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Resilienz
(2018)
Im 'Posthistoire', so kann man wohl feststellen, wird die Aufgabe der Abblendung sozialer Risiken von Begriffen übernommen, die dem weiten Feld ökologischer Debatten entnommen sind. In diesem Sinne hat Norbert Bolz unlängst die inflationäre Rede von 'Nachhaltigkeit' oder 'sustainability' analysiert. [...] Die Übertragung des Begriffs der Nachhaltigkeit aus dem Bereich der Forstwirtschaft in den Bereich gesellschaftspolitischer Debatten hat ihren Grund in der utopischen Aufladung ökologischer Ansätze in den Natur- und Ingenieurswissenschaften seit den sechziger Jahren. Das von Bolz benannte Problem ist also nicht allein eines der politischen Rhetorik, sondern darüber hinaus das einer zunehmend undeutlicher werdenden epistemischen Differenz von Natur und Gesellschaft. Dies schlägt sich in der Verwendung von Begriffen nieder, die gleichermaßen natürliche und soziale Prozesse zu beschreiben vermögen und sich dabei zugleich als wirkmächtige Metaphern für die Programmatiken eines soziotechnisch ausgerichteten Regierens anbieten. Exemplarisch lässt sich dies am Begriff der 'Resilienz' studieren.
Die Beziehung von res und verba ist ihrem Grunde nach eine sprachphilosophische. Sie handelt von jenen Dingen, die überhaupt der Sprache zugänglich sind, bzw. von jenen Gegenständen, welche durch ihre Artikulation erst zu Dingen der Sprache werden. Der Fokus der Überlegungen konzentriert sich auf die Organisation des Verhältnisses von res und verba, für das über Jahrtausende hinweg in erster Linie die Rhetorik zuständig gewesen ist. Diesem liegen allerdings tatsächlich zwei sprachphilosophische Annahmen zugrunde, die von gegensätzlichen Voraussetzungen ausgehen.
Wie wenige literarische Werke stehen die Romane von Bret Easton Ellis im Zeichen von Serie und Wiederholung. Sie bersten vor Motiv- und Form-Wiederholungen, sind mit ihren intertextuellen Zitaten einerseits Fortsetzungen voneinander, andererseits "Wiederholungen" von Figuren aus den Texten anderer Autoren und Produzenten, sie sind besessen von der Serialität der elektronischen Medien, und - last but not least - sie warten mit einem Serienmörder (in 'American Psycho') und mit Anschlagsserien (in 'Glamorama') auf. Damit überschreiten sie die analytische Unterscheidung der Bereiche des Seriellen, die Christine Blättler in ihrem enzyklopädischen Aufsatz über die Serie aufgestellt hat: Produktion, Präsentation und Narration sind bei Ellis gleichzeitig von Wiederholungen und Serien gekennzeichnet.
Im Anschluss an eine queer-theoretische reparative Perspektive betrachte ich lustvolle Strategien des Überlebens in zwei Film- bzw. Videoarbeiten. Ming Wongs "Lerne deutsch mit Petra von Kant" (2007) und Cana Bilir-Meiers "This Makes Me Want to Predict the Past" (2019) erzeugen unvorhergesehene, lebenserhaltende und "transhistorische Beziehungen". Beide respektieren dabei die mediale Lücke im Zugriff auf die Vergangenheit.
Als Rilke am 5. April 1898 in Florenz ankam, war er bestens vorbereitet, um die Renaissance vor Ort zu studieren und ein Buch darüber zu schreiben. Belegt ist, dass er sich laut "Testierbuch" für das WS 96/97 in München eingeschrieben und bereits bei dem Kunsthistoriker Berthold Riehl eine Vorlesung zum Thema "Geschichte der bildenden Künste im Zeitalter der Renaissance" teilweise oder ganz gehört hat.
‘Religious identity’ will be regarded as the homogeneous whole of religious attitudes and religions and ethical actions which are rooted in the mentality of a person/a community: (1) this identity may exist in different stages of awareness; (2) the tension between the mentality of a person and of a community may be strong or nearly non-existent; and (3) religious attitudes and ethical actions may be closely tied or only loosely connected. (...) The awareness of religious identity is marked in the ‘Rolandslied’ by affirmation, in the ‘Willehalm’ by problematisation. (...).
A tension between subjective and collective mentality is non-existent in the ‘Rolandslied’, whereas in the ‘Willehalm’ it is relatively strong without breaking up the integration of the subject into the nobility. (...) Religious attitudes and political actions (...) strongly diverge in both works on an objective level; however, this is not the case for the ‘Rolandslied’ on a subjective level. The ‘Willehalm’ testifies to a process of a subjectivisation and individualisation which can be termed typical for the twelfth century and which is to be found in various cultural areas.
Richard Reitzenstein ist neben dem Philosophen Ernst Cassirer der Forscher, der den größten Einzelanteil an den Publikationen der Bibliothek Warburg hat. Wie erklärt sich diese mehrjährige enge Zusammenarbeit? Welche Berührungspunkte gibt es zwischen Reitzensteins Vorträgen, dem Forschungsziel der KBW und den kunsthistorischen Studien von Aby Warburg und Fritz Saxl? Wie verhält sich insbesondere Reitzensteins Fokussierung auf die altiranische Religion als religionsgeschichtliche Einflusssphäre zu dem ausdrücklich auf die Antike bezogenen rezeptionsgeschichtlichen Forschungsinteresse der KBW? Wie haben die Beteiligten selbst ihre Zusammenarbeit gesehen? Um die Beziehung von Reitzenstein und der Bibliothek Warburg wissenschaftsgeschichtlich näher zu bestimmen, werfe ich zunächst einen Blick auf Reitzensteins wissenschaftliche Karriere, die sich bereits zum Zeitpunkt seines ersten Vortrags über fast 40 Jahre erstreckte. Anschließend wende ich mich den fünf Vorträgen zu und arbeite verschiedene Punkte heraus, die sich auf das Projekt der Bibliothek Warburg beziehen. Außerdem berücksichtige ich die Korrespondenz zwischen Reitzenstein und der KBW anhand der im Warburg Institute Archive in London aufbewahrten Briefe und Postkarten. Zum Abschluss sollen die einzelnen Aspekte dann zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.
