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Über Maximilians I. "Ambraser Heldenbuch" (AH) ist eine Fülle von Spezialliteratur erschienen, die, rechnet man die überlieferungsgeschichtliche und textkritische Literatur einzelner Texte hinzu, fast einen eigenen Forschungsbericht verlangte. [...] Völlig unbefriedigend sind die bisherigen Erklärungsversuche zur Vorlagenproblematik. Hat es tatsächlich ein dem AH bis in Einzelheiten vergleiehbares Sammelwerk - das "Heldenbuch an der Etsch" - gegeben oder sind verschiedene Sammel- bzw. Einzelvorlagen Ried zur Abschrift vorgelegt worden? Wie alt waren diese Vorlagen, woher stammen sie und warum wurden alle Vorlagen - bis auf ein Fragment des Nibelungenliedes - vernichtet?
Es gehört zur Dialektik der Aufklärung bereits im 18. Jahrhundert, daß [die] Rationalisierungen des Leibes eine Fülle von sowohl ästhetischen wie medizinischen Kritiken und Alternativen hervortrieb, von denen hier ein Strang näher charakterisiert werden soll, nämlich die Leibkonzepte, die auf vormoderne Semiotiken des Körpers zurückgehen, auf hermetische medizinische Traditionen zumal. Kann man die mechanistische Medizin und moralische Disziplin als Strategien der "Entsemiotisierung" verstehen, so zeigen sich am Ende des Jahrhunderts und dann in der Romantik Spuren einer "Resemiotisierung" des Leibes. In heutiger Perspektive interessiert sie darum, weil, wie Thure von Uexküll vermutet, wir an die Grenze des naturwissenschaftlichen Paradigmas der Medizin gestoßen sind und uns in der Phase der Vorbereitung eines neuen, nämlich semiotischen Paradigmas befinden.
In der sehr alten Deutungsgeschichte der Melancholie gibt es um 1475 eine dramatische Szene, von der Panofsky/Saxl in ihren bahnbrechenden Forschungen zur "Melencolia" von Albrecht Dürer berichten: der hermetische Neuplatoniker Marsilio Ficino klagt in einem Brief seinem Freund Giovanni Calvacanti, daß er nicht ein noch aus wisse und verzweifelt sei; dies ginge auf die mächtigen und düsteren Einflüsse des Saturns auf seinen Geist und sein Gefühl zurück. Saturn - das ist hier der maligne Stern, der fernste des Planetensystems, der Gott des Dunklen, Kalten und Schweren; rätselhafte, schwer entzifferbare Gottheit der Zeit; uralter Flurgott oder auch der gestürzte und kastrierte Uranide. Viele, auch widersprüchliche Traditionen fließen in der Semantik des Saturns zusammen. Innerhalb der Astralmedizin ist der Saturn der Regent der schwarzen Galle, der Milz, der kalten, trockenen Erde. Diese Komplexion aus Astrologie, Elementenlehre, Anatomie und Humoralpathologie bildet den Typus des melancholischen Temperaments. ...
Aus den Elementen schuf die Göttin der Liebe, Aphrodite, unsere "unermüdlichen Augen", lehrt Empedokles. Und "das das Herz umströmende Blut ist dem Menschen die Denkkraft". Wie der Körper beschaffen ist, so wächst dem Menschen das Denken. Aristoteles berichtet, daß die alten Philosophen, ausdrücklich Empedokles, Denken und Wahrnehmen für dasselbe gehalten hätten. Aus Elementen sind wir gemischt wie die Dinge, und so nehmen wir die Dinge wahr im Maß, wie sie auf Verwandtes in uns treffen. Im Inneren des Auges ist Feuer, umgeben von Wasser, Erde, Luft. Aus dem Auge wird das Feuer als Sehstrahl auf die Dinge entsandt, und so entsteht das Sehen. Umgekehrt fließen von den Dingen feine Abdrücke ab: wenn sie auf die Poren der Sinnesorgane passen, so werden sie wahrgenommen; passen sie nicht, wird nichts wahrgenommen. So fließt zwischen Leib und Dingen nach der Passung der Poren ein ständiger Strom des Gleichen zum Gleichen. "Denn mit der Erde (in uns) sehen wir die Erde, mit dem Wasser das Wasser, mit der Luft die göttliche Luft, aber mit dem Feuer das vernichtende Feuer, mit der Liebe die Liebe, den Streit mit dem traurigen Streite." (Capelle, 236) Einem solchen Denken ist Personalität, Identität des Subjekts fremd. Zwischen Natur und Mensch besteht kein Bruch, sondern ein Strömen des Gleichen und Verwandten. Kein qualitativer Sprung zwischen Leib und Geist. "Denn wisse nur: alles hat Vernunft und Anteil am Denken" (Capelle, 239) - denn zwischen Göttern, Menschen und den "vernunftlosen" Tieren besteht eine "Gemeinschaft des Lebens und der gleichen Elemente", Verwandtschaft folglich durch jenen umfassend einzigen "Lebenshauch, der die ganze Welt durchdringe". ...
