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"Zentrum und Peripherie". Internationale Konferenz des Germanistenverbandes der Tschechischen Republik an der Schlesischen Universität in Opava, 25.-27. Mai 2016
Die internationale Tagung Zentrum und Peripherie wurde vom Germanistenverband der Tschechischen Republik und der Abteilung für Germanistik am Institut für Fremdsprachen der Schlesischen Universität in Opava veranstaltet. Das Organisationsteam aus Opava bestand aus Dr. habil. Gabriela Rykalová, Dr. habil. Veronika Kotůlková und Dr. Miroslav Urbanec. Fast hundert FachteilnehmerInnen aus der Tschechischen Republik, Deutschland, Österreich, Polen, der Slowakei, Spanien, der Türkei und Ungarn konnten in Opava begrüßt werden, außerdem VertreterInnen des DAAD, der Deutschen Welle, des Österreichischen Kulturforums Prag sowie Germanistikstudierende verschiedener Universitäten. Im Rahmen der Konferenz fand auch die Mitgliederversammlung des Germanistenverbands der Tschechischen Republik statt.
"wo ist dem Tier sein End?" : das Politische, das Poetische und die Tiere in Hofmannsthals "Turm"
(2016)
In Hofmannsthals "Turm"-Projekt gibt es viele Tiere. Dies gilt für alle vier Fassungen. Nimmt man Begriffe wie Jagd, Reiten und Kreatur hinzu, dann lassen sich allein in der zweiten Fassung ungefähr 170 Tiererwähnungen nachweisen. Die mit Abstand größte Tierdichte findet sich dabei im ersten Auftritt des ersten Aktes, gefolgt vom zweiten Auftritt des zweiten Aktes. Offenbar sind die Tiere für die Entfaltung der Problemlage, wie sie in der ersten Hälfte des Dramas vorgenommen wird, wichtiger als für die Lösungen des Problems, die mit den verschiedenen Enden des Dramas angeboten werden. Bei der Entfaltung der Problemlage spielen die Tiere deshalb eine so zentrale Rolle, weil in ihnen zwei Themen aufeinander bezogen werden, die zum Kernbestand des "Turm"-Projekts gehören: die Frage des Politischen und die Frage des Poetischen. Um die damit gegebene trianguläre Beziehung von Politik, Metapher und Tier wird es im Folgenden gehen.
Als im Januar 1904 die von Paul Nikolaus Cossmann, Josef Hofmiller und Wilhelm Weigand konzipierten "Süddeutschen Monatshefte" in München zu erscheinen beginnen, handelt es sich dabei um eine der letzten großen Neugründungen im Feld der reichsdeutschen Rundschaupublizistik vor Beginn des Ersten Weltkriegs. Trotz ihres verhältnismäßig späten Erstpublikationsdatums hatte die Zeitschrift eine offenkundige Lücke innerhalb der Münchner Presselandschaft geschlossen. Darauf weist bereits der Germanist Franz Muncker hin, wenn er die "Süddeutschen Monatshefte" in einer Rezension aus Anlass ihres fünfjährigen Jubiläums als die "erste Münchner Monatsschrift" charakterisiert - und damit keineswegs nur den führenden Rang der Zeitschrift herausstreicht.
Der Druck auf CDU-Generalsekretär Peter Tauber nimmt zu: Er soll Kritiker der Flüchtlingspolitik beschimpft haben.
Ende November soll er Kanzlerin Merkel mit den Worten verteidigt haben, wer nicht für sie sei, "sei ein Arschloch".
Tauber kann sich an diese Worte nicht erinnern, entschuldigt sich aber, sollte er sie tatsächlich ausgesprochen haben. ...