Dieser Beitrag befasst sich erstmals mit Fugenelementen in Lehnwortbildungen, genauer: in N+N-Komposita mit fremdem Bestimmungswort (auch Determinations- oder Erstglied). Da Fugenelemente morphologisch zum Bestimmungs- und nicht zum Grundwort gehören, spielt das Grundwort keine Rolle bei der Entscheidung, ob die Kompositionsnahtstelle verfugt wird oder nicht […]. […] Dabei fällt auf – und hierauf spielt der Zweifelsfall Subjekt(+s+)pronomen im Titel an –, dass es zahlreiche Schwankungen gibt […]. Schwankungsfälle erfordern u. E. besondere Aufmerksamkeit, weil sie in der Regel Sprachwandel im Vollzug darstellen, d. h. den Übergang eines älteren zu einem jüngeren Sprachzustand markieren. […] Was die Fremdwortkomposita so interessant macht, ist die Tatsache, dass nichtnatives Material einem sehr nativen Verfahren […] unterzogen wird […]. In diesem Beitrag gehen wir wie folgt vor: Zunächst – in Kapitel 2 – definieren wir das Fugenelement und stellen kurz seine Entstehung, sein Inventar von immerhin sechs Allo-Formen und deren Distribution dar. In Kapitel 3 fragen wir nach der bzw. den Funktionen von Fugenelementen, die in der bisherigen Forschung vorgebracht wurden. […]. Kapitel 4 befasst sich speziell mit dem Fugenverhalten in Fremdwortkomposita, genauer: in Komposita mit nichtnativem Erstglied. Hier zeigen wir, dass es in erster Linie die phonologische Wortstruktur des Erstglieds ist, die die s-Fugensetzung steuert.
Trotz der sorgsam gepflegten Begriffsgeschichte (kaum ein geistes- oder sozialwissenschaftliches Fachwörterbuch ohne entsprechendes Lemma) scheint 'Religion' ein auffällig unkonkreter, im Grunde ungeklärter Begriff, der in Anbetracht dessen in seinem Alltagsverständnis erstaunlich wenig erklärungsbedürftig scheint. Das Problem der Religionswissenschaft, ihren Gegenstand zu bestimmen, - dies soll hier als Indiz für das Problem mit dem Begriff 'Religion' dienen - liegt vielsagenderweise u. a. darin, dass keine Definition in der Lage ist, alles, was man als Religion zu bezeichnen gewohnt ist, gleichzeitig abzudecken und jeder Definitionsversuch als einseitig und letztlich als voreingenommen abgelehnt wurde. Es gab nie und gibt bis heute keine konsensfähige Definition und einige Fachvertreter*innen geben gar zu bedenken, so etwas wie Religion gebe es im Grunde eigentlich gar nicht.
Die Hilfeleistungen nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek vor drei Jahren haben in Weimar einen neuen, außergewöhnlichen Prozeß des Sammelns für die kulturelle Überlieferung in Gang gesetzt. Die innerhalb einer Nacht zerstörten historischen Buchbestände aus der ehemaligen zweiten Galerie des Rokokosaals und dem darüber befindlichen Dachboden werden - soweit dies möglich ist - seit Ende 2004 durch neu erworbene Originale ersetzt. […] Nun treffen im Zuge unseres Wiederbeschaffungsprojekts „neue“ Bücher in Weimar ein, die an individuellen Merkmalen ebenso reich sind, aber jeweils eine andere Geschichte haben. Sie kommen fast täglich in kleinen, weich gepolsterten Päckchen oder großen Kartons, werden sorgfältig ausgepackt und geprüft, auf Bücherwagen in die Büros der Bibliothekarinnen gefahren, dort inventarisiert und katalogisiert und schließlich mittels Buchförderanlage ins Tiefmagazin unter dem Platz der Demokratie transportiert. Fleißige Hände sortieren sie hier in die bereitstehenden Regale und beste konservatorische Bedingungen bieten ihnen den nötigen Schutz für die nächsten Jahrhunderte. Es ist ein Massengeschäft, das sich um diese einzigartigen Zeitzeugen aus fünf Jahrhunderten dreht. Was miteinander unvereinbar scheint, gehört in unserer täglichen Arbeit zusammen. Bereits drei Jahre nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek füllen 11.500 im Projekt erworbene Bücher schätzungsweise vierhundert Regalmeter im Magazin. Davon stammt knapp die Hälfte aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Wie hat dieses Projekt eine solche Dynamik entwickeln können?
Hoffmann unterschätzt und disqualifiziert hier - natürlich auch im Interesse der Aufwertung eigener künstlerisch-kritischer Produktion - die Beliebtheit des spät- und popularaufklärerischen Genres der Blindenheilung, das die handfest-praktische Gegenseite des hochambitionierten und spätestens seit Diderot auch philosophisch prominenten Phänomens darstellt. Als „hochbesetzte Technik des 17./18. Jahrhunderts“ oder gar als „Urszene der Aufklärung“ verbindet das Starstechen den Gewinn des Augenlichts mit dem potentiellen Verlust anderer, ersatzweise erworbener, oft aber auch stärker als normal ausdifferenzierter Fähigkeiten. So folgt zumindest auf die literarisierte Blindenheilung regelmäßig der Wunsch nach erneuter Blindheit m – oder der Abbruch der Narration, „als bedeute das Tageslicht das Ende der Fiktion“. Peter Utz belegte diesen Konnex bereits 1990 mit Beispielen von Jean Paul über Goethe bis zu Bonaventuras Nachtwachen, machte aber auch auf den Rat von dessen Erzählerinstanz aufmerksam, die mögliche Fortsetzung der Geschichte „als Material für trivialromantische Verwertung“ zu nutzen. Hoffmann hingegen entwertet – wahrscheinlich wider besseres Wissen – das philosophische wie narratologische Problempotential der Blindenheilung, indem er probehalber eine Reihe anderer Varianten durchspielt, vom Arterienverschluss (,Aneurisma') über den Wundbrand bis hin zur geglückten Amputation.
