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Über problematische Straßennamen und Denkmäler wird politisch debattiert. Wie der öffentliche Raum aussieht, wird gemeinhin nicht als juristische Frage behandelt. Trotzdem taucht die Frage, was die Gesellschaft im öffentlichen Raum sehen will, auch als rechtliches Argument auf. Wann erkennt der Diskurs solche Fragen politischer Ästhetik als juristisches Argument an? Und welche Bedingungen entscheiden darüber?
Freund oder Feind?
(2019)
Bemühen wir uns um einen nüchternen Blick auf die "Fakten". Ein Hochschulprofessor betritt von Protesten begleitet einen Hörsaal, um seine Vorlesung zu halten. Aufgrund lauter Beschimpfungen und Störungen kann er diese Vorlesung nicht halten und verlässt den Campus schließlich zwei Stunden später unter Polizeischutz. Es handelt sich nicht um irgendeinen Professor, sondern um den Mann, der eine Partei gründete, vordergründig, um den Austritt Deutschlands aus der Eurozone zu erreichen und der auf der Pegida-Welle reitend eine rechtspopulistische Partei hervorbrachte, die ihre Umfragewerte von Unzufriedenheit und Enttäuschung nährt. Seit 2015 gehört er dieser Partei nicht mehr an. Samthandschuhe hat Bernd Lucke deswegen noch lange nicht verdient. Wie weit sollte aber der grundsätzlich berechtigte Protest gegen Lucke gehen?
Die Dritte Option: Für wen?
(2017)
Sollte der Gesetzgeber eine Dritte Option im Personenstandsrecht einführen, so wird er sich damit auseinandersetzen müssen, wer Zugang zu dieser Dritten Option erhalten soll. Dieser Beitrag geht der Frage nach, was sich aus der Entscheidung vom 10. Oktober 2017 dazu entnehmen lässt: Muss die dritte Option neben inter*geschlechtlichen Menschen auch allen anderen offen stehen, die sich weder als Mann noch als Frau verstehen?
Journalisten leisten eine unabdingbare Informations- und Kontrollfunktion für die internationalen Kapitalmärkte. Dabei stehen ihre journalistischen Beiträge in einem Spannungsfeld zwischen Presse- und Meinungsfreiheit auf der einen sowie kapitalmarktrechtlichen Verhaltensvorschriften auf der anderen Seite. Dieser Beitrag versucht sich an der Auflösung dieser Konfliktlage. Dabei wird insbesondere die Übertragung anerkannter Grundsätze des Presserechts auf die Finanzmarktberichterstattung diskutiert. Den Journalisten kommt dabei im Ergebnis eine weitreichende Privilegierung zu, die allerdings insbesondere dort Einschränkungen erfährt, wo irreführende oder unrichtige Informationen verbreitet werden.
Sommer 1789: Frankreich revoltiert, Preußen evaluiert. Staatsminister Johann Christoph von Wöllner, Chef des geistlichen Departements, entsendet einen bewährten Berliner Schulmann ins deutsche Reich, mit dem Auftrag, die außerpreußischen Lehranstalten zu begutachten, "teils überhaupt die Verfassung der fremden Universitäten kennen zu lernen, teils von dem Vortrag solcher Professoren, auf die einmal bei irgend einer preußischen Universität reflektiert werden könnte, zuverlässig Nachricht und Kenntnis einzuziehen". Es ist Friedrich Gedike, der durch ministeriale Order zum Headhunter für das Königreich ernannt wird. Seine Beobachtungen legt er in einem Bericht an den König nieder, der, 1905 ediert, 61 Blätter umfasst. ...
In Spanien blickte man, wie wohl in keinem anderen Land Europas, auf reiche Erfahrungen mit der Inkorporation großer Gruppen Fremdgläubiger, auf massenhafte und nicht immer von äußerem Zwang freie Erwachsenentaufen zurück. Im 15. Jahrhundert hatten die Taufen von Juden, im 16. Jahrhundert die von Muslimen zu zahlreichen politischen, rechtlichen und theologischen Problemen geführt. Weitere Dimensionen erhielten die Fragen nach Taufe, Orthodoxie und Kirchenangehörigkeit durch die Reformation in Europa einerseits und die Mission in Lateinamerika andererseits. ...
