Logik folgend wird nach dem Andenkorridor die Paramilitärpräsenz im Zentrum, also in Caracas und dem angrenzenden Bundesstaat Miranda, gestärkt. Als letztes wird der Aufbau einer »Ostfront« entlang der Achse Sucre-Delta/Amacuro/Bolívar, den drei östlichsten Bundesstaaten, sichtbar. (...)
Venezuela steht wegen seiner großen Rohstoffreichtümer im Blickpunkt der Vereinigten Staaten. Aber das besondere Augenmerk der Hegemonialmacht gilt dem bolivarischen Prozeß in Venezuela, denn das Land spielt eine wichtige Rolle bei der Integration des Kontinents und der damit verbundenen Möglichkeiten für fundamentale Veränderungen, die Venezuelas internationale Politik anderen Ländern eröffnet. ...
Das Unternehmen Krieg : Paramilitärs, Warlords und Privatarmeen als Akteure der neuen Kriegsordnung
(2000)
Im Neoliberalismus werden nicht nur Staatsbetriebe privatisiert, sondern auch die Kriegführung. So übernehmen private Militärunternehmen im Auftrag des Pentagon verstärkt Kampfaufträge. In Afrika verwandeln sich reguläre Armeen in private Bergbauunternehmen. Zur Aufstandsbekämpfung rüsten in Kolumbien und der Türkei Politiker private Paramilitärs aus, die gleichzeitig vom Drogenhandel profitieren. In Afghanistan werden Warlords unter Protektoratsherrschaft mit Regierungsgewalt ausgestattet. "Das Unternehmen Krieg" geht neuen Formen der Kriegsführung nach. Statt "Staatszerfall" und "Chaos", wie in den Medien oft beschworen, zeichnen sich dabei die Konturen einer "Neuen Kriegsordnung" ab. In ihr werden private militärische Akteure von Eliten eingesetzt, um Herrschaft zu sichern. Dabei ist oft nicht mehr ein militärischer Sieg, sondern die Kriegführung selbst das Ziel, um Profite erzielen zu können. Hinterlassen werden Hunderttausende von Opfern und Gesellschaften, in denen Wege zur Emanzipation neu eröffnet werden müssen. Der Sammelband füllt diese Thesen mit Länderkapiteln zu Kolumbien, der Türkei, Mexico, Guatemala, Jugoslawien, Afghanistan, Indonesien, Kongo, Angola und den USA. Die AutorInnen versuchen einen Beitrag zur Information und Diskussion der Neuen Kriege zu leisten und zielen damit nicht zuletzt auf die Anti-kriegs-und die Friedensbewegung ab. Wichtig erscheint dabei insbesondere die Erkenntnis, dass sich die Grenzen zwischen Krieg und Frieden immer weiter verwischen. Wie die im Buch dargestellten Entwicklungen zeigen, ist das Bombardement Bagdads oder Belgrads eben keineswegs die kurzzeitige Unterbrechung eines imaginierten "Friedens" durch den Ausnahmezustand "Krieg". Vielmehr breitet sich in größer werdenden Teilen des Globus ein permanenter Kriegszustand unterschiedlicher Intensität aus, der komplexere Antworten erfordert, als die Forderung nach dem Ende der Bombardierungen. Mit Beiträgen von: Thomas Seibert, Dario Azzellini, Knut Rauchfuss, Matilde Gonzales, Boris Kanzleiter, Dr. Matin Baraki, Henri Myrttinen, Björn Aust, Lisa Rimli, Dieter Drüssel und Volker Eick
Eine eindrucksvolle, übersichtlich strukturierte Einführung in die politische Geschichte und Aktualität des viertgrößten Landes des Subkontinents. Mit großer Sachkenntnis nähern sich die Autoren den historischen Wurzeln des kolumbianischen Dramas, der "Violencia", jener angeblich unerklärlichen, allgegenwärtigen Gewalt, die den Mord zur häufigsten Todesursache unter jungen Kolumbianern werden ließ. Dabei werden die engen Verflechtungen der staatlichen Eliten mit dem militärischen Repressionsapparat und ihre wirtschaftlichen Interessen aufgezeigt. Auch die internationalen Konzerne (allen voran die aus den USA, Großbritannien und Deutschland) sind mit im Spiel, wenn es um die billige Ausbeutung von Erdöl, Gold und der natürlichen Artenvielfalt kolumbianischer Regenwälder geht. Der Paramilitarismus wird ausführlich behandelt, ebenso die Guerillabewegungen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Darstellung der Drogenökonomie. Abgerundet wird das Buch durch einige Interviews und eine Aktualisierung vom November 2000.