1775. Auf der Schweizer Reise, die den Werther-Goethe bis auf den Gotthardt führt. Vom Gipfel aus sieht er Italien lockend vor sich. Noch aber ist die "Heimat" ihm "das unentbehrlichste Element" (HA X, 150)1, und Goethe wagt nicht den Schritt über die Alpen. Auf dieser Reise mit den "Haimonskindern" (den Brüdern Christian und Friedrich Leopold von Stolberg sowie dem Grafen Kurt von Haugwitz alle vier in Werther-Kleidung) baden die jungen Männer in Schweizer Seen und Flüssen – "halb nackt wie ein poetischer Schäfer, oder ganz nackt wie eine heidnische Gottheit" (ebd. 153). Man kann sich denken, daß die braven Schweizer ob dieser nackten Götter Griechenlands aus Deutschland empört sind. Doch an einsamen Orten mögen sie "beim Anblick und Feuchtgefühl des rinnenden, laufenden, stürzenden, in der Fläche sich sammelnden, nach und nach zum See sich ausbreitenden Gewässers" "der Versuchung nicht zu widerstehen", dennoch "die Kleider abzuwerfen und sich kühnlich den schäumenden Stromwellen entgegen zu setzen" (ebd.). Der alte Goethe kommentiert diese "Frechheit" als "wildes, unbändiges, ja heidnisches Naturell" (ebd., 154). Rebellischen Rousseauismus, "Sturm und Drang"-Attitüde mag man von heute her geistesgeschichtlich diese Episode nennen. Genauer ist es die Entdeckung der Lust des badenden, schwimmenden, mit dem Element Wasser frei und erotisch verbundenen Leibes. Der nackte, erotische Körper und das Wasser, das ihn umrinnt, überstürzt, weich umspielt, erfrischt leicht macht, erquickt und ein "wildes, teils von der Kühlung, teils von dem Behagen aufgeregtes Lustjauchzen" weckt. Das ist gegen die moralische Enge der gesitteten, aufgeklärten, leibfeindlichen Lebensverhältnisse, denen die schäumenden Jünglinge entflohen sind, der Protest des erotischen Körpers im Namen der Antike. Noch genauer als in der moderaten, von sich selbst ablenkenden Erzählung in Dichtung und Wahrheit erkennt man dies in den fiktiven Briefen aus der Schweiz von 1796 ...
Wir alle kennen den Bestand der Szene: "ein schöner Augusttag des Jahres 1913", meteorologisch bestimmt; eine Stadt in der Physiognomie futuristischer und kubistischer Bilder; ein dynamisches Feld aus Geräuschen, Bewegungen, optischen Zeichen, Rhythmen, Verdichtungen, Bündelungen, Auflösungen, Serien und Sprüngen, Leerstellen und Häufungspunkten, Energieflüssen und Statiken; und darin plötzlich "eine quer schlagende Bewegung", der berühmte Unfall, eine Synkope in der diffusen Ordnung der Dinge, ein "Loch" ins Bodenlose oder ein aufflackernder Irrsinn; dann die Entsorgung des "verunfallten" Verkehrsteilnehmers durch die "Rettungsgesellschaft", die Schließung der Lücke, das Weiterfließen der augenblickslang unterbrochenen Energieströme. Und die Menschen? "Fußgängerdunkelheit bildete wolkige Schnüre", ein Kraftfahrer "grau wie Packpapier", ein "Mann, der wie tot dalag", ein flanierendes Paar, dessen Identifizierung als Personen versucht und sogleich storniert wird, ein Paar, gesichtslos wie Figuren auf Bildern August Mackes, Skizzen aus sozialen und sprachlichen Stereotypen; selbst die "feinen Unterschiede" (Bourdieu) sind differentielle Effekte des Feldes, nicht der Inkommensurabilität von Personen. Es scheint, "daß sich ein gesetzliches und ordnungsmäßiges Ereignis vollzogen habe". Es scheint so. ...
