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Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Integrierte Analyse von mobilen, organischen Fremdstoffen in Fließgewässern“ (INTAFERE) am Institut für Physische Geographie an der Goethe-Universität Frankfurt erstellt. In INTAFERE wurde das Gefährdungspotenzial von mobilen, organischen Fremdstoffen (MOF) für aquatische Ökosysteme und die natürlichen Wasserressourcen in integrierter und partizipativer Art und Weise untersucht. MOF sind chemische Substanzen, die in Alltagsprodukten enthalten sind und durch unterschiedliche Eintragsfade in unbekannten Mengen in Oberflächengewässer eingetragen werden. Problematisch sind aus Umweltgesichtspunkten ihre Eigenschaften: sie besitzen im Wasser eine hohe Mobilität und sind schwer abbaubar. Dies führt zu einer Persistenz über lange Zeiträume. Für einige dieser Substanzen wurde zudem gezeigt, dass sie in sehr geringen Konzentrationen biologisch aktiv sind und für aquatische Ökosysteme eine Gefahr darstellen. In INTAFERE wurden drei zentrale Ziele verfolgt: Charakterisierung des Problemfeldes MOF, Erzeugung von praxisrelevantem Wissen für das Management von MOF und Entwicklung einer Softwareanwendung, die gesellschaftliche Aushandlungsprozesse durch eine transparente Darstellung der Wirkungszusammenhänge im Problemfeld unterstützt. Um einen Beitrag für die Erfüllung der Ziele zu leisten, war es die Aufgabe der Verfasserin, eine Akteursanalyse und -modellierung durchzuführen sowie Zukunftsszenarien im Bereich der MOF zu entwickeln. Dafür existierte keine adäquate Methodik, daher verfolgt die Dissertation zum einen die Entwicklung einer Methodik und zum anderen deren Anwendung im Kontext des Projektes INTAFERE. Da im Forschungsprozess die Durchführung von Analysen, die wissenschaftliche und gesellschaftliche Sichtweise der Problematik sowie die Erarbeitung von praktischen Lösungen im Mittelpunkt standen, wurde eine transdisziplinäre Herangehensweise gewählt. Ziel war es, eine Methodik zu entwerfen, die sowohl eine Entwicklung von Szenarien als auch eine Modellierung von Handlungsentscheidungen umfasst. Eine Modellierung und Visualisierung von Handlungsentscheidungen ist notwendig, um Strategien für ein Umweltproblem für verschiedene Szenarien zu ermitteln, und damit einen Lernprozess der Stakeholder zu initiieren. Dies wurde mit der transdisziplinären Methode „Akteursbasierte Modellierung“ umgesetzt. Hierbei wurden insbesondere Aspekte der Problemwahrnehmung von Akteuren und deren Darstellung, der partizipativen Szenarienentwicklung sowie der semi-quantitativen Modellierung von Handlungsentscheidungen berücksichtigt. Die Verfasserin hat mit der semi-quantitativen akteursbasierten Modellierung eine Methode erarbeitet und getestet, die bisher unverbundene Komponenten (wie die Software Dynamic Actor Network Analysis (DANA) und die Szenarienentwicklung) zusammenführt. Um Handlungsentscheidungen unter verschiedenen Szenarien zu modellieren hat die Autorin eine sequentielle Modellierung entwickelt, die mit der Software DANA durchgeführt werden kann. Die dafür notwendige Weiterentwicklung von DANA wurde von Dr. Pieter Bots (TU Delft) umgesetzt. Die akteursbasierte Modellierung läuft in drei methodischen Schritten ab: 1. Modellierung von Akteurs-Sichtweisen in Form von Wahrnehmungsgraphen und deren Analyse, aufbauend auf Ergebnissen von qualitativen, leitfaden-gestützten Expertengesprächen (= Akteursmodellierung), 2. partizipative Szenarienentwicklung mit den Akteuren und 3. Zusammenführung der Ergebnisse der Akteursmodellierung und der Szenarienentwicklung und darauf aufbauend eine sequentielle Modellierung von Handlungsentscheidungen und deren Auswirkungen auf Schlüsselfaktoren. Im Zuge der Anwendung auf das Problemfeld der MOF wurde für folgende Akteure jeweils ein Wahrnehmungsgraph modelliert: Obere Wasserbehörde, Umweltbundesamt, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, Wasserversorger sowie für die Hersteller von verschiedenen MOF, weiterhin für die European Flame Retardants Association und die Weiterverarbeitende Industrie. Das Ergebnis der Szenarienentwicklung waren vier Szenarien: ein Gesundheitsszenario, unter der Annahme von hohen lokalen Umweltstandards durch nachhaltigkeitsorientierte KonsumentInnen, ein Umweltszenario, in dem eine starke Regulierung und nachhaltigkeitsorientierter Konsum Hand in Hand gehen, ein Globalisierungsszenario, in dem Wirtschaftsmacht und preisbewusste KonsumentInnen statt staatliche Regulierung vorherrschen und ein Technikszenario, unter der Annahme, dass Kläranlagen, bedingt durch eine starke Regulierung, aufgerüstet werden. Bei der Modellierung von Handlungsentscheidungen wurden die Wahrnehmungsgraphen und die vier Szenarien miteinander verknüpft. Pro Substanz wurde ein Modell entwickelt, welches die wichtigsten Systemkomponenten in einer angemessenen Komplexität umfasst und die von den Akteuren gemeinsam getragene Einschätzung der Wirkungsbeziehungen darstellt. Insgesamt wurden 16 Modelle entwickelt. Basierend auf den simulierten Akteurshandlungen wurden relativen Veränderungen der Schlüsselfaktoren Produktion, Import und Leistungsfähigkeit der Kläranlagen für die vier genannten Szenarien berechnet. In Zusammenarbeit mit Pieter Bots konnten algorithmische Beiträge zur Analyse- und Modellierungssoftware DANA getestet und verbessert werden. Da keine vollständige und zugleich leicht verständliche Einführung zu DANA vorlag, wurde für Nutzer im Rahmen dieser Dissertation eine Anleitung verfasst, die die Modellierung von Wahrnehmungsgraphen und deren Analyse sowie alle Schritte der akteursbasierten Modellierung mit DANA erläutert.
[Dem] Wechsel vom Erhabenen ins Komisch-Lächerliche ist eine Komik unzugänglich, die im Innersten des Erhabenen hervorbricht und dazu korrespondierend ein Erhabenes, das durch und durch komisch durchtränkt ist. Umso mehr mag erstaunen, dass eine spekulative Ästhetik der Hochromantik, nämlich Karl Wilhelm Ferdinand Solgers "Erwin" und ein oft aus der Sicht der Entwicklung zur Moderne eher randständiger Lyriker - Eduard Mörike - diese moderne Erfahrung des Erhabenen als Komisches und des Komischen als Erhabenes auf je eigentümliche und doch korrespondierende Weise theoretisch und lyrisch erfasst haben.
1. In dieser Arbeit konnten durch chemische Mutagenese drei Pigmentmutanten erzeugt werden, die entsprechend ihrer Pigmentierung in drei Kategorien eingeteilt wurden:hellorange (OC-Mutante), gelb (YC-Mutante) und weiß (WH-Mutante). 2. Durch MS- und NMR-Analysen konnte die Struktur des von H. halophilus produzierten Carotinoids als Methylglykosyl-3,4-dehydro-apo-8’-lycopenoat aufgeklärt werden. Zusätzlich wurden auch die von der OC-Mutante produzierten Carotinoide als Hydroxy-3,4-dehydro-apo-8’-lycopin und Methylhydroxy-3,4-dehydro-apo-8’- lycopinoat identifiziert. Bei allen Pigmenten handelt sich um 8’-Apoderivate mit einer asymmetrischen Anordnung der Methylgruppen. Diese Art von Carotinoiden konnte zuvor nur in dem marinen Isolat P. maritimus gefunden werden (Shindo et al., 2008) 3. Auf Basis der genetischen und biochemischen Daten hinsichtlich der Carotinoide in H. halophilus konnte ein neuartiger Biosyntheseweg postuliert werden. Dabei beginnt die Synthese des C30-Carotinoids nicht wie bei allen bekannten Pigmenten dieser Art mit der Kondensation von zwei C15-Körpern, sondern durch die Kondensation von einem C10- mit einem C20-Molekül. Durch anschließende Desaturierungen, Hydroxylierungen, Methylierungen und Glykosylierungen entsteht das in H. halophilus identifizierte Carotinoid Methylglykosyl-3,4-dehydro-apo-8’-lycopenoat. Dieser Biosyntheseweg ist bisher einzigartig. 4. Die Carotinoide in H. halophilus sind essentiell für den Schutz der Zellen vor oxidativen Schäden. Während das Wachstum des pigmentierten Wildtyps nur wenig durch die Zugabe von bis zu 150 μM Duroquinon beeinträchtigt wurde, wurde das Wachstum der farblosen Pigmentmutante WH schon ab einer Duroquinonkonzentration von 120 μM vollständig gehemmt. Auch durch in vitro-Versuche konnte die antioxidative Eigenschaft von Methylglykosyl-3,4-dehydro-apo-8’-lycopenoat und der Derivate Hydroxy-,4-dehydro-apo-8’-lycopin und Methylhydroxy-3,4-dehydro-apo-8’-lycopinoat bestätigt werden. Dabei war die Wirksamkeit des Carotinoids aus H. halophilus sogar besser als die der biotechnologisch genutzten Pigmente ß-Carotin und Astaxanthin. 5. Durch Wachstumsexperimente konnte gezeigt werden, dass die Carotinoide auch eine Rolle in der Salzadaptation des Bakteriums spielen. Bei niedrigen Salinitäten zeigten der Wildtyp und die farblose Pigmentmutante keine Unterschiede im Wachstum. Eine hohe NaCl-Konzentration von 3,0 M NaCl führte jedoch zu einem verlangsamten Wachstum der Carotinoidmutante WH. 6. Im Genom von H. halophilus konnten anhand von Sequenzvergleichen mit bereits bekannten Kompetenzproteinen aus B. subtilis eine Reihe von putativen Genen identifiziert werden, die dem Bakterium theoretisch die Fähigkeit zur Ausbildung einer natürlichen Kompetenz verleihen. 7. Um die Fähigkeit von H. halophilus zur natürlichen DNA-Aufnahme zu testen, wurde eine Methode entwickelt, durch die es möglich war, viele unterschiedliche Bedingungen zu analysieren. Als Donor-DNA wurde die chromosomale DNA einer Erythromycin-resistenten Mutante von H. halophilus eingesetzt, die innerhalb dieser Arbeit erzeugt wurde. Insgesamt konnten so über 3000 Ansätze getestet werden. Jedoch konnte bei keiner dieser Bedingungen eine natürliche Kompetenz von H. halophilus festgestellt werden. 