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Inhalt:
Widmung
1-37 I. Kapitel: Die Abhebung der ästhetischen von der moralischen Deutung der Kunst
38-64 II. Kapitel: Die Systematik der Künste
65-71 Zwischenbemerkung: Über das ästhetische Verhalten, den Wahrheitsgehalt der Kunst und die ästhetischen Kategorien
72-96 III. Kapitel: Die Geschichtsphilosophie der Kunst
97-111 IV. Kapitel: Die Wandlung in der Auffassung der Kunst von der "Geburt der Tragödie" bis zu "Menschliches - Allzumenschliches"
113-114 Literaturverzeichnis
Lebenslauf
Die Magisterarbeit in ein Beitrag zur Weiterentwicklung neuzeitlicher Subjekt- und Emanzipationstheorien. Im ersten Schritt werden die Grundkonzepte aus Baruch de Spinozas Ethik dargestellt und ihre Rolle fuer die Ideologietheorie Louis Althussers analysiert. Auf Grundlage dieser Analyse werden Grenzen der Subjekt- und Ideologietheorie Altussers aufgezeigt und der Versuch unternommen sie unter Zugriff auf spinozistische Begigriffe zu ueberwinden. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Perspektive auf den Menschen als körperliches, emotionales und begehrendes Wesen.
Eine Frage des Blickwinkels : der Rechtsphilosoph Stefano Bertea forscht als Marie-Curie-Stipendiat
(2015)
In Krisenzeiten suchen Menschen nach einem Zeichen der Hoffnung. Hoffnung steht auch im Zentrum der Forschung von Claudia Blöser. Ein Gespräch mit der Philosophin über die Beziehung zwischen Hoffnung, Wissen und Angst und darüber, warum das Konzept der radikalen Hoffnung in einer Krisensituation hilfreich sein kann.
The concept of the political in Carl Schmitt’s works is not only defined by the distinction between friend and enemy, but also by the criterion of breaching the rules in a normatively unbound act of decision. According to Schmitt, this decision is, however, not arbitrary, but provoked by the necessity of a historical situation. This aspect of necessity calls the freedom of the decision into question and leads to tensions within Schmitt’s theory of the political. More explicitly than in Schmitt’s political and legal writings, this conflict between freedom and necessity is exposed in his theory of tragedy. In a reading of his book Hamlet or Hecuba, published in 1956, I will show, in a first step, how the act of breaching the rules is not external to normativity, but occurs from within normativity itself. It is the act of self-breaching – of breaking the rules of its own genre – by which, according to Schmitt, modern tragedy is defined. This breach, however, is compelled by the necessity of a real, i. e. extraliterary, event. In a second step, I will expound on how this idea of self-breaching, which also characterises Schmitt’s understanding of the political, leads to a loss of decision which not only questions his idea of sovereignty, but also topples his concept of the political.
Säkularisierung und die Souveränität der Moderne. Ein Kommentar zur Agamben-Lektüre Jürgen Mohns
(2014)
According to Benjamin and Foucault, calling something into question is not just a precondition of critical practice but its very realisation. The effect of critique depends on how a question is asked. An inaccurately posed question supports what it aspired to criticise. Critical practice thus involves a critique of allegedly critical questions. In their critique of power and violence, Foucault and Benjamin expose the moment in which a critical question becomes uncritical and subsequently seek its critical transformation. In Foucault, this movement is identical with "desubjugation", and in Benjamin, with "revolution". A revolutionary resoluteness in raising critical questions, however, can turn out to be decisionistic and uncritical itself. In this paper I reconstruct the struggle for an accurate critical question in Benjamin and Foucault and address how the dialectical turn into uncritical action might be avoided.
