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Hans-Georg Soldat (Berlin) arbeitete als Literatur-Redakteur beim RIAS in West-Berlin und referierte "Zur Rolle von Westpresse und Rundfunk". Er berichtete, dass DDR-Autoren im RIAS-Literaturprogramm stark vertreten waren. In der DDR unzugängliche Bücher wurden in den RIAS-Besprechungen ausgiebig zitiert, um auf diese Weise die Literatursperre zu unterlaufen. Ein Indiz für die Wirkung dieser Vorgehensweise lieferte die Vorstellung einer DDR-Ausgabe einer sowjetischen Anthologie. Kurz nach der RIAS-Sendung avancierte das Buch vom Ladenhüter zur Bückware. Insgesamt sank jedoch der Stellenwert des Radios. Zitiert nach: Tagungsbericht "Der heimliche Leser in der DDR". 26.09.2007-28.09.2007, Leipzig, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2007, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1747>.
Literatur gilt trotz vielfältiger neuer Medienangebote als bedeutende kulturelle Praxis. Diese wurde und wird wissenschaftlich erforscht, wobei in den letzten Jahrzehnten gendertheoretischen Ansätzen wachsende Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Gendertheoretisch orientierte Forschung kann und soll die Literaturwissenschaften unterstützen und begleiten. Sie kann zum Beispiel darüber nachdenken, wie literarische Texte funktionieren und wie geschlechtliche Identitäten in diesen konstruiert werden bzw. organisiert sind. Diese Untersuchung erfolgt theoriegeleitet, wobei Theorie und Praxis nicht als starre Oppositionen gefasst werden, sondern als in Wechselwirkung stehende verwobene dynamische Konzepte.
Queertheorie bestimmt sich über Vorläufigkeit, die sich nicht als fixiertes System versteht, sondern als eines, das lediglich ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, um die Logik der Spezifität von Machtbeziehungen und Machtkämpfen, etwa in literarischen Texten, zu analysieren. Insofern jeder kritischen Theorie die Verpflichtung aufgegeben ist, kritisch gegen sich selbst gewendet, auch die Möglichkeit zu denken, dass sie nicht immer da sein wird, gilt es, sich nicht im eigenen Moment einzurichten. So möchte ich im Sinne einer vorläufigen und zugleich einer strategischen Kanonisierung vorschlagen: Die germanistische Literaturwissenschaft sowohl mit postkolonialen Theorien als auch mit Gender- und Queertheorien momenthaft und gleichsam verschränkt zu perspektivieren, um dadurch neue Realisationen von Texten zum Entstehen zu bringen.
Wie Enzensberger […] verdeutlicht, eröffnen literarische Texte […] einen Raum, in dem unterschiedliche und kontroverse wissenschaftliche Theorien […] miteinander kollidieren, wodurch ihre Bedingtheit und Relativität erkennbar wird. Die modernistische […] Vorstellung, Literatur sei subversiv, stelle in Frage, was immer sich als absolute Wahrheit ausgebe, relativiere die Ordnungen des Wissens und insbesondere alle sich verbindlich gebenden Theorien über den Menschen und die natürliche Welt, hat an Aktualität nicht verloren. […] Philosophen und Literaturtheoretiker verschiedenster Denkrichtungen kommen […] darin überein, daß Literatur subversiv ist: Gegen falsche Sicherheiten und gegen die Illusion absoluter Wahrheit gerichtet, deutet sie auf die Vieldeutigkeit aller Dinge und die Vielzahl inkompatibler Betrachtungsperspektiven hin, indem sie selbst vieldeutige und multiple Welten erzeugt. In dieser Eigenschaft ist das literarische Schreiben durch keinen anderen Diskurs ersetzbar. Die ihr hier zugeschriebene subversive Rolle als Instanz kritischer Reflexion über Begriffe, Theoriebildungen und Wissenschaft kann die Literatur allerdings nur dann spielen, wenn sie in engem und dauerhaften Kontakt zu den Wissenschaften bleibt. Die Kritik an Wissensdiskursen setzt einen ständig zu aktualisierenden .Informationsstand voraus: über die jeweils dominanten wissenschaftlichen Paradigmen, Kernbegriffe und Moden, die Strategien wissenschaftlicher Konstruktion und Darstellung dessen, was ist.