Im Sinne einer "Reisefolgenforschung" wird in dieser Studie danach gefragt, wie sich die ehmalige Landesregentin während des Italienaufenthalts der Kunst und Gesellschaft Italiens näherte, und inwieweit sie in den Jahren danach in der Residenz Weimar als Vermittlerin italienischer Kultur auftrat - Kultur verstanden als die Manifestationen, in denen sich eine Gesellschaft über ihre Lebensformen verständigt. Dies schließt den Konsum und die Verständigung über die Künste mit ein, auf denen der Schwerpunkt das Aufsatzes liegt. Die komplizierte Rezeptionsgeschichte, die Anna Amalia eine außerordentliche Bedeutung als Mäzenin zuschreiben wollte, interessiert an dieser Stelle nicht. Es handelt sich um eine Fallstudie, welche die Handlungsspieräume hochadliger Frauen im Alten Reich vermisst. Damit soll die identifikatorische und idealisierende Umfeldforschung zu den Protagonisten der "Weimarer Klassik" verlassen und Anschluß an die allgemeine Hof- und Reisefoschung gesucht werden.
Während Kästner und Schwabe die damals als relevant betrachteten Reiseliteraturen verzeichnen, beginnt sich diese Textgattung ihrerseits fundamental zu wandeln. Sie wird zu Literatur in einem engeren schönen Sinn, der mit den praktischen Anforderungen an diese Gattung nur noch wenig zu tun hat. Die Unwägbarkeiten der Reise treten zurück. Das Stichwort, unter dem dieser Wandel zumeist verzeichnet wird, ist das der Subjektivierung. Gemeint ist jener Moment im Übergang zur Neuzeit, an dem es scheint, als sei die Literatur der herausragende Ort, an dem der Mensch ganz bei sich selbst ist. Während er sonst überall nur entweder Standesbürger ist, Wirtschaftssubjekt oder Untertan, ist er in den Künsten und besonders in der Literatur nur Mensch. Paradigmatisch dafür steht ein Buch, das Erfolgsbuch des r8. Jahrhunderts neben Jean-Jacques Rousseaus Jahrhundertroman Nouvelle Héloïse: Gemeint ist Laurence Sternes Roman A Sentimental Journey Through France and ltaly, 1768 zum ersten Mal erschienen und in die europäischen Sprachen zumeist noch im selben Jahr übersetzt, so auch ins Deutsche durch Johann Joachim Christoph Bode. Anders als es der Titel erwarten lässt, tritt in Sternes Roman die Reisewirklichkeit hinter die angedeuteten, zumeist amourösen Begegnungen des Helden zurück. Kutschfahrten sind hier ebenso wie Gasthäuser Anlässe für verliebte Treffen und empfindsame Andeutungen, haben aber mit den praktischen Fährnissen des Reisens kaum mehr etwas zu tun. Alles ist hier ins Subjektive gewendet. Diese Wendung der Reise nach innen ist die eine Seite der Veränderungen in der Gattung der Reiseliteratur.
In seinem Aufsatz rekonstruiert der Literatur- und Medienwissenschaftler Nicolas Pethes die Verwendung des Experimentbegriffs in Benjamins Schriften und verfolgt seine Entwicklung von dessen frühen Untersuchung "Über den Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik" über den "Ursprung des deutschen Trauerspiels" bis zum "Passagen-Werk". Dabei soll nicht nur die Bedeutung der Idee des Experiments, sondern auch der experimentelle Charakter von Benjamins eigener Schreibweise herausgearbeitet werden. Das Experiment, das eng verwandt ist mit Test und Spiel, ist Teil einer Darstellungsstrategie, mit der Benjamin die Diskontinuität der Kunst- und Gesellschaftsgeschichte beschreiben will.
Der Begriff des 'körnigen Stils' steht in der Sprach- und Literaturkritik des 18. Jahrhunderts für eine kurze und gehaltvolle, oft auch als 'nachdrücklich' beschriebene Schreibart. Im Literaturstreit zwischen Johann Christoph Gottsched und den 'Schweizern' erlangte er zugleich programmatische und polemische Bedeutung. Im Zentrum des Aufsatzes steht die für das 'Körnige' konstitutive Konstellation von Kürze, Kraft und Konkretion. Ausgehend von Theodor W. Adornos stilsoziologischer Beobachtung, dass der lakonische Stil in Briefen des 18. Jahrhunderts Ausdruck bürgerlicher Notdurft sei, zeige ich an Texten von Johann Christoph Adelung, Johann Jacob Breitinger, Gottfried Wilhelm Leibniz und Johann Gottfried Herder, dass das Stilideal des Körnigen im 18. Jahrhundert mit dem Streben nach einer Erneuerung und Bereicherung der deutschen Schriftsprache einherging. Zum Kapital, aus dem diese neue Sprache sich speisen sollte, gehörte das ausdifferenzierte Vokabular des Handwerks und des Handels. Der zeitgenössischen Theorie zufolge stellte der körnige Stil also weniger die Notdurft als den Reichtum und die Sprachmächtigkeit des Bürgertums zur Schau.
Eigennamen stehen in einem vielfältigen Spannungsverhältnis zu Appellativen: Auf der einen Seite entwickeln sie sich fast immer aus - meist konkreten - Gattungsbezeichnungen (Eichstätt, Lindenstraße, Schneider), auf der anderen Seite besteht ihre Hauptfunktion - ganz im Gegensatz zu den Appellativen - in ihrer Monoreferentialität, d.h. in einem 1: 1- Bezug zu nur einem einzigen außersprachlichen Objekt (meist Örtlichkeiten im weitesten Sinn und Personen).