8. Innerhalb dieser Arbeit ist es gelungen eine Methode zur effizienten Transformation von H. halophilus zu etablieren. Dabei erfolgte die DNA-Aufnahme durch eine PEGvermittelte Protoplastenfusion. Mit dieser Methode konnten für H. halophilus Transformationseffizienzen von 2-102 Transformanden/μg DNA erreicht werden. 9. Durch die Möglichkeit H. halophilus transformieren zu können, ist es in dieser Arbeit erstmalig gelungen, ein System zur markerlosen Deletion von Genen in H. halophilus zu etablieren. Dabei wurde in einem ersten Schritt ein nicht-replizierendes Plasmid, das den gewünschten mutierten Locus enthält, durch Protoplastenfusion in H. halophilus transformiert. Durch einfach homologe Rekombination konnte das Plasmid in das Genom integrieren. Die so erhaltenen Integranten wurden im zweiten Schritt unter nicht-selektiven Bedingungen für etwa 90 Generationen kultiviert. Hierbei kam es zu einer zweiten homologen Rekombination, wodurch das Plasmid wieder aus dem Genom geschnitten wurde (Segregation). Dies resultierte entweder in den Wildtyp-Locus oder in den gewünschten mutierten Locus. Potentielle Integranten wurden auf einen CmS-Phänotyp getestet und mit Hilfe von Southern-Blot-Analysen verifiziert. 10. Mit Hilfe des in dieser Arbeit etablierten Systems zur markerlosen Mutagenese von H. halophilus wurde eine pro-Mutante generiert, deren proHJA-Operon deletiert war. 11. Überraschenderweise konnte die Mutante immer noch Prolin synthetisieren und war demnach nicht prolinauxotroph. Jedoch war H. halophilus pro nicht mehr in der Lage, Prolin als ein kompatibles Solut zu synthetisieren. Trotzdem zeigte das Wachstum der Mutante unter Hochsalzbedingungen keine Beeinträchtigung. Dies konnte auf eine gesteigerte Akkumulation von Glutamat, Glutamin und Ectoin zurückgeführt werden, wodurch der Verlust von Prolin als Osmolyt kompensiert wurde. 12. Die Expression der Gene glnA2, gltA und ectA, die für Biosyntheseenzyme von Glutamin, Glutamat und Ectoin kodieren, ist in H. halophilus pro induziert. Dabei hatte die Salinität einen stärkeren Einfluss auf die relativen RNA-Mengen von glnA2 und ectA in der pro-Mutante als im Wildtyp. gltA zeigte keine salzabhängige Expression im Wildtyp, der mRNA-Level des Gens stieg jedoch in H. halophilus pro bei hohen Salinitäten um das Doppelte im Vergleich zu Niedrigsalzbedingungen an. 13. Für die Glutaminsynthetase, dem Enzym der Glutaminsynthese, konnte eine gesteigerte spezifische Aktivität nachgewiesen werden. Dabei erhöhte sich die Aktivität mit steigender Salinität, sie war jedoch immer 30 bis 50% höher als im Wildtyp. 14. In dieser Arbeit wurde ein möglicher Biosyntheseweg zur salzunabhängigen Prolinsynthese aufgestellt. Hierbei dient Ornithin als Ausgangsmolekül, das entweder durch eine Ornithin-Aminotransferase (RocD) und eine Pyrrolin-5-Carboxylat-Reduktase (ProC und ComER) oder direkt durch eine Ornithin-Cyclodeaminase (ArcB) zu Prolin umgesetzt wird. Für alle Enzyme konnten die entsprechenden Gene im Genom von H. halophilus identifiziert werden. 15. Vor dieser Arbeit konnte bereits gezeigt werden, dass Prolin das dominante kompatible Solut unter Hochsalzbedingungen ist. Dabei war die Expression des pro-Operons sowohl von der Salzkonzentration als auch vom Anion Chlorid abhängig. Es zeigte sich, dass auch die zelluläre Konzentration von ProJ salzabhängig war, mit einem Maximum bei 2,0 – 3,0 M NaCl. Zudem war der ProJ-Gehalt wachstumsphasenabhängig. Während das Enzym besonders in frühexponentiellen Zellen detektiert werden konnte, sank die zelluläre ProJ-Konzentration kontinuierlich in stationären Zellen. Nach einem Salzschock von 0,8 auf 2,0 M NaCl stieg die ProJMenge nach 2 h leicht an und sank nach 4 h wieder kontinuierlich. Der ProJ-Level war in Gegenwart von NaCl maximal, sank aber nur leicht um 25%, wenn die Zellen mit 2 M Na-Glutamat oder Na-Nitrat inkubiert wurden. Die Prolinbiosynthese in H. halophilus wird demnach auch auf Ebene der Translation und/oder der Proteinstabilität reguliert. 16. Die Aminosäure Prolin wird nicht nur als kompatibles Solut in H. halophilus synthetisiert, sondern kann auch als C- und Energiequelle und als Stickstoffquelle genutzt werden. 17. Liegt Prolin als alleinige C- und Energiequelle im Medium vor, erfolgt eine salzabhängige Akkumulation des Osmolyts in H. halophilus, während der zelluläre mRNA-Level der pro-Gene stark reduziert ist. Prolin wird demnach nicht nur als Cund Energiequelle aufgenommen, sondern auch als kompatibles Solut. 18. Im Genom von H. halophilus konnten zwei Gene, die für die potentiellen Na+/Prolin- Symporter 3541 und 1381 kodieren, identifiziert werden, deren mRNA-Level bei Wachstum auf Prolin induziert war. 19. Durch Aminosäuresequenzvergleiche konnten in dieser Arbeit im Genom von H. halophilus jeweils zwei Isogene gefunden werden, die für potentielle Prolindehydrogenasen (prodh1/prodh2) und Pyrrolin-5-Carboxylat-Dehydrogenasen (p5cdh1/p5cdh2) kodieren. Mittels reverser Transkription von mRNA und anschließender PCR-Analysen konnte gezeigt werden, dass prodh2 und p5cdh2 ein Operon bilden (put-Operon). Eine Quantifizierung der Transkriptmengen der Abbaugene prodh1/p5cdh1 und prodh2/p5cdh2 mittels quantitativer PCR in Zellen, die in Gegenwart von Prolin als alleiniger C- und Energiequelle oder Stickstoffquelle gezogen wurden, zeigten deutlich, dass unter diesen Bedingungen nur die Expression von prodh2/p5cdh2 induziert wurde. Wurden die Zellen in Gegenwart von Glukose als C- und Energiequelle gezogen, stieg die mRNA-Menge von prodh2/p5cdh2 unter Hochsalzbedingungen um den Faktor 10 – 20 im Vergleich zu Zellen, die bei niedrigen Salinitäten kultiviert wurden, an. Die mRNA-Menge des put- Operons war in Glukose-gewachsenen Zellen wachstumsphasenabhängig mit einem Maximum in der stationären Wachstumsphase. In Gegenwart von 1,0 M NaCl stieg die mRNA-Menge um das 20-Fache, in Gegenwart von 3,0 M NaCl um das Doppelte. 20. Mit Hilfe des Systems zur markerlosen Mutagenese in H. halophilus konnte eine glnA2-Mutante generiert und verfiziert werden. H. halophilus glnA2 zeigte keinen Wachstumsphänotyp bei Anzucht in Gegenwart von unterschiedlichen NaCl-Konzentrationen. Die Deletion von glnA2 führte zu einer Inhibierung der salzabhängigen Prolinbiosynthese, während der Glutamat- und Glutaminpool bei allen getesteten Salinitäten im Vergleich zum Wildtyp nicht verändert war. Der Verlust von Prolin als kompatibles Solut konnte teilweise durch einen Anstieg des Ectoinlevels kompensiert werden. Die zelluläre Transkriptmenge von glnA1 und ectA war in H. halophilus glnA2 stärker von der Salinität beeinflusst als im Wildtyp, während die salzabhängige Regulation der proH-Expression aufgehoben wurde. Im Gegensatz zum Wildtyp wurde die spezifische Aktivität der Glutaminsynthetase in H. halophilus glnA2 durch steigende NaCl-Konzentrationen inhibiert.
In seinem umstrittenen Erstlingswerk, "In Stahlgewittern" (1920), schreibt Ernst Jünger dem Ersten Weltkrieg weniger explizit einen ideologischen Sinn zu, als er ihn indirekt durch eine intensiv metaphorische Sprache mit Bedeutungen auflädt. Jünger codiert den Krieg in 32 bildlichen Sequenzen, die sich in den Feldern der Natur, der menschlichen Praxis, der Kultur und der Anthropomorphie verorten. Diese Sprachbilder lassen sich nach Typen differenzieren und in ihrer Dichte, Relation, Interferenz und Variation beschreiben. Dadurch dass dieselben Bilder auf beide Kriegsparteien angewandt werden, relativieren sie deren Gegensatz. Indem die Metaphern mit ihren realen Entsprechungen, mit sprechenden Namen und mit stereotypen Jargons konfrontiert werden, tritt ihre Künstlichkeit zutage und wird ihre epistemische Funktion deutlich. Die implizite Bedeutungs-Zuschreibung, die diese Metaphoriken erzielen, ist keineswegs einsinnig als Ästhetisierung oder Verherrlichung bzw. als kohärente faschistische Ideologie zu fassen. Die einzelnen Codes sind ungleichmäßig subtil, sie erzeugen verschiedene Bedeutungen, und sie konnotieren abweichende politische Positionen; sie geraten miteinander in Überschneidung und zueinander in Widerspruch. Es entsteht eine widerständige Semantik, die als Symptom einer Verunsicherung lesbar ist.
Schlöndorffs Filme "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und "Die Stille nach dem Schuss" spiegeln in signifikanter Weise einen Wandel des intellektuellen Diskurses über Politik in Deutschland nach 1945, zugleich konturieren sie ihn mit unterschiedlichen ästhetischen Mitteln. "Die Verlorene Ehre der Katharina Blum" rekonstruiert die ideologische Situation des Jahres 1968, in der Schlöndorff in enger Zusammenarbeit mit Böll eine markante Position bezieht, "Die Stille nach dem Schuss" skizziert demgegenüber eine Bewusstseinslage, in der erstmals nach der Wende des Jahres 1989 die politischen und ideologischen Widersprüche innerhalb der früheren DDR und die Aufarbeitung der Stasivergangenheit offen thematisiert werden. Dabei beleuchtet Schlöndorff zugleich kritisch die eigene Haltung als westlicher Intellektueller gegenüber der DDR und im vereinigten Deutschland. Dagegen machen die neueren Filme "Der Baader Meinhof Komplex" und "Die innere Sicherheit" auf je unterschiedliche Weise die Neubewertung der Außerparlamentarischen Opposition und der Baader Meinhof Gruppe deutlich, die ebenfalls nach 1989 einsetzt. Dabei führt der Film von Eichinger und Edel zu einer Historisierung und ideologiekritischen Entheroisierung, seine Präsentation einer Phase der politischen Opposition in Deutschland wird mit Mitteln des action-Films entfaltet. Petzolds Film dagegen zeigt die Folgen dieser Bewegung in der für die "Berliner Schule" typischen Konzentration auf das Private.