"Die Digital Humanities sind kein Hochgeschwindigkeitszug, sondern ein gemächlich, aber stetig vorantreibendes Unternehmen, dem bisher noch die Anerkennung seiner Leistungen fehlt. Mit dem Engagement in digitalen Projekten ist weiter kein Blumentopf zu gewinnen": So konnte man am 13. Dezember 2011 im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen (Thiel 2011). Das stellte sich schnell als Fehleinschätzung heraus. Kaum acht Monate später war an derselben Stelle von einer "empirischen Wende für die Geisteswissenschaften" die Rede, vom "Ende hermeneutischer Einzelforschung" (Thiel 2012). In den seither vergangenen vier Jahren zeigte die Konjunkturkurve der Digital Humanities steil nach oben; das Bundesministerium für Bildung und Forschung erklärte es zur forschungspolitischen Notwendigkeit, die "Digitalisierung der Geisteswissenschaften zu einer Erfolgsgeschichte" zu machen. Die Konjunktur zeigt bereits erste Anzeichen einer nahenden Überhitzung, etwa in der Befürchtung, Digital Humanities in ihrer derzeitigen Ausprägung könnten "antragstechnisch bereits verbraucht" sein; erforderlich seien neue, noch ambitioniertere Schwerpunkte, etwa durch ein noch weiter ausgreifendes, Disziplinen überwölbendes Zusammenführen multimedialer Quellen (Texte, Bilder, Musik) in einer einheitlichen Datenstruktur. Der starke politische Rückenwind hat inzwischen eine teilweise polemisch geführte Debatte über die politische und ökonomische Agenda der Digital Humanities hervorgebracht (Fiormonte 2012; jüngst: Allington/Brouillette / Golumbia 2016 und Spahr / So / Piper 2016). ...
Adorno führt in seinem Werk der Negativen Dialektik, anhand einer Kant-Kritik, aus, dass Freiheit nur negativ bestimmt werden kann. Dazu bedient dieser sich der Methode der bestimmten Negation. Dieser Ansatz wird auf Nauckes Konzept des negativen Strafrechts übertragen und gezeigt, dass auch Naucke dieses nur negativ bestimmt. Dabei stellt das negative Strafrecht eine Position dar, welche dem affirmativen Strafrecht kritisch gegenübersteht und dieses kontinuierlich hinterfragen und begrenzen soll.
Die Stellung der Grundrechte im europäischen Rechtsraum zeichnet eine tiefe Ambivalenz aus. Einerseits haben sie ihr Schattendasein im Unionsrecht hinter sich gelassen: Man denke an die Grundrechtecharta, den bevorstehenden Beitritt zur EMRK, das Bekenntnis zu einer grundrechtsorientierten Außenpolitik (Art. 21 Abs. 2 lit. b) EUV) und die strenge Überprüfung von Beitrittskandidaten. Andererseits gibt die Grundrechtslage in einigen Mitgliedstaaten Anlass zu erheblicher Sorge. Traurige Bekanntheit genießt die Situation von Minderheiten und Migranten. Maßgebliche Institutionen, wie der Europarat und die OSZE, sehen aber auch die Freiheit der Medien stark gefährdet. Ranglisten zur Pressefreiheit verzeichnen einen signifikanten Abstieg einiger EU-Mitgliedstaaten wegen Medienkonzentration, offener politischer Einflussnahme, unverhältnismäßiger Sanktionen, der Zweckentfremdung von Antiterrorgesetzgebung, unzureichenden Quellenschutzes und nicht aufgeklärter Gewaltakte gegen Journalisten. ...
Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen hat am 19. März eine für die rechtsstaatliche Prägung deutscher Außenpolitik sehr bedeutsame Entscheidung getroffen. Demnach muss sich die Bundesrepublik in Zukunft vergewissern, ob durch den Einsatz von US-Drohnen, die über deutsches Gebiet gesteuert werden, Völkerrecht verletzt wird. Ist dies der Fall, muss sie Maßnahmen treffen, damit eine solche Rechtsverletzung unterbleibt. Ein einfaches Wegducken der Bundesrepublik ist damit nicht mehr möglich. ...
Datenschutz versus Katastrophenschutz : Standortdaten als Mittel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie
(2020)
Einige Länder setzen Standortdaten jetzt schon gezielt ein, um die weitere Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der weitreichende Befugnisse vorsah, um mithilfe von Standortdaten Kontaktpersonen von Infizierten über deren Handys zu orten, stieß auf teilweise heftige Kritik. Der Gesetzentwurf wurde daraufhin zurückgezogen, ohne dass nähere Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangt sind. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass eine Verarbeitung von Standortgesundheitsdaten nicht nur tatsächlich nützlich sein kann, sondern auch rechtlich möglich ist.
Mit Dashcams den Verkehr aufzuzeichnen, kann nach einem Unfall in einem zivilrechtlichen Haftpflichtprozess sehr nützlich sein – obwohl man das datenschutzrechtlich eigentlich nicht darf. Der BGH hat in dieser Woche (BGH, Urt. v. 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17) zwei rechtliche Problemlagen geklärt, die deutsche Gerichte seit geraumer Zeit beschäftigt haben: Zum einen betrifft dies die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Einsatzes von Dashcams im öffentlichen Verkehrsraum. Zum anderen deren zivilprozessuale Verwertbarkeit, insbesondere wenn die Aufnahmen rechtswidrig erfolgten.