The «spirit of the laws» is, as a concept, an answer to a problem of the laws. Regarding modern law, this problem is about unity: How can the manyness of the laws be coherent in one legal order? In my paper, I reconstruct three different models which establish unity as relational (Montesquieu), absolute (Kelsen), and interruptive (Schmitt). The interruptive model connects an aspect of the first with an aspect of the second model insofar it conceives unity as heterogeneous (related to something different) and nonetheless immanent (a unity in itself). As such, unity has to be thought of as a process or an activity. Schmitt’s account of this activity, however, leads to problematic consequences because it separates the activity from the norms and denies the political and democratic dimension of the laws; as a result, the difference between law and violence vanishes. Against this background, I argue for a different understanding of the immanent heterogeneity of the unity (and accordingly of what is called «spirit of the laws»). In this perspective, the spirit of the laws does no longer appear as the solution for the problem of the laws, but becomes the starting point of their critical investigation.
Wenn die Bedrohung, wie im Fall des Virus, als natürliche Gegebenheit auftritt, kommen leicht auch die Maßnahmen, um ihn zu beseitigen, als natürliche, d.h. fraglos vorgegebene Maßnahmen in Betracht. Eine Gefahr liegt hier darin, von einer Natürlichkeit des Zwecks auf die Natürlichkeit der Mittel zu schließen. Dass die Maßnahmen aber nicht natürlich gegeben, sondern politisch entschieden sind, muss demgegenüber im Blick bleiben.
Hegels Nützlichkeit
(2021)
In der gegenwärtigen Corona-Krise erscheinen die Entstehung der Krise – die Verbreitung der Krankheit Covid-19 zur Pandemie – und die Bewältigung der Krise – die rechtlichen Einschränkungen und Maßnahmen – scharf getrennt. Die Entstehung der Krise geht auf ein Stück Natur zurück, auf ein für Menschen bedrohliches Virus. Die Bewältigung der Krise geht mit staatlichem und gesellschaftlichem Handeln einher, das in zahlreichen Ländern im Rahmen rechtlicher Ausnahmezustände erfolgte. Den markanten Trennungspunkt zwischen Entstehung und Bewältigung der Krise bildet die Ausrufung der Ausnahmemaßnahmen, durch die in das Pandemiegeschehen interveniert wurde. Diese Einteilung kann den Eindruck erwecken, die mit Natur verbundene Entstehung der Krise sei eine Zeit, die gänzlich vor dem Handeln liegt: eben die Zeit des natürlichen Prozesses, die von der mit Handeln verbundenen Bewältigung der Krise abgekoppelt sei. Dieser Aufsatz zielt demgegenüber darauf, die Phasen der Entstehung und der Bewältigung der Corona- Krise in ihrer jeweiligen Ambivalenz hervortreten zu lassen. Das Ziel ist dabei ein doppeltes: Einerseits soll hervortreten, inwiefern die Phase der Entstehung der Krise nicht nur prä-aktiv und die Krise damit keine bloß natürlich gegebene, sondern auch eine gesellschaftlich gemachte ist. Andererseits soll deutlich werden, in welcher Weise die Phase der Bewältigung der Pandemie nicht allein krisenreaktiv, sondern auch krisenproduktiv ist.
Einleitend werde ich die genannte Zeitlichkeit – Entstehung und Bewältigung – erläutern, die einem gängigen Krisenverständnis zugrunde liegt, das auch in der gegenwärtigen Pandemie wirksam ist. Darauf werde ich darlegen, inwiefern das Denken des Ausnahmezustands ein Denken ebendieser Zeitlichkeit und damit zweier Phasen der Krise ist (I.1), und zeigen, warum sich die gegenwärtige Krise gerade aufgrund ihrer Verbindung mit Natur in dieses Denken einfügt (I.2). Auf dieser Grundlage gehe ich dazu über, ein komplizierteres Verständnis der gegenwärtigen Krise zu gewinnen, indem ich darlege, wie in ihrer Entstehung natürliche Prozessualität und gesellschaftliches Handeln untrennbar zusammenwirken (II.1) und an welchen Punkten ihrer Bewältigung die Krisenreaktion so in Krisenproduktion umschlägt, dass das gesellschaftliche bzw. staatliche Handeln wiederum auf Natur zurückwirkt (II.2). Durch diese Schritte soll deutlich werden, inwiefern sich in der gegenwärtigen Krise weder natürliche Prozesse und soziale Praxis noch Krisenreaktion und Krisenproduktion äußerlich gegenüberstehen, sondern intern verbunden sind. Das eingangs erläuterte Krisenverständnis erfährt dadurch eine Modifikation.