Das kolumbianische Magazin "Semana" wählte den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez jüngst zum "Mann des Jahres 2005". Damit war Chávez der erste Ausländer, dem diese Auszeichnung zuteil wurde. Er habe, so die Begründung, die "politische Landkarte" Lateinamerikas grundlegend verändert und die Möglichkeit anderer zwischenstaatlicher Beziehungen aufgezeigt. Dadurch sei Chávez zum inzwischen einflussreichsten Mann des Subkontinents avanciert. ...
Kolumbien ist seit mehr als zwanzig Jahren ein Experimentierfeld für die privatisierte Kriegsführung. Polizei, Armee, Politik, Drogenhandel, Großgrundbesitzer, Paramilitärs, US-Armee, die nordamerikanische Antidrogenagentur DEA, transnationale Konzerne und private militärische Einheiten (PME) kooperieren in wechselnder Besetzung, um ihre jeweiligen Interessen gegen Bauernorganisationen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und bewaffnete Aufstandsbewegungen durchzusetzen. In Kolumbien sind um die zwanzig PME mit etwa 2000 Angestellten tätig. Die größte PME ist DynCorp, die auch im Irak arbeitet. In Kolumbien ist eine ihrer Dienstleistungen die Besprühung von Coca- und Mohnfeldern. Für die Besprühungen in Kolumbien stehen DynCorp 88 Helikopter und Kleinflugzeuge des Pentagon zur Verfügung. Die Firma gibt die Anzahl ihrer Beschäftigten in Kolumbien nicht bekannt. Geschätzt werden zwischen 100 und 355 Mitarbeiter, von denen weniger als ein Drittel US-Amerikaner sind. Die Einnahmen von DynCorp stiegen von 6,6 Millionen US-Dollar 1996 auf 30 bis 40 Millionen Dollar jährlich seit 1999. ...
In den letzten Jahrzehnten hat vor allem die Frage nach der Übernahme der (Staats-)Macht für Kontroversen innerhalb der Linken gesorgt. Ob der Staat übernommen wird, bis zu einem bestimmten Punkt mit staatlichen Institutionen zusammengearbeitet werden solle oder doch lieber jede Kooperation vermieden werden müsse, war ein zentraler Streitpunkt. Die Wahl verschiedener linker Regierungen in Lateinamerika, vor allem die Fälle Venezuelas und Boliviens, spielen eine zentrale Rolle. Mit der Wahl von Hugo Chávez zum Präsidenten Venezuelas und seiner Amtsübernahme Anfang 1999 begann ein Prozess wirksamer und auf eine sehr breite linke Bewegung gründender sozialer Transformationen, der die Linke zwingt, bestimmte tradierte Konzepte neu zu denken.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht eine Untersuchung zum internationalen Talent-austausch, zur Mobilität und zur Ausbildung von medizinischen und natur-wissenschaftlichen Hochschulabsolventinnen und -absolventen des institutionellen BMEP-Programms (BMEP/Biomedical-Exchange-Program) während des Studiums und beim Übergang ins Berufsleben. Das transatlantische Biomedical Exchange Programm ist ein Programm zum Talentaustausch von Graduierten und Post-Graduierten mit den USA und verankert Innovations- und Wissenstransfer-Forschung von universitärer und industrieller Welt in der Life-Science-Industrie1). Das Programm wurde im Jahr 1979 von Prof. Dr. John Boylan, Prof. of Medical and Physiology an der University of New York, Buffalo und Medical School Farmington (Connecticut) und Prof. Dr. Hilmar