"Wellenformen" : die Leistung mathematischer Modellbildung für Akustik, Physiologie und Musiktheorie
(2016)
Im Jahr 1857 hält Hermann von Helmholtz einen Vortrag 'Ueber die physiologischen Ursachen der musikalischen Harmonien', in dem er erstmals Ergebnisse seiner akustischen und hörphysiologischen Forschungen einer akademischen Öffentlichkeit vorstellt. Dabei bilden die Untersuchungen und Experimente, die Helmholtz im Rahmen seiner Tätigkeit als Professor für Anatomie und Physiologie an der Universität Bonn durchgeführt hat, Grundlage und Ausgangspunkt einer umfassenden Neukonstitution von Wissenszusammenhängen, in deren Zuge ältere Wissensbestände arrondiert, im Lichte neuer Erkenntnisse bewertet, erweitert, neu gefasst und in ausgearbeiteter Form sechs Jahre später unter dem Titel 'Die Lehre von den Tonempfindungen' veröffentlicht werden. In den einleitenden Worten seines Vortrages aus dem Jahr 1857 verweist Helmholtz in diesem Kontext auf einen Aspekt, der ihm offenkundig von großer Signifikanz zu sein scheint:
"Es hat mich immer als ein wunderbares und besonders interessantes Geheimnis angezogen, dass gerade in der Lehre von den Tönen, in den physikalischen und technischen Fundamenten der Musik, die unter allen Künsten in ihrer Wirkung auf das Gemüth als die stoffloseste, flüchtigste und zarteste Urheberin unberechenbarer und unbeschreiblicher Stimmungen erscheint, die Wissenschaft des reinsten und consequentesten Denkens, die Mathematik, sich so fruchtbar erwies."
Bemerkenswert an dieser Aussage ist nicht, dass Musik und Mathematik in eine enge Beziehung zueinander gesetzt werden - hier kann Helmholtz auf eine über zweitausendjährige Tradition der wechselseitigen Elaboration beider Bereiche verweisen -, sondern dass Darlegungen, die auf die systematische Durchdringung der Zusammenhänge zwischen akustischen, physiologischen, psychischen, musiktheoretischen und ästhetischen Phänomenbereichen zielen, ihren Ausgangspunkt in der Mathematik nehmen. Diesen Leistungen, die mathematisches Denken für die Untersuchung und Explikation dieser Zusammenhänge erbringt, möchte der folgende Beitrag nachgehen. Es wird sich zeigen, dass eine spezifische mathematische Operation für das Verständnis von akustischen und physiologischen Prozessen modellbildend wirkt und über verschiedene Applikationswege hinweg neue Impulse der Systematisierung von Wissensbeständen setzt.
Unter deutschen Handschriften, die in tschechischen Archiven und Bibliotheken aufbewahrt werden, findet man zahlreiche Überlieferungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Fachliteratur. Ein Teil dieser Texte ist in Böhmen und/oder in Mähren entstanden und ist auf die jahrhundertelange Zweisprachigkeit und das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen auf diesem Gebiet zurückzuführen. Ein beträchtlicher Teil der überlieferten Fachliteratur wurde jedoch anderswo geschrieben. Diese Werke, die auf verschiedene Art und Weise nach Böhmen oder Mähren gelangten, können heute als Zeugen der engen Kontakte zwischen tschechisch- und deutschsprachigen Ländern in der Vergangenheit angesehen werden.
"Vielfältige Konzepte - Konzepte der Vielfalt: Interkulturalität(en) weltweit". Internationale Tagung der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik e.V. (GiG) in Ústí nad Labem und Prag, 04.-09. Oktober 2016
Vom 4. bis 9. Oktober 2016 fand in Ústí nad Labem und in Prag die Jahrestagung der GiG in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Germanistenverband unter der Schirmherrschaft des Kulturministers der Tschechischen Republik Mgr. Daniel Herman, des Regionspräsidenten von Ústí nad Labem Herrn Oldřich Bubeníček, des Rektors der J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem doc. RNDr. Martin Balej, Ph.D., der Oberbürgermeisterin der Stadt Ústí nad Labem Frau Ing. Věra Nechybová und der Stadträtin der Hauptstadt Prag Ing. Irena Ropková statt. Die wissenschaftliche Leitung hatten Dr. habil. Renata Cornejo (Ústí nad Labem), Prof. Dr. Manfred Weinberg (Prag) und Prof. Dr. Gesine Lenore Schiewer (Bayreuth) inne.