In diesem Aufsatz wird das mentale Lexikon als System beschrieben, in dem Lexeme aufgenommen, gespeichert und nach bestimmten Regeln geordnet und eingesetzt werden. Hierbei spielen Bedeutungsbeziehungen eine grundlegende Rolle. Die Mikrostruktur dieses Netzwerks bildet die Polysemie, die anhand von Bedeutungssternen (mit Kernbedeutung und Nebenbedeutungen einzelner Lexeme) dargestellt werden kann. Anhand von Musterübungen wird gezeigt, wie dieses Thema im muttersprachlichen Unterricht didaktisch umgesetzt werden kann.
Die Hessischen Schülerakademien unterscheiden sich von manchen anderen Akademien dadurch, dass sie zugleich als Schulpraktika für Lehramtsstudierende durchgeführt werden, ferner, weil von derselben Schule mehrere SchülerInnen teilnehmen dürfen und dies nicht nur jeweils einmal. Dies sichert inhaltliche und persönliche Kontinuität, obwohl wir darauf achten, dass hinreichend viele Neulinge eine Chance zur Teilnahme erhalten. Etwa die Hälfte der SchülerInnen möchte sich nach einer Akademie sofort für die nächste anmelden, und auch unter den Studierenden steigt der Anteil an "Wiederholern", die den Praktikumsschein schon erworben haben. Eine solche Begeisterung ist kein schlechtes Zeichen für eine universitäre Lehrveranstaltung.
Als Rückseite des Erzählens ist das dynamisierte Unbewußte deessentialisiert und in gewissem Sinne deterritorialisiert. In dieser Hinsicht ist die Allegorisierung des Unbewußten als dem Verschütteten, das es auszugraben gilt, gerade nicht zutreffend. Das Erzählmodell, das dieser Erzählung zugrunde liegt, ist aber andererseits nur die Quintessenz des 19. Jahrhunderts, weil es zugleich auf eine restlose Essentialisierung und Reterritorialisierung hinausläuft. Das Verschüttete, das wiedergewonnen werden muß, ist ja die tote schwesterliche Geliebte als das globale Signifikat, auf das alle Signifikanten, alle Fehlleistungen verweisen (und das den Rückseiten des Erzählens allemal ein Ende setzt).
Ich rekonstruierte die Geschichte, wie es Steffens gelang, in kürzester Zeit berühmt zu werden und danach über vierzig Jahre sich im Gespräch zu halten, obwohl der Ausgangspunkt und die Basis seiner Berühmtheit, die Naturphilosophie, längst obsolet geworden waren [...]. Statt wie Steffens ideologisch auf einer organischen Gestaltung seines Lebenslaufes zu bestehen, beobachte ich die kunsthandwerklich ausgefuchste, märchenhafte, novellistische, Reisebild schreibende, manifestartige Technik seiner Autobiographieschreibung und den virtuosen Einsatz von Effekten der Wendepunkte, Epiphanien, von schnellen Wechseln von Höhe- zu Tiefpunkten und umgekehrt.
The present essay outlines a project, which aims to catalogue and tap the potential of medieval German manuscripts in the collections of both church and secular libraries and archives in Romania. The project complements current efforts to catalogue and explore medieval German manuscripts in Eastern European countries. At the same time, the project prepares the ground for a regionally oriented literary history of Transylvania. Here, too, the aim is to build on current trends in medieval German studies in particular. Instead of a concept of literary history based almost exclusively on individual authors and their work, these trends advocate a literary historiography that turns to regional factors and manuscript transmission in describing literary activity in a particular area.
Tanzen ist eine Form des Umgangs mit Musik, die in allen Kulturen weltweit existiert. Eine der vielen Funktionen, die dem Tanzen im Laufe der Geschichte zugeschrieben wurden, ist sein Nutzen als heilkräftiges Medium. Bisher gibt es jedoch nur wenige Untersuchungen, die sich mit den potenziellen Effekten des Tanzens als gesundheitsfördernde Tätigkeit beschäftigt haben. Ziel der vorliegenden Arbeit war es einerseits, eine Orientierung in diesem zersplitterten und gleichwohl viel versprechendem Forschungsfeld zu bieten und andererseits die subjektiven Wirkungen des Amateur Tanzens, seine psychobiologischen Korrelaten, sowie die dabei zu Grunde liegenden Einflüsse von Musikstimulation und Partner zu untersuchen. Es wurde gezeigt, dass Tanzen eine multidimensionale Tätigkeit darstellt, die verschiedene gesundheitsfördernden Komponenten, nämlich Körperbewegung, soziale Interaktion und Musikstimulation, einschließt. Wahrgenommen werden positive Wirkungen des Tanzens auf das emotionale Befinden, das körperliche Wohlergehen, das Selbstwertgefühl, das Sozialempfinden sowie das spirituelle Wohlbefinden. Tanzen wird darüber hinaus als wichtige Strategie zur Stressbewältigung anerkannt. Die Untersuchung der Wirkung des Paartanzens auf den emotionalen Zustand sowie auf Cortisol- und Testosteronkonzentrationen ergab, dass Tanzen zu einem Anstieg des positiven und einem Absinken des negativen Affektes führt. In Bezug auf die psychobiologischen Parameter wurden Cortisolreduktionen nach dem Tanzen nachgewiesen, welche von der Musikstimulation abhängig waren, während Testosteronerhöhungen zu Beginn der Untersuchung mit der Präsenz des Partners assoziiert waren. Die hier skizzierten Studien geben Hinweise auf die gesundheitsfördernde Bedeutung des Amateurtanzens sowie auf seine subjektiven und neuroendokrinen Korrelate. Darüber hinaus trägt diese Arbeit dazu bei, die differentiellen Einflüsse von Musik und Partner beim Tanzen zu verstehen. Diese Befunde sollen zukünftige Forschungsvorhaben fördern, die den Nutzen des Tanzens als gesundheitsfördernde Tätigkeit weiter verdeutlichen und das Verständnis der dahinter liegenden psychobiologischen Mechanismen erweitern.
Möglichkeiten der Evaluation von E-Learning-Arrangements. Eine Analyse am Beispiel von EverLearn
(2010)
Knochenszintigraphie beim Mammakarzinom - nur bei Knochenschmerzen und erhöhten Tumormarkern?
(2010)
Im Rahmen dieser retrospektiv angelegten Dissertation wird die Wertigkeit der beiden Indikatoren „Tumormarker“ und „Knochenschmerzen“ als Entscheidungsbasis zur Durchführung einer Knochenszintigraphie beim Mammakarzinom untersucht. Des Weiteren geht es um die Frage, ob es diesbezüglich Unterschiede in den einzelnen UICC-Stadien gibt. Zur Überprüfung des Indikators „Knochenschmerzen“ wurden die Daten von insgesamt 474 Patientinnen (Grundkollektiv) erfasst und ausgewertet. Auf dieser Basis wurde der Indikator „Tumormarker“ für ein weiteres Kollektiv von 253 Patientinnen untersucht. In beiden vergleichbaren Kollektiven wurden die Ergebnisse der Indikatoren mit denen der Knochenszintigraphie im Rahmen des Primärstagings (PS) und von Follow up-Untersuchungen (KO) in den einzelnen UICC-Stadien verglichen und Vierfeldertafeln angelegt, deren Auswertung mittels Fisher-Test erfolgte. Im Rahmen des Grundkollektivs wurden zwei Varianten getestet, wobei bei der Ersten eine örtliche Korrelation zwischen dem Schmerz der Patientin und dem Szintigraphiebefund bestehen musste, um das Gesamtergebnis als pathologisch zu werten. Bei der zweiten Variante war dies unbedeutend. Die erste Variante zeigte im PS und in den KO allseits unsignifikante Ergebnisse (p>0,05), wobei im PS eine Gesamtindikatorensensitivität von 21% erzielt wurde bei einer Indikatorenspezifität von 91%. Im Rahmen der KO betrugen diese 39% und 55%, wobei hier ein Anstieg der Indikatorenspezifität proportional zum UICC-Stadium von 50% auf 65% beobachtet wurde. Des Weiteren konnten keine Stadienunterschiede festgestellt werden. In der zweiten Variante zeigte sich eine deutliche Signifikanz des Gesamtkollektivs im Rahmen des PS (p<0,01), bei einer Indikatorensensitivität von nur 30% und einer Spezifität von 92%. Die Ergebnisse bei den KO waren unsignifikant (p> 0, 05), mit einer Indikatorensensitivität von 46% und einer Indikatorenspezifität von 60%, wobei auch hier ein Spezifitätsanstieg proportional zum Stadium von 60% auf 100% verzeichnet wurde ohne sonstige stadienspezifische Unterschiede. Im Rahmen der KO wurden zur Deckung der Fallzahl Mehrfachuntersuchungen miteinbezogen, die zu einer Verfälschung des Ergebnisses geführt haben könnten. Zur Untersuchung der Tumormarker wurden CEA und CA 15.3 als Indikatoren erfasst und mit den Ergebnissen des Skelettszintigramms ebenfalls in zwei Varianten verglichen. Im Rahmen der ersten Variante wurde der Gesamtindikator lediglich als „positiv“ gewertet, wenn beide Werte positiv waren. Bei der zweiten Variante wurde der Gesamtindikator auch als positiv gewertet, wenn lediglich einer der Werte oder beide positiv waren. Die Ergebnisse des PS im Rahmen der ersten Variante erwiesen sich als unsignifikant (p>0,1), bei einer Indikatorensensitivität des Gesamtkollektivs von 8% und einer Spezifität von 86%. Die Ergebnisse der KO waren deutlich signifikant (p<0,001), bei einer Indikatorensensitivität von 68% und einer Indikatorenspezifität von 83% ohne Unterschiede der Variante in den Einzelstadien. In der zweiten Variante konnten im Rahmen des PS ebenfalls keine signifikanten Ergebnisse erzielt werden (p>0,1). Die Gesamtindikatorensensitivität lag hier bei 25%, bei einer Indikatorenspezifität von 63%. Auch bei dieser Variante waren die Ergebnisse der KO allseits signifikant (p<0,001). Lediglich das UICC IV-Kollektiv wies eine verminderte Signifikanz auf (p=0,095), was auf die kleine Fallzahl von 35 Patientinnen zurückzuführen sein könnte, da sich auch die Indikatorensensitivität und - spezifität nicht von den Werten der anderen UICC-Stadien unterschieden. Die Gesamtindikatorensensitivität lag bei 90%, die Spezifität bei 50% ohne Unterschiede im Bezug auf die Einzelstadien. Im Rahmen einer logistischen Regression mit Abbau wurden folgende Indikatoren mit eingeschlossen: Schmerzen, Tumormarker einzeln (CEA und CA 15.3), Lymphknotenstatus, Hormonrezeptorstatus und UICC-Stadium. Der Vorteil lag darin, dass Mehrfachuntersuchungen vermieden wurden. Im Gesamtassay wurde der höchste Vorhersagewert mit 76,6% erreicht. Dieser unterscheidet sich im Wesentlichen nur marginal von der Aussagekraft der reinen CA 15.3-Bestimmung (75,0%), wobei hier die Indikatorensensitivitäten beide bei 76,8% liegen, bei leicht verminderter Indikatorenspezifität in der CA 15.3-Gruppe. Dasselbe gilt allerdings auch für den Assay aus Schmerzen, CEA und CA 15.3, da Schmerzen und CEA praktisch keinen Einfluss auf die Modellgüte haben. Ein Assay aus Lymphknotenstatus und CA 15.3 verbessert die Indikatorensensitivität auf bis zu 78,6%, wobei die Gesamtvorhersagegüte auf Grund einer deutlich verminderten Indikatorenspezifität von 69,4% allgemein niedriger ist (73,4%). In der Praxis wäre der Lymphknotenstatus als Indikaton jedoch schwer umzusetzen. Im Allgemeinen kann man aus den Ergebnissen schließen, dass der Indikator „Schmerzen“ in keinem Fall ein geeignetes Kriterium zur Entscheidungsfindung für eine Knochenszintigraphie ist. Auch hat sich gezeigt, dass der Tumormarker CEA von minderer Relevanz bei dieser Entscheidung ist. Es konnten des Weiteren keine relevanten Unterschiede im Bezug auf die einzelnen UICC-Stadien festgestellt werden. Der am besten geeignete Assay besteht aus CA 15-3 als Einzelindikator mit einer Indikatorensensitivität von 76,8%. Da jede vierte Patientin mit Skelettmetastasen im Rahmen dieses Assays jedoch übersehen würde, ist es nicht vertretbar, sich in jedem Fall nur auf diesen Indikator zu stützen, weil vorangehende Arbeiten gezeigt haben, dass eine frühzeitige Erkennung und Therapie von Skelettmetastasen zu einer deutlichen Verminderung der Morbidität führt.