Staatliches Hacking von Computern und Smartphones hat Konjunktur. Durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) wurden Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ mittels "Staatstrojanern" zu Standardmaßnahmen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die StPO erlaubt seither den Einsatz von Staatstrojanern in mehreren zehntausend Fällen im Jahr: Sie sind nun immer dann zulässig, wenn bisher eine klassische Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a Abs. 1 StPO unter Einbindung der jeweiligen Provider (vgl. § 100b StPO a.F.) vorgenommen wurde.
Indem das Internet als Infrastruktur die Transaktionskosten grenzüberschreitender Kommunikation radikal senkt, wirkt es als Katalysator der Globalisierung der Gesellschaft1. Rechtskollisionen erhalten hierdurch in allen gesellschaftlichen Bereichen eine gesteigerte Bedeutung. Im Rahmen der allgemeinen Debatte um die Etablierung einer Global Governance kommt der Internetgovernance deshalb eine paradigmatische Rolle zu. Aus ökonomischer Sicht steht dabei die Schaffung eines Rechtsrahmens für den globalen E-Commerce im Vordergrund. Im Hinblick auf eine innovationsoffene Regulierung erscheint es in diesem Zusammenhang als reizvoll, der Frage nach einem Rechtsrahmen für den grenzüberschreitenden Business-to-Consumer-E-Commerce nachzugehen. Denn das deutsche und europäische Verbrauchervertragsrecht stehen aktuell eher für eine gegenläufige Tendenz zur Begrenzung der Privatautonomie zugunsten zwingender Vorgaben des Gesetzgebers, die auch kollisionsrechtlich gegen eine parteiautonome Rechtswahl abgesichert werden5. Während etwa das in der E-Commerce-Richtlinie verankerte Herkunftsstaatprinzip nicht nur dasWirtschaftsaufsichtsrecht,sondern auch weite Teile des Zivilrechts den Innovationskräften des Systemwettbewerbs öffnet, scheint sich das Verbrauchervertragsrecht aufgrund seines Schutzzweckes als mit innovationsoffenen Regulierungsmodellen inkompatibel zu erweisen. Ist damit auf dem Gebiet des Verbrauchervertragsrechts nicht nur der traditionelle Wettbewerb der individuellen Vertragsklauseln sowie der Klauselwerke (AGB) innerhalb einer staatlichen Privatrechtsordnung, sondern auch der institutionelle Wettbewerb zwischen den Verbraucherschutzmodellen der verschiedenen staatlichen Privatrechtsordnungen ausgeschlossen, so verbleibt als potentieller Innovationsspeicher nur der Raum der gesellschaftlichen Selbstregulierung jenseits des (staatlichen) Rechts. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden untersucht, ob und inwieweit sich aufgrund der spezifischen Charakteristika der Internetkommunikation im Bereich des globalen E-Commerce eine Verdichtung von Phänomenen der privaten Normsetzung und der sozialen Selbstregulierung beobachten läßt, die als Emergenz eines transnationalen Verbrauchervertragsrechts interpretiert werden kann. Zunächst soll dabei eine Definition transnationalen Rechts entwickelt werden, die diesen Begriff an die spontanen Innovationskräfte der globalen Zivil(rechts)gesellschaft koppelt (II.). In einem zweiten Schritt werden dann Entstehungsbedingungen und Phänomene eines transnationalen Verbrauchervertragsrechts beleuchtet (III.). Sodann wird der Frage nach einer Konstitutionalisierung des transnationalen Verbrauchervertragsrechts nachgegangen (IV.). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf potentielle Ziele und Methoden der Regulierung des Wettbewerbs transnationaler Verbraucherschutzregimes (V.).
Das Tetralemma des Rechts : zur Möglichkeit einer Selbstbeschränkung des Kommunikationssystems Recht
(2000)
Was tut das Recht wenn es nichts tut? In diese Frage hat Niklas Luhmann das Problem gekleidet, wie ein judicial self-restraint unter Geltung des Justizverweigerungsverbotes denkbar ist. Eine Beantwortung dieser Frage aus Sicht einer Systemtheorie, die das Recht als operativ geschlossenes Kommunikationssystem im Rahmen einer auf der Erkenntnistheorie des radikalen Konstruktivismus fußenden Theorie der Gesellschaft zu erfassen sucht (Recht als autopoietisches System), hat Luhmann zwar angerissen, aber nicht befriedigend zu Ende gedacht. Besonders interessant ist diese Frage vor dem Hintergrund der Diskussion um ein prozedurales Rechtsparadigma, welches angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Umbrüche das überkommene materiale Paradigma ablösen soll (Prozeduralisierung des Rechts). Es erscheint daher reizvoll, auf der Suche nach Antworten einen Beitrag sowohl zur Systemtheorie des Rechts als auch zu einer Theorie des prozeduralen Rechts zu leisten.