Stolte von der Medizinischen Hochschule Hannover ins Leben gerufen. Es handelt sich um eine soziologische Aufgabenstellung mit der thematischen Zielsetzung im Bereich der Karriereforschung. Die Untersuchung hat geklärt, ob internationale Ausbildung und interdisziplinäres Wissen einen Wissensvorsprung bedingen, der sich im Hinblick auf internationale Karrieren und Führungspositionen in unserer heutigen Wissens-gesellschaft auswirkt. Um die Arbeit in den bestehenden Forschungskontext einzuordnen, ist es notwendig, sowohl soziologische als auch ökonomische Teilgebiete der Karriere-, Qualifikations- sowie Mobilitätsforschung zu berücksichtigen, was in den Kapitel 3 und Kapitel 4 dargestellt wird. Die Arbeit ist eine erstmalige empirische Untersuchung über das institutionelle, transatlantische und interdisziplinäre Biomedical-Exchange-Program (BMEP) zum Talentaustausch von medizinischen und naturwissenschaftlichen Studenten mit den USA auf der Ebene von universitärer und industrieller Welt. Um die Effektivität und Leistungsfähigkeit des institutionellen BMEP-Programms zu evaluieren, wurden je drei ehemalige Absolventen pro Jahrgang des Programms der Jahrgänge 1979-2004 mit Hilfe eines Fragebogens befragt. Die Untersuchung befasst sich schwerpunktmäßig mit den ursprünglichen Intentionen und Motiven der Teilnehmer, den Schwierigkeiten, die sich auf diesem Wege in die USA ergeben haben und den Absichten, die verwirklicht werden konnten. Sie fragt, ob erfolgreiche internationale Karrieren durch die Teilnahme am BMEP-Programm entstanden sind, sowie Unternehmertum, Selbständigkeit und internationale Science Frontier-Kontakte und ob im Laufe des Programms Publikationen entstanden sind. ....
Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen das qualitative soziologische Interview und seine Auswertung. Hierzu werde ich die im Zusammenhang mit einem konkreten abgeschlossenen Forschungsprojekt geführten Interviews und deren Interpretation empirisch untersuchen. Die zentrale erkenntnistheoretische Basis besteht in der Vorstellung einer narrativen Konstruktion von Wahrheit sowie der Vorstellung von wissenschaftlicher Geltung im Allgemeinen und der Geltung dieser konkreten Auswertungen im Besonderen. ...
In dieser Arbeit werden die zentralen Kernfragen, Probleme und Sorgen skizziert, welche die bürgerlich-radikalen Pionierinnen in den Anfängen der Sexualreformbewegung im Kaiserreich und der Weimarer Republik in ihrer von sexual- und bevölkerungspolitischen Debatten und Refomen gesättigten biopolitischen Welt aufwarfen und auf die sie eine Antwort suchten. Die bislang vorwiegend auf Helene Stöcker und den Bund für Mutterschutz gerichtete Sicht wird erweitert durch die Analyse der Schriften von Rosa Mayreder und Grete Meisel-Hess. Im Mittelpunkt stehen nicht die im engeren Sinn körperpolitischen und bevölkerungspolitisch-eugenischen Positionen dieser feministischen Sexualreformerinnen, sondern die vielfältigen Bezüge ihres Diskurses zu zeitgenössischen geschlechtertheoretischen Debatten, kultur- und sozialgeschichtlichen Untersuchungen sowie zu medizinischen und sexualwissenschaftlichen Theorien.