"Machet euch die Erde untertan! " (Gen I, 28) - damit wird keineswegs die heutige Form naturbeherrschender Technik durch Gott selbst schon vorab legitimiert. Die Agrarkultur, die dem Jahwisten bei diesem Satz vorschwebte, zielt nicht auf ein dominium terrae, gar auf despotische Herrschaft des Menschen über Natur. Auch bei den frühen christlichen Exegeten findet sich keine Stütze für einen christlichen Auftrag zur Naturbeherrschung im technischen Sinn. Die privilegierte Stellung des Menschen ruht weniger auf einem NaturAuftrag als auf seiner Einzeichnung in den heilsgeschichtlichen Plan Gottes. Auch der stoische Gedanke einer teleologisch auf das Wohl des Menschen hin eingerichteten Welt enthält keinen Schub zu einer technischen Entwicklung. Im Gegenteil: die Natur, wie sie ist, ist vollständig und bedarf nicht der technischen Umarbeitung zu ihrer Vervollkommnung. Bei Aristoteles wird die Mechanik gegenüber der Physik, die durchaus ein kontemplatives Verhältnis zur Natur beschreibt, deutlich abgewertet. Natürlich: man hatte Sklaven oder niedrige Handwerker, die die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf einem gleichbleibenden Niveau der instrumentellen Technik erledigten. Für die antike Welt, deren theoretische und praktische Kenntnisse eine erste technische Revolution durchaus ermöglicht hätten, bleibt deshalb charakteristisch, was Hanns Sachs die "Verspätung des Maschinenzeitalters" genannt hat. ...
Das Misstrauen gegen den schönen Klang der Versdichtung ist alt, und das Bedürfnis nach der Prosa (…) dient einerseits der Vergewisserung, daß die lateinischen Vorlagen ohne versbedingte Erweiterung und Veränderung wiedergegeben werden, andererseits der Abgrenzung der geistlichen Lehre von der höfischen Dichtung mit ihrem auf die Erzählung bezogenen Wahrheitsanspruch. (…) Neben Predigt und Traktat (…) wird im 15. Jahrhundert dann die Legende zur wichtigsten Gattung geistlicher Prosa. Die geistliche Prosa unseres Zeitraums ist sowohl traditionell wie neu: neu in der Rhetorik und Anschaulichkeit Bertholds von Regensburg, neu in der aus höfischer Sprache hochgetriebenen erotischen Bildlichkeit Meister Eckharts. Daß seine „Verantwortung“ mystischer Erfahrung vor allem durch den Bedarf an mystischer Erbauung formelhaft vererbt und zersetzt wurde, gehört zum vielfältigen und bunten Bild der geistlichen Prosa.
Wie keine andere Erzählung Kleists läßt sich "Der Findling" explizit als Sequenz von 'Vorfällen' lesen. Sieben Mal wird dieser Begriff in der Erzählung als Gliederungsakzent verwendet [...], nicht mitgerechnet der Gebrauch der verbalen Form, etwa bei der Frage: 'was vorgefallen
sei' [...]. Die zeitgenössische Konjunktur des Wortes 'Vorfall' ist in der Medizin, Kriminalistik und der ihr nahestehenden Publizistik zu beobachten, und selbstredend ist dieser Begriff auch dem auf aktuelle Polizeinachrichten bedachten Herausgeber der Berliner Abendblätter, Heinrich von Kleist, geläufig.