Der Titel der Tagung, deren Beiträge dieser Band dokumentiert, ist Programm: Jenseits der postmodernen Abschiedsstimmung, in die manche Reflexion über die Zukunft des Staates je nach theoretischer und politischer Orientierung melancholisch oder mit Schadenfreude verfällt, setzt er voraus, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: dass es auch in Zukunft den Staat weder theoretisch noch praktisch zu verabschieden gilt. Er versucht deutlich zu machen, dass es im Jahre 1 eines neuen Jahrtausends in der Berliner Republik nicht mehr um eine Fortsetzung der allgemeinen Verunsicherung der achtziger und neunziger Jahre gehen kann. Es reicht nicht theoretisch (und manchmal – so scheint es – nur theoretisch und ohne zur Kenntnis zu nehmen, welche Rolle moderne Staaten in den Industriegesellschaften faktisch spielen) zu bezweifeln, ob der Staat der Zukunft noch souverän, national, sozial, steuernd, intervenierend etc. sein könne, um nur einige Attribute des Staates zu nennen, die Gegenstand der skeptischen Überlegungen sind. Rückblickend auf die Debatten um die Steuerungsfähigkeit des Staates, die Krise des Sozialstaats, Deregulierung, Privatisierung und Entbürokratisierung sowie Internationalisierung und Globalisierung ist es an der Zeit, Lösungswege zur Diskussion zu stellen. Nach der soziologischen Entzauberung und philosophischen Dekonstruktion des Staates bedarf es gegenwärtig einer Gegenbewegung: der praxisfähigen Rekonstruktion normativer Leitbilder. ...
Verwaltungsrechtsgeschichte
(2011)
Obwohl ein stattliches Gebiet mit vielen interessanten Perspektiven eröffnend, ist die Verwaltungsrechtsgeschichte in Deutschland nur ein zartes Pflänzchen. Im Fächerkanon der Rechtsgeschichte taucht sie nicht auf, zur institutionellen Verortung reicht es schon gar nicht, Studierende lernen sie nicht kennen, es gibt keine Quellensammlung für Einstiegszwecke. Gibt es die Verwaltungsrechtsgeschichte überhaupt? ...
Die Postmoderne beschreibt die Fragmentierung der Gesellschaft, in der Systemrationalitäten miteinander kollidieren. Diese Diagnose kann für die Konzeption der Grundrechte nicht folgenlos bleiben. Der Aufsatz fokussiert zwei Ansätze einer neuen Verfassungstheorie. Grundlagen sind Karl-Heinz Ladeurs Kritik der Abwägung und Gunther Teubners Konzept einer Zivilverfassung vor dem Hintergrund seines Matrixmodells.
Freiheit und Interventionsstaat stellt man sich gewöhnlich als Gegensatz vor. Eine liberale Ordnung ist eine, die staatliche Eingriffe auf ein Minimum beschränkt. Der Interventionsstaat des Kaiserreichs integrierte wirtschaftliches Handeln in öffentlichrechtliche Formen, deren Einstufung als Selbstverwaltungsinstitutionen sich bald durchsetzte. Das Wort "Selbstverwaltung" versprach Freiheit. Kann aber Freiheit durch Maßnahmen hergestellt werden, die die gesellschaftlichen, vor allem die wirtschaftlichen Akteure zwingen, ihr Handeln in bestimmter Weise zu koordinieren und gar dem Staate zu Diensten zu sein? ...
Eigentlich war das Reichsgesundheitsamt für diese Angelegenheit nicht zuständig. Die Abgabe an die zuständige Landesbehörde hätte ausgereicht. Eine derart "rücksichtslose Ausnutzung (der) Befugnisse" eines Kassenarztes, wie sie hier – im Jahr 1886 – zu Tage trat, veranlasste Gesundheitsamtsdirektor Köhler aber dann doch, den Fall Innenstaatssekretär Boetticher vorzulegen: Der Arzt hatte einer an Herzschwäche und Lungenentzündung leidenden Patientin unter anderem 33 ½ Flaschen Champagner und 48 Flaschen Wein verschrieben. Lieferung erfolgte obendrein durch den Bruder des Arztes, einen Gastwirt. Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung. Der Gastwirt verklagte daraufhin die Kasse. Das Landgericht Freiburg i. Br. entschied gegen die Kasse. Die Forderung des Wirts sei durch das Rezept des Arztes gedeckt. Letzterer stehe als Kassenarzt zur Kasse im Verhältnis "eines von der Kasse Beauftragten"; mit der Verschreibung der Alkoholika, die auch von einem Gutachter als taugliche Arznei bewertet wurde, habe er sich in den Grenzen seiner Vollmacht bewegt und konnte die Kasse gegenüber dem Wirt auch wirksam verpflichten. Zur Untermauerung seiner Rechtsansicht verwies das Gericht u. a. auf die achte Auflage von Puchtas Pandekten, § 324. ...