The impact of the end of the Cold War on United States foreign and defense policy in the 1990s is frequently misunderstood within the field of International Relations. On the one hand, it is often assumed that the US was able to achieve a substantial ‘peace dividend’ after finally claiming victory over the Soviet Union. Yet it is also common for scholars to see the early potential for a more peaceful international order after the cessation of Cold War hostilities as having been frustrated by a series of unexpected events during the 1990s. On the other hand, scholars who focus on understanding contemporary developments and the prosecution of US foreign and defense policy in the Global War on Terror often restrict their analysis to the unfolding of recent events, rather than critically investigating the roots of contemporary US defense policy, which lie in the years immediately following the fall of the Berlin Wall and the end of the Cold War in 1989. This thesis puts forward the notion that the contemporary parameters of US security policy can only be fully understood when they are placed within a broader analytical narrative that incorporates the politics of US defense policymaking during the late-1980s, as well as the decade following the end of the Cold War. In doing so, it suggests two key factors not sufficiently highlighted in the existing literature. The first is that analyzing how US ‘defense coalitions’ are formed, which conditions facilitate their influence on the defense policy agenda, and what the consequences of this are for US security strategy is crucial to understanding the intense political struggles that inform US threat perception, strategic planning, and the development of major weapons systems. Building on earlier theories of the Military-Industrial Complex, the concept of defense coalitions establishes greater analytical leverage for providing a compelling account of the dynamics of change and continuity in US defense policy during the 1990s. The second factor is the importance of studying the use of rhetorical action, which is aimed at the construction of an overarching security narrative, for understanding how political entrepreneurs within the US defense policy community have sought to shape the post-Cold War defense policy agenda. In sum, the thesis argues that political elites who were committed to the maintenance of a high volume of US defense spending in ‘peacetime’ were able to shape how external events were interpreted within the defense policy community, in order to construct a new overarching security narrative that helped to legitimize their policy goals.
Wer nutzt den Online-Gebrauchtwarenmarkt? : Umweltorientierte, Prosumenten und andere User auf eBay
(2010)
Dass unser Lebensstil und Konsum auf Dauer das Klima bedrohen, die Vielfalt der Arten reduzieren, das Trinkwasser immer knapper werden lassen, ist der Bevölkerung durchaus bewusst. Doch nur eine Minderheit ist bereit, im Alltag auf das Auto zu verzichten, für Urlaubsreisen nicht das Flugzeug zu benutzen, ökologische Lebensmittel zu kaufen oder beim Kauf von Möbeln auf das Zertifikat »nachhaltige Holzwirtschaft« zu setzen. Wie lässt sich der Widerspruch zwischenWissen um den eigenen Ressourcenverbrauch und Sorge um die Umwelt einerseits und wenig nachhaltigem Konsumverhalten andererseits erklären?
Genauso wie die zentralen materiellen Güter unserer Gesellschaft sozial ungleich verteilt sind, ist auf einer zeitlichen Ebene die Zeit sozial ungleich verteilt. Kann die Zeit als eine zentrale Ungleichheitsdimension bezeichnet werden? Um dieser Antwort auf die Spur zu kommen, wird ein besonderer Untersuchungsblickwinkel gewählt, der an eine bestehende Debatte in der Ungleichheitsforschung anschließt. An die Entstrukturierungsthese anknüpfend, die das Verschwinden vertikaler Strukturen beschreibt, wird davon ausgegangen, dass soziale Schichten als klassisches Konzept der Soziologie noch immer eine wichtige Bedeutung im gesellschaftlichen Leben aufweisen. In einer Sekundäranalyse mit einem Datensatz der amtlichen Statistik (Zeitbudgeterhebung 2001/02) wird deshalb die ungleiche Verteilung auf der Ebene der Alltagszeit mit einem Schichtungsansatz verbunden. Die Zeit äußert sich im Lebensalltag der