This paper is the second in a series arguing for a discourse·based analysis of grammatical relations in Chinese in which there is a direct mapping between semantic role and grammatical function, and there are no relation-changing lexical rules such as passivization that can change that mapping. The correct assignment of semantic roles to the constituents of a discourse is done by the listener purely on the basis of the discourse structure and pragmatics (real world knowledge). Though grammatical analyses of certain constructions can be done on the sentence level, the sentence is generally not the central unit for understanding anaphora and grammatical relations in Chinese. Two related arguments are presented here: the question of 'subject' and the structure of discourse developed from an analysis of the nature of discourse referent tracking.
Im Falle jenes Textes, dem die (...) Überlegungen gelten sollen, handelt es sich freilich um eine fatale Verknüpfung von Umständen, die seiner editorischen Erschließung entgegenwirken, obwohl der ‚Ritter vom Thurn’ mit zu den erfolgreichen und immer wieder neu aufgelegten Werken der frühen Druckgeschichte zu zählen ist: (...) Der autobiographische Fiktionsrahmen um seine Übersetzung des ‚Livre du Chivalier de la Tour pour l’enseignment de ses filles’ wird durch die Existenz der Töchter Elsa und Jakobea (...) bestärkt.
Die Rezeption der französischen Adelskultur endet mit dem 12. Jahrhundert, wobei doch eine spürbare Überlegenheit des Westens erhalten bleibt. Aber es hat sich ein Selbstbewusstsein entwickelt, das es erlaubt, bewußter eigene Wege zu gehen. (...) [Das zeigt Volker Mertens] exemplarisch bei Wolfram von Eschenbach (...).
Die Grimms, Wagner und wir
(1988)
Wenn [Jacob] Grimm in seiner frühen Schrift „Über Mythos, Ethos und Geschichte“ das Verhältnis von Mythos zur Geschichte als das des Schicksals zur Freiheit deutet, so hat gerade in der „Deutschen Mythologie“ die Tür dafür geöffnet, umgekehrt den Mythos als Möglichkeit zur Freiheit zu verstehen, als Spiel und nicht als Terror (...). Jacob Grimm war, wenn nicht der Reflexion, so doch der Sache nach Prästrukturalist, und damit machte er die aktive Mythenkonzeption und -produktion für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich und – vermittelt vor allem durch den Mythenbaumeister Wagner und die permanente Auseinandersetzung mit seinem Werk – auch für unsere Zeit.
Wer 1784, nur fünf Jahre vor der großen Revolution und mitten in der großen Bewegung der Aufklärung, zu Christian Gottlieb Jöckers Allgemeinem Gelehrten-Lexicon mit Fortsetzungen und Ergänzungen von Johann Christoph Adelung griff, konnte unter dem Buchstaben C folgenden Eintrag finden: "Cäsar, (Johnnes Baptista,) Syndicus zu Frankfurt um Main, legte aber sein Amt nieder, wegen des damahligen Judentumults. Er hat unter dem Namen Vespasiani Rechtani den Judenspiegel drucken lassen, und die Judenbadstube angehängt, worin er erwiesen daß die Juden höchst schädliche blutsaugende Thiere und Verräther des Vaterlandes und gar nicht zu gedulden seyn ...". Der doppeldeutige Anschluß hat schon seinen Sinn, denn nicht nur in seinem Judenspiegel "beweist" Cäsar die Minderwertigkeit und Schädlichkeit der Juden, sondern vor allem mit seinem Wiederabdruck von "Der Juden badstub. Ein anzeygung jrer manigfeltigen schedlichen hendeI zuo Warnung allen Christen/jren trieglichen listigkeyten zuo entweychen vnd zuo uermeyden", die 1535 zum ersten Mal im Druck erschienen war. Es bedurfte auch fast 250 Jahre später keines erklärenden Hinweises, was mit diesem Wort "Judenbadstube" gemeint sei - offenbar konnte Adelung noch immer darauf vertrauen, daß des bis heute unbekannten Philips von Allendorf dingallegorische Ausdeutung der Abläufe in einer spätmittelalterlichen Badestube jedem Gebildeten, der in seinem Lexicon Rat suchte, bekannt war. Diese Tatsache allerdings bedarf der Erklärung....
