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Dezember 1925, Staatsoper Unter den Linden Berlin: Zwei Tage vor Weihnachten besuchen Theodor W. Adorno und Walter Benjamin die erste auf die aufsehenerregende Uraufführung folgende Vorstellung von Alban Bergs Oper Wozzeck: Es dirigiert Erich Kleiber, die Hauptpartien singen Leo Schützendorf, Fritz Soot und Sigrid Johanson. Nicht nur auf den 'Expertenhörer' Adorno - der in einem an seinen Kompositionslehrer übermittelten Bericht sowohl Benjamins Bestimmung des "Ausdruckslosen" aufgreift, als auch dessen physische Präsenz erwähnt - hinterlässt die Musik einen bleibenden Eindruck. Benjamin erinnert sich dieser Aufführung noch zehn Jahre später in einem seiner Briefe an Adorno und bekennt nach der Lektüre von dessen Berg-Analysen, "dass der überwältigende Eindruck, kraft dessen mich der Wozzeck an jenem Abend gefangen nahm, das Signal eines mir unbewussten aber bis ins einzelne nennbaren Betroffenseins gewesen ist". Von der geschichtsphilosophischen Einordnung der Berg'schen Musik, welche "wie die gleichsam namenlose technische Arbeit des Schülers Schönbergs die Tradition des 19ten Jahrhunderts im Namen des Musikers zur Ruhe geleitet und ihren eigenen Klagegesang anstimmen lässt", führt Benjamin sich dann sogar versucht, den "Begriff des 'kleinen Übergangs' [...] der Kompositionslehre abzuborgen (GB V, 565). Im Gegensatz zu Adorno wird Walter Benjamins Theorie jedoch kaum mit Musik in Verbindung gebracht, sondern vor allem für ihr Bilddenken geschätzt. Auch wenn im 'Ursprung des Deutschen Trauerspiels', in den Erinnerungsszenen der 'Berliner Kindheit', den Häuser- und Gedankenschluchten der 'Passagenarbeit' und nicht zuletzt in seinem Briefwechsel durchaus von Musik die Rede ist, rücken Klänge seltener in den Mittelpunkt seiner Schriften und sind in der Rezeption bisher auch weniger beachtet worden. Ohnedies wird derjenige enttäuscht, der gerade von Benjamin - so reizvoll es sein mag, sich solchen Gegenständen widmende Essays zu imaginieren - die Exegese des gängigen musikalischen Kanons erwartet: Keine Abhandlung zu Schuberts Streichquintett schließt an die Interpretation der 'Wahlverwandschaften' an und ebenso vergeblich sucht man nach die Erwägungen zum Trauerspiel auf die Affektkontrolle der 'opera seria' oder die des Kraus-Essays auf die Musik des 'Fackel'-Habitués Arnold Schönberg übertragenden Arbeiten. Dennoch kommt Musik, Klage und Tönen in Benjamins Reflexionen eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Selten drängen sie sich lautstark in den Vordergrund, erlauben aber - zumal in einer Zeit, in der auch die professionelle Auseinandersetzung mit Musik die ideale Beständigkeit musikalischer Werke und ihrer Texte zunehmend in Zweifel zieht - theoretische Einsichten, über die das auf andere Dinge gerichtete Ohr des Experten achtlos hinweggeht. In Ergänzung zur wohlbekannten epistemischen und poetischen Rolle seiner Sprach- und Denkbilder unternimmt dieser Band den ersten systematisch angelegten Versuch, sowohl den kultur- und medienhistorischen Zusammenhängen von Benjamins akustischen Motiven nachzugehen als auch ihre ästhetische Relevanz für die gegenwärtige Produktion und Reproduktion von Klängen zu reflektieren.
Es gehört zu den besonderen Merkmalen fantastischer Literatur und Kunst, fiktive Welten hervorzubringen, deren Entwurfscharakter Modellhaftigkeit und spielerische Experimentierfreudigkeit ebenso implizieren kann wie Perspektiven des Utopischen. Die Beiträge des Sammelbands gehen auf Vorträge der Jahrestagung der Gesellschaft für Fantastikforschung im September 2013 zurück, die unter dem Motto "Writing Worlds" stand. Sich Welten zu erschreiben, zu erzählen oder zu erträumen ist zweifellos ein zentraler Bestandteil und eine wichtige Motivation zur Kreativität, die sich insbesondere im Genre der fantastischen Literatur beobachten lässt. In der Gegenwart lässt sich die spatiale Ebene, die Welten und Räume konstruierende Dimension des Fantastischen, allerdings nicht weniger ausgeprägt in den neueren Medien des Rollenspiels und des Films entdecken. So eröffnen die Aufsätze des Themenhefts ein weites Spektrum, das von Modellierungen mittelalterlicher Sujets über expressionistische Städte-Visionen und Batmans Metamorphosen bis hin zu neueren U.S.-amerikanischen Fernsehserien um das Jahr 2000 reicht.
Prophetie und Prognostik : Verfügungen über Zukunft in Wissenschaften, Religionen und Künsten
(2013)
Jede Prognostik bezieht ihre diskursive Macht aus der Behauptung, in gewisser Weise über die Zukunft verfügen zu können, jede Prophetie versucht in ihren Appellen, die Zukunft zu verändern. In beiden Fällen verschränken sich Formen des Zukunftswissens mit Modi wirksamer Rede.
Dabei ist Prophetie nicht einfach eine unwissenschaftliche 'Vorstufe' der Prognostik. Noch die differenzierten Prognosen über Klima, Bevölkerung und Ökonomie, die aus den Zukunftsmodellierungen heutiger Szenariotechnik gewonnen werden, stehen in der Nähe zur Prophetie.
Prophetie und Prognostik untersucht diese Wissensformen, Symboliken und Aussageweisen in verschiedenen Religions- und Wissenschaftskulturen, in bildender Kunst und Literatur.