Menschenrechte und Ausnahmezustand sind zwei Weisen, durch die der moderne Staat seine rechtliche Ordnung nicht nur begründet und erhält, sondern auch immer wieder durchbricht. Zwischen ihnen besteht ein Gegensatz: Wo der Ausnahmezustand erklärt wird, werden Menschenrechte eingeschränkt.
Während die beiden Phänomene in ihrem Zweck entgegengesetzt sind, sind sie allerdings in ihren Mitteln verbunden. Darauf beruht ihr dialektisches Verhältnis, das in diesem Buch als Zusammenhang von Berechtigung und Entrechtung ausgewiesen wird. Dazu diskutiert der Autor im ersten Teil die Theorien von Souveränität und Ausnahmezustand bei Carl Schmitt und Giorgio Agamben. Im zweiten, philosophisch und historisch argumentierenden Teil zeigt er auf, dass das für die Menschenrechtsidee konstitutive Konzept der Rechtsperson staatliches (Ausnahme-)Handeln nicht nur begrenzt, sondern es auch ermöglicht.
Die Analyse zielt darauf, das positive Potential der Menschenrechte gegen ihre negativen Effekte in Stellung zu bringen und so gegenüber einer Logik der Maßnahme zu verteidigen.
Für die diesem Buch zugrunde liegende gleichnamige Dissertation wurde Jonas Heller 2018 mit dem Werner Pünder-Preis ausgezeichnet.
The article analyses the 'post-secular turn' in critical theory by comparing Jürgen Habermas' late philosophy with the philosophy of his predecessor Theodor W. Adorno. It poses the question to what extent can Habermas be seen as a post-secular theorist when setting his work against that of Adorno? Following Birgitte Schepelern Johansen, the author develop a concept of post-secularism as a move beyond the strict division between religion and non-religion, and apply the concept to the work of the two critical theorists in question. Finally, Adorno’s work is identified as a 'religious secularism’ and Habermas’ work as a 'post-secular secularism’. Thus, the author points out the ambivalence, which the alleged 'post-secular turn’ breeds, and suggest a reconsideration of the religious motives discovered in Adorno’s work.
Trata-se de uma réplica ao texto "Uma filosofia da história tornada sóbria", de Georg Lohmann. Nessa réplica o autor justifica que procura vincular uma teoria exigente da evolução social com a da consciência falível, porém não derrotista, de um ethos kantiano que nos obriga a contribuir de algum modo para a melhoria do mundo.
¿Debería gobernar la justicia en las relaciones personales cercanas, como por ejemplo en el dar y recibir entre hombres y mujeres? ¿O es que estas relaciones se hallan más allá de la justicia? El presente artículo defiende, basándose en Aristóteles, el llamado feminista por la justicia sexual, (aun) en las relaciones personales cercanas, en oposición, entre otras, a la objeción de perversión de Hugh LaFollette planteada en 1996. De acuerdo a esta objeción, el llamado por la justicia en relaciones personales cercanas socava o pervierte el amor y la amistad, dando Jugar a relaciones de intercambio interesadas.
Wenn die Bedrohung, wie im Fall des Virus, als natürliche Gegebenheit auftritt, kommen leicht auch die Maßnahmen, um ihn zu beseitigen, als natürliche, d.h. fraglos vorgegebene Maßnahmen in Betracht. Eine Gefahr liegt hier darin, von einer Natürlichkeit des Zwecks auf die Natürlichkeit der Mittel zu schließen. Dass die Maßnahmen aber nicht natürlich gegeben, sondern politisch entschieden sind, muss demgegenüber im Blick bleiben.