The semantics of gradation
(1989)
The term 'gradation' is meant to cover a range of phenomena which for the time being I shall call quantitative evaluations regarding dimensions or features. I shall actually be looking into the principles governing the way gradation is expressed in language. The quantitative aspect of the adjectives of dimension occupies a key position which can be systematically explained and this aspect will be the crucial point of the discussion. I shall focus on the various grammatical forms of comparison: comparative, equative, superlative and some related constructions, and indications of measurement and adverbial indications of degree.
It is by now a weIl-known topic in semantics that there are striking similarities between the meanings of nominal and verbal expressions, insofar as the mass:count distinction in the nominal domain is reflected in the atelic:telic distinction in the verbal domain (cf. Leisi 1953, Taylor 1977, Bach 1986, to cite just a few authors). However, these supposed similarities have not be made explicit in formal representations.
Nominalreferenz, Zeitkonstitution, Aspekt, Aktionsart : eine semantische Erklärung ihrer Interaktion
(1989)
In der vorliegenden Arbeit berichte ich über den Erklärungsansatz, den ich im Rahmen einer modelltheoretischen Semantik zur Beschreibung dieses Phänomens entwickelt habe. Ich konzentriere mich hierbei auf die zugrundeliegende Motivation und die intuitive Charakterisierung dieser Theorie. Leser, die an den Einzelheiten der Durchführung und an weiteren Anwendungsmöglichkeiten der Theorie interessiert sind, seien auf Krifka (1987, 1989) verwiesen: ein forschungshistorischer Abriß zu alternativen Theorien findet sich in Krifka (1986).
Während die Tannhäuser- und die Bremberger-Ballade keine direkten Beziehungen zum Minnesang aufweisen, ist das im Moringer-Lied anders: hier singt der Held zwei Strophen eines Liedes, das durch die Liederhandschriften A, C und E als Lied Walthers von der Vogelweide bezeugt ist, das sogenannte „sumerlaten-Lied“. Es hat damit die längste ununterbrochene Wirkungsgeschichte eines mittelhochdeutschen Liebesliedes: der jüngste nachweisbare Druck stammt aus dem Jahre 1605 (…). Die lange produktive Rezeption des Liedes (…) [nimmt Volker Mertens] zum Ausgangspunkt (…) [seiner] Überlegungen und (…) [arbeitet sich] durch die Tradition zurück: von der Ballade zum Text der Hs. B (dazu kommt der Vergleich von B mit dem, was der Balladen-Autor daraus gemacht hat) bis zu dem komplexen Text, wie ihn die Handschriften A und C überliefern. Über das Verständnis der Eigenart der späten Texte und der on ihnen aktualisierten Valenzen des ältesten Textes will (…) [Volker Mertens] dann abschließend dessen Mehrdimensionalität erschließen.
Das Merkmal der Vielstimmigkeit mag für Rühmkorfs auf Rede und Gegenrede angelegtes essayistisches, kritisches und polemisches Schreiben, das sich mitunter als sprechendes Fechten im literarischen Handgemenge zeigt, unstrittig sein; zu Anfang seines lyrischen Schaffens jedoch war für die Lyrik Dialogizität ein mehr als ungewöhnliches Ansinnen; es war geradezu provokant. Denn Lyrik, vornehmlich moderne Lyrik, war festgelegt auf "poetische Monologizität".