Der Beitrag enthält eine Analyse der Repräsentationsweisen der mährischen Walachei in den Werken der aus dieser Region stammenden, hier ebenden oder vorübergehend wirkenden deutschschreibenden Autoren. In der Lyrik Nina Wostalls (1901–1996) ist die Walachei Zentrum einer mythisch anmutenden Gemeinschaft mit multikulturellem Hintergrund. Marianne Bohrmann (1849–1916) zeigt die Walachei in ihrem Prosaband "Mährische Novellen" als beschauliche Idylle, die eine Gegenwelt zu allem Neuen und Authentischen darstellt, das sich gegen gesellschaftliche Konventionen stemmt. In Paul Zifferers (1879–1929) Roman "Die fremde Frau" entpuppen sich die idyllische Gegend als permanentes Konfliktfeld und die harmonische Gemeinschaft als Quelle für soziale und nationale Probleme. Walter Seidl (1905–1937) transformiert in seinem Roman "Der Berg der Liebenden“ die mährischwalachische Idylle in eine moderne Utopie.
Englische Fassung: Substantive and Reflexive Elements in Modern Law. (EUI Working Paper 1982/14). Law and Society Review 17, 1983, 239-285 und in: Kahei Rokumoto (Hg.) Sociological Theories of Law. Dartmouth, Aldershot 1994, 415-462. Neuabdruck in: Carroll Seron, The Law and Society Canon, Ashgate, Aldershot 2005 (im Erscheinen). Französische Fassung: Eléments 'substantifs' et 'réflexifs' dans le droit moderne. L'Interdit. Revue de Psychanalyse Institutionelle, 1984, 129-132, und Droit et réflexivité: une perspective comparative sur des modèles d'évolution juridique in: Gunther Teubner, Droit et réflexivité. Librairie générale de droit et de jurisprudence, Paris 1994, 3-50. Dänische Fassung: Refleksiv Ret: Udviklingsmodeller i sammenlignende perspektiv. In: Asmund Born, Nils Bredsdorff, Leif Hansen and Finn Hansson (Hg.) Refleksiv Ret. Publication Series of the Institut for Organisation og Arbeidssociologi. Nytfrasamfundsvidenskaberne, Kopenhagen 1988, 21-79.
Die vorliegende reflektierende wissenschaftliche Arbeit untersucht und vergleicht die Wahrnehmung von Studierenden aus unterschiedlichen Kulturkreisen betreffend ihre Studienbedingungen. Die Studierenden kommen aus dem Fachbereich Erziehungswissenschaften und studieren an zwei Universitäten in Deutschland und Bangladesch. Ziel der empirischen Untersuchung ist es, von den Studierenden angefertigte Fotografien zu analysieren und die Wahrnehmungen der Studierenden über die jeweiligen Studienbedingungen im Zuge qualitativer Interviews zu vergleichen. Um möglichst realitätsnahe empirische Ergebnisse zu erzielen, war mein persönlicher Aufenthalt vor Ort an beiden Universitäten notwendig. In meinem zweimonatigen Forschungsaufenthalt wurde mit Hilfe der Methodik der Reflexiven Fotografie ein qualitativmethodischer Zugang zu den persönlichen Lebenswelten der Studierenden ermöglicht. Im Ergebnis wurde deutlich, dass die Studierenden aus Bangladesch eine deutlich positivere Wahrnehmung vorwiesen als jene aus Deutschland.
Mit der Abwendung von Norm- und Regelpoetiken […] wird der Weg frei für individuell-besondere, dezidiert anti-systematische Reflexionen über Literatur. Im 20. Jahrhundert ist es für die Mehrzahl der Schriftsteller selbstverständlich, das eigene literarische Schaffen theoretisch-reflektierend zu begleiten. Oft knüpft sich die poetologische Reflexion an persönliche Geschichten über Erlebnisse und Erfahrungen des Schriftstellers, unbeschadet der sogenannten poststrukturalistischen Totsagung des Autors (vielfach allerdings in direkter oder indirekter Reaktion auf diese). Erinnert sei an Uwe Johnsons „Begleitumstände“, an Peter Härtlings „Finden und Erfinden“, an Peter Bichsels „Der Leser, Das Erzählen“, an Hermann Lenz' „Leben und Schreiben“ als einige Vorlesungsreihen aus der Folge der Frankfurter Poetikvorlesungen, die hier stellvertretend für viele andere stehen können. Erscheint vielen Autoren das eigene Œuvre als nachhaltig durch persönliche Erfahrungen geprägt, so ist es nur folgerichtig, wenn Auskünfte über dieses Œuvre sich mit Berichten über eigene Erlebnisse verbinden. […] Zwischen Autobiographie und Fiktion bestehe allenfalls eine fließende Grenze, so […] Hermann Lenz in seiner (programmatisch betitelten) Vortragsfolge „Leben und Schreiben“; entsprechend sei das Schreiben über die Genese der eigenen Fiktionen reflexive Selbstdarstellung. Die Vortragssituation wird zur Spiegelfläche, auf der das Gesicht des Schriftstellers erscheint. Aber was für ein Gesicht ist das?
In Menschenobhut können junge von Menschenhand aufgezogene Dachse sehr zahm werden. Daher kennt man eine Eigenheit der Dachsheit, auf die es mir hier ankommt: Man kann Dachse nur bedingt erziehen. Sie reagieren nämlich nicht auf negative Verstärker, wie man im Fachjargon all jene Bestrafungstechniken von Ausschimpfen, Futterentzug über Prügel bis zu Elektroschocks nennt, die immer noch die Grundlage fast jeder Dressur, sei es im Zirkus, im Pferdesport oder Hundespektakel bilden. Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist an dieser Eigenheit des Dachses im Falle seines von Hand aufgezogenen zahmen Dachses schier verzweifelt, bis er erkannte: Dass es Tiere gibt, die die Reaktion auf den negativen Verstärker nicht in ihrem Verhaltensprogramm haben und somit undressierbar sind. Eibl mochte seinen Dachs aber trotzdem, und nachdem er es aufgegeben hatte, dem Dachs das freie Geruchsmarkieren im Haus verbieten zu wollen, gestaltete sich das Zusammenleben auch wieder ohne Verzweiflung. Damit bin ich bei meinem Titel angekommen: Reden wie ein Hund - Pfeifen wie eine Maus - Lernen wie ein Dachs. Über abgebrochene Serien des Tier-Werdens in Kafkas Erzählungen. Das Vorhaben ist der Versuch, anhand dreier Erzählungen Kafkas - nämlich die 'Forschungen eines Hundes', 'Josefine, die Sängerin' und 'Der Bau' - eine Art Entwicklungslinie im Tier-Werden Kafkas aufzuzeigen, die mit dem unerziehbaren Dachs abbricht, aber damit nicht, wie man Kafka oft unterstellt hat, im unentschiedenen Nichts landet, sondern einen Ausweg zeigt, mit dem man leben kann. Das hoffe ich zum Ende deutlich machen zu können.