"Toleranz kommt vor Glückseligkeit" : eine Zeitreise mit der Tugend des gegenseitigen Respekts
(2016)
Toleranz ist gerade da nötig, wo sie besonders schwerfällt. Das war schon vor gut 300 Jahren so, als Denker wie der französische Philosoph Pierre Bayle in Zeiten religiöser Auseinandersetzungen den Grundstein für ein fortschrittliches Toleranz-Verständnis legten. Warum der Begriff gerade heute wieder Konjunktur hat und wie umstritten er noch immer ist, erläutert der politische Philosoph Rainer Forst im Gespräch mit Bernd Frye.
In einem vielbeachteten Aufsatz hat die in Berkeley lehrende Rechtshistorikerin Karen M. Tani 2012 die Aufmerksamkeit auf "rights as a language of the state" gerichtet. Konträr zur gängigen These, nach der welfare rights erst in den 1960er Jahren in die politisch-soziale Sprache Eingang fanden, weist Tani nach, dass schon in den Jahren des New Deal und der Präsidentschaft Franklin Delano Roosevelts (1933–1945) von rights im Feld der public assistance die Rede war. Freilich richtete sich dieser Wortgebrauch nicht eigentlich an die Klientel und spielte auch vor den Gerichten keine Rolle, vielmehr entstand der Diskurs um ein Recht auf öffentliche Fürsorge in der rasch wachsenden staatlichen Wohlfahrtsbürokratie und hatte hier die Funktion, die social workers vor Ort mit einer einheitstiftenden und motivierenden Sprache auszustatten. Darüber hinaus half die Rede von den rights den Aktivisten in den Arbeiterorganisationen und den Organisationen der racial minorities dabei, das hergebrachte Denkmuster, nach dem Staatshilfe zu einer degradierenden Abhängigkeit führe, zu durchbrechen: Wer Rechte in Anspruch nimmt, sieht sich als Bürger ernst genommen und nicht als Bittsteller, der seine Unabhängigkeit verliert. Rights language konnte von der New Deal-Bürokratie zudem auch eingesetzt werden, um den dual federalism, der den Zentralstaat und die Einzelstaaten in einem latenten Gegensatz zueinander sah, in einen cooperative federalism zu verwandeln – wobei der Zentralstaat als Hauptfinanzier des entstehenden Wohlfahrtsstaates natürlich in der Vorhand war: Die Rede von den rights war zuallererst "the language of an ambitious national state". ...
Sowohl unter VertreterInnen der Medien und der Sprachwissenschaft als auch unter sogenannten "SprachpflegerInnen" sind Sprachmoden ein durchaus frequentes - um nicht zu sagen "modernes" - Thema, wobei gerade Jugendliche und ihr Sprachgebrauch häufig zum Ausgangspunkt der Betrachtung gemacht werden: Lexikalische Auffälligkeiten und strukturelle Abweichungen im Sprachgebrauch der Jugendlichen zeigen starke Varianz und Fluktuation, die deutliche Indikatoren für sprachliche Modeerscheinungen sein können. Der folgende Beitrag soll Moden im Sprachgebrauch Jugendlicher in Österreich betrachten und der Frage nachgehen, ob diese nur kurzfristig bestehende Phänomene darstellen oder zu Sprachwandelprozessen führen können. Zu Beginn werden der Untersuchungsgegenstand "Jugend" näher betrachtet sowie wichtige Einflussfaktoren und Umstände in dessen Kontext angeführt. Anschließend sollen mögliche Sprachmoden in der Kommunikation unter Jugendlichen vorgestellt und erläutert werden. Die Ausführungen beziehen sich auf die im Projekt Jugendsprache(n) in Österreich erhobene Datengrundlage.
"Sinn - Unsinn - Wahnsinn. Beispiele zur österreichischen Kulturgeschichte". Tagung der Franz Werfel-Stipendiat(inn)en in Wien, 18.-19. März 2016
Das Franz Werfel-Stipendium des Österreichischen akademischen Austauschdienstes (OeAD) wendet sich an junge Germanist(inn)en und UniversitätslehrerInnen, die sich an ihren Heimatuniversitäten in der ganzen Welt schwerpunktmäßig mit der österreichischen Literatur beschäftigen. Als Plattform der ehemaligen sowie aktuellen Franz Werfel-Stipendiat(inn)en an den österreichischen Universitäten wird die alljährliche Franz Werfel-Tagung veranstaltet, die sich jeweils einem Thema aus der österreichischen Literatur widmet. Die Konferenz findet unter der Betreuung der Wiener Germanistin Konstanze Fliedl statt.