Carmens Passion
(2010)
Carmen stirbt in der Stierkampfarena von Sevilla; doch die Geschichte ihrer Passion beginnt früher. Was Prosper Mérimée und Georges Bizet - als Novelle und Oper - gestaltet haben, ist ein Thema des 19. Jahrhunderts, dessen Wurzeln bis auf die Wände paläolithischer Kulthöhlen zurückverfolgt werden können.
Das Unfertige im Bild
(2010)
Es war keine gezielte Suche, sondern Zufall, dass ich bei einem meiner Streifzüge durch die Londoner 'National Gallery' auf ein Gemälde des englischen Malers Thomas Gainsborough traf. Was zuerst meine Aufmerksamkeit an diesem Bild erregte, war ein Detail: ein anscheinend leeres, leicht gebogenes Blatt Papier, in der Hand gehalten von einer männlichen, am linken Rand des Bildes positionierten Figur. Das Papierblatt hatte etwas merkwürdig Stoffliches, Durchscheinendes und Schwebendes. Eine kleine Tafel, die direkt neben dem Ölgemälde an der Wand angebracht war, vermerkte den Titel und das Entstehungsdatum des Bildes: 'Portrait of the Artist with his Wife and Daughter, about 1748'. Gainsborough, 1727 geboren, hatte das Bild also als junger Künstler gemalt. Auf der kleinen Tafel fand sich zudem der folgende Text: "Gainsborough married Margaret Burr in 1746. The child is probably their first-born daughter, Mary, who died in March 1748. A second daughter was also named Mary. The hands of Mrs. Gainsborough are unfinished and the paper held by the artist is blank" (Abb. 1). Der letzte Satz dieses Kommentartextes verknüpfte die anscheinende Leere des Papierblatts, benannt als 'blankness', mit einem anderen Detail, das mir bis dahin noch gar nicht aufgefallen war, mit der nur in Umrissen erkennbaren rechten Hand der weiblichen Figur nämlich, einer in schwungvollen Pinselstrichen ausgeführten Form, deren Linien sich nur wenig vom blauen Stoff des Kleides, auf dem die Hand ruhte, abhoben. Die Blume, die diese Hand hielt, war dagegen präzise zu erkennen. Wies der Kommentartext auf der kleinen, neben dem Bild montierten Tafel die Darstellung 'beider' Hände der weiblichen Figur als 'unfinished' aus, so schien mir die gleichsam natürliche Unsichtbarkeit der linken Hand, die durch die Gestalt des stehenden Kindes verdeckt war, von ganz anderer Art zu sein als jener durch das Unfertige der rechten Hand erzeugte Modus einer Un/Sichtbarkeit, in der ganz offensichtlich - gegen die Darstellungsregel der exakten Naturnachahmung - etwas fehlte. Ein Fehlen, dessen Begriff unterstellte, dass hier noch etwas hätte kommen müssen. Ich hatte den Eindruck, dass dieses Unfertige im Bild eine wolkige Stelle markierte, genau im Sinn von Walter Benjamin: "die Stelle, wo es aufhört, durchsichtig zu sein."
Im Wesen des Menschen liegen, vor allem Wissen, die Stimmungen. Sie schwingen uns, wenn wir vernehmen, immer schon in ein Gefühltes ein, Freude oder Trauer, Mut, Verzweiflung, Leidenschaft. Wir freuen uns zwar am meisten über das, was unsere Augen sehen, weil es an den Dingen so viele Unterschiede entbirgt. In Wahrheit aber können wir nur lernen und daher wissen, weil Menschen, anders als zum Beispiel Bienen, auch Ohren haben. Weil der Mensch das nachahmendste von allen Tieren ist und Kinder ihr erstes Wissen nur durch Nachahmung von Älteren erwerben, sind Menschen die einzigen Tiere, die den Logos oder die Sprache haben.
Unmittelbar auf das fast friedensselig gestimmte Sterbegedicht der "Kleinen Passion" folgt ein seltsam derbkomisches, balladesk trotziges Klagelied einer Kröte, welche partout nicht sterben kann, ein offenkundiger Kontrapunkt oder satirischer Πάρωδος zum elegischen Passionsspiel über den Mückentod. Die beiden Gedichte stehen in Gottfried Kellers 'Gesammelten Gedichten' von 1888 in der zweitletzten Abteilung unter "Vermischte Gedichte" einander zugeordnet. Wie der Titel andeutet, findet sich hier ein recht buntes Allerlei von Texten unterschiedlichster Art und verschiedenster Entstehungszeit - die "Krötensage" wurde zwanzig Jahre vor "Kleine Passion" erstmals publiziert, nämlich 1852. Gleichwohl ist die gruppierende Hand Kellers unübersehbar, und dieser Ordnungswille wurde in der Keller-Forschung etwa von Emil Ermatinger oder Jonas Fränkel denn auch früh festgehalten. Konkret zu den beiden Gedichten sagt letzterer indessen lediglich: "Das Schicksal der Kreatur wird in zwei gegensätzlichen Gedichten abgewandelt." Der Bezüge sind freilich weit vielfältigere: Neben den jahreszeitlichen Kontrastparallelen - die "Kleine Passion" spielt im herbstlichen September, die "Krötensage" im Maienfrühling - und dem bedeutungsgeladenen Verhältnis von Leben, Körper und Hülle, dem "Futterale" - in der "Krötensage" der Stein, in der "Kleinen Passion" das dichterliche Buch - ist den beiden auch dasselbe Thema eingeschrieben: Letztlich geht es um die altehrwürdige 'ars moriendi' in ihrer dialektischen Verflochtenheit mit der 'ars vivendi'. Auch der satirische Grundklang erweist sich bei genauerem Hinschauen als gemeinsam.
1996 gab es auf dem jährlich in Bologna stattfindenden Festival 'Il Cinema Ritrovato' eine Retrospektive zu Rudolph Valentino. In meinen Aufzeichnungen finde ich den Eindruck von Valentino in 'Camille' notiert. Ich erinnere mich, wie ich hingerissen, ergriffen war von einer Geste des Sich-fallen-Lassens vor der Geliebten, an der Geliebten. Eine Geste, von der ich versuchsweise sagen könnte, dass sich in ihr absolute Verehrung und vollständige physische Hingabe mischen. Doch ist jede Deutung unzureichend, denn die Geste ergreift mich schließlich ganz physisch, wird in der Ergriffenheit unbegreiflich. Ich suchte das damals notierte Phänomen auf einer kümmerlichen DVD-Reproduktion des Films wieder auf. Es ist der Moment, da sich der Held des Films, Armand/Valentino, aus seiner Befangenheit in noch unerwiderter Liebe auf einmal löst - jedoch eben nicht, um zu handeln, vielmehr um sich erschütternd in seiner Ohnmacht zu offenbaren. Wenn er Marguerites/Nazimovas Knie unter dem kostbaren Stoff des Kleides umfasst, den Kopf an diesen Schleier über der Haut lehnt oder schmiegt, dann hat er in der Bewegung zuvor schon auf unerhörte Weise unbedingtes erotisches Verlangen mitgeteilt. Derart ist dieser Körper, diese männliche Person, die wir sehen, dem Begehren ausgeliefert, dass jeder Akt unmöglich wird. Wohin sollte er sich auch richten? Nach außen, auf die Frau, oder auf dies Ungeheure im Innern? Was bleibt, ist das Sich-fallen-Lassen in die Passivität, in ein Niedergleiten an der Oberfläche von Marguerite, das zugleich ein Hineingleiten in das eigene Innerste ist. 'A fallen man' - der Film verweilt bei dem hingegebenen Valentino. Das löst eine Fülle von Assoziationen aus: Ein Geschlechterwechsel scheint auf - nicht die Frau, der Mann gibt sich hin, wird ein Gefallener, prostituiert sich als Schauspieler (etwas, was Fans wie Kritiker an Valentino bemerkt haben) -, ebenso erscheint eine Empathie des Mannes mit der Prostituierten. Im Kino, anders als in Alexandre Dumas' Roman, teilt sich die Anteilnahme nicht durch viele Worte mit, sondern durch Mimesis.