Multinormativität ist kein etablierter Begriff. Der Terminus bezeichnet zunächst einmal nur einen Forschungsschwerpunkt des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte. Die diesen Forschungsschwerpunkt konstituierende und die Einzelprojekte verbindende Leitfrage ist die nach dem Verhältnis von Recht zu anderen Regeln. Weiter ausgeführt ist dies in einem Aufsatz von Thomas Duve, der Überlegungen dazu enthält, wie Multinormativität erfasst werden kann. Erstens wird hingewiesen auf das analytische Potential der Theorieangebote der Rechtspluralismusforschung bzw. derjenigen Ansätze, die sich hieraus entwickelt haben (normative pluralism, jurisdictional pluralism, interlegality, pluralistic social-legal arenas), aber auch auf deren partielles Ungenügen bei der Erfassung der Fluidität der Interaktion verschiedener normativer Sphären. Zweitens wird auf den Stellenwert von Konventionen, verstanden als zu Routinen geronnene Anschauungen mit normativem Potential, aufmerksam gemacht. Und drittens wird unter dem Stichwort "Dynamik" darauf verwiesen, dass Normativität und das Verhältnis zwischen Normen nicht als statischer Zustand erfasst werden können, dass diese vielmehr in sozialen Praktiken hervorgebracht werden und sich mit ihnen wandeln. ...
Zum Gegenstand der Polizeiwissenschaft gehörte – jedenfalls unter der Herrschaft eines weiten Polizeibegriffs – auch die staatliche Sorge für die Wirtschaft. Die Herausbildung der Wirtschaft als eines eigenständigen gesellschaftlichen Teilsystems, also eines sozialen Bereichs, für den die Geltung von Leitprinzipien eigener Art beansprucht wird, fällt auf das Ende des 18. Jahrhunderts. Am Beginn der nachhaltigen Durchsetzung eines staatsunabhängigen wirtschaftlichen Denkens steht das Werk von Adam Smith, der die klassische Nationalökonomie begründete. Die Polizeiwissenschaft traf nun auf einen Gegenstand, für den eine überaus mächtige Theorie die Erklärungshoheit beanspruchte. Welche Konsequenzen ergaben sich daraus? Dieser Frage soll am Beispiel der staatlichen Kapitalhilfen für Unternehmen nachgegangen werden. ...
Die Welt wird kleiner. Moderner Verkehr und moderne Kommunikation lassen die Kontinente enger zusammenrücken. Die Staaten verlieren mehr und mehr Funktionen an supranationale Organisationen und Konzerne; vielerorts ist gar die Rede vom nahen Ende der Nationalstaaten und ihrer Epoche. In einem großen Teil Europas jedenfalls hat die Einführung des Euro vor einem guten Jahr diesen Souveränitätsverlust, der für Währungen, Zölle und vieles andere längst zuvor vollzogen worden war, auch sinnlich erfahrbar gemacht.
Nicht nur die Seeversicherung. Philipp Hellweges Projekt zur Geschichte des Versicherungsrechts
(2020)
Joint Venture : International Max Planck Research School for comparative european legal history
(2002)
Gegenwärtigen Fusionspraktiken folgend, haben auch Rechtshistoriker sich verbündet, um international Synergien zu erzeugen. Das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte und das Institut für Rechtsgeschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität haben – mit dem Segen und dem Geld ihrer "Mütter" – ein gemeinsames Forschungskolleg gegründet. ...
Synästhetische Normativität
(2017)
Im Herzen Frankreichs, südlich von Paris und Orléans, östlich von Blois, in einem ausgedehnten Waldgebiet liegt das Schloss von Chambord, das prächtige, das unvergleichliche Chambord, Prunk- und Jagdresidenz Franz’ I., architektonischer Höhe- und Wendepunkt der französischen Renaissance. Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und des allerchristlichsten Königs ewiger Rivale, soll das Schloss, als er es 1539 zu Gesicht bekam, gepriesen haben als den "Inbegriff dessen, was menschliche Kunst vermag.". ...
Auch im Fachbereich Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität kam es 1968 zu heftigen Turbulenzen. Dabei zeigten die meisten jüngeren Professoren des Fachbereichs durchaus Verständnis für manche der studentischen Forderungen. Einige Reformansätze scheiterten, andere wurden erst durch feinere Nachjustierungen funktional.
Beinahe hätte die sachlich begrüßenswerte Entscheidung, den Michael Stolleis gewidmeten Band nur Beiträgen zur Wissenschaftsgeschichte des Öffentlichen Rechts vorzubehalten, mich um die Freude gebracht, mich daran beteiligen zu können, denn die Wissenschaftsgeschichte des Öffentlichen Rechts war niemals mein Thema, sondern immer nur die Rechtspraxis.