"Raum Gefühl Heimat - Literarische Repräsentationen nach 1945". Internationale Tagung an der Universität des Baskenlandes in Vitoria-Gasteiz, 23.-25. September 2015
Nach einem einleitenden Vortrag von Thomas Anz (Marburg) über literarische Techniken der Emotionalisierung in der Repräsentation protoypischer Räume und Szenarien widmeten sich die Vortragenden aufbauend auf den theoretischen Grundlagen des Spatial und Emotional Turns aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Foki dem Tagungsthema.
Drei einleitende Abschnitte, die Mörikes Dingpoetik und Aspekte der Dingliteratur generell erschließen, führen im Folgenden hin zu einer Neuinterpretation seines Märchens Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Zunächst soll die gesamte Bandbreite der in Mörikes Dichtung verwendeten Dinge vorgestellt werden, danach werden die poetologischen Gründe für ihre Prominenz in seinem Werk erhellt. Drittens soll die Affinität von Ding und Spruch beziehungsweise Sprichwort beleuchtet werden. Erst nach diesen Vorläufen ist es möglich, den spezifischen Einsatz wundermächtiger Dinge im Stuttgarter Hutzelmännlein ausführlicher zu thematisieren. Hier kann und soll schließlich gezeigt werden, auf welche artistische und zugleich hochnotpeinliche Weise Mörike mit seinem Märchen eine Antwort zu geben versuchte auf die Herausforderung, die die Moderne und der poetische Realismus an das Wunderbare stellten.
Eine Dichterfreundschaft hat zwischen Gerhart Hauptmann und Paul Ernst nicht bestanden, nicht einmal eine kontinuierliche persönliche Beziehung. Dennoch soll hier kein abstrakter Vergleich zwischen zwei Autoren unternommen werden, deren Werke vielleicht zu einer bestimmten Form der Zusammenschau einladen, sondern ist tatsächlich die Rekonstruktion der Bedeutung geplant, die die beiden Generationsgenossen über einen längeren Zeitraum füreinander hatten. Es geht um die wechselseitige Wahrnehmung und Bewertung ihrer Positionen und Personen einschließlich der zugehörigen biographischen Voraussetzungen, und es kann keinesfalls überraschen, dass dabei die Momente der Kritik und Ablehnung, ja Abstoßung überwiegen. Denn natürlich stehen Gerhart Hauptmann und der vier Jahre jüngere Paul Ernst für unterschiedliche literarische Richtungen. Die Literaturgeschichte verbucht den einen als prominentesten Repräsentanten des Naturalismus im deutschen Sprachraum, den anderen als Begründer und charakteristischsten Vertreter der gegen diesen Naturalismus gerichteten neuklassischen Bewegung. Eine andere unsere heutige Auffassung bestimmende Differenz und Disproportionalität ist damit eng verbunden: Während dem Dramatiker Hauptmann schon in jungen Jahren spektakuläre öffentliche Aufmerksamkeit und ökonomische Prosperität zuteil wurden, die auch alle späteren Fehlschläge überstanden, ist Paul Ernst, der sich - jedenfalls bis 1918 - gleichfalls in erster Linie als Dramatiker verstand, zu Lebzeiten nie aus seiner Nischenexistenz herausgetreten.