Die telefonische Revolution des Bildes : Effekte einer Kommunikationsobsession des 21. Jahrhunderts
(2010)
Um was für ein Objekt handelt es sich eigentlich beim gegenwärtigen Mobiltelefon? Im Folgenden sollen kurz drei Elemente skizziert werden, die für die historische Entwicklung und das gegenwärtige Design des Mobiltelefons von zentraler Bedeutung sind: Das Mobiltelefon ist (1) ein höchst hybrides Medium, das eine ganze Reihe von Medientechniken verbindet und dabei auch diese eigentümliche Verbindung von Telefon und digitalem Bild herstellt; es ist (2) eine mobile Operationseinheit, die sich von einem physischen oder architektonischen Ort löst und dessen Mobilisierung (3) die Minimierung der Interfaces forciert. All dies erzeugt die neuen Bedingungen für eine Revolution des digitalen Bildes im Zeichen des Telefons.
Pathosforschung
(2010)
War die "Vernichtung der Sinnlichkeit" durch die "Civilisation" genannte dritte Stufe (nach "Wildheit" und "Barbarei") in der Kulturgeschichte der Menschheit der eine Impuls von Fouriers Sozialutopie, so stellte die Trennung von Körper und Geist, von 'sciences incertaines' und 'sciences fixes' den anderen, mathematisch und musikalisch imprägnierten Impuls dar. Demgegenüber bilden sowohl eine Theorie der Leidenschaften, der 'association passionnelle', als auch eine pädagogische Haus- und Lebensordnung für die Phalanstères - die idealen Wohn- und Produktionsgenossenschaften - in Fouriers Utopie die 'pivots', so der von ihm erfundene Begriff, das heißt die Grundpfeiler und Leitlinien.
Schon seit Ende der 1980er Jahre und bis heute setzt der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn Gesten in den öffentlichen Raum, aber auch in Museen und in Galerien, die das Wesen eines irrlichternden Mementos aufweisen, Zeichen einer kalkuliert in Szene gesetzten Hilflosigkeit. Dabei erfindet er sozusagen eine Kunstfigur, die seine Werke zu machen scheint. Seine wuchernden Objekte, Schrift- und Bildtafeln, entsprechen Handlungen, die ein Getriebener, ein Wahnsinniger gemacht haben könnte. Hirschhorn betätigt sich somit als Überbringer einer entfesselt leidenschaftlichen Emotionalität, die in krassem Kontrast steht zum kontrollierten, von der Vernunft gelenkten, von übertriebenen Affekten und Irrationalität geläuterten Idealbild des westlich aufgeklärten Kulturmenschen.
Bill Violas mediale Neubearbeitungen der Passion Christi mögen hier als ein produktiver Umweg fungieren, der die Abkehr von einer Ikonographie der Passion ermöglicht und eine neue Sicht auf die Passion als Denkstil eröffnet. Denn durch einen solchen leidenschaftlichen Denkstil, gemäß der Bedeutung von 'Passion' als intensiver Hingabe an eine Person oder ein Objekt, zeichnet sich Sigrid Weigels wissenschaftliche Praxis aus, so etwa durch die Leidenschaft für dialektische Analyseverfahren von Bild und Schrift, verstanden als kritische Praxis. Solch ein Erkenntnisinteresse versucht unermüdlich, eine Neubestimmung kritischer Wissenschaft vorzunehmen, die sich sowohl im historischen Prozess bewährt als auch in gegenwärtigen Belangen verankert bleibt. Es folgt eine kritische Lektüre von Bildern, die jeweils in dichten Beschreibungen eingeführt werden. Drei Beispiele aus der Gegenwartskunst veranschaulichen die Konstituierung von Identitäten mit Blick auf die Diskurse von Geschlecht, Rasse und sexueller Orientierung und damit die Konstruktion einer Identität im Spannungsfeld von Subjektivität und Fremdbestimmung. Die Bilder verdeutlichen dabei die resultierenden Konflikte zwischen eigenem Erleben und vorherrschenden Strukturen.
Passionen der Ordnung
(2010)
In ihrer Schrift 'Über Revolution' (1963) bekennt sich Hannah Arendt zu einer politischen Passion des Mitfühlens - einer 'passion for compassion'. Die Wurzeln dieses Mitfühlens sind wesentlich dem semantischen wie begrifflichen Humus der schottischen Aufklärung entliehen. Der Text ergänzt jene von Arendt idealisierte Figur der griechischen 'polis' als Fundament einer guten, erstrebenswerten Ordnung. Die Resultante aus der Passion des Mitfühlens und der Figur der 'polis' - so will es scheinen - ist die Republik, wie sie sich idealerweise in den Institutionen der Amerikanischen Revolution niederschlägt; und dies in Kontrast zu der von Arendt wenig gelittenen Traditionslinie der Französischen Revolution, die ihrerseits von glühenden, indes wenig regulierten Passionen eines sich sozial begründenden Mitgefühls angefacht wird.
Kinoleidenschaft, geteilt
(2010)
Im Kino geht es um Sehnsüchte und Leidenschaften - das ist ein Allgemeinplatz. Weitaus seltener bemerkt worden ist, dass es einem echten Vertrauensbeweis gleichkommt, gemeinsam ins Kino zu gehen. Der Kinogänger offenbart dabei die eigenen Passionen - allein schon durch den Vorschlag, diesen oder jenen Film anzuschauen. Und er lässt die anderen an recht persönlichen Erschütterungen teilhaben: dem Erschrecken, Seufzen, Kichern oder auch Schluchzen. Gemildert wird diese Offenherzigkeit jedoch dadurch, dass auch die Begleiter im Halbdunkel aus dem Seitenwinkel wahrnehmbar sind. Nicht selten gleichen sich auf diese Weise die Reaktionen miteinander ab. Ein ostentatives Aufstöhnen wird durch ein beherrschtes Nicht-Reagieren beantwortet, ein lautes Lachen durch erleichtertes Mitlachen. Die Kino-Gemeinschaft ist durch ein System kommunizierender Blickwechsel miteinander verbunden.
Wie kann man Gedichte verstehen, in denen die Rolle von Lesern nicht vorgesehen ist? Was erlebt man mit derartig abweisenden Texten, und wie findet man sich hinein - zumindest ein Stück weit? Von der großen amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson (1830-1886) sind zu ihren Lebzeiten nur zehn Gedichte gedruckt worden, noch dazu anonym und ohne ihre Zustimmung. Dabei hätte die Autorin durchaus Publikationsmöglichkeiten gehabt. Aber sie wollte die formalen und inhaltlichen Anpassungen an den Publikumsgeschmack, die ihr Mentor, der Essayist Thomas Higginson, empfohlen hatte, nicht vornehmen. Grundsätzlich wollte sie sich nicht auf den Marktplatz des Literaturbetriebs zerren lassen. In ihrer Schlafzimmerkommode hinterließ sie bei ihrem Tod ca. 1.800 Gedichte. Ein Drittel davon hatte sie zu Lebzeiten an Freunde und Bekannte weitergeschickt, aus denen sie sich selbst das Lesepublikum für ihre Lyrik schuf. Aber zwei Drittel ihrer Gedichte hatte sie an niemanden verschickt, niemandem gezeigt und vermutlich einzig für sich selbst geschrieben. Kein Wunder, dass diese Gedichte dunkel sind. Wenn die Dichterin selbst die einzige Leserin ihres Textes ist, braucht sie nichts zu erklären. Deshalb, und nicht weil die Gedichte - wie schon behauptet wurde - "von einer sehr fernen Glossolalie gestreift" sind, wirken viele ihrer Texte so rätselhaft.
Drei Figuren
(2010)
Gegenüber der Repräsentation von Passionen, deren Beherrschung im Körperbild, insbesondere der Physiognomie, ebenso suggeriert wie trainiert wurde, lassen sich Darstellungen zerschlagener Glasscheiben als Kristallisationen vergangener Passionen verstehen. Zerstörte Scheiben schützender Vitrinen und gerahmter Bilder konnten ein Kunstwerk kommentieren und so die offensichtlich leidenschaftliche Auseinandersetzung des Betrachters mit dem Werk vermitteln.
The bond of shame
(2010)
A long time ago I suddenly realized that the country one belongs to is not, as the usual rhetoric goes, the one you love but the one you are ashamed of. Shame can be a stronger bond than love. I repeatedly tested my discovery with friends from different countries: they all reacted the same way - with surprise immediately followed by full agreement, as if my suggestion was a self-evident truth. I am not claiming that the burden of shame is always the same; in fact, it varies immensely among countries. But the bond of shame - shame as a bond - invariably works, for a larger or smaller number of individuals. Aristotle listed "shame" ('aidos') among the passions, pointing out that "it is not a virtue" ('Nicomachaean Ethics' 1108 a 30-31). This definition still makes sense. Shame is definitely not a matter of choice: it falls upon us, invading us - our bodies, our feelings, our thoughts - as a sudden illness. It is a passion placed at the intersection between biology and history: the domain which Sigrid Weigel made so distinctively her own.
Amseln, Krähen, Zinnvögel, Eulen, Schwalben, Tauben, Raben, Hühner, Nachtigallen, Pfauen, Käuzchen, Albatrosse, Enten, Geier, Schneehühner, Kraniche, Möwen - all diese Vögel durchflattern und durchfliegen Ingeborg Bachmanns Lyrik. Ihre Schönheit, Fremdheit und vielfältige Symbolik, ihr Flug, ihr Gesang und ihr luftiges Element erzeugen in den Gedichten eine poetische Fülle, die auf die Möglichkeit eines 'Anderen' verweist. Die Vögel in Bachmanns Gedichten sind Objekte: Objekte von Begehren, Liebe und Angst. Sie mögen auch Chiffren, Metaphern, Symptome darstellen, doch als Objekte gewinnen sie eine spezifische Souveränität. Denn sie fungieren keineswegs nur als literarische Gegenstände; vielmehr treten sie als eigenwillige Gegenspieler, als mächtige Fetische oder sich entziehende Wesen auf. Der Blick und die Sprache, deren Objekte die Vögel in den Gedichten sind, zeigen sich fasziniert vom Nicht-Menschlichen und von jener Souveränität. Daraus erwachsen nicht nur die Konflikte, die die lyrischen Begegnungen zwischen Vögeln und Menschen prägen, sondern auch eine leidenschaftliche Sehnsucht, von der die Gedichte sprechen: die Sehnsucht nach einem 'Jenseits' der gängigen Sprech- und Lebensweisen - und damit nicht zuletzt die Sehnsucht nach der Möglichkeit einer Sprache der Liebe, die das geliebte Gegenüber zu adressieren und zu treffen vermag.