Die gegenwärtige Krise der Demokratie wird besonders sichtbar in der "symbolischen Dimension politischer Repräsentation". Diese Auffassung vertritt Paula Diehl in ihrem Aufsatz Demokratische Repräsentation und ihre Krise. "In Bildern, Inszenierungen und Diskursen werden sowohl demokratisierende als auch antidemokratische Konzepte 'getestet'. Erfahren sie Resonanz in der Öffentlichkeit und in der Bevölkerung, kann sich die Lage in die eine oder in die andere Richtung entwickeln. Denn Symbole aktivieren Vorstellungen über die politische Ordnung, Repräsentanten, Bürgerinnen und Bürger, über den Staat und auch darüber, wie politische Institutionen funktionieren sollen." So Paula Diehl im besagten Aufsatz, der Überlegungen bündelt, die sie in ihrer Studie Das Symbolische, das Imaginäre und die Demokratie. systematisch entfaltet hat. In dieser Arbeit analysiert Diehl den Zusammenhang zwischen den normativen Strukturen und der symbolischen Praxis eines demokratisch verfassten politischen Gemeinwesens. Beide bedingen sich gegenseitig. Die normative Struktur einer Gesellschaft findet den Grund ihrer Geltung und der Stabilität in der symbolischen Praxis; diese wiederum muss begriffen werden als Ausdruck der Prinzipien und Regeln der normativen Grundstruktur. Eine Krise des Politischen ist zu verstehen als Resultat und Ausdruck einer Störung in diesem wechselseitigen Bedingungsverhältnis von normativer Struktur und symbolischer Praxis der politischen Gemeinschaft. ...
Die normative Assoziierung von Technikfolgenabschätzung (TA) mit der Habermas‘schen deliberativen Demokratietheorie ist weit verbreitet; eine tiefere Auseinandersetzung mit alternativen Demokratieverständnissen bleibt allerdings weitestgehend aus. Daher regt dieser Beitrag eine grundsätzliche Debatte über die demokratietheoretische Einbettung der TA und ihr Verhältnis zum Politischen an. Aufbauend auf der u. a. in dieser Zeitschrift geführten Diskussion über die (Un)Möglichkeit normativer Neutralität in der TA wird eine weiterführende Kritik am Anspruch der TA auf normative Fundierung hergeleitet. Mit der pluralen und radikalen Demokratietheorie von Laclau und Mouffe werden gesellschaftstheoretische Annahmen der an deliberativer Demokratie orientierten TA hinterfragt, und es wird für eine Politisierung und Pluralisierung der TA argumentiert
Die Frage nach Konflikten zwischen den Rechtskulturen der USA und Deutschlands wirft ein kürzlich erschienener zweisprachiger Sammelband auf. Wer aber so fragt, der fragt nach mehr als Differenz. Er sucht nach Differenz in Interaktion, in der unterschiedliche Geltungsansprüche gleichzeitig erhoben werden. Sonst ginge es um das weniger abenteuerliche Vergleichen eines Nebeneinander. Leider bleibt die Publikation der Bayerischen Amerika-Akademie aber hierbei stehen und streift die emphatische Frage ihres deutschen Titels nur in Einzelbeobachtungen. Der Einfluss des amerikanischen Rechts in vielen internationalen Verträgen – Ausdruck der politischen Hegemonialstellung der USA – und die Dominanz amerikanischer Juristen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Ausdruck der wirtschaftlichen Bedeutung der USA – hätten jedoch Anlass gegeben, immunologische Reaktionen an lebenden Rechtskörpern zu studieren. So aber bleibt es bei der In-vitro-Insemination des deutschen Lesers mit Hinweisen darauf, dass und warum die anderen es anders machen (etwa in Beiträgen zur Kriminalprävention von Streng und Kelling oder zum Jugendstrafrecht von Silverman). In letzterem, in kulturhistorischen Erklärungsversuchen des Warum, findet der Band freilich seinen gedanklichen Schwerpunkt und einige interessante Einsichten. Lamento also nach hinten und Lob nach vorne. ...