Annes Interesse richtete sich, wie wir dem Tagebuch entnehmen können, besonders auf die zeitgenössische niederländische Literatur. Der Wille des Vaters, den Kindern die Dramen Goethes und Schillers näher zu bringen, ist zwar durch den zitierten Eintrag belegt, welche Bedeutung diese Lektüre für Anne selbst hatte, darüber lässt sich jedoch nur spekulieren. Wir wissen aber aus anderen Quellen, dass viele der von den Nationalsozialisten Verfolgten, Vertriebenen, Eingesperrten und Gequälten aus den Werken der „Klassiker“ und ihrer humanistischen Botschaft Hoffnung schöpften und darin Trost fanden. Gleichzeitig jedoch vereinnahmten die Machthaber dieses kulturelle Erbe propagandistisch für ihre nationalistischen und rassistischen Zwecke. Dass die Ausstellung „Anne Frank – Eine Geschichte für heute“ jetzt in der „Klassikerstadt“ Weimar gezeigt wird, in deren unmittelbarer Umgebung sich mit dem Konzentrationslager Buchenwald ein Ort befindet, dessen Name zu einem Synonym für den nationalsozialistischen Terror geworden ist, kann daher durchaus auch zum Anlass genommen werden, diesen beiden so gegensätzlichen Strängen der Rezeptionsgeschichte der „Weimarer Klassik“ und insbesondere der Werke Goethes und Schillers in den Jahren von 1933 bis 1945 einmal etwas genauer nachzugehen. Das vorliegende Arbeitsmaterial stellt dafür in kommentierter Form exemplarische Texte zur Verfügung.
Der Schluss vom Bekannten auf das weniger Bekannte ist ein zentrales Grundprinzip der Didaxe. Ein mittelalterlicher Texttyp, der dieses Prinzip nicht nur beherzigt, sondern es durch seine Bauform regelrecht ausstellt, ist das spätestens seit 1230 literaturfähig gewordene Reimpaarbîspel, das zwei unterschiedliche Bereiche oder Sphären so aufeinander bezieht, dass der erste Teil des Textes, die eigentliche Beispielerzählung, ein allgemein akzeptiertes Modell einführt, das dann im zweiten Teil, in der Auslegung, auf eine andere Lebenssphäre übertragen wird, um mit diesem Akt der Analogisierung das zu Erklärende im Rückgriff auf bereits Etabliertes zu verdeutlichen. […] Hinzu kommt, dass gerade Texte dieser Art interessante Rückschlüsse auf die Etablierung, Durchsetzung und Veränderung von Diskursen ermöglichen, zeigt doch schon die Zweiteiligkeit der Bauform, die eine Redeordnung A mit einer Redeordnung B vergleicht, auf das deutlichste an, dass diese Texte gewissermaßen auf der Schwelle zwischen zwei argumentativen Kontexten angesiedelt sind, wobei das im ersten Teil Präsentierte stets als das bereits Eingeführte, Abgesicherte, Evidente erscheint, während das im zweiten Teil Vorgeführte immer als das relativ gesehen Neue wahrgenommen wird, das in seiner Geltung und in seiner Evidenz vom vorher Entwickelten abhängt.
FRAUEN.SCHREIBEN. So hieß das Thema des Symposiums, in dessen Zusammenhang dieser Text entstand. Die Frage, wie "Frau" in Texten von Schriftstellerinnen aus Österreich und China "geschrieben" wird, sollte dabei in den Blick genommen werden - Elfriede Jelinek stand dabei mit im Fokus der Analysen und ist auch meine Wahl im nachfolgenden Text. Diese Frage, nach dem "Wie-Frauen-Schreiben", die zunächst scheinbar recht simpel und unproblematisch gestellt werden kann, evoziert eine komplexe Auseinandersetzung mit Themen und Problemen, die der Literaturwissenschaft und Literaturtheorie konstitutiv zugrunde liegen - Fragen etwa nach einer potentiellen ('weiblichen') Autorschaft, einer 'weiblichen' Ästhetik, Fragen der Repräsentation 'von Frauen', hier im Besonderen 'in Texten von Frauen'.