Aber die theoretische Beschäftigung mit dem Recht diente und dient sowohl der Erfassung des Rechts zu seinem besseren Verständnis als auch der Verbesserung der Rechtspraxis. Insofern gibt es Berührungspunkte zwischen Rechtswissenschaftsgeschichte und der Geschichte der Rechtspraxis, nämlich dort, wo Rechtspraktiker theoretische Argumentationen und Topoi aufgreifen, um sie im rechtlichen Diskurs der pragmatischen Handlungsebene zu verwenden. Am deutlichsten wird dies, wenn Gerichte ihren Entscheidungen neue rechtswissenschaftliche Überlegungen zugrunde legen. In diesem Sinne hat Jürgen Weitzel in Relationen von Reichskammergerichtsassessoren seit der Mitte des 18. Jahrhunderts freiheitsrechtliche Argumentationen ermittelt. Ob und wie weit dies mit dem Wirken des Illuminatenordens in Wetzlar zusammenhängt, ist umstritten. Aber auch Anwaltsschriftsätze können solche Argumentationsmuster aus der Wissenschaft übernehmen. Da der Anwalt das Gericht überzeugen wollte, sind Formulierungen von Anwaltsprozessschriften als Teil des rechtspragmatischen Diskurses ebenso ernst zu nehmen wie entsprechende Wendungen in Relationen von Richtern. Man kann an ihnen erkennen, wie schnell theoretische Überlegungen in der Rechtspraxis akzeptiert wurden. Wolfgang Schmale hat in diesem Sinne diese Quellengattung intensiv für seine Analyse genutzt, indem er Prozessakten burgundischer wie kursächsischer Provenienz aus der Mitte des 17. Jahrhunderts im Vergleich ausgewertet hat. Ich hoffe, dass dieser rezeptionsgeschichtliche Aspekt auch das Interesse des Adressaten dieses Bandes finden wird. ...
Wenn hier in diesem Michael Stolleis gewidmeten Heft über die Sicht der rechtshistorischen Mediävistik auf Entstehung und Geschichte des öffentlichen Rechts gehandelt werden soll, so ist es nicht nur naheliegend, sondern geboten, von seiner »Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland« auszugehen. Michael Stolleis hat einen methodischen, zeitlichen und inhaltlichen Ansatz gefunden, der schon deshalb überzeugend ist, weil er eine Darstellung über drei, bald vier Bände zu tragen vermag und damit einen neuen Zweig der Rechtsgeschichte begründet hat. Wissenschaftliche Fragestellung und Methoden müssen vor allem ihre Fruchtbarkeit bei der Arbeit, neue Erkenntnisse zu gewinnen, erweisen: Das ist die Probe auf ihre Dignität. ...
Eine erstaunliche Tatsache: Ein amerikanischer Rechtswissenschaftler, im Denken des common law geschult, dann hervorgetreten vor allem mit Studien zur Rechtsvergleichung und zum Recht der Sowjetunion, schreibt in vorgerückten Jahren ein umfassendes Werk über die mittelalterlichen Ursprünge der Rechtstradition des Westens. Diese verankert er in jenem politisch-religiösen Konflikt, den wir einmal unter dem Begriff "Investiturstreit" kennen gelernt haben. Inzwischen wird er als Vorspiel der "Renaissance des 12. Jahrhunderts" gesehen. Für Berman handelt es sich jedoch um die "päpstliche Revolution", the Papal Revolution. Diesem Band "Law and Revolution" von 1983 hatte Berman im hohen Alter 2003 noch einen zweiten mit dem gleichen Titel folgen lassen, dessen Gegenstand ebenfalls im Untertitel genauer umschrieben wird: "The impact of the protestant reformations on the Western legal tradition". ...
Der Tagungsvortrag von Herrn Pilch, und noch mehr dessen Ausarbeitung in diesem Band, weist im Verhältnis zu seinem Buch eine klarere Ausrichtung auf die rechtshistorische Problematik auf. Die doppelte Fragestellung gegenüber dem modernen Normbegriff und der mittelalterlichen Rechtsgewohnheit wurde zu Gunsten einer Konzentration auf die letztere reduziert. So steht die Thematik jetzt viel deutlicher vor uns. Ich kann mich deshalb darauf beschränken, einige grundsätzliche Probleme noch einmal aus meiner Sicht anzusprechen und schärfer zu beleuchten. ...
Einführung
(2010)
Das Zustandekommen der hier vorgelegten Beiträge zum Thema "Rechtsgewohnheiten" bedarf einer kurzen Erläuterung. Von dem Buch Martin Pilchs, dessen – nun hier ausgearbeitet vorliegender – Vortrag die ebenfalls in überarbeiteter Form wiedergegebene Diskussion einleitete, ging ein unerwarteter und ungewöhnlicher Anstoß für die Zunft der Rechtshistoriker und Historiker aus. Ein österreichischer Ministerialbeamter mit rechtstheoretischer Schulung, der aber auch Physiker und Mathematiker ist, wendet sich einer normtheoretischen Studie zu. In ihr spielt die mittelalterliche ungelehrte, weitgehend orale Rechtstradition als Forschungsfeld eine wichtige Rolle als Gegenbild zu einem einseitigen modernen Normverständnis. Innerhalb dieser Diskussion setzt sich Pilch intensiv, und von der Seite der Theorie kommend kritisch, mit einer rechtshistorischen Diskussion der letzten Jahrzehnte um den Begriff der Rechtsgewohnheit auseinander; er bezieht aber auch neue Erklärungsmodelle der Mittelalterhistoriker zu den Formen ritueller Konfliktbeilegung in der politischen Führungsschicht von Adel und Königtum (Gerd Althoff), sowie Erklärungsversuche vom Konzept der Ordnungskonfigurationen her (Stefan Weinfurter, Bernd Schneidmüller) in seine Überlegungen mit ein. ...
Ende November hat Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD) vorgeschlagen, das Grundgesetz zu ändern und darin ausdrücklich Kinderrechte zu verankern. Der Vorschlag befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Auf dem Verfassungsblog hat sich Friederike Wapler kritisch mit diesem Entwurf auseinandergesetzt und am Ende empfohlen, statt einer schlechten Grundgesetzänderung lieber gar keine zu verabschieden. Ich hingegen halte eine solche Grundgesetzänderung für ebenso sinnvoll wie möglich.
Die Welt des Rechts lässt sich heute nicht mehr so leicht in nationale oder internationale Sphären ordnen. Wo Lawmaker als private Akteure in einer globalisierten Ökonomie die Normen häufig nachhaltiger bestimmen als staatliches Recht, da ändern sich auch die Anforderungen an die Rechtswissenschaft.
Editorial
(2014)
Editorial
(2010)
Wohl jeder Jurist kennt Kants Satz, dass die einfache Frage "Was ist Recht?" den "Rechtsgelehrten […] in Verlegenheit" setze. Höchstens "[w]as Rechtens sei (quid sit iuris), d. i. was die Gesetze an einem gewissen Ort und zu einer gewissen Zeit sagen oder gesagt haben", schloss Kant an, könne dieser "noch wohl angeben". Selbst das ist, wie wir inzwischen wissen, mindestens sehr optimistisch formuliert: Denn "Rechtens" war eben nicht nur, "was die Gesetze" sagten. Und obwohl vor allem deutsche Gelehrte seit Jahrzehnten beträchtliche intellektuelle Energie auf die Erforschung "des Rechtsbegriffs" verschiedener historischer Situationen verwenden, erscheinen die Grundbegriffe von "Recht" einem geschulten Beobachter immer noch "viel weniger historisch durchgearbeitet als 'Staat'". ...
Für den Rechtshistoriker sind Konzilien vor allem Versammlungen, auf denen Konzilskanones – und damit eine der wichtigsten Quellen des kirchlichen Rechts – produziert werden. Besonders für die Verfassungsgeschichte des Spätmittelalters ist freilich schon lange die weit über diese Funktion hinausgehende Bedeutung der Kirchenversammlungen als Orte der symbolischen Repräsentation und der Kommunikation unterstrichen worden. Der folgende Beitrag knüpft an diese Überlegungen zu den Funktionen der Kirchenversammlungen an, widmet sich dabei allerdings einem Verfahren, das vor dem Dritten Provinzialkonzil von Lima 1582/1583 durchgeführt wurde – also einer von der kirchlichen Rechtsgeschichte generell nur wenig bearbeiteten Epoche und einer aufgrund der Missionssituation zahlreiche Besonderheiten aufweisenden Region. Gerade wegen der Missionssituation und der besonders engen Verbundenheit von Recht und Religion in der Neuen Welt verweist das Verfahren, in dem sich eine große Zahl Mestizen um die Zulassung zur Priesterweihe bemühte, darüber hinaus auf typische Praktiken der Kommunikation über Recht in der spanischen Monarchie des 16. Jahrhunderts. Einiges spricht dafür, dass sich an ihm nicht nur ein bislang praktisch unbekannter Teil der Aktivität der Konzilsväter rekonstruieren lässt, sondern zugleich Grundzüge einer sich zur Verfassung verdichtenden, Kirchliches und Weltliches unauflösbar integrierenden politischen Ordnung in einer wichtigen Region der polyzentrischen spanischen Monarchie im ausgehenden 16. Jahrhundert beobachtet werden können. ...
Verfassung und Verfassungsrecht in Lateinamerika im Licht des bicentenario : Einleitung zur Debatte
(2010)
Mit einem knappen Aufruf hatten wir zur Debatte "Verfassung und Verfassungsrecht in Lateinamerika im Licht des bicentenario" eingeladen. Uns schien, dass die anstehenden 200-Jahrfeiern zur Unabhängigkeitsbewegung in Lateinamerika dazu genutzt werden müssten, Fragen an die Rechtsgeschichte zu stellen und rechtshistorische Erfahrung in die Diskurse um Verfassung und Verfassungsrecht in Lateinamerika einzubringen. ...
Debattieren wir in der Rechtsgeschichte zu wenig über Grundsätzliches und über Methodenfragen – oder lässt sich im Gegenteil eine gewisse Ermüdung feststellen, weil die Vielzahl übergreifender Diskussionen nur von der Quellenlektüre und der inhaltlichen Arbeit ablenkt? Die Antwort fällt schwer. Im Anschluss an einige Gespräche auf dem Rechtshistorikertag in Tübingen haben wir uns entschlossen, in Rechtsgeschichte – Legal History den Raum für genau diese Erörterung zur Verfügung zu stellen. Um die Debatte anzustoßen, haben wir den einleitenden Beitrag über Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte an knapp 30 Kolleginnen und Kollegen versandt und sie eingeladen, ihre Sicht der Dinge knapp und zugespitzt darzulegen. ...
Den Auftakt zum Oxford Handbook of European Legal History machen fünf Beiträge, die unter der Überschrift "Approaches to European Legal History: Historiography and Methods" versammelt sind. Um sie in Beziehung zu setzen, habe ich im Folgenden drei Fragenkomplexe formuliert, die die gemeinsamen Aspekte dieses Quintetts abbilden. Die Beiträge werden in der Reihenfolge ihres Auftretens im Handbuch referiert. Zur Vermeidung von Redundanzen haben die Nachgeordneten im Wiederholungsfalle der Argumente das Nachsehen und werden "nur" als Verweis genannt.
Da es der rechtsgeschichtlichen Forschung um das Recht der Vergangenheit geht, ist sie in ihrer Epistemologie von der Existenzform des Phänomens Recht abhängig. Alles Recht ist gedanklicher Natur. Es handelt sich um die Überzeugung, dass für das organisierte menschliche Zusammenleben gewisse Regeln verpflichtender Art zu beachten sind, deren Verletzung mit einer Sanktion geahndet werden wird/soll. Wird Recht in einem objektiven Sinne ("Rechtsordnung") angesprochen, handelt es sich um ein Konstrukt. Überzeugungen sind als solche individuell. Eine "Kollektivüberzeugung" hat keine reale Existenz. Überindividuell handelt es sich um ein Kommunikationsgeschehen, in dem eine teilweise oder weitgehende Übereinstimmung darüber besteht oder hergestellt wird, was als Recht und was als Unrecht anzusehen ist. In fortgeschrittenen Gesellschaften nehmen an diesem Kommunikationsgeschehen Personen teil, die in verschiedenen Rollen mit Vertragsgestaltung, Streitentscheidung, Normerzeugung und akademischer (intergenerationeller) Normvermittlung befasst sind. Die überindividuelle Existenz von Recht als einem Gedankengebilde, das weithin übereinstimmend für zutreffend gehalten wird, ist ein Tatbestand, der angemessen nur wissenssoziologisch erfasst werden kann. ...
Große Rohstoffvorräte lagern in den Entwicklungsländern, doch ihre Ausbeutung führt in diesen
Ländern oft weder zu steigendem Wirtschaftswachstum noch zu verbesserten Lebensverhältnissen
der Bevölkerung. Von der Milliarde der ärmsten Menschen lebt fast ein Drittel in
den rohstoffreichen Ländern. Kann das transnationale Rohstoffrecht dazu beitragen, dass die
Verteilung gerechter abläuft und nicht nur die Investoren und Konsumenten der Nordhemisphäre
und der Schwellenländer von den Rohstoffen der Welt profitieren? Die Juniorprofessorin
Isabel Feichtner untersucht die Verteilungsgerechtigkeit im Rohstoffrecht.
Krisen als Normalität
(2020)
Es gibt in Krisenzeiten wenig Verlässliches. Doch auf eines kann man immer zählen: Irgendwann, und meistens früher als später, fällt der Begriff der Ausnahme oder einer seiner zahlreichen Verwandten. Hierzu gehört vor allem die große Schwester der Ausnahme: der Ausnahmezustand. Da unterscheidet sich die Corona-Krise nicht von der Eurozonenkrise, die Eurozonenkrise nicht von der globalen Finanzkrise und diese nicht von der durch die Terroranschläge vom 11. September ausgelöste Sicherheitskrise. Auch wenn wir über den Corona-Virus selbst nicht viel wissen, scheint vieler Orten Gewissheit darüber zu herrschen, dass wir derzeit im Ausnahmezustand leben. ...