Am anderen Ende derWelt, in einem argentinischen Städtchen im Bundesstaat Buenos Aires, versetzten die epochalen Ereignisse in Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs den Bürger Dinko Šakić in Entzücken. Fünfzig Jahre nachdem er aus seiner Heimat geflüchtet war, führten die tektonischen Umwälzungen nach dem Ende des Kommunismus und der europäischen Teilung sogar zur staatlichen Verselbständigung seiner einstigen Heimat Kroatien – zu einer jahrzehntelang nicht einmal im Traum denkbaren Entwicklung. Dinko Šakić setzte sich daraufhin öffentlich für seine frühere Heimat ein. Es fiel ihm gar nicht ein, dass ihn seine Vergangenheit einholen könnte. Wahrscheinlich weil er "ein gutes Gewissen" hatte, ein von ihm gern benutzter Ausdruck, oder weil er in der jungen Republik Kroatien eine Art Fortsetzung jenes Staatsgebildes sah, dem er in seiner Jugend "gedient" hatte (auch ein beliebter Ausdruck Šakićs). In der größten lateinamerikanischen Kroatengemeinde in Argentinien gab es wahrscheinlich nichts, was ihn zur Vorsicht hätte mahnen können. Er schien die Öffentlichkeit geradezu gesucht, womöglich sogar eine Anerkennung erwartet zu haben. Bei einem Empfang zu Ehren des kroatischen Präsidenten während dessen Staatsbesuchs in Argentinien wurde Šakić von Journalisten beobachtet, wie er Tudjman nicht von der Seite weichen wollte, was diesen sichtlich irritierte und zu Hause für Empörung sorgte. Šakić, der sich selbst bei mehreren Gelegenheiten als glühenden kroatischen Nationalisten schilderte, weshalb er schon als Jugendlicher Anhänger der Ustascha-Organisation geworden sei, ahnte offensichtlich nicht, dass seine Art der Heimatliebe dort Entsetzen hervorrufen würde. ...
Einmal zu einer Zeit, als der Krieg sich in Bosnien-Herzegowina fortzusetzen begann, bekam ich von einer deutschenWochenzeitung den Auftrag, einen Beitrag über das Profil des Krieg führenden jugoslawischen Personals zu schreiben. Was sind das für Offiziere, die auf Zivilbevölkerung, Städte, Kirchen, Moscheen schießen lassen, ganze Dörfer platt machen und Gegenden entvölkern – muss man sich gefragt haben. Während meiner Jugend war ich vielen Kindern und Jugendlichen begegnet, die aus Offiziersfamilien kamen, und kannte so auch eine Menge Geschichten mit Elementen, die mir als charakteristisch für diese besondere Mentalität erschienen. Aber die Idee, aus solchen erinnerten Erfahrungen so etwas wie ein Täterprofil zu skizzieren, gab ich bald auf. Obwohl es dabei eindeutige Hinweise gab – so war ich mit der Leidenserfahrung einer Schulkameradin vertraut, deren brutaler Vater nach dem Kasernenregiment zu Hause herrschte –, stand keine brauchbare Mentalitätsforschung zusätzlich zur Verfügung, die die eigene Beobachtung hätte untermauern können. Das andere unüberwindbare Problem war, dass es sich bei dieser Gruppe fast ausnahmslos um Serben handelte und eine Generalisierung Gefahr gelaufen wäre, als ethnizistisch einseitig missverstanden zu werden. ...
Wissenschaftliche Literatur über Serbien zählt im Westen zur Mangelware. Auf dem Büchermarkt überwogen bis vor kurzem geschichtliche Abrisse von Journalisten und dilettierenden Historikern. Montenegro ist ein noch seltenerer Gegenstand wissenschaftlicher Geschichtsschreibung. Daher weckt ein Sammelband zur Gesellschafts-, Kultur-, Politik- und Staatsgeschichte, der von einem wissenschaftlichen Institut und ausgewiesenen Kennern der serbischen Geschichte herausgegeben wurde, hohe Erwartungen. ...