Die Auffassung, der Autor sei für die Erklärung der Bedeutung seiner Texte relevant, wurde in den letzten Jahrzehnten aus ganz unterschiedlichen theoretischen Haltungen heraus in Zweifel gezogen. […] Vor dem Hintergrund dieser Positionen und ihrer aktuellen Fortführungen ist die Verwendung des Autorbegriffs bei der Interpretation literarischer Texte heute dem Vorwurf theoretischer Naivität ausgesetzt. Gleichzeitig ist der Autor in der Interpretationspraxis der Literaturwissenschaft weiterhin von großer Bedeutung. […] Diese Diskrepanz mag hie und da in einer Ignoranz gegenüber vergangenen und aktuellen Theoriedebatten begründet sein oder in einer mangelnden Konsequenz, als richtig akzeptierte Theoriepostulate auch de facto für die eigenen Textlektüren zu berücksichtigen. Aber solche Erklärungen reichen nicht aus. Der Verdacht drängt sich auf, daß die theoretische Reflexion über den Autor zentralen Formen des wissenschaftlichen Umgangs mit literarischen Texten nicht gerecht wird. Die Praxis der Interpretation(en) literarischer Texte demonstrieren vielmehr legitime, ja notwendige Verwendungsweisen des Autorbegriffs. die von der Theoriediskussion nicht angemessen wahrgenommen werden. Diese Verwendungsweisen lassen sich nicht nur historisch rekonstruieren. Sie können und sollten, so meinen wir, auch systematisch gerechtfertigt werden.
Das deutsche und europäische Verbrauchervertragsrecht stehen aktuell für eine Tendenz zur Materialisierung des Schuldrechts, i.e. zur Begrenzung der Privatautonomie zugunsten zwingender Vorgaben des nationalen Privatrechts, die auch kollisionsrechtlich gegen eine parteiautonome Rechtswahl abgesichert werden. Während das in der E-Commerce-Richtlinie verankerte Herkunftslandprinzip nicht nur das Wirtschaftsaufsichtsrecht, sondern auch weite Teile des Zivilrechts den Innovationskräften des Systemwettbewerbs öffnet, scheint sich das Verbrauchervertragsrecht aufgrund seines Schutzzweckes als mit innovationsoffenen Regulierungsmodellen inkompatibel zu erweisen. Ist damit auf dem Gebiet des Verbraucherverträge nicht nur der individuelle Wettbewerb der Vertragsklauseln sowie der Klauselwerke (AGB) innerhalb einer staatlichen Privatrechtsordnung, sondern auch der institutionelle Wettbewerb zwischen den Verbraucherschutzmodellen der verschiedenen staatlichen Privatrechtsordnungen ausgeschlossen, so verbleibt als potentieller Innovationsspeicher nur der Raum der gesellschaftlichen Selbstregulierung jenseits des (staatlichen) Rechts. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden untersucht, ob und inwieweit sich aufgrund der spezifischen Charakteristika der Internetkommunikation im Bereich des globalen E-Commerce eine Verdichtung von Phänomenen der privaten Normsetzung und der sozialen Selbstregulierung beobachten lässt, die als Emergenz eines transnationalen Verbrauchervertragsrecht interpretiert werden kann. Zunächst sollen einige Phänomene alternativer Verbraucherschutzmechanismen im globalen ECommerce beleuchtet werden, die als Privatisierung des Verbrauchervertragsrechts interpretiert werden können (B.), um sodann Ansätzen zu einer Konstitutionalisierung des transnationalen Verbrauchervertragsrechts nachzugehen, die auf eine Zivilisierung dieser Privatregimes gerichtet sind (C.). Schließlich wird ein Ausblick auf potentielle Ziele und Methoden einer innovationsoffenen Regulierung des Wettbewerbs transnationaler Verbraucherschutzregimes gegeben, die im Kern auf einen prozeduralen Rechtsverbraucherschutz hinauslaufen (D.).