Schön ist nicht nur das Spiel mit Buchstaben und Erinnerungssplittern, sondern auch das mit Zahlen. Im Jahr Zweitausendundzehn ist es dreißig Jahre her, dass ich der damals dreißigjährigen Sigrid Weigel zum ersten Mal begegnete. Mit ihr als Dozentin lernte ich - nach meinem Wechsel von der Bonner zur Hamburger Universität im Sommersemester 1980 - eine Form des leidenschaftlichen Studierens kennen, die ich noch mehr ersehnt hatte als das Großstadtleben. Es war wohl eine der glücklichen Konstellationen, in denen Lehrende und Lernende gemeinsam aufbrachen, um neue Fragen an ihr Fach, die Literaturwissenschaft, zu stellen, vergessene Texte (von Frauen) zu entdecken und bekannte (von Männern) anders zu lesen. Getrieben von der Wissbegierde, was es denn mit der Geschlechterdifferenz auf sich hatte, übten wir uns in genauer Lektüre, intensiver Analyse und theoretischer Reflexion.
Die Chemokinrezeptoren CXCR3 und CXCR4 sowie deren spezifische Liganden, CXCL9, -10 und -11 bzw. CXCL12, sind in bedeutender Weise an den pathologischen Prozessen der Th1-/Th17-vermittelten (Typ1- und Typ17-T-Helferzelle) Autoimmunerkrankungen beteiligt. Die dabei auftretenden chronischen Entzündungen sind gekennzeichnet durch eine massive Infiltration von Th1-Gedächtniszellen. Ergebnisse sowohl von tierexperimentellen Studien als auch von in vitro Experimenten weisen deutlich auf eine spezifische Wechselwirkung zwischen den proentzündlichen CXCR3- und dem homöostatischen CXCR4-Liganden hin. Weiterführenden Ergebnisse zu der molekularen Wechselwirkung von CXCR3 und -4 wurden jedoch bislang nicht veröffentlicht. Die Untersuchungen dieser Dissertation konzentrierten sich auf die Kooperation der beiden Chemokinrezeptoren in murinen Th1-Gedächtniszellen. Dabei sollte insbesondere der potentielle Einfluss dieser Interaktion auf die einzelnen Teilprozesse der Extravasation der T-Lymphozyten in vitro analysiert werden. Eingesetzt wurden hierfür statische Chemotaxis- und dynamische Flusskammerexperimente, die zum einen sensitiv genug und zum anderen für einen hohen Probendurchsatz geeignet sein mussten. Die verwendeten Techniken wurden dazu im Rahmen der Dissertation etabliert und validiert. Zunächst musste die Präzision des statischen Migrationssytems mit einer hohen Standardabweichung von durchschnittlich ± 40% deutlich verbessert werden. Ein Wechsel auf ein Kammersystem der Firma Corning verringerte die Abweichung auf ± 25%, und sogar auf ± 9,9% bei einer optimierten Auswertung mittels Durchflusszytometrie. Als weitere Methode wurde ein dynamisches Flusskammersystem mit automatischer Videoanalyse zur Bestimmung der Geschwindigkeit von Zellen etabliert. Zur Validierung der neu entwickelten Analysesoftware Imagoquant® wurden identische Filmaufnahmen von Flusskammerexperimenten hinsichtlich Zellrollen und Zellgeschwindigkeit ausgewertet und mit den Ergebnissen von zwei etablierten Methoden, der Handzählung und einem halbautomatischen Tracking-Programm, verglichen. In der gesamten Validierung stimmten die Berechnungen von Imagoquant® mit Ergebnissen der verschiedenen Auswertemethoden qualitativ überein, wobei die Filme um ein Vielfaches (16- bzw. 20-fach) schneller analysiert werden konnten als mit den bisher verwendeten Methoden. Somit konnte erfolgreich eine computergestützte Analysemethode validiert und etabliert werden, die schnell und benutzerunabhängig arbeitet und folglich objektive Daten im Hochdurchsatz generiert. Die Untersuchungen in den statischen und dynamischen Migrationssystemen ergaben, dass die Stimulation von Th1-Zellen mit CXCL9 zu einer heterologen Desensitivierung verschiedener CXCL12-vermittelter Effekte führt. In statischen Migrationsexperimenten wurde sowohl durch eine synchrone als auch eine sequentielle Stimulation mit CXCL9 eine CXCL12-vermittelte Chemotaxis signifikant vermindert. Der auftretende Effekt war dabei lang anhaltend und konnte noch bei einer Stimulationsdauer von 20 h beobachtet werden, ohne an Intensität zu verlieren. Weitere funktionelle Experimente erfolgten in dynamischen Flusskammerexperimenten, um die desensitivierende Wirkung von CXCL9 auf CXCL12-abhängige Interaktionen der Adhäsionskaskade von Th1-Zellen zu untersuchen. In mit E-Selektin und ICAM-1 Fc-Chimära) beschichteten Flusskammern führte immobilisiertes CXCL12 zu vermehrtem integrinabhängigen Rollen, welches durch eine Vorinkubation der Th1-Zellen mit CXCL9 reduziert wurde. In Flusskammern mit murinen Endothelzellen bewirkte immobilisiertes CXCL12 eine rasche integrinabhängige Adhäsion der Zellen und verkürzte dadurch deren Rollphase signifikant. Eine Vorbehandlung der Zellen mit CXCL9 verminderte dagegen die CXCL12-vermittelte Adhäsion und führte damit zu längeren Rollphasen. Deutliche Effekte zeigte CXCL12 bezüglich einer gesteigerten intravasalen und transendothelialen Migrationsrate von T-Lymphozyten, die durch eine Vorstimulation mit CXCL9 aufgehoben wurden. Um die beteiligten Mechanismen dieser Desensitivierung zu entschlüsseln, wurde die Oberflächenexpression von CXCR3 und CXCR4 in dem Th1-Zellklon durchflusszytometrisch analysiert. Dabei zeigte sich, dass eine Stimulation mit CXCL9 neben der ligandenspezifischen Internalisierung von CXCR3 auch eine Kreuzregulation der CXCR4-Oberflächenexpression bewirkte. Im Weiteren wurde die Phosphorylierung bekannter Signalmoleküle der CXCR4-Signalwege analysiert. Eine Vorbehandlung der Zellen mit CXCL9 desensitivierte die CXCL12-induzierte Phosphorylierung von Akt signifikant und führte zu einer zeitlichen Modulation des Signals. Ferner verzögerte eine Vorbehandlung der Th1-Zellen mit CXCL9 das CXCL12-induzierte Calciumsignal erheblich, während dabei eine 3,5-fach höhere maximale Ca2+-Konzentration gemessen wurde. Ein abgeleiteter Mechanismus der CXCL9-abhängigen Desensitivierung von CXCR4-Signalwegen beeinflusst insbesondere die Signaltransduktion über den T-Zellrezeptor und dadurch auch die Regulation von Rac1. Des Weiteren führt CXCL9 zur Gi- oder ZAP-70-vermittelten Aktivierung der PKC, welche darauffolgend den CXCR4-Rezeptor phosphoryliert und damit zu dessen Internalisierung führt. Die in vitro beobachtete Desensitivierung verschiedener CXCL12/CXCR4-vermittelter Effekte durch CXCL9 wirkt potentiell in der in vivo Situation von Autoimmunerkrankungen auf unterschiedliche Weise proinflammatorisch. Zum einen wird die Mobilisierung von Th1-Zellen aus CXCL12 exprimierenden peripheren Gewebe gefördert und gleichzeitig verhindert, dass Th1-Zellen in nicht entzündetes peripheres Gewebe rekrutiert werden. Zum anderen wird im Entzündungsgebiet die Affinität der Th1-Zellen zu den CXCL12-exprimierenden Endothelzellen verringert und die Migration in tieferliegende Gebiete der Entzündung begünstigt. Ferner vermindern CXCR3-Liganden auch antiinflammatorische Effekte des CXCL12s, wie z.B. die Polarisierung der Th1-Zellen in regulatorische T-Zellen.
Sammelrezension zu Thomas Weitin: Recht und Literatur. Münster (Aschendorff) 2010 (= Literaturwissenschaft. Theorie und Beispiele, hg. von Herbert Kraft, Bd. 10). 168 S.
Bernhard Greiner, Barbara Thum u. Wolfgang Graf Vitzthum (Hg.): Recht und Literatur. Interdisziplinäre Bezüge. Heidelberg (Universitätsverlag Winter) 2010 (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte Bd. 270). 344 S.
An Publikationen zum traditionsreichen Feld 'Recht und Literatur' mangelt es nicht. Indes haben es gleich zwei Publikationen jüngeren Datums auf sich genommen, dieses weiter zu ergänzen, wenngleich mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen.
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Deutschland schneiden in nationalen und internationalen Schulleistungsstudien deutlich schlechter ab als Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund. Auch hinsichtlich der Lesekompetenz im Deutschen sind die Ergebnisse eines großen Teils der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund immer wieder bedenklich schlecht. Um die Frage, welche Förderung gegen Defizite in der Deutsch-Lesekompetenz bei dieser Schülergruppe eingesetzt werden sollte, hat sich in Deutschland eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit breiter öffentlicher Wirkung entwickelt. Die drei Beiträge der vorliegenden Dissertation liefern aus unterschiedlicher Perspektive einen Beitrag zur Erforschung der Lesekompetenz von Personen mit unterschiedlicher Sprachbiographie.
Beitrag I (Rauch & Hartig, 2010) zeigte, dass es möglich ist, mit den Mitteln der mehrdimensionalen Item Response Theorie den diagnostischen Nutzen eines Deutsch-Lesekompetenztests zu erhöhen. Für Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, zeigte sich, dass sie insbesondere bei Basisfähigkeiten, die zur Bewältigung höherer Lesekompetenzprozesse notwendig sind, gegenüber ihren deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern benachteiligt sind. Beitrag II (Rauch, Jurecka & Hesse, 2010) belegte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler über niedrigere Deutsch-Lesekompetenzen verfügen als ihre monolingual Deutsch aufgewachsenen Mitschülerinnen und Mitschüler. In der Englisch-Lesekompetenz wurde kein Gruppenunterschied nachgewiesen. Es fand sich darüber hinaus ein signifikant positiver Effekt der Türkisch-Lesekompetenz auf die Englisch-Lesekompetenz, aber nicht auf die Deutsch-Lesekompetenz. Beitrag III (Rauch, Jude & Naumann, in Druck) zeigte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in beiden Sprachen Texte selbständig lesen und verstehen können, besser im Englisch-Lesekompetenztest abschneiden als monolingual aufgewachsene Schülerinnen und Schüler. Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die über niedrigere Lesekompetenzen im Türkischen und Deutschen verfügen, schnitten im Englisch-Lesekompetenztest schlechter ab als beide anderen Vergleichsgruppen. Zudem zeigte Beitrag III, dass Sprachbewusstheit den Zusammenhang zwischen Biliteralität und drittsprachlicher Lesekompetenz teilweise mediiert.