Auch wenn sich die Theorien über die Entstehung unseres Sonnensystems widerstreiten, auch wenn der Übergang von der anorganischen Materie zum organischen Leben nicht restlos geklärt ist, auch wenn es umstritten sein mag, welche unserer Vorfahren bereits zur Gattung Mensch gerechnet werden können, so gibt es doch keinen hinreichenden Grund, die Vorstellung einer durchgängigen Evolution der Natur in Zweifel zu ziehen. Dieses nachdarwinsche Weltbild ist uns so selbstverständlich geworden, daß es uns schwerfällt, einen Begriff von Natur uns zu vergegenwärtigen, in dem geschichtliches oder gar evolutives Denken keinen Platz hat. Die Vorstellung, daß die Natur eine Geschichte hat, lag aber dem Altertum fern. Auch wenn der jüdisch-christliche Mythos von einer Schöpfung der Natur und ihrer endlichen Zerstörung berichtet, so betraf dies zwar die Heilsgeschichte des Menschen, führte aber keineswegs zur Vorstellung einer in geschichtlichen Zeiträumen sich vollziehenden Schöpfung. Der Mensch war zwar in die Zeit hineingestellt, aber durch Sündenschuld und Erlösung dazu berufen, eines Ewigen Lebens teilhaftig zu werden. Das Buch der Natur, die Betrachtung der wandelbaren Dinge auf der Erde, wie die Betrachtung der unwandelbaren Gesetze am Himmel, konnten gleichermaßen nur gelesen werden als Spiegel dieser seiner Bestimmung. Von der endgültigen Auflösung dieses Weltbildes, von den damit verbundenen Erschütterungen und von der Herausbildung unseres heutigen genetisch-evolutiven Weltbildes handelt das Thema "Die Verzeitlichung der Natur". [...] Die Überlegungen sind in drei Teile untergliedert, die zugleich ein Nacheinander von Typen literarischer Naturerfahrung repräsentieren sollen. Der erste Teil hat den Titel "die Zeitlichkeit der Natur als Bedrohung und als Glückserfahrung"; das zweite Kapitel lautet: "Das Scheinen der an sich verlorenen Natur" und das dritte "Die Geschichtlichkeit der Natur als Erdleben".
Daß die Fachbegriffe der Literaturwissenschaft so unterschiedlich klar sind, hat mir ihrer ganz verschiedenen Reichweite, ihrem ganz unterschiedlichen Gegenstandsumfang zu tun. Zwar wollen alle diese Begriffe Ordnungen in die Welt der literarischen Erscheinungen hineintragen, sie uns gliedern, sortieren, überschaubar machen, aber es ist nicht dasselbe, ob es sich dabei um einen Korpus bloß von Wörtern und Sätzen handelt, zwischen denen es offen zutage liegende Übereinstimmungen gibt, oder um einen Korpus von ganzen Werken, deren einzige sichere Gemeinsamkeit zunächst vielleicht nur die ist, daß sie dem gleichen Jahrhundert entstammen. Ist in dem einen Fall der Begriff nur der identifizierende Name für eine so oder so zu erkennende Gesetzmäßigkeit (weshalb hier auch oft für dieselbe Erscheinung gleichzeitig deutsche wie fremdsprachliche Ausdrücke zur Verfügung stehen), so ist er in dem anderen Fall so etwas wie das Summenzeichen eines weitläufigen und vielleicht nie ganz abgeschlossenen Erkenntnisprozesses, auf das man zum Zwecke der Verständigung gleichwohl nicht verzichten kann. Es nützt in diesem Falle deshalb auch nichts, wenn man sich bei Unklarheiten nur mit dem Begriff selbst beschäftigt. Der Versuch, ihn 'genauer zu definieren', wie es dann heißt, führt in der Regel nur dazu, daß er sich von diesem Erkenntnisprozeß ablöst und damit seine Signifikanz erst recht verliert. Gesichert werden kann ein solcher Begriff - soweit er sich überhaupt sichern läßt - nur dadurch, daß man die Ursachen der Unklarheit aufdeckt, daß man also in die Geschichte des Begriffes zurückgeht und noch einmal prüft, in welchen Grenzen seine Bedeutung festliegt und von wo an es mit dem Verständnis und Einverständnis schwierig wird.
"DER ZECH. So heißt ein in Kohlenbergwerken lebender Höhlenkäfer, wo er das einförmige Geräusch. der Spitzhacke mit seinem guten Takte begleitet. In den belgischen Gruben nannten die dortigen Leute den Zech auch Verhaeren." Als Franz Blei 1922 in seinem "Großen Bestiarium der modernen Literatur" den Schriftsteller Paul Zech karikierte. konnte er voraussetzen. daß seine Leser die Anspielung auf Zechs charakteristisches Thema verstanden. Wie kein anderer in Deutschland galt Zech Anfang der zwanziger Jahre als Dichter der industriellen Arbeitswelt, besonders des Bergbaus. Doch seine literarische Laufbahn ist durch die nationalsozialistische Herrschaft unterbrochen. die Wirkung des Werks nachhaltig gestört worden. Heute ist er aus dem allgemeinen literarischen Bewußtsein fast verschwunden und, wenn überhaupt, eher durch Neuveröffentlichungen des späteren Exilwerks bekannt.