Menschen vor allem als abstrakte Zeit, sie ist die in homogene Einheiten eingeteilte Zeit. Die zentrale Hypothese dieser Arbeit lautet: Die Zeiten der alltäglichen Routine - Schlafenszeit, Erwerbsarbeitszeit, Hausarbeit, Freizeit und Wegezeit - sind ungleich in verschiedenen sozialen Schichten verteilt. Neben Zeitlängen werden auch die Uhrzeiten, wann etwas getan wird, und der Ort, wo etwas getan wird, theoretisch und empirisch in die Analyse integriert. Geschlecht und Alter ergänzen als horizontale Dimensionen die Forschungsperspektive. Weil Frauen und Männer keine homogene Gesamtheit darstellen, werden schichtspezifische Differenzierungen innerhalb der Geschlechter bei der (un)gleichen Verteilung der Zeiten der alltäglichen Routine untersucht. Die mittleren sozialen Schichten weisen in der "Durée der Alltagserfahrung" oft Konvergenzen auf, während vor allem die Unterschicht und Oberschicht kontrastreich in vielen Aspekten der Zeiten im Alltag sind. Am Wochenende haben die Akteure der "Unterschicht und unteren Mittelschicht" die längsten Erwerbsarbeitszeiten, die Akteure der "Oberschicht und oberen Mittelschicht" die geringsten. Weil ihre Arbeitszeit in einer Zeitinstitution liegt, die für Regeneration steht, sind die Akteure der "Unterschicht und unteren Mittelschicht" bei der bezahlten Arbeitszeit in diesem Aspekt benachteiligt. Für Frauen gilt: Je niedriger die soziale Schichtzugehörigkeit, desto kürzer sind die bezahlten Erwerbsarbeitszeiten an einem Werktag. Die schichtspezifische Regionalisierung der bezahlten Arbeitszeit macht die soziale Ungleichheit deutlich: Die Arbeitszeiten sind für soziale Schichten in Zonen am Tag eingeteilt: Die erwerbstätigen Akteure der "Unterschicht und unteren Mittelschicht" beginnen die Alltagsroutinen der Erwerbsarbeit viel früher am Morgen - im Durchschnitt 2 Stunden früher - und beenden diese auch früher am Tag. Ihre Mittagspause ist in einer anderen Zeitzone verortet (12 Uhr) als die Mittagspause der Erwerbstätigen aus "Oberschicht und oberen Mittelschicht" (13 Uhr). Männer der Oberschicht haben weitläufigere Zonen bei Freizeiten und bezahlten Arbeitszeiten. Dadurch eröffnen sich ihnen neue Interaktionsrahmen, in denen Wissen und Macht vermehrt werden können. Im Vergleich zu anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit lassen sich Vor- und Nachteile sozialer Zeit schwieriger bestimmen. Während mit höherem materiellem Wohlstand, zunehmender Macht, Bildung und zunehmendem Prestige die Vorteile und Begünstigungen in der Gesellschaft ansteigen, so gilt diese "Je mehr desto besser" Regel bei der Zeit nicht unbedingt.
Die Herausbildung normativer Ordnungen : zur Idee eines interdisziplinären Forschungsprogramms
(2010)
Ein geistes- und sozialwissenschaftliches Forschungsprogramm betritt mit der These, dass wir in einer Zeit tiefgreifender sozialer Veränderungen leben, kein Neuland. Ein thematischer Fokus auf die Frage der Herausbildung normativer Ordnungen mit Bezug auf die entsprechenden Verschiebungen, Umbrüche und Konflikte in verschiedenen Gesellschaften und auf transnationaler Ebene bringt dagegen etwas Neues und Wichtiges ans Licht. Das ist jedenfalls unsere Überzeugung.
Hundert Jahre nach seiner Premiere im Oktober 1910 findet der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie wieder in Frankfurt am Main statt. Damit unterstreicht die Fachgesellschaft die Bedeutung, die dem Wissenschaftsstandort Frankfurt für die zeitgenössischen Sozialwissenschaften zukommt. Neben dem 1971 gegründeten Frankfurter Fachbereich Gesellschaftswissenschaften haben das traditionsreiche Institut für Sozialforschung, das Sigmund-Freud-Institut, das Cornelia-Goethe-Centrum sowie der Exzellenzcluster »Die Herausbildung normativer Ordnungen« das gegenwärtige Erscheinungsbild der Frankfurter Soziologie nachhaltig geprägt. ...
In welcher Welt leben wir? : Soziologiekongress zum Thema "Transnationale Vergesellschaftungen"
(2010)
Frankfurt wird vom 11. bis 15. Oktober zum fünften Mal Austragungsort des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) sein. Zu diesem mittlerweile 35. DGS-Kongress – der erste fand vor 100 Jahren ebenfalls in Frankfurt statt – werden rund 3000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt erwartet. ...