Aus den Ergebnissen kann gefolgert werden, dass es für die Förderung der Deutsch-Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, sinnvoll ist, insbesondere auf die Förderung der Bildung von adäquaten Makrostrukturen und die Vermittlung von Lesestrategien abzuheben. Die unterschiedlichen Befunde zur Interdependenz von Kompetenzen im Türkischen einerseits und im Deutschen und Englischen andererseits wurden auf die Art des schulischen Unterrichts in Deutsch und Englisch zurückgeführt. Während Schülerinnen und Schüler mit Herkunftssprache Türkisch im Englischunterricht, der das Englische im formalen Sprachunterricht vermittelt, in der Lage sind, Bezüge zu ihrer Herkunftssprache herzustellen, ist dies im Deutschunterricht, der das Deutsche selbst weitgehend voraussetzt, nicht möglich. Ein Teil des wiederholt in der Literatur berichteten Befundes, dass bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in ihren beiden Sprachen lesen können, in drittsprachlichen Lesekompetenztests besser abschneiden als monolinguale Schülerinnen und Schüler, scheint auf erhöhte Sprachbewusstheit zurückzuführen zu sein. Dieses besondere Potential bilingualer Schülerinnen und Schüler könnte durch Herkunftssprachlichen Leseunterricht und einen auf Sprachbewusstheit ausgerichteten Unterricht weiter ausgeschöpft werden.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Charakterisierung des Proteoglykans Biglycan und seiner Funktion als Signalmolekül in inflammatorischen und autoimmunen Prozessen. Die biologische Bedeutung der in vitro gewonnenen Ergebnisse in primären Makrophagen und dendritischen Zellen wurde durch in vivo Modelle der Pathogenvermittelten-und nicht-Pathogen-vermittelten Inflammation und der Autoimmun-Erkrankung Lupus Nephritis bestätigt. In primären Makrophagen und dendritischen Zellen induziert Biglycan die Produktion proinflammatorischer Zytokine und Chemokine durch Interaktion mit Toll-like Rezeptor (TLR) 2 und 4. Mit nucleotide-binding oligomerization like Rezeptorprotein3 (NLRP3)-,apoptosisassociated speck-like protein containing a CARD (ASC)- , Caspase-1- und TLR2/4- defizienten Mäusen und verschiedenen pharmakologischen Inhibitoren war es möglich in primären murinen peritonealen und Knochenmark-Makrophagen nachzuweisen, dass Biglycan die Caspase-1 NLRP3/ASC-abhängig aktivierte und damit die Prozessierung der Proform und Sekretion von reifem IL-1β induzierte. Durch Bindung an TLR2/TLR4 aktivierte Biglycan die NFκB, Erk und p38 mitogen-activated protein kinase (MAPK) Signalwege und stimulierte die Expression von Interleukin-1 beta (IL-1β). Biglycan aktivierte zudem den P2X7 Rezeptor (P2X7R) in Makrophagen und ist somit in der Lage auch ohne zusätzliche Ko-Stimulation, beispielsweise durch ATP, das NLRP3 Inflammasom zu stimulieren und die Prozessierung von aktivem IL-1β anzuregen. In einem Pathogenvermittelten (Lipopolysaccharid (LPS)-induzierte Sepsis) wie auch –nicht-athogenvermittelten (unilaterale Uretherobstruktion, UUO) Mausmodell der Inflammation wurde die biologische Relevanz dieser Prozesses gezeigt. Die Defizienz von Biglycan ging in diesen Modellen mit verminderter Aktivierung des NLRP3/Caspase-1 Inflammasomes, geringeren Spiegeln von reifem IL-1β und geringerer Organschädigung einher. Nachdem aufgezeigt werden konnte, dass die Biglycan-Konzentrationen in Nierenbiopsien und im Plasma von Patienten mit Lupus Nephritis stark erhöht waren, wurde seine Relevanz in Immunitätsreaktionen einschließlich autoinflammatorischen Prozessen genauer untersucht. Die Effekte von Biglycan in verschiedenen Stadien der Erkrankung wurden mit der MRL-Faslpr (kurz MRL/lpr) Maus, einem etablierten Modell der Lupus Nephritis (LN) und einem dafür generierten Modell der Defizienz (Bgn-/- MRL/lpr) und Überexpression von Biglycan (hBGN MRL/lpr) analysiert. In den verschiedenen Stadien der LN nahm die Konzentration von zirkulierendem und renalem Biglycan in MRL/lpr Mäusen zu und korrelierte gleichermaßen mit dem Fortschreiten der Erkrankung. Die Defizienz von Biglycan verminderte hingegen stark die renale Infiltration von Entzündungszellen, insbesondere B1-Zellen, außerdem die Zytokin-, Chemokin- und Immunglobulin-Konzentrationen und minderte die Progredienz der Niereninsuffizienz verglichen mit Lupus Mäusen gleichen Alters. In der Initialphase der Lupus Nephritis induzierte Biglycan in Mäusen, transient transgen für humanes Biglycan (hBGN MRL/lpr), vermehrte renale Zellinfiltration und Albuminurie als Zeichen nephrotischer Dysfunktion. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Produktion des stark proinflammatorischen Zytokines IL-1β in jungen Lupus Nephritis Mäusen NLRP3/Caspase-1-abhängig ist und durch Biglycan verstärkt wurde. Die Mechanismen, durch die endogenes Biglycan die Leukozyteninfiltration in Lupus Mäusen induzierte und somit inflammatorische und autoimmune Vorgänge potenzierte, wurden insbesondere an B-Zellen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Biglycan die renale Migration von einem besonderen B-Zell Subtyp, B1-Zellen, verantwortlich für die T-Zellenunabhängige Autoimmunglobulinproduktion beim LN, unterhielt. Dabei vermittelte Biglycan die Rekrutierung von B1-Zellen in die Niere durch Regulation der Expression und Synthese der B-Zell C-X-C Chemokin Ligand 13 (CXCL13) in der Niere und in residenten peritonealen Makrophagen. In vitro konnte zudem der Mechanismus aufgeklärt werden, über den Biglycan CXCL13 reguliert. In primären Makrophagen und dendritischen Zellen induziert Biglycan die Expression und Sekretion von CXCL13 über TLR2 und TLR4. Die Daten zeigen auf, dass Biglycan als endogenes Gefahrensignal starke proinflammatorische Reaktionen hervorruft. Über Rezeptoren des angeborenen Immunsystems, TLR2 und TLR4, aktiviert Biglycan des weiteren Zellen des adaptiven Immunsystems und inuziert die Rekrutierung weiterer Lymphozyten. Demnach kann postuliert werden, dass Biglycan als Brückenmolekül das anegborene und adaptive Immunsystem verbindet, und somit ein potenzielles neues „drug target“ in autoinflammatorischen, wie auch autoimmunen Vorgängen darstellt.
Das Ziel dieser Arbeit ist eine Darstellung der Etablierung des Films im Bereich der Medizin auf Universitätsebene am Beispiel von Prof. Karl Kleist, Leiter der Psychiatrie in Frankfurt am Main von 1920 bis 1950. Als Primärquellen wurden Akten, Briefe und Filme der Frankfurter Psychiatrie aus der damaligen Zeit gesichtet und ausgewertet. Zusammen mit den Sekundärquellen über Kleist und der Darstellung der politischen Rahmenbedingungen in diesem Zeitraum bildet dies die Grundlage der hier vorliegenden Arbeit. Kleist wurde am 31.Januar 1879 in Mühlhausen im Elsass geboren. Nach dem Medizinstudium in Straßburg, Heidelberg, Berlin und München begann er seine Arbeit 1903 als Assistenzarzt in Halle. Hier lernte er Carl Wernicke kennen, der ihn in seinem weiteren wissenschaftlichen Denken und Vorgehen stark prägte. Es entstand eine neue wissenschaftliche Schule, später bekannt als Wernicke- Kleist- Leonhard- Schule. Nach seiner fünfjährigen Assistenzarztzeit in Halle arbeitete er vorübergehend an Edingers Neurologischem Institut in Frankfurt am Main und im hirnpathologischanatomischen Laboratorium Alzheimers in München innerhalb der Klinik von Emil Kraepelin. Danach wechselte er als Oberarzt an die Nervenklinik in Erlangen, wo er bis 1914 arbeitete. Während des ersten Weltkrieges wurde er in einem Kriegslazarett eingesetzt. Dort sammelte er viele Erfahrungen mit Hirnverletzten. 1916 wurde er Direktor der Psychiatrie in Rostock. 1920 folgte er einem Ruf nach Frankfurt am Main. Kleist wurde Leiter der Städtischen und Universitätsklinik für Gemüts- und Nervenkranke in Frankfurt am Main. Auch nach seiner Emeritierung 1950 war er dort weiter wissenschaftlich tätig. Während der Zeit in Frankfurt am Main förderte er den Film als Lehr- und Forschungsmittel. Zu Beginn wurde er von privaten Stiftungen gefördert, später baute er einen Kontakt zum Medizinisch-Kinematographischen Universitätsinstitut in Berlin auf. Dieses arbeitete eng mit dem Verlag Wissenschaftlicher Filme zusammen. Mit Hilfe dieses Verlages stellte er viele Filme her; als Gegenleistung bekam der Verlag unter anderem die Negative seiner Aufnahmen. Nach dem Konkurs des Verlages kaufte die Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Filme einen Großteil der Konkursmasse und damit auch Kleists Filme auf. Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse konnte das Unternehmen jedoch nicht florieren. Kleist wollte seine aufgenommenen Filme aber wissenschaftlich nutzbar machen und ein umfassendes Archiv von psychiatrischen und neurologischen Filmen erstellen. Kaufen konnte er das Material aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten nicht. Er schaffte es allerdings, seine Filme bei der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Filme zu vereinen und sie teilweise wissenschaftlich zu nutzen. Bald darauf wurden diese Bestände jedoch von der neu gegründeten Reichsstelle für den Unterrichtsfilm übernommen. Einerseits entsprach diese Zentralisierung Kleists Vorstellungen in Bezug auf eine bessere Übersicht und Nutzung der Filme seines Fachgebietes, andererseits stellte er aber ein fragwürdiges wissenschaftliches Interesse der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm fest. Nach dem Krieg erlangte er über viele Umwege den Großteil seiner Filme zurück. Darunter befand sich der in dieser Arbeit exemplarisch analysierte Katatoniefilm. Die Fertigstellung der Filme benötigte damals oft Jahre. Wissenschaftliche Filme mit einer Länge von 15-20 Minuten mit mehreren Sequenzen benötigten bis zur Fertigstellung teilweise über zehn Jahre. Die Gründe hierfür waren vielschichtig. Abgesehen von den technischen Problemen waren Aufnahmen aufwändig und teuer. In die Planung mussten sehr viele Ressourcen investiert werden. Patienten mit seltenen Krankheiten waren für Aufnahmen nicht immer verfügbar und die wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten wie Wirtschaftsdepression und Krieg verminderten die Realisationschancen. Trotz dieser widrigen Umstände schaffte es Kleist eine beachtliche Anzahl an Filmen herzustellen und das Filmwesen zu fördern. Prof. Karl Kleist war ein Gründer des psychiatrischen und neurologischen Films. Er hatte das große Ganze im Blick und strebte stets danach seine Ideale auch im Detail zu verwirklichen.