Für den Politikwissenschaftler Herfried Münkler ist Solidarität das "Stiefkind der Moralphilosophie, aber auch der Gesellschaftstheorie". Die Sache, so Münkler in dem von Beckert, Eckert, Kohli, Streeck vorzüglich edierten Tagungsband, sei offenbar "nicht sonderlich theoriefähig". So habe Kant, der Philosoph der Französischen Revolution, kurzerhand die Brüderlichkeit aus der Trias Liberté, Egalité, Fraternité entfernt und durch den schnöden Besitzindividualismus der Selbständigkeit substituiert. Genauso in der Theorie der Gesellschaft, in der die Prominenz des Solidaritätsbegriffs bei "Émile Durkheim (…) eine der wenigen Ausnahmen" darstelle. ...
Nach Hause…
(2002)
Wer kennt ihn nicht, den leisen, herzzerreißenden Klagelaut einer displaced person namens E.T.: "nach Hause…". Die übergroßen Augen sehnsuchtsvoll ins Weltall gerichtet, jammert jenes kleine, auf der Erde vergessene, unglückliche Wesen nach seiner Heimat, die fern und den Erdenbewohnern fremd und unbekannt ist – ein Nichtort, der gleichwohl der Ort des Ursprungs, des Zuhauseseins und aller Wehmut ist. ...
Die Welt im Sandkorn zu entdecken gehört seit jeher zu den Sehnsüchten der Historiker. Mit Blick auf das Ganze, das Allgemeine, wird oft das Typische, das Exemplarische bemüht, das man in Einzel- oder Fallstudien einzufangen glaubt. Hinge die Relevanz lokaler Studien von der Prämisse ab, die große Welt im Kleinen finden zu müssen, hätten sie schlechterdings keinerlei Relevanz. So zumindest urteilt Clifford Geertz über entsprechende Studien in der Ethnologie nach dem Modell "Jonesville-ist-die-USA". Der Versuchung eines solchen Modells ist Francisca Loetz in ihrer Heidelberger Habilitationsschrift über frühneuzeitliche Blasphemie am Beispiel Zürcher Gotteslästerer erlegen. In einer Langzeitstudie vom späten 15. bis zum frühen 18. Jahrhundert untersucht Loetz rund 900 dokumentierte Fälle der Wortsünde des Fluchens, Schwörens und Schmähens bei "Gotz schedel", "Gotz bart" oder "Gotz nasa". Delikte, bezüglich derer man im 16. Jahrhundert empfahl, den Angeklagten ein Schloss für ihre Zungen zu schlagen. Die Ergebnisse dieser Studie erfüllen jedoch nicht den erhobenen Anspruch der Repräsentativität für das Westeuropa der frühen Neuzeit. Und sie müssen es auch nicht, denn die Arbeit hat auch ohne diesen Anspruch genug zu bieten. ...
Frösche in Prinzen zu verwandeln, das wär’s doch.Was bislang nurMärchenprinzessinnen zu gelingen schien, traut sich nun auch die neue deutsche Intelligenz zu. In seinem jüngsten Suhrkamp- Bändchen möchte Peter Sloterdijk das tief schlummernde Europa aus seiner »Absence« wachküssen. "Falls Europa erwacht", werde es sich in ein post-imperiales "Reich" der Mitte verwandeln, damit zugleich den zweitausendjährigen Verwandlungsreigen europäischer Imperien überwinden. Sloterdijks Europa-Vision entspringt jedoch keiner neuen Utopievorstellung, vielmehr setzt der Philosoph aus Karlsruhe auf bereits vorhandene, kulturell tief verankerte Potentiale. Gemeint ist die Fähigkeit der Verwandlung, die Kraft der Metamorphose. ...
Nach Hause … [enth.: Olympia – Rom – New York / Michael Kempe ; Athen – Bagdad / Marie Theres Fögen]
(2003)
Geplünderte, rauchende Paläste, umgestürzte Statuen, ausgeweidete Museen – anders als die Ruinen von Bagdad, an die uns der TV-Jahresrückblick Ende 2003 erinnern wird, verweist die nur noch auf Bildern existierende Ruine der New Yorker Twin Towers nicht auf die Folgen eines Krieges, in dem auch das Völkerrecht ruiniert wurde, sondern auf die Folgen eines Terroranschlags, der das einstige stolze Symbol Manhattans in weniger als zwei Stunden in Schutt und Staub verwandelte. ...