Zwei Überlegungen haben die Wahl des Gegenstandes bestimmt. Die erste ist pragmatisch-systematischer Art. Als die Denkschrift Geisteswissenschaften heute 1991 den von ihr ins Auge gefassten Wissenschaften "als Kulturwissenschaften eine neue Perspektive" vorzeichnete und dazu "Kultur" als "Inbegriff aller menschlichen Arbeits- und Lebensformen" charakterisierte, hat sie zumindest hierzulande eine Welle zuvor ungesehener transdisziplinärer Gegenstandsbestimmungen, Forschungsparadigmen, Projekte und Professurdenominationen ausgelöst. Dies alles hat entschieden über frühere Rahmen wie Cultural Studies, Sciences de la culture oder (für in Deutschland so genannte 'Fremdphilologien') Landeskunde hinausgegriffen und hinausgeführt. Entsprechend den vielfältigen Aspekten, die 'Kultur' zu bieten vermag, stehen deren Erkundung tendenziell kaum endliche Räume offen. Neue und bedeutende Erkenntnisse über jeweils besondere Ordnungen "des geselligen Verkehrs der Menschen" und die darin wirkenden "Absichten" wurden und werden erarbeitet. Die Folge von 'turns', die nicht selten auf ernste Erkenntnis zielen, mit deren Propagierung aber auch Aufmerksamkeit, Netzwerke und Drittmittel für einzelne Bereiche dieser Arbeit geschaffen werden sollen, ist beeindruckend. Nicht alle Beteiligten möchten andererseits die aus dem 19. Jahrhundert hergebrachte Organisation der Wissenschaft in voneinander getrennten Disziplinen überhaupt in Frage gestellt sehen - seien es deren Vertreter selbst, die das Bewährte als zu Bewahrendes betrachten, seien es die Administratoren nach älteren Mustern gewirkter Universitäten, die Finanz- und Stellenpläne sparversessen weiter oder wieder so zu stricken suchen wie bisher. Extremistische Tendenzen entweder zum Aufgeben der Disziplinen zugunsten kleinteiliger Gegenstandsbereiche oder zur Rücknahme der kulturwissenschaftlichen Öffnung, zum Beispiel zugunsten einer erneuten Rephilologisierung, sind in Wissenschaftsgremien und Wissenschaftsverwaltungen unverkennbar.
"Marie von Ebner-Eschenbach. Básnířka tří staletí / Dichterin dreier Jahrhunderte 1830 - 1916 - 2016". Internationale Tagung in Brno, 21.-23. April 2016
Über Fächer-, Sprach- und Landesgrenzen hinweg wurde bei der Konferenz Marie von Ebner-Eschenbach. Básnířka tři staletí/ Dichterin dreier Jahrhunderte (1830 - 1916 - 2016) in Brno (Brünn) vom 21. bis zum 23. April 2016 das Leben und Werk der in Mähren geborenen österreichischen Schriftstellerin beleuchtet. Vom sozialhistorischen Ansatz über die Werkanalyse bis hin zur Präsentation der Tagebücher war die Konferenz eine vielfältige Demonstration des regen Interesses an dem Forschungsgegenstand.
Der Familien- oder Generationenroman durchlief seit seiner deutschsprachigen Prägung durch Thomas Mann zwei Schübe oder "[B]oom[s]": Auf die Welle der sogenannten 'Väterliteratur' oder 'Väterbücher' der 1970er und 80er-Jahre folgte ungefähr ab Ende der 90er-Jahre eine abermalige Konjunktur der Gattung im Umfeld neu aufgeflammter Debatten über 'Vergangenheitsbewältigung', die 'Enkelperspektive' auf den Nationalsozialismus und über 'Germans as victims'. Vergegenwärtigt man sich die ungebrochene Popularität dieser aktuellen Erscheinungsform des Generationenromans, so erstaunt der prominent auf dem Buchcover platzierte Untertitel von Christoph Geisers 2013 erschienenem Roman 'Schöne Bescherung': Dieser sei 'kein Familienroman', heißt es dort. Gesetzt wird diese peritextuelle Lektüreanweisung noch dazu ausgerechnet von einem Autor, der mit seinen frühen Texten Grünsee (1978) und Brachland (1980) die vielleicht wichtigsten Familienromane der jüngeren schweizer Literatur schuf.