Der Beitrag des Medizinhistorikers U. Benzenhöfer analysiert den "Paracelsus"-Film des Regisseurs Georg W. Pabst aus dem Jahr 1943. Laut Drehbuch (Kurt Heuser) sollte Paracelsus als "deutscher Arzt" charakterisiert werden. Der Regisseur versuchte jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach, Elemente regimekritischer Gesinnung im Film unterzubringen.
Daß die Deutung eines Textes meist vor einem anderen Text erfolgt, den der Deutende schon verstanden hat, dieses Phänomen (von der hermeneutischen Konstellation, daß immer auf einen Fragehorizont hin gedeutet wird, klar zu unterscheiden) läßt sich in der schmalen Forschungsgeschichte zu Goethes »Unterhaltungen« darum besonders gut erkennen, weil die »Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten« selbst bei denen, die sie schätzen, als ein Werk geringeren Gewichts gelten und also der Anlehnung auf jeden Fall bedürfen.
Glatthafer-Wiesen besiedeln hinsichtlich der Wasserversorgung mittlere Standorte. Sie finden sich auf mäßig trockenen bis frischen oder leicht wechselfeuchten Böden. Das Nährstoffangebot kann abhängig von den natürlichen Gegebenheiten oder der Bewirtschaftung (Düngung) sehr verschieden sein, was sich in einer großen Variabilität der Bestände verschiedener Standorte ausdrückt. So gehören Wiesen stark eutropher, kräftig gedüngter Böden ebenso der Assoziation an wie magere, physiognomisch von diesen stark abweichende Bestände armer Standorte, die zu den Borstgras-Rasen (Violion caninae) vermitteln.
Die Wälder des Verbandes Quercion robori-sessiliflorae sind im ozeanisch-subozeanischen Europa verbreitet; nach Osten werden sie von Nadelwäldern, namentlich von Kiefern-Wäldern des Verbandes Dicrano-Pinion Matuszkiewicz 1962 mit kontinentalborealem Areal abgelöst (Matuszkiewicz 1962, 1984). Die Quercion-Wälder besiedeln in Hessen nur kleine Flächen und sind im wesentlichen auf Sonderstandorte beschränkt.
Der Verband Calthion ist durch eine Reihe von Kenn- und Trennarten gut charakterisiert, von denen in unseren Vegetationsaufnahmen allerdings nur Myosotis palustris und Lychnis flos-cuculi mit hoher Stetigkeit vorkommen. Obwohl gut entwickelte Calthion-Bestände sehr artenreich sind, verfügen nur wenige Gesellschaften des Verbandes über eigene Charakterarten, die ihnen Assoziationsrang verleihen.
Die in diesem Kapitel behandelten Pflanzengesellschaften der Klassen Artemisietea Lohmeyer, Preising & Tüxen in Tüxen 1950 und Chenopodietea Braun-Blanquet in Braun-Blanquet & Mitarbeiter 1952 (ausgenommen: Ackerunkrautgesellschaften der Ordnung Polygono-Chenopodietalia Tüxen & Lohmeyer in Tüxen 1950, vergleiche dort) besiedeln vom Menschen geschaffene oder zumindest beeinflußte Standorte, die allerdings weder forst- noch landwirtschaftlich genutzt werden. Die Amplitude der Eigenschaften dieser Standorte ist groß: sie reicht von feucht bis trocken, von nährstoffreich bis nährstoffarm, von schattig bis sonnig; entsprechend hoch ist die Zahl der Ruderalpflanzengesellschaften. Unser Aufnahmematerial repräsentiert nur einen kleinen Ausschnitt dieser Vegetationsvielfalt: Viele Assoziationen, aber auch einige Verbände sind durch die Aufnahmen nur unzureichend oder gar nicht dokumentiert. Wir möchten daher auf folgende Arbeiten aufmerksam machen, in denen Ruderalpflanzengesellschaften
Hessens beschrieben werden: Knapp (1961, Vegetation der Eisenbahnanlagen), Knapp (1963, 1977, Ruderalvegetation ländlicher Gebiete), Knapp & Stoffers (1962, Uferstaudenvegetation), Dierschke (1973, 1974, nitrophytische Saumgesellschaften), Kienast (1978), Hülbusch (1979), Krah (1988, (Ruderalvegetation der Stadt Kassel), A. Fischer (1988, Ruderalvegetation der Stadt Gießen).