So geht es einer Stadt, die Frieden schaffen sollte – selbst, aus eigner Kraft! – und für den Sieg gebetet hat. Als ob es Siege gäbe, wenn die Menschen sterben.
Wer diese Euripides-Verse in der Übertragung von Walter Jens im März 2003 am Vorabend, buchstäblich am Vorabend, eines Krieges gelesen hat, kann sich über den Titel des Buches, in dem sie stehen, nur wundern: "Ferne und Nähe der Antike". Wieso denn "Ferne"? Euripides- Jens ist so nah wie der Krieg nah war. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. ...
Wohl kaum wird der amerikanische "Imperator" den gefangenen "Barbaren von Bagdad" im Triumphwagen durch die Straßen von Washington ziehen lassen, auch wenn sich die publizistische Rhetorik seit den Kriegen gegen Afghanistan und den Irak mit Vergleichen zwischen dem antiken Rom und dem neuen Amerika förmlich überschlägt. "Sind die Amerikaner die Römer unserer Zeit?", fragt sich als einer unter vielen der Publizist und Althistoriker Peter Bender. Expansionen der alten wie der neuen Imperatoren werden miteinander verglichen, Parallelen und Unterschiede in der geographischen Lage, in den Interessen und Willen der Akteure ausgemacht. So habe bei den Amerikanern der Sendungsglaube als universale Macht schon am Anfang des Imperiums und nicht erst an dessen Ende wie bei den Römern gestanden. Roms Ostkriege und der kalteOst-West-Krieg hingegen zeitigten dasselbe historische Ergebnis: "Davor waren Rom und Amerika die ersten Weltmächte ihrer Zeit, danach waren sie die einzigen." Von "Aufstiegen" ist die Rede, nicht aber von "Untergängen", wie es die zyklischen Zivilisationsgeschichten der Kulturmorphologen verkünden. Das hat seinen Grund. Hinter der Analyse kommt Normatives zum Vorschein, wenn es um den Schutz der "Zivilisation des Abendlandes" in "einer künftigen Welt" geht, "in der andere Kulturen sich gegen den 'Westen' behaupten, stärken und vordringen …" Bender lässt das imperium romanum nicht untergehen, weil er das amerikanische Imperium als Bollwerk westlicher Kultur braucht. ...
"Eines der schwierigsten geschichtlichen Probleme stellt sich mit der Frage, wie der Aufstieg Roms zu erklären ist und wie sein Untergang. Das Verständnis für diese weltgeschichtlichen Vorgänge wird erleichtert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sie nicht eine, sondern viele Ursachen hatten. Der Untergang des Römischen Weltreiches war kein Ereignis, sondern ein Prozess, der sich über 300 Jahre erstreckte. Es gibt Nationen, die nicht so lange existiert haben, wie Rom allein brauchte, um unterzugehen." So die bedeutungsvollen Worte aus dem Off über dem Vorspann des fast dreistündigen Hollywood-Filmes "Der Untergang des Römischen Reiches" (1963) von Anthony Mann – in den Hauptrollen Alec Guinness als Marc Aurel und Sophia Loren als dessen Tochter Lucilla. ...
Wir wissen nicht, was König Adolf von Schweden in seiner Satteltasche trug, als er im 30jährigen Krieg hoch zu Ross in die Schlacht zog. Angeblich soll es ein Exemplar des Buches "De iure belli ac pacis" gewesen sein, des völkerrechtlichen Hauptwerks von Hugo Grotius. Spätestens seit Louis Aubéry du Mauriers "Memoires pour servir a l’histoire de Hollande et des autres Provinces-unies" (1688) gehört diese Anekdote zum festen Bestandteil des Grotius- Mythos. Erzählt wird sie meist dann, wenn es um die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis im Völkerrecht und ihrer Geschichte geht. Umdiese Frage dreht es sich auch in dermit Spannung erwarteten Arbeit von Martine Julia van Ittersum über die Verstrickungen des jungen Grotius in die Überseepolitik des ebenfalls noch jungen niederländischen Staates. ...