Der elektronische Handel wird die Wirtschaft tiefgreifend verändern: insoweit herrscht weitgehend Einigkeit. Welche konkreten Auswirkungen sich aus der Etablierung eines elektronischen Weltmarktplatzes für die Handels- und Wettbewerbsstrukturen ergeben werden, ist hingegen unklar. Gegenwärtig konkurrieren zwei unterschiedliche Visionen: Nach einer Ansicht wird die Welt zwar etwas virtueller und vor allem effizienter, im übrigen bleibt aber alles wie es ist. Die Aufregung um die New Economy ist danach völlig übertrieben, in einer anstehenden Konsolidierungsphase werden die meisten Internet-Start-Ups vom Markt verschwinden oder von den großen etablierten Unternehmen übernommen. Wenige Global Player werden die elektronischen Weltmärkte unter sich aufteilen, wobei diese jeweils über regionale Tochterunternehmen tätig werden. Für kleine Unternehmen verbleiben allenfalls Marktnischen. Die Gegenvision beschreibt den elektronischen Handel als Welt des vollständigen Wettbewerbs. Marktzutrittsschranken werden durch das Internet weitgehend beseitigt, so dass auch kleine Unternehmen mit minimalen Investitionen Zugang zum Weltmarkt erlangen können. Standort und Größe eines Unternehmens verlieren an Bedeutung, während Flexibilität, Innovationskraft und Schnelligkeit zu alles entscheidenden Faktoren werden. Zwischen einer auf hoher Markttransparenz beruhenden neuen Verbrauchersouveränität und einem verschärften internationalen Standortwettbewerb werden den "mice" gegenüber den "elephants" die besseren Chancen eingeräumt. Wenn einem die zweite Vision aus wettbewerbspolitischer Sicht auch sympathischer erscheinen mag, so liegt die Wahrheit doch wahrscheinlich – wie so häufig – irgendwo in der Mitte (Klodt, 2001). Der elektronische Handel birgt spezifische Herausforderungen an die Rechts- und Wirtschaftspolitik. So haben die Europäische Union und der deutsche Gesetzgeber in den vergangenen Jahren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die wirksame elektronische Vertragsschlüsse ermöglichen und gleichzeitig die Rechte des Verbrauchers sichern sollen (Hübner, 2001).1 Die Politik stößt allerdings auf Grenzen, wo es um inhärent globale Probleme geht (Schäfer, 1999; Engel, 2000). Wo etwa soll der institutionelle Rahmen für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel herkommen und wer tritt den Beherrschern der elektronischen Weltmärkte entgegen? Diesen Fragen an eine als interdisziplinäre Institutionentheorie verstandene Rechts- und Wirtschaftstheorie, die im Zweifelsfalle auch ohne Staat und Politik auskommen muss, wird im folgenden nachgegangen.
Englische Fassung: Legal Irritants: Good Faith in British Law Or How Unifying Law Ends Up in New Differences, Modern Law Review 61, 1998, 11-32 und in: Francis Snyder (Hg.) The Europeanisation of Law: The Legal Effects of European Integration. Hart, Oxford 2000, 243-267 und in Peter Hall und David Soskice (Hg.) Varieties of Capitalism: The Institutional Foundations of Comparative Advantage. Oxford, Oxford University Press 2001, 417- 441. Portugiesische Fassung: Irritacoes jurídicas: para a co-evolucao de normas jurídicas e regimes de producao. In: Gunther Teubner, Direito, Sistema, Policontexturalidade, Editora Unimep, Piracicaba Sao Paolo, Brasil 2005, 153-188.
Der Schriftspracherwerb wird heute – nach der kognitiven Wende und in Folge vor allem angloamerikanischer Untersuchungen – als Denkentwicklung aufgefasst, der in erster Linie durch eine vielfältige Auseinandersetzung mit Sprache und Schrift vorangetrieben wird. Begründet wird dies aus kognitiv-entwicklungspsychologischer sowie aus prozessorientiert-psycholinguistischer Sicht (vgl. Schneider, Brügelmann & Kochan 1995). Aus kognitiventwicklungspsychologischer Perspektive wurde verfolgt, wie sich Kinder – insbesondere ohne Instruktion, d.h. vor Schulbeginn – der Schrift nähern.
Spartacus mußte, als bis dahin teuerste Filmproduktion überhaupt, ein kommerzieller Erfolg werden – was auch gelang. Den weiteren historischen Rahmen des Films bildet das gereizte antikommunistische Klima, das die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg beherrschte und in dem man sehr schnell auch gegen Künstler mißtrauisch geworden war. Dalton Trumbo, einer der gefragtesten Drehbuchautoren seiner Zeit, gehörte zu den „Hollywood Ten“, die 1947 vor dem House Un-American Activities Committee die geforderten Denunziationen vermeintlicher Kommunisten verweigert hatten. Folge für sie waren Gefängnisstrafen und Beschäftigungsverbote: die schwarzen Listen. Diese waren 1958, bei Beginn der Arbeiten zu Spartacus, nach wie vor intakt. Viele Drehbuchautoren arbeiteten aber doch für die Produktionsfirmen: unter falschem Namen und größter Geheimhaltung – so auch Trumbo für Spartacus. Während der Dreharbeiten erschien Douglas irgendwann das Risiko tragbar, Trumbo nach 1947 zum ersten Mal namentlichen screen credit zu geben: eines der Ereignisse, die zur Auflösung der blacklist führten. Daß Spartacus offen mit Trumbo und auch Howard Fast, dem kommunistischen Autor der Vorlage, firmieren konnte, ist zunächst erstaunlich. Gibt es doch kaum ein antikes Thema, das kommunismusaffiner erschiene als der Aufstand der Sklaven gegen ihre römischen Unterdrücker, kaum einen Helden, der subversiver zur Identifikation mit dem gefürchteten politischen Gespenst verführen könnte. Zwei Aspekte sollen die folgenden Ausführungen beleuchten: Wie sieht der Held aus, der den Amerikanern seinen Aufstand vorführen darf? Und: Wohin zielt diese Rebellion, die von vornherein auch im Kassenhäuschen der Kinos Epoche machen wollte?
Realität als Traum
(2013)
Bruchstückhaft und enigmatisch gibt sich Kleists unermüdlich erforschtes Textstück "Über das Marionettentheater". Kleists Text ist gekennzeichnet durch wenig kohärente Passagen, durch verwirrende An- und Zusammenschlüsse, durch Risse innerhalb der Narration, durch dezentrierte, verwundete, fragmentierte, ersatzstückhafte, maschinenhafte Körper (der "Dornauszieher", die Marionetten, die Figuren aus Prothesen) oder durch Figuren, die die Grenzen des 'Menschlichen' aufbrechen, wie zum Beispiel der fechtende Bär. Die Komplexität des Textes wird unter anderem darüber beschrieben, dass er, wie z.B. William Ray herausstellt, zu viel bedeutet. Dieser Befund ergibt sich nicht zuletzt daraus. dass der Text eine große Zahl an wissenschaftlichen Feldern und Themen berührt, wie zum Beispiel "aesthetics, theology, the mechanics of marionettes, history, consciousness, affectation, the self, and the Fall". Was diese Felder dabei leitmotivisch durchzieht, ist der Bezug auf den Körper.