Das Bild unter der Schneedecke : visuelle Soziologie: Erforschung des Sozialen mit anderen Mitteln
(2010)
"Unter der Fotografie eines Menschen ist seine Geschichte wie unter einer Schneedecke vergraben", schrieb Siegfried Kracauer 1927 in seinem Essay "Das Ornament der Masse". Visuelle Soziologie nennt sich heute eine relativ junge Fachrichtung, die versucht, diese Schneedecke mit soziologischen Methoden beiseite zu räumen. Dann wird der Hintergrund sichtbar, auf dem die Geschichte des Bildes sich abspielt, das soziale Beziehungsgeflecht, dem die Fotografie ihre Existenz verdankt. Ist doch dieses Bild die Manifestation verschiedener Beziehungen, die sich etwa zwischen Fotograf und Fotografiertem, zwischen Betrachter und Betrachtetem, zwischen Auftraggeber und Nutzer entwickeln und in die ideologische Weltsichten ebenso eingehen wie die sozialen Lagen der Akteure. Visuelle Soziologie fragt also nach der Produktion, Distribution und Konsumtion von Bildern und stellt sie in Beziehung zur Sozialstruktur der Gesellschaft. ...
Welche Rolle spielt Religion – abseits von radikalem Extremismus – im politischen Geschehen der modernen westlichen Gesellschaften? Diese Frage motivierte unser Forschungsprojekt; wir untersuchen dabei einen ganz spezifischen Sachverhalt: Welchen Einfluss hat Religion darauf, ob Bürger staatliche Umverteilungspolitik unterstützen? ...
In vielen Familien der Mittelschicht sind mittlerweile beide Ehepartner berufstätig. Das männliche Alleinverdiener-Modell verschwindet zwar nicht, aber nimmt ab. Die Arbeit zu Hause ist trotzdem noch ungleich verteilt und überwiegend Frauensache geblieben – wenn auch häufig unter neuen Vorzeichen: Oft übernehmen Migrantinnen, insbesondere aus Osteuropa, einen Teil der Care-Arbeit. Welche Konsequenzen hat dies für deren Familien?
Um Dynamiken und Netzwerke in den untersuchten Clubszenen und urbanen Räumen Berlins wissenschaftlich erfassen zu können, bedarf es einer multidimensionalen Herangehensweise. Ethnografi sche Methoden sind dabei von größter Bedeutung: teilnehmende Beobachtung im Alltag sowie auf Veranstaltungen vor Ort, fokussierte Gespräche mit Szenegängern und reflektierende Berichte über die eigene Positionierung als Forscherin. Das gesammelte Datenmaterial ist vielfältig: detaillierte Feldnotizen nach jedem Club- oder Barbesuch, aber auch nach relevanten Gesprächen, sei es »face-to-face«, über E-Mail- oder Chatverkehr nehmen den größten Part ein. Bildmaterial wie Plakate, Flyer und selbst gemachte Fotos in Clubs ergänzen das Schriftmaterial auch visuell. Das Verfolgen stadt- und kulturpolitischer Entwicklungen, Beobachtungen sozioökonomischer Gegebenheiten in den jeweiligen Szenen und der Einfl uss urbaner Infrastruktur auf das Ausgehverhalten sind weitere Mosaiksteine, die dazu beitragen, ein möglichst ganzheitliches Bild entstehen zu lassen. Nach der Feldforschungs- und Datenerhebungsphase wird das gesamte Datenmaterial ab Januar 2011 einer qualitativen Analyse unterzogen.
Migranten werden in politischen Debatten oft als festgefügte Gemeinschaft betrachtet, die in ihrer eigenen nach außen abgeschotteten Welt leben – in einer Parallelgesellschaft. Doch ist das wirklich so? Wie gestalten insbesondere junge Leute mit Migrationshintergrund ihre sozialen Bindungen, wenn sie sich in der urbanen Clubszene europäischer Großstädte bewegen? Das Team um die Soziologin und Kulturanthropologin Kira Kosnick untersucht die Dynamiken dieser Prozesse.