Zeit ist einer jener Begriffe, für die man die Augustinische Charakterisierung gelten lassen wollte, es sei klar, was sie bedeuten, solange nicht danach gefragt werde (Augustinus Confessiones Lib. XI, 17). Die Frage aber nach dem, was "Zeit" eigentlich ist, erscheint umso berechtigter, als es insbesondere die Naturwissenschaften sind, die für sich in Anspruch nehmen, hier Antworten geben zu können. Die zu erwartenden Antworten wären danach wesentlich empirischer Natur – also direkt oder indirekt experimentell gestützt und mithin Ergebnis dieser Forschung. ...
Jon Elster hat sich in der rational choice-Theorie durch Studien zu Selbstbindungstechniken als Absicherung gegen Irrationalitäten im Entscheidungsprozess einen Namen gemacht. Passend zu diesem Theoriehintergrund untersucht Elster in seinem Buch "Die Akten schließen" Entscheidungsmöglichkeiten nationaler Gesellschaften, mit dem Irrationalen umzugehen und gesellschaftliche Umbrüche zu bearbeiten. Elster geht es darum zu zeigen, dass die Art und Weise, wie Gesellschaften ihre offenen Rechnungen nach Regimewechseln begleichen, höchst unterschiedlich ist. Darum trägt er unterschiedliche Formen der "Vergangenheitsbewältigung" zusammen und setzt sie miteinander in Bezug. ...
Sowohl in den 1920er als auch in den 1960er und 70er Jahren waren materialistische bzw. marxistische Ansätze Bestandteil des Rechtsdiskurses. Diese Orientierung ist seitdem etwas aus dem Blick geraten. Man kann vielleicht sogar sagen, dass die materialistischen Ansätze auf dem Terrain der Rechtstheorie eher marginalisiert sind. Im Laufe der letzten Jahre hat Sonja Buckel in einer Reihe von Artikeln1 und in ihrem vor kurzem erschienenen Buch Subjektivierung und Kohäsion. Zur Rekonstruktion einer materialistischen Theorie des Rechts diese Fehlentwicklung in der Rechtstheorie zu korrigieren versucht. Die theoretische Originalität und soziologische Umsicht, mit der Sonja Buckel auf diesem Weg die weitreichenden Ansprüche einer materialistischen Rechtstheorie zu erneuern versucht, wären sicherlich schon Grund genug, sich mit ihrer materialistischen Theorie des Rechts gründlich auseinander zu setzen. Immerhin gelingt es ihr, im Gang ihrer Argumentation auch den Stellenwert einer Reihe von zeitgenössischen Ansätzen der politischen und rechtlichen Theorie im Rahmen der sozialen Auseinandersetzungen zu klären, von denen zumindest die europäischen Länder heute geprägt sind. Aber ein weiterer und für mich wesentlicher Grund, ihre Überlegungen mit großer Sorgfalt zu prüfen, ergibt sich aus der speziellen These, die sie als einen Leitfaden ihrem Erneuerungsversuch zugrunde legt: Es ist ihre Überzeugung, dass das Recht sich in kapitalistischen Gesellschaften seine "gespenstige Eigenwelt" (9) erzeugt. Die Faszination ihrer Theorie besteht gerade im Versuch, diese "phantasmagorischen" bzw. verdinglicht-verdinglichenden Prozesse des Rechts, seine Verselbständigung also, einer sowohl theoretischen als empirischen Analyse zu unterziehen. ...
Die Allgegenwärtigkeit des Begriffs der Menschenrechte in politischen Kontexten kann leicht übersehen lassen, dass der rechtsphilosophische, rechtstheoretische und praktische Streit um die genaue Bestimmung, Begründung und Kodifizierung dieser »Rechte« alles andere als beigelegt ist. Der notorische Dissens zwischen Philosophen und Juristinnen und sogar Theologen steht in einem seltsamen Missverhältnis zur Selbstverständlichkeit, mit der politische Akteure die Notwendigkeit dieser oder jener außenpolitischen Handlung durch Bezug auf die Menschenrechte rechtfertigen. ...