Statt den Untertitel zu 'Schöne Bescherung' vor diesem Hintergrund zu problematisieren, buchte ihn das Feuilleton tendenziell als nicht weiter erläuterungsbedürftig ab und taxierte den Roman gar als Schlussstein einer veritablen "Familientrilogie". Schöne Bescherung will aber eben - anders als die formalästhetisch konventionelleren frühen Romane Geisers - explizit und dezidiert 'kein Familienroman' (mehr) sein. Der Text stellt sich also keineswegs in ein Verhältnis der Kontinuität zu Brachland, dem nächstälteren Roman der angeblichen "Familientrilogie". Vielmehr kommuniziert er noch vor seinem Incipit, eben durch den trotzigen Untertitel, einen kuriosen gattungsbezogenen Abgrenzungswillen. Dieser soll im Folgenden ernstgenommen werden.
Auf nur 25 Seiten schuf Tacitus gegen Ende des 1. Jahrhunderts »Germania« und damit auch das Volk der Germanen, das so gar nicht existierte. In der Antike lebten auf diesem Territorium völlig unabhängig voneinander vielerlei Stämme. Warum zeichnete Tacitus das positive Bild eines unverdorbenen, kampfeslustigen Naturvolks? Wollte er damit den dekadenten Römern einen Spiegel vorhalten? Wollte er vor den starken Gegnern im fremden Norden warnen, gegen die die Römer nicht wieder zu Felde ziehen sollten?
"Grenzüberschreitungen: Migration und Literatur aus der Perspektive der Literatursoziologie". Tagung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, 20.-21. Juni 2016
Die zeitgenössische Literaturproduktion reagiert seit Längerem auf Thematiken wie Kulturkonflikte, Fremdheit, Einwanderung und Migration. Das Forschungsprojekt Literature on the Move untersuchte die Migration von Autor(inn)en nach Österreich und deren Möglichkeiten bzw. Schwierigkeiten beim Eintritt in das Feld der österreichischen Literatur. Es wurde der Versuch unternommen, die Rahmenbedingungen, die Struktur und die Konsequenzen literarischer Produktion miteinander in Beziehung zu bringen und mit Hinblick auf die literarischen Texte zu analysieren.
"Globale - Festival für grenzüberschreitende Literatur" in Bremen, 25. Oktober - 15. November 2016
(2016)
"Globale - Festival für grenzüberschreitende Literatur" in Bremen, 25. Oktober - 15. November 2016
Das Festival für grenzüberschreitende Literatur verwandelte auch dieses Jahr die Stadt Bremen drei wochenlang in einen Begegnungs- und Diskussionsort für alle literarisch Interessierten mit einem vielfältigen Programmangebot an Lesungen von Autoren und Autorinnen, die die Grenzüberschreitung verbindet. Denn die Intention des Festivals ist, wie die diesjährige Festivalleitung Prof. Dr. Elisabeth Arend und Libuše Černá im Vorwort des umfangreichen Programmhefts betonen, eine Literatur vorzustellen, die sich mit "den Federn fremder Herkünfte" schmückt, "viele Zungen" spricht und "dabei deutsch" ist.
"Gewalt und Sprache". Internationale SUNG-Tagung an der Comenius-Universität in Bratislava, 30. Juni - 2. Juli 2016
Anlässlich des 25. Jahrestages seiner Gründung veranstaltete der Verband der Deutschlehrer und Germanisten der Slowakei (SUNG) eine Konferenz, die sich thematisch auf das Verhältnis von Gewalt und Sprache konzentrierte. Veranstaltungsort war die Philosophische Fakultät der Comenius-Universität, Mitveranstalter der dortige Lehrstuhl für Germanistik, Nederlandistik und Skandinavistik. Die Konferenz stellte zugleich die zwölfte Tagung des Verbandes dar.
Es ist bereits verschiedentlich in der Forschung zu Paul Celans Gespräch im Gebirg auf die Reminiszenzen an die Figur des 'ewigen Juden' hingewiesen worden; nicht nur in Rekurs auf Büchners im Text explizit als Prätext markiertes Romanfragment Lenz, sondern auch unter Verweis auf ein im Literaturarchiv Marbach aufbewahrtes, noch unter Verschluss gehaltenes Konvolut aus Celans Nachlass, das den Titel "Der ewige Jud" trägt. Aufgrund von dessen reichhaltigen intertextuellen Bezügen bