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Im Folgenden sollen mehrere Gedichte Flemings vorgestellt werden, [...]. Anhand ihrer möchte ich einen Gemeinplatz der Forschung diskutieren, der besagt, dass Fle ming mit "verbundenen Augen gereist" sei. Damit ist gemeint, dass er seine Gedichte nur nach der literarischen Tradition ausgerichtet und dafür die Beschreibung von Natur und Menschen in Russland und Persien ausgespart habe. Dagegen werde ich einwenden, dass Flemings – unbestrittene – Ausrichtung nach der literarischen Tradition die Thematisierung der eigenen Erfahrung nicht unbedingt ausschließt. In diesem Zusammenhang lege ich mein Augenmerk auf die bisher unbeachteten Titel der jeweiligen Gedichte und zeige, dass über sie – und zwar mittels eines scharfsinnigen literarischen Bezugs auf Scaligers Epigramm-Theorie – ein direkter Bezug zu den Orten und Zeitpunkten der Reise aufgebaut wird. Dementsprechend sind die Gedichte aus dem kontrapunktischen Zusammenspiel von reisebezogenem Titel und (mehr oder weniger) reiseunabhängigen Versen zu lesen.
Die Ganzheit der Epoche
(2022)
Barbara Picht beschäftigt sich mit Ganzheitsvorstellungen, die dem Begriff der Epoche im modernen Geschichtsdenken zugrunde liegen. Ganzheit wie Einheitlichkeit betrachtet Picht dabei insofern als maßgeblich, als die Epoche einerseits über ausschließlich sie selbst charakterisierende Merkmale definiert werden solle, dabei andererseits aber auch solche Züge herauspräpariert werden müssten, die eine bestimmte Epoche mit anderen verbinde. Die Behauptung der Ganzheit einer Epoche sei in der Regel mit politischen Absichten verbunden. Zum Problem für die Integrität der Neuzeit als Epoche wird die für das moderne Geschichtsbewusstsein konstitutive Vorstellung einer 'offenen Zukunft'. Das schreibe dem Selbstverständnis der Neuzeit eine grundlegende Paradoxie ein. Die Neuzeit kenne zwar einen Anfang, könne aber in einer offenen Zukunft an kein Ende kommen und deshalb auch keine - ganze - Epoche sein. Diese Schwierigkeit erweist sich Picht zufolge jedoch als Glücksfall, denn die für das Ganze der Epoche prekäre Prozessualität habe eine "historiographisch produktive Dauerunruhe" ausgelöst.
Edition und Open Access
(2005)
Der Wiener Kanoniker Ladislaus Sunthaim, einer der um 1500 am historisch-genealogischen Forschungsprojekt Maximilians I. tätigen Gelehrten, wurde von Fritz Eheim - unter anderem in seiner leider ungedruckt gebliebenen Prüfungsarbeit am IfÖG 1950 - als einer jener reisenden Historiker in der Zeit des Humanismus porträtiert, die unter anderem in Klosterarchiven und -bibliotheken nach verborgenen Quellenschätzen fahndeten. Im Zeitalter von Kopie und Mikrofilm ist es wesentlich einfacher geworden, an entlegene handschriftliche Quellen zu kommen. Heutzutage macht sich der reisende Historiker auf den Weg, um in anderen Bibliotheken und Forschungsinstituten umfangreiche kommerzielle Datenbanken und digitale Sammlungen zu konsultieren, die sich die eigene Institution nicht leisten kann oder will, denn ein unkomplizierter Fernzugriff ist aus urheber- und lizenzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Im Allgemeinen werden als Stichwortgeber für Reuchlins "De verbo mirifico" der Florentiner Neuplatonismus und die Kabbala genannt, also die Platonica orientalia eines Pico della Mirandola und Marsilio Ficino. Dies ist sicher richtig, zeigt jedoch in meinen Augen nur einen kleinen Ausschnitt der zeitgenössischen und historischen Kontexte, mit denen Reuchlin arbeitet und die für seine Argumentation bezeichnend sind. Aus diesem Grund möchte ich aufzeigen, dass andere, nicht ganz so prominente theoretische Traditionen eine ebenso wichtige Rolle für seine Argumentation spielen: die Erkenntnistheorie des spätmittelalterlichen Neuplatonismus, dessen Auseinandersetzung mit der thomasischen Epistemologie und - das steht im Zentrum meiner Ausführungen - die frühneuzeitliche Skepsis (frühe Sextus Empiricus-Rezeption), die Reuchlin in den 90er Jahren, freilich ebenfalls im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit dem Florentiner Neuplatonismus, kennengelernt hat.
Expansion in die Natur : zum Verhältnis von "ars" und "natura" bei Paracelsus und im Paracelsismus
(2005)
Wenn Paracelsus Naturwissenschaft oder magica als eine Handlung definiert, die "aus ihr", der Natur, ist, diese aber "mer, dan" ihr selbst "zu zu legen ist", steigert und "bessert", dann geschieht dies auf Basis aristotelischer Argumente, die im 13. Jahrhundert auf neuplatonische Weise so kombiniert werden, daß die aristotelischen Vorgaben mit der Vorstellung einer aktiven sympathetischen Teilhabe des Menschen am Kosmos harmonisieren. Diese Überformung wird in der Frühen Neuzeit noch einmal weiterentwickelt. Es sind die protestantische Mystik mit und gegen Luther und die Auslagerung ihrer häretischen Tendenzen in die Naturwissenschaft, die der Theorie von der Steigerung der Natur aus ihrer Mitte die Bedeutung einer wechselseitigen souverinen Teilhabe verleihen.
Dieser Band versammelt Beiträge zu Generationenbeziehungen und Generationenkonzepten in der Vormoderne, die auf eine Tagung des DFG-Graduiertenkollegs 'Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und Mittelalter' in Bamberg zurückgehen. Die behandelten Untersuchungsgegenstände reichen von den antiken Diadochenreichen über die ottonische Königsfamilie des 10. und 11. Jahrhunderts bis zum frühneuzeitlichen Landadel Westfalens. Dabei werden historische, literaturwissenschaftliche und soziologische Fragestellungen aufgegriffen, um den Erkenntniswert des Konzepts 'Generation' interdisziplinär zu diskutieren.
Der von Ursula Kern herausgegebene Sammelband dokumentiert mit acht wissenschaftlichen Essays und einem ausführlichen Katalogteil den gegenwärtigen Stand der Forschung zu bürgerlichen Frauen in Frankfurt am Main zwischen 1750 und 1820. Der Band veranschaulicht die kulturellen, sozialen und ökonomischen Handlungsspielräume von bürgerlichen Frauen innerhalb einer städtischen Kultur, die ihnen den Zugang zur politischen Macht verwehrte.
Gegenstand dieses Aufsatzes sind die drei aufeinander aufbauenden Gedankenfiguren, die Descartes in den Meditationes (und teilweise in der Recherche de la vérité) einführt, um seine methodisch zu verstehende Theorie eines globalen Außenweltskeptizismus zu formulieren: Wahnsinn, Traum und Genius malignus. Ich werde argumentieren, dass einige der in der Forschung hervorgehobenen Bezüge, insbesondere die zur schönen Literatur und zur antiken Skepsis, diese Gedankenfiguren und ihre Verbindung untereinander nicht hinreichend historisch kontextualisieren. Vielversprechender scheint mir ein, ebenfalls in der Forschung vertretener, Erklärungsansatz zu sein, der auf die (spät-)mittelalterliche Debatte über die Potentia absoluta Gottes zurückgreift. Mit Bezug auf diese Traditionslinie lässt sich konstatieren, dass Descartes einen Sprung vom allmächtigen (und daher auch grundsätzlich der Täuschung fähigen) Gott des Mittelalters zum bösen Dämon vollzogen hat. In meinem Beitrag sollen nun dieser Sprung und vor allem der böse Dämon selbst ins Zentrum der Betrachtung gestellt werden. Dafür gilt es, auf die in der Frühen Neuzeit im Zusammenhang der Hexenverfolgung (bei Gegnern wie Verteidigern) diskutierte Dämonologie zurückzugreifen, genauer gesagt: auf einen universalen Topos über die Fähigkeit von Teufeln und Dämonen, mittels Eingriff in Fantasie und Sinne Sachverhalte vorzutäuschen. Berücksichtigt man, dass von diesen dämonischen Betrügereien gesagt wird, sie ähnelten einem Traum und funktionierten bei Schwachsinnigen am besten, so zeigt sich eine bemerkenswerte Parallele zu Descartes' Argumentation.
In der Forschung ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass dem Leser in Ludwig Tiecks "Der blonde Eckbert" (ED 1797) verschiedene Lesarten angeboten werden, die auf den ersten Blick streng voneinander getrennt scheinen, sich aber bei naherem Hinsehen als indifferent erweisen. In einem ersten Schritt soll in diesem Aufsatz eruiert werden, worin die verschiedenen Lesarten bestehen und wie sie miteinander verbunden sind, bevor eine besondere, nämlich die des (zeitgenössisch zu denkenden) Verfolgungswahns, herausgehoben und auf ihre hereditaren und kindheitsmemorialen Aspekte befragt wird; all dies unter besonderer Berücksichtigung der romantischen Allegorie, innerhalb deren die verschiedenen Lesarten angeboten werden.
Das vorliegende Themenheft vereint Beiträge, die sich mit literarischen und philosophischen Texten sowie dramatischen und musikdramatischen Werken aus einem historischen Zeitraum beschäftigen, der in etwa von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis ins frühe 18. Jahrhundert reicht und der hier - gemäß einer mittlerweile gut etablierten Begriffskonvention - als 'Frühe Neuzeit' angesprochen werden soll. Den Aufsätzen des Hefts, die von Wissenschaftlern und Nachwuchsforschern der Ruhr-Universität Bochum verfasst wurden, geht es unterdessen weniger darum, erneut eine Diskussion über diesen Begriff und den damit verbundenen Periodisierungsvorschlag zu führen, um dessen Tragweite auszuloten. Vielmehr möchten die Beiträge in Form ausgewählter Fallstudien einzelne Genres und Textsorten in den Blick nehmen, um anhand je spezifischer Fragestellungen deren jeweilige Gestaltungsformen, deren literarische und ästhetische Darstellungsmittel und Wirkungsweisen zu studieren.
Die folgenden Überlegungen gelten einer literarischen Gattung, die in ihrer Entstehungs- und Primärrezeptions-Phase für das 15. und 16. Jahrhundert von größter Bedeutung war und die darüber hinaus durch ihre spätere Verbreitung in Form von billigeren Drucken als „Unterhaltungsliteratur“ zum Leserrepertoire auch der folgenden Jahrhunderte gehören sollte: dem frühen deutschen Roman, zur Unterscheidung von seinen versifizierten höfischen Vorläufern unter der aus neuzeitlicher Sicht scheinbar tautologischen Bezeichnung „Prosaroman“ bekannt.
In diesem Aufsatz möchte ich den Zusammenhang zwischen pikturalen Kosmographien und kosmologisch argumentierenden Texten analysieren, die aus dem Bereich des Paracelsismus stammen, einem europaweit von Philosophen, Ärzten, Alchemikern und Literaten geführten Diskurs des 16. und 17. Jahrhunderts, dessen Gegenstand die Ars magica oder Magia naturalis ist, und der sich durch einen Rückgriff auf die Autorität Paracelsus legitimiert.
Wenn am Ende der Beschreibung von Simplicius' Begegnung mit den Teufeln davon gesprochen wird, dass die ganze Geschichte ein "Traum" gewesen sein könnte, dann rekurriert Grimmelshausen damit auf ein spezifisches Argument der sogenannten Imaginationstheorie, die Johann Weyer in seiner — im "Simplicissimus" übrigens erwähnten — Schrift "de praestigiis daemon[um]" von 1563 mit großem (leider nur diskursiven) Erfolg in die Hexendebatte eingeführt hat.
[...] Ich möchte [...] zeigen, dass sich die [...] Teufel der Gewalt nicht nur bei den einfachen Soldaten in den Schlachten und Überfällen des Dreißigjährigen Krieges finden lassen, sondern auch auf der anderen Seite der Machtpyramide: bei der Staatsmacht.
Der Essay thematisiert eine in der Frühen Neuzeit noch weit verbreitete Praxis des Schreibens: das Abschreiben von Texten. Bei näherer Betrachtung dieser Schreibpraxis im Kontext von Geschichtsschreibung zeigen sich unterschiedliche Motivationen und Funktionen des Abschreibens von Texten. Nach der ersten Fixierung einer Geschichte treten eine Reihe weiterer Schreibertypen in Erscheinung, die die Geschichte durch unterschiedlich starke Eingriffe in den Text, durch Kommentare oder auch durch Fortsetzungen transformieren. Die Praxis des Abschreibens selbst wie auch dessen unterschiedliche Funktionen in einer Epoche auch noch nach Erfindung des Buchdrucks stellen nicht nur eine klare Unterscheidung zwischen legitimer Nachahmung und illegitimem Plagiat in Frage, sondern relativieren auch die heute verbreitete Bewertung von Texten mit Begriffen wie Originalität und Kreativität.
Prodigien
(2016)
Gegenstand dieses Essays ist eine in der frühen Neuzeit weit verbreitete historische Kulturtechnik der Vorzeichendeutung, nämlich die Vorhersage der Zukunft aus Ereignissen oder Gegenständen, die nicht dem Lauf der Natur zu entsprechen scheinen. Der Oberbegriff für solche Abweichungen lautet zeitgenössisch Praesagium, oder, häufiger, Prodigium, das sich von dem Verbum defectivum 'aio', 'sagen', ableitet. Es geht demzufolge um im Gegenstand selbst befindliche Vorhersagen, die direkt oder indirekt auf Gott zurückgehen. Mit Prodigien werden meist ungewöhnliche Veränderungen im gestirnten Himmel bezeichnet, worunter z.B. das Auftauchen von Kometen oder Meteoren, aber auch Devianzen vom Lauf der Natur auf der Erde gehören, wobei unter Letzteren vor allem – und darum soll es hier besonders gehen – Monstren, also Missgeburten bei Tieren und Menschen, gefasst werden.
Das Thema des Monologs ist das Schreiben und Sprechen als
"närrische Sache". Ich beginne meine Lektüre, indem ich den Begriff wörtlich nehme: Ein Narr ist, in der Psychologie der Zeit, jemand, der an Melancholie leidet, dessen Verstand bzw. Vernunft jedoch nicht vollständig, sondern nur teilweise angegriffen ist. [...] Die Diagnose der Narrheit gilt auch [...] für denjenigen, der sich in Novalis' Augen der Sprache zuwendet. Auch er wird zum Narren oder Partialwahnsinnigen, der sowohl vernünftig als auch ganz und gar unvernünftig sprechen kann. Die Krankheit liegt aber, und das stellt eine Differenz gegenüber der Psychologie der Zeit dar, nicht im Sprechenden, zumindest nicht in ihm allein, sondern in der Sprache. Sie selbst ist es, welche die "närrische Sache" ausmacht.
Das vorliegende Themenheft vereint Beiträge, die sich mit literarischen und philosophischen Texten sowie dramatischen und musikdramatischen Werken aus einem historischen Zeitraum beschäftigen, der in etwa von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis ins frühe 18. Jahrhundert reicht und der hier - gemäß einer mittlerweile gut etablierten Begriffskonvention - als 'Frühe Neuzeit' angesprochen werden soll.
Den Aufsätzen des Hefts, die von Wissenschaftlern und Nachwuchsforschern der Ruhr-Universität Bochum verfasst wurden, geht es unterdessen weniger darum, erneut eine Diskussion über diesen Begriff und den damit verbundenen Periodisierungsvorschlag zu führen, um dessen Tragweite auszuloten. Vielmehr möchten die Beiträge in Form ausgewählter Fallstudien einzelne Genres und Textsorten in den Blick nehmen, um anhand je spezifischer Fragestellungen deren jeweilige Gestaltungsformen, deren literarische und ästhetische Darstellungsmittel und Wirkungsweisen zu studieren.
Weil Grenzen – ob reale, disziplinäre oder symbolische – Orte der Begegnung und Konfrontation sind, entstehen gerade in ihren Zwischenräumen vielseitige Dynamiken. Der Grenzraum zwischen Tier und Mensch ist der zentrale Ermöglichungsgrund und Austragungsort des Wandels der politischen Semantik in der Frühen Neuzeit. Für diesen Wandel spielen politische Schriften ebenso eine wichtige Rolle wie wissenschaftliche und literarische Texte. Benjamin Bühler geht den Grenzfiguren wie dem Hirten, Fuchs, Picaro oder der Bevölkerung im Feld des Politischen nach. Ausgangspunkt der Studie ist die These, dass die Verortung der politischen Akteure zwischen Tier und Mensch in Perioden des Umbruchs die Ausbildung und Erprobung neuer politischer Semantiken erlaubt.