Da es bisher keine kritische Edition der Urkunden Philipps des Schönen gibt und in Frankeich auch keine den "Regesta Imperii" vergleichbare Institution, ist das hier zu besprechende Werk ein Meilenstein der Forschung, denn es erfüllt mehrere Aufgaben zugleich: Erschließung und Analyse eines gewaltigen Quellencorpus, Rekonstruktion des königlichen Itinerars und Auswertung der Befunde hinsichtlich Logistik, Reisetechnik, Gastungsrecht, Gefolge und Regierungspraxis des reisenden Hofes, schließlich eine Bewertung der Rolle von Paris als Hauptstadt und Behördensitz. ...
Völlig zu Recht ist diese bei Jean-Bernard Marquette an der Universität Bordeaux 3 gearbeitete Dissertation mit dem "Prix de la fondation Charles-Higounet" der Académie nationale des sciences, belles-lettres et arts de Bordeaux ausgezeichnet worden, steht sie doch würdig in der guten regionalgeschichtlichen Tradition dieses großen Gelehrten, dessen Arbeiten und Methoden sich immer wieder mit der deutschen landesgeschichtlichen Forschung auseinandergesetzt haben. ...
Einführung Seit Einführung der Diffusionstensorbildgebung- (DTI) basierten Traktographie von zerebralen Bahnsystemen besteht der Verdacht einer zu dünnen Ausdehnung der Faserbahnen in der unmittelbaren Nachbarschaft von zerebralen Läsionen. Der gegenüber der tatsächlichen Ausdehnung verminderte Durchmesser verjüngt sich zusätzlich mit zunehmendem Abstand von dem sog. seed-Volume (“seed-VOI”). Die unterrepräsentierte Ausdehnung der Faserbahnen stellt in der neurochirurgischen Operationsplanung und intraoperativen Neuronavigation ein erhebliches Problem bei der Beurteilung der Resektionsgrenzen von Tumoren bzw. der Grenze dringlich zu erhaltender eloquenter Faserbahnen dar. Mit einem zusätzlichen, auf die Läsion fokussierten Traktographie-Algorithmus – Lesion-based Fibertracking (LBFT) – soll die Auswertbarkeit von Faserbahnen in der Umgebung von intrazerebralen Läsionen verbessert werden. Der Algorithmus von LBFT wird vorgestellt und das Verfahren anhand der Darstellung von Bahnen des Tractus corticospinalis (TCS) mit dem Standardverfahren verglichen. Methode In 40 Patienten mit intrazerebralen Läsionen in Nachbarschaft zu kortikospinalen Bahnen (Pyramidenbahn) wurde eine Diffusionstensor-bildgebung und fMRT basierte Faserbahndarstellung des Tractus corticospinalis auf Grundlage eines „tensor-deflection-Algorithmus“ (TEND) durchgeführt. Hierfür wurden Bahnen von den kortikalen motorischen Repräsentationen der Hand, des Fußes und der Zunge zum Hirnstamm visualisiert. Im Standardverfahren wird ein würfelförmiges Volumen – das sog. seed-Volume oder Ursprungsvolumen – im Gyrus praecentralis entsprechend der anatomischen und funktionellen Bildgebung definiert. Ein zweites würfelförmiges Volumen, lokalisiert im Hirnstamm selektiert ausschließlich Fasern welche durch beide Volumen verlaufen. Die resultierenden Fasern werden bezüglich ihres Verlaufes durch typische anatomische Landmarken kontrolliert und ggf. korrigiert. Anschließend wird das Faserbündel mittels einer Oberflächenrekonstruktionstechnik („surface rendering“) dreidimensional rekonstruiert (iPlan 2.5Cranial, BrainLab®, Feldkirchen, Germany). Für das neue Verfahren des LBFT wird die Region definiert, in welcher die Faserbahn des Standardverfahrens der Läsion am nächsten kommt und hier, um die Faserbahn des Standardverfahrens, ein neues seed-Volume platziert, welches das Standardfaserbündel um 10 mm überragt. Traktographie und Segmentierung werden analog dem Standardverfahren durchgeführt. Fasern, die nicht den Gyrus praecentralis erreichen oder nicht durch den Pedunculus cerebri verlaufen, werden eliminiert. Die Faserzahl, die Größe der Faserbahnen und die Größendifferenz zwischen den Bahnen des Standardverfahrens und LBFT werden verglichen und das Verfahren auf inter- und intra-rater Reliabilität geprüft. Ergebnisse Das Standardverfahren und LBFT waren in allen 40 Patienten durchführbar. Die Faserzahl bei LBFT erhöhte sich signifikant gegenüber dem Standardverfahren um 383,27% (p<0,0001). Der maximale Durchmesser in der Ebene, in welcher das Faserbündel der Läsion am nächsten kommt, sowie der Durchmesser in Richtung der Läsion erhöhen sich signifikant um 171,75 % bzw. 196,45 % (jeweils p<0.0001). Daraus folgt eine durchschnittliche Zunahme des Durchmessers in Richtung der Läsion um 4.48mm (± 2.35). Fazit Die Fehleinschätzung des Durchmessers und der Distanz des TCS zu subkortikalen Läsionen bei Anwendung des Standardverfahrens DTI-basierter Traktographie stellt ein erhebliches Problem in der funktionellen neurochirurgischen Operationsplanung und intraoperativen Neuronavigation dar. Durch den zusätzlichen Schritt des LBFT kann die Fehleinschätzung korrigiert und der in vorhergehenden Studien eingeforderte Sicherheitsabstand standardisiert robust und reliabel realisiert werden.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der wohl wichtigsten historischen Zäsur im 20. Jahrhundert, herrschte mitnichten Frieden. Vielmehr wurde erstmals die bipolare Spaltung der Welt in einen kommunistischen Osten und einen demokratischen Westen sichtbar. Der Abwurf der beiden amerikanischen Atombomben 1945 auf Nagasaki und Hiroshima hatte ein atomares Wettrüsten zwischen den beiden ideologischen Blöcken eingeläutet. Dieser Konflikt wurde aber, angesichts der möglichen nuklearen Vernichtung der gesamten Menschheit, nicht mehr in einem offenen Schlagabtausch, sondern vielmehr in einem verdeckten, „kalten“ Krieg ausgetragen. In Korea, Vietnam oder Afghanistan wurden zwar konventionelle Stellvertreterkriege geführt, die eigentliche Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion wurde aber mit politischen, wirtschaftlichen, technologischen und nicht zuletzt auch kulturellen Drohgebärden bestritten. Inmitten dieser angespannten weltpolitischen Situation entwickelte sich im New York der 1940er und 50er Jahre eine neuartige Kunstrichtung, welche als ein radikaler Neubeginn und letztlich als erster genuin amerikanischer Stil gewertet wurde. Die Inspiration für den später als „Abstrakter Expressionismus“ betitelten Stil speiste sich zwar aus vielfältigen kulturellen Quellen, jedoch verstanden es avantgardistische Künstler wie Jackson Pollock oder Mark Rothko aus diesen eine durchweg eigenständige Formensprache auszubilden. Trotz anfänglicher Vorbehalte galt diese moderne Kunstrichtung schon Ende der 1950er Jahre als international etabliert und New York hatte der ehemaligen Kunstmetropole Paris den Rang abgelaufen. Dieser immens schnelle Aufstieg der New York School ist auf eine Reihe von begünstigenden Faktoren zurückzuführen. Durch den Krieg zur Emigration nach New York gezwungene europäische Künstler, spielten hier genauso eine wichtige Rolle wie staatliche Förderprogramme für Künstler im Rahmen des New Deal, ein enges Netzwerk von Künstlern, Kritikern, Galerien und Museen, sowie das Aufkommen der modernen Massenmedien. Von besonderer Bedeutung ist hier aber auch das Engagement verschiedener staatlicher Institutionen, welche in der – eigentlich als unpolitisch geltenden – abstrakt expressionistischen Kunst bestimmte amerikanische Eigenschaften ausgemacht hatten. Die abstrakten Gemälde konnten so als Gegenstück zum Sozialistischen Realismus der Sowjetunion inszeniert und somit letztlich als kulturelle Propagandawaffe im Kalten Krieg funktionalisiert werden. In der nachfolgenden Arbeit soll zunächst die Entwicklung der New Yorker Avantgarde nachgezeichnet werden. Anhand ausgewählter Künstler, ihrer Werke und Arbeitsweisen wird aufgezeigt, wie den abstrakten Gemälden von der damaligen Kunstkritik amerikanische Eigenschaften zugeschrieben wurden. Des Weiteren werde ich auf die Gegner der abstrakten Kunst eingehen, bevor die erfolgreiche Etablierung des Abstrakten Expressionismus durch Galerien, Museen und Massenmedien, sowie letztlich die politische Instrumentalisierung durch den CIA behandelt wird. Dabei soll auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass insbesondere der letztgenannte Punkt im wissenschaftlichen Diskurs über den Abstrakten Expressionismus bis heute ein höchst umstrittenes Thema darstellt. Da die folgende Arbeit interdisziplinär angelegt ist, bedient sie sich einerseits kunstgeschichtlicher Interpretationsmethoden wie der Stil- und Formanalyse zur Beschreibung der vorgestellten Werke; andererseits werden auch kulturhistorische Methoden zum Einsatz gebracht, um sich der Fragestellung aus möglichst vielen Blickwinkeln zu nähern und die Künstler und ihre Werke so in dem damaligen sozialen und politischen Kontext richtig zu verorten. Es werden sowohl ausgewählte Bildwerke analysiert als auch Statements von Künstlern, Rezensionen und Essays von zeitgenössischen Kunstkritikern, bis hin zu aktuellen kunsthistorischen Studien berücksichtigt. Da es sich beim Abstrakten Expressionismus um ein relativ kontemporäres Phänomen handelt, sind hier die Grenzen von kunstkritischer und kunsthistorischer Auseinandersetzung oftmals fließend. Auch gebietet die Komplexität des Themas ein weitgehend synchrones Vorgehen, geordnet nach den oben genannten Fragestellungen, denn eine ausschließlich chronologische Annäherung an das Thema wäre der Übersichtlichkeit der Argumentation abträglich.