Die Unkrautgesellschaften der Getreideäcker werden in der Klasse Secalietea zusammengefaßt, die sich in drei Verbände untergliedert: Das Caucalidion lappulae Tüxen 1950 mit den Segetalgesellschaften basenreicher Böden, das Aperion spicaeventi Tüxen in Oberdorfer 1949 der Bestände mehr oder weniger sauerer Standorte und das Lolio-remoti-Linion Tüxen 1950 mit den in Hessen ausgestorbenen Unkrautgesellschaften der Leinäcker.
Im folgenden werden 7 Segetalgesellschaften beschrieben (Tabelle 2), die einen Überblick über die meisten der in Hessen auftretenden Vegetationstypen der Getreideäcker geben. Untereinheiten der Assoziationen werden auf der Grundlage unseres begrenzten Aufnahmematerials nicht unterschieden.
Die im Vergleich mit den Getreideäckern späte Bodenbearbeitung und Bestellung der Felder, auf denen Hackfrüchte und Mais kultiviert werden, führt zur Entwicklung eigenständiger Unkrautgesellschaften. Diese Bewirtschaftung begünstigt die Ausbildung von Pflanzenbeständen mit einem hohen Anteil von Wärmekeimern, die erst im fortgeschrittenen Frühjahr auflaufen. Auf den Getreideäckern werden diese Arten von der zu dieser Jahreszeit schon recht dichten Vegetation durch Beschattung und Konkurrenz zurückgehalten oder gelangen teilweise gar nicht zur Keimung. Die späte Bodenbearbeitung hat andererseits zur Folge, daß Unkräuter, die unter niedrigen Temperaturen oder sehr kurzen Tageslängen keimen und vor allem für Wintergetreideäcker bezeichnend sind, nach der Bestellung kaum mehr auflaufen und den Hackfruchtflächen weitgehend fehlen.
Steinschutt- und Geröllgesellschaften besiedeln mehr oder weniger bewegte Halden aus Fein-, Grob- oder Blockschutt. Nur Pflanzen, die über genügend Reservestoffe verfügen, können nach ihrer Keimung aus den tieferen, feinerdereicheren Schichten der Halden bis zu den oberen Stein-Luft-Schichten durchstoßen. Zahlreiche Steinschutt- und Geröllpflanzen haben sich durch die Fähigkeit zur Internodienstreckung unter Lichtmangel diesen spezifischen Bodenverhältnissen angepaßt. Ein ausgedehntes und tiefreichendes Wurzelsystem dient den Haldenbewohnern sowohl zur Verankerung auf den bewegten Standorten als auch zur ausreichenden Wasserversorgung. Mehrere Arten zeichnen sich darüberhinaus durch eine hohe Regenerationsfähigkeit nach Verletzungen aus (vergleiche Jenny-Lips 1930: 138f., Wilmanns 1978: 125).
Die Klasse Rhamno-Prunetea-spinosae umfaßt Hecken- und Gebüschgesellschaften trockener bis frischer Standorte. Dies können sowohl natürliche Gehölzbestände sein als auch Ersatzgesellschaften von Wäldern der Klasse Querco-Fagetea (einschließlich der submediterranen Flaumeichen-Wälder). Während natürliche Gebüsche sehr selten an Extremstandorten auftreten, auf denen die Entwicklung eines Waldes nicht möglich ist, oder sich ebenso selten an natürlichen Waldgrenzen - beispielsweise an Flüssen oder Felskanten - finden, sind sekundäre anthropogene Bestände in Form von Sukzessionsgebüschen, Waldmänteln und Hecken viel häufiger und in allen Landschaften Mitteleuropas anzutreffen.