Ein Mikrokosmos sozialer Kontraste : mit soziologischem Blick durch das Frankfurter Bahnhofsviertel
(2010)
Das Frankfurter Bahnhofsviertel genießt einen überregionalen Ruf. Es ist sowohl als Vergnügungsmeile und Rotlichtbezirk, als auch wegen der öffentlichen Sichtbarkeit abweichenden Verhaltens bekannt – oder vielmehr berüchtigt. Bei Tag ist von dem pulsierenden Leben, das sich abends zwischen Hauptbahnhof und Schauspielhaus, zwischen Gründerzeit vil len und Bankhochhäusern abspielt, kaum etwas zu erahnen. Soziale Tatsachen wie die Unterbevölkerung des Stadtteils, die gezielte Ansiedlung von andernorts unerwünschten Branchen und Dienstleistungen, die Koexistenz verschiedener Kulturen stehen auf den ersten Blick erst recht außerhalb der Wahrnehmung. Dagegen fallen diejenigen Phänomene, die augenscheinlich den Bruch zwischen der »Normalität« und der Abweichung kennzeichnen, umso stärker ins Auge. Das gilt besonders für das Prostitutionsmilieu und die lokale Drogenszene.
Rüstungskontrolle entwickelte sich während des Ost-West-Konflikts zu einem wichtigen Element für die Stabilisierung des internationalen Systems und zur Verhütung eines Atomkriegs, wobei jedoch die Rahmenbedingungen der bipolaren Blockkonfrontation immer wieder einschränkend wirkten. Das Ende des Kalten Krieges brachte zunächst eine Welle des Optimismus und der Hoffnung mit sich, dass nun größere Fortschritte in der Rüstungskontrolle möglich sein sollten. Und in der Tat stellten sich in der ersten Hälfte der 1990er Jahre Erfolge ein: Unter anderem wurden die Zahl der atomaren Sprengköpfe reduziert, Chemiewaffen und Antipersonenminen verboten, der nukleare Umfassende Teststoppvertrag (CTBT) abgeschlossen und der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) an die neuen Bedingungen angepasst. Ab Mitte der 1990er Jahre setzte jedoch eine Stagnation in der Rüstungskontrolle ein, die sich spätestens mit der Amtsübernahme der Bush-Administration zu einer handfesten Krise auswuchs. Von manchen Beobachter/innen und Praktiker/innen wurde gar das Ende der Rüstungskontrolle – zumindest in ihrer bisher bekannten Form – postuliert oder diagnostiziert.
Die Regime gegen Massenvernichtungswaffen erfüllen wichtige sicherheitspolitische Funktionen und tragen dazu bei, Terrorismus mit diesen Waffen zu verhindern. Eine regimetheoretische Analyse zeigt für alle drei Regime stabilisierende und destabilisierende Tendenzen sowie eine Spaltung zwischen Nord und Süd. Im nuklearen Nichtverbreitungsregime wirkt die Diskriminierung zwischen Kernwaffen- und Nichtkernwaffenstaaten in Verbindung mit der mangelhaften Umsetzung der Abrüstungsverpfl ichtung destabilisierend. Das Biowaffen-Regime zeigt eine neue Dynamik zum Thema Biosicherheit, aber auch anhaltende Konfl ikte um Technologieaustausch und Verifikation. Obwohl das CWÜ derzeit am stabilsten erscheint, gilt es, drohende Probleme z.B. im Bereich Verifi kation und Abrüstung abzuwenden. Wenn die Regime ihrer Aufgabe effektiv nachkommen sollen, müssen die strukturellen Defizite bearbeitet sowie jeweils die Abrüstungs-, Nichtverbreitungs- und Kooperationsbestimmungen gleichermaßen vollständig und ausgewogen umgesetzt werden.