Im deutschsprachigen Raum ist anschlussfähige Forschung an die international und interdisziplinär ausgelegten 'Energy Humanities' noch unterrepräsentiert. Im folgenden Beitrag werden zunächst das Forschungsfeld, seine Herkunft und Zielperspektiven aufgeschlüsselt. Energie und Energienutzung werden als Teil menschlicher Kultur verstanden. Um aufzuzeigen, wie sich literarische Analysen in den Gesamtkontext der 'Energy Humanities' einfügen, exemplifiziert der Beitrag drei Lektüren von Jane Austens "Emma" (1816), Émile Zolas "Germinal" (1885) und Erik Neutschs "Spur der Steine" (1964). Alle drei Texte erfordern einen individuellen energie-kritischen Fokus, durch den die ihnen eigenen Energiesysteme hervortreten können. Komparatistisch gelesen zeigen sie den Facettenreichtum energie-kritischer literarischer Studien auf: Energienutzung als Statussymbol, Rohstoffextraktion als Kontamination des Menschen, industrielle Energieproduktion als Staatsminiatur.
Der Beitrag von Daniel Weidner stellt anhand dreier kommentierter Bibelübersetzungen im 18. Jahrhundert verschiedene Kommentierungsverfahren als Möglichkeiten kritischer Bibellektüre vor, die sich eben nicht nur an ein Fachpublikum, sondern vor allem auch an die Öffentlichkeit wendet. Seine Untersuchung setzt an der Zäsur in der Aufklärung an. Anhand der Kommentierungsverfahren in der Wertheimer Bibel (1702-1749), in Michaelis' kommentierender Bibelübersetzung "mit Anmerkungen für Ungelehrte" (1769-1792) und in Herders Liedern der Liebe (1778) zeigen sich durchaus verschiedene Strategien der Übertragung, Aktualisierung und Anpassung: Die Wertheimer Bibel 'übersetzt' die Wörter der Bibel in die Sprache der kritischen Vernunft, Michaelis will popularisieren, nutzt aber die Historisierung auch zur Apologetik gegen etwa deistische Kritik, und Herder zerlegt den Text kritisch, um ihn poetisch lesen zu können und den Leser zu erreichen. Indem die verschiedenen Kommentare dabei auch ihre eigenen Spannungen und Paradoxien ausstellen - etwa, indem sie ihrerseits weitere Kommentare fordern oder sich unlösbare Aufgaben stellen -, wird deutlich, wie schwer auf einen Nenner zu bringen der Übergang zur Moderne ist.
Die Untersuchung nimmt die Ratgeberliteratur für Mädchen im deutschen Kaiserreich in den Blick, insbesondere die geschlechtsspezifischen Vorgaben, die durch die Ratgeber proklamiert wurden. Außerdem wird dem Stellenwert der Ratgeberliteratur im alltäglichen und gesellschaftlichen Leben der Zeit nachgegangen und damit auch die Frage gestellt, inwiefern Ratgeberliteratur Einfluss auf das Leben junger Frauen und Mädchen nahm, um einen Beitrag zur Erforschung der Lesesozialisation der Adressatinnen zu leisten. Das aus der Untersuchung ansatzweise entwickelte Frauenbild könnte auf dem Gebiet der Gender Studies genutzt werden. Ebenso wäre es möglich, einen genauen Vergleich heutiger und damaliger Ratgeberliteratur anzustellen. Für diese Forschungsaufgaben liefert die vorliegende Arbeit Anregungen.
Den 'Kampf der Kulturen' ein weiteres Mal genauer zu betrachten lohnt also der Mühe, wird doch auf diese Weise der Blick auf Thematiken gelenkt, die gegenwärtig in der Diskussion sind. Dabei ist insbesondere an Momente der Verbindung von (Neo-)Nationalismus und einem "Rassismus ohne 'Rassen'", an Fragen der Identitätskonstruktion sowie an die Huntington'schen Haupt- Konfliktparteien Westen und Islam zu denken. Fragen der räumlich-geographischen Verortung des Subjekts sind gerade in 'Migrationsdebatten' entscheidend und spielen ebenso in rassistischen Konstruktionen des 'Anderen' eine existentielle Rolle; auch – und das ist ausschlaggebend – für die gegenwärtige politische und gesellschaftliche Situation über den Rahmen der Hauptlinien, die Huntington aufzeichnet, hinaus.
Kleine Planeten oder Planetoiden, zu denen auch der Planetoid "Rilke" gehört, sind Überreste aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems. In den Bereichen, in denen sich die Mehrzahl der kleinen Planeten auch jetzt noch befindet (dem Planetoidengürtel), sind sie auch entstanden - vor etwa fünf Milliarden Jahren. In diesen Bereichen unseres Sonnensystems hatte die Menge des für die Bildung fester Körper verfügbaren Materials nicht einen einzigen großen Körper, sondern eine Vielzahl kleiner Körper gebildet.
Der Begriff des Rahmens hat in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichsten Kontexten Konjunkturen erlebt: in der Anthropologie und der Soziologie als kontextsensibler Handlungsrahmen, in den Theaterwissenschaften als Inszenierungsrahmen, in der Literaturwissenschaft als paratextuelle Rahmung, in der Linguistik als kognitiver Repräsentationsrahmen respektive als Skript – und, nicht zu vergessen, in der Kunstwissenschaft als Bildrahmen. Dabei steht jede "Aufmerksamkeit für Rahmungen" in einem Spannungsverhältnis zwischen einem Interesse für explizite, sprich: materielle und insofern sichtbare Formen der Rahmung einerseits und einem Interesse für implizite, konzeptionelle, sprich stillschweigend vorausgesetzte Interpretationsrahmen andererseits. Zugespitzt formuliert könnte man sagen: Das Problemfeld 'Rahmen' wird durch das Verhältnis von phänomenaler Rahmenwahrnehmung und funktionalem Rahmenwissen bestimmt, wobei sich in der Verhältnisbestimmung zugleich die Rahmenbedingungen von textuellen, theatralen, pikturalen und technischen Konfigurationen zeigen.
In letzter Zeit haben trennbare Verben, meist "Partikelverben" genannt, groß es Interesse gefunden, insbesondere solche, bei denen der trennbare Teil eine Präposition darstellt. Ich werde mich im folgenden auf Verbindungen konzentrieren, die sich aus einem Substantiv als Erstglied und einem Verb als Zweitglied zusammensetzen. Es soll gezeigt werden, daß es sich bei Verbindungen wie Auto fahren, Klavier spielen um komplexe Prädikate handelt, die sich in ihren Eigenschaften deutlich von parallelen syntaktischen Strukturen unterscheiden, in denen dem Substantiv der Status einer selbständigen Konstituente zukommt.
Radau um K.
(2013)
Radau um K. basiert auf der einzigen der zahlreichen Radioarbeiten Walter Benjamins, die als Tondokument zumindest fragmentarisch erhalten ist: dem Hörspiel für Kinder "Radau um Kasperl" in der 1932 vom Westdeutschen Rundfunk Köln produzierten Version unter der Regie von Ernst Schoen. Durch Zufall auf das Hörspiel aufmerksam geworden, faszinierte mich beim ersten Hören gleich seine klangliche Reichhaltigkeit, die die exaltierte Schauspielsprechweise Kasperls ebenso umfasst wie Umgebungsgeräusche und zahlreiche akustische Äußerungen sowohl menschlicher (Lachen, Pfeifen) als auch tierischer Art (verschiedene Tierlaute und -rufe). Letztere sind auf den Inhalt des Hörspielausschnitts zurückzuführen; er handelt nämlich davon, wie Kasperl im Zoologischen Garten vor zwei Kindern damit prahlt, sich mit den Tieren in deren Sprache unterhalten zu können, und das auch – allerdings zunehmend unglaubwürdig – zu demonstrieren versucht. Auf spielerisch-humoristische Weise umkreist Benjamin im Medium des Rundfunks anschaulich, was ein Jahr später in seinem sprachphilosophischen Text "Über das mimetische Vermögen" zum titelgebenden Konzept und zur theoretischen Basis seiner sprachmystisch beeinflussten Auffassung wird, die Sprache als die "höchste Stufe des mimetischen Verhaltens und das vollkommenste Archiv der unsinnlichen Ähnlichkeit" (GS II, 213) begreift.
Als ein Werk des Deutschen Ordens wurde die 'Mitteldeutschen Hiob-Paraphrase' im Jahre 1338 vermutlich in PreuBen vollendet. Die Hiobgeschichte wird hier Vers um Vers nacherzählt, wohl mit dem Ziel, das schwierige Bibelbuch dem noch lateinunkundigen Klosternachwuchs zugänglich zu machen. Alle 42 Kapitel des biblischen Hiobbuches werden hier vollständig in deutsche Verse übersetzt und ausgelegt. Unser Dichter hatte eine lateinische Bibel vor sich mit der 'Glossa ordinaria' am Rand, und die Glosse ist stellenweise mitparaphrasiert worden. Teilweise steht die Exegese in deutlich abgegrenzten, den Text unterbrechenden Einschüben, in denen die Stimme des Dichters den Leser unmittelbar unterrichtet, teilweise aber verschmilzt sie mit den Bibelworten, wobei Hiob und seine Freunde sich selbst kommentieren. Der Text ist aus mehreren Gründen wesentlich länger geworden als die biblische Vorlage. Fast jedes Wort des Bibeltextes wird übersetzt, und die Versform erschwert eine knappe Formulierung. Wichtiges wird zwei- oder dreimal wiederholt und neuer Stoff hinzuefügt. Aber vor allem die Erklärungen und Auslegungen des Dichters tragen dazu bei, daB sich das Werk zu einer Länge von mehr als 15 000 Zeilen ausdehnt und an die Stelle der Poesie des hebräischen Werkes, die noch die lateinische Fassung prägt, ein durchaus lehrhafter Ton tritt. Die außerordentliche Vielfalt des Wortschatzes mit seinem relativ hohen Anteil an 'hapax legomena' macht das Werk für Sprachwissenschaftler besonders interessant, ein Charakteristikum übrigens, das es mit dem hebräischen Urtext gerneinsam hat. Der langatmige didaktische Stil hat jedoch dazu geführt, daß es von Literaturwissenschaftlern kaum untersucht worden ist.
Norbert Voorwinden erörtert die These, Ovids "Metamorphosen" seien die wichtigste Stoffquelle für den Dichter des Nibelungenliedes gewesen. Er kommt zwar zum Schluss, dass diese These unhaltbar ist, zeigt jedoch an einigen Beispielen, daß Kenntnis der antiken Dichtung die Interpretation mancher dunklen Stellen im Nibelungenlied erleichtert.
Der in seinen mannigfachen Referenzen nahezu opake Film "Contra-Internet: Jubilee 2033" von Zach Blas (2018) steht im Zentrum der Frage, welches Internet wir uns aus einer queer-theoretischen und queer-ästhetischen Perspektive vorstellen können. Was ist eine queere Vision des Internets? Wie lässt sich eine Zukunft des Internets prophezeien, die den von Technologieunternehmen herbeigeführten Nexus von Mystik und Mathematik hintertreibt? Am Beispiel der im Film verhandelten Symbole, Objekte und Materialien beschäftigt sich dieser Beitrag mit der queeren Ästhetik des Algorithmischen.
Im Beitrag werden zwei filmische Positionen zusammengeführt. In beiden finden sich Inszenierungen von Gemeinschaft und Prekarisierungen als ästhetische Aushandlungen einer Politisierung der Filmform. Während der schwedische Film "Folkbildningsterror" (2014) politische Zustände im Musical zur Disposition stellt, untersucht der US-amerikanische Thriller "The Owls" (2010) die Konsequenzen homophober Entwürfe lesbischer Figuren im Film, die bis in die aktuelle Filmgeschichte reichen.