Feministische Politik in der Türkei ist das Ergebnis von jahrelangen, politischen Kämpfen, Aushandlungsprozessen, Verhandlungen und umkämpften Strategien der feministischen Bewegung in einer politischen Gesellschaft und Öffentlichkeit, die durch eine hegemoniale Männlichkeit gekennzeichnet ist. Die politischen Praktiken und die frauenpolitischen Artikulationen der feministischen Bewegung stützen sich auf wertvolle Ressourcen, wie feministische Wissensaneignung, feministischen Aktivismus und die Sammlung von Erfahrungen in einer langjährigen, politischen Auseinandersetzung mit den patriarchalen, männerbündischen und männlichhegemonialen Gesellschaftsstrukturen in der Türkei. Dass die feministische Bewegung hierbei auch ein Potential für eine gesamtgesellschaftliche, demokratiefördernde und emanzipatorisch-transformierende Bewegung aufweist, liegt auf der Hand. Politischoppositioneller Radikalismus und fundamentale Gesellschafts- und Demokratiekritik sind politische Charakteristiken der feministischen Bewegung, die sie als eine der emanzipatorischsten sozialen Bewegungen in der Türkei seit den 1980ern in die politische Gesellschaft trägt. Die gegenwärtigen feministischen Debatten über die vermeintliche "NGOisierung" der feministischen Bewegung, den "Projektfeminismus" (vgl. Sirman 2006; Üstündag 2006; Bora 2006; Yalcin 2006; Hacivelioglu 2008), die Bündnisse mit staatlichen Institutionen und Akteuren bzw. Akteurinnen und den dadurch eingetretenen Verlust der ihr "einst" innewohnenden, gesamtgesellschaftlichen Radikalität (vgl. Mutluer 2007a; Üstün 2007a; Coban 2008) sind in Anbetracht der politischen Dynamik und Wirkungsmacht, die sich die feministische Bewegung seit 2000 wieder aneignen konnte, notwendige Auseinandersetzungen um eine politische "Neupositionierung" in der politischen Gesellschaft und der sich verändernden politischen Konjunktur in der Türkei. ...
In diesem Aufsatz konzentriere ich mich auf einen wichtigen und überaus kühnen, praktisch-politischen Vorschlag des Projekts der kosmopolitischen Demokratie (Archibugi/Held 1995; Archibugi et al. 1998; Beck 2004; Held 1998): auf die Parlamentarisierung der Weltpolitik (Übersicht bei Bienen et al. 1998). Das kosmopolitische Projekt unterstellt, dass die Vergemeinschaftung der Menschheit einen Grad erreicht hat, der es erlaubt oder gar erfordert, die Herstellung von Recht – einschließlich von Weltbürgerrecht (Brunkhorst et al. 1999) und die Kontrolle seiner richtigen exekutiven Anwendung in die Hände einer globalen Legislative zu geben.
Gegenstand der qualitativen, empirischen Untersuchungen sind die sozialen Beziehungen in Anwendungen des Internets (web 2.0 / social networks) am Beispiel der virtuellen Welt "Second Life". Neben umfangreichem Hintergundwissen zu dieser Anwendung, aber auch zur Chatkommunikation, bietet sie in der Hauptsache Interpretationen zum Nutzerverhalten. Grundlage dafür sind Daten, die in Form von Interviews mit den Nutzern und teilnehmender Beobachtung gewonnen wurden. Diese Daten wurden mit Hilfe der Reflexiven Sozialforschung und der Objektiven Hermeneutik (Sequenzanalyse) ausgewertet und analysiert. Als Interpretationsstütze dienen u.A. die Kritische Theorie und Richards Sennetts Theorien zur Arbeitsgesellschaft. Die Arbeit wurde mit der Note 2,0 bewertet und von den Gutachtern für den innovativen Zugang zum Forschungsgegenstand gelobt.
Zwischen Macht und Gerechtigkeit : Zustand und Perspektiven des nuklearen Nichtverbreitungsregimes
(2008)
Das nukleare Nichtverbreitungsregime weist eine erstaunliche Erfolgsstory auf. Die Zahl der Staaten, die kernwaffenorientierte Aktivitäten in verschiedenen Stadien des Fortschritts aufgegeben haben, ist weitaus größer als die der Kernwaffenstaaten. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs droht dem Regime jedoch Ungemach aus zwei Richtungen: Eine kleine Anzahl von „Ausbrechern“ und „Außenseitern“ unterminiert seine zentrale Zielsetzung, die Weiterverbreitung dieser Waffen aufzuhalten. Die Verweigerungshaltung der Kernwaffenstaaten gegenüber ihrer Abrüstungspflicht verstößt gegen den im Regime eingelassenen Gerechtigkeitsgrundsatz und zerstört damit seine Legitimität. Diese Erkenntnis ist mittlerweile aus dem „Ghetto“ der unverdrossenen Abrüstungsenthusiasten in den sicherheitspolitischen Mainstream vorgedrungen. Von ihrer Durchsetzungsfähigkeit wird letztlich die Zukunft des Regimes abhängen – mit weitreichenden Konsequenzen für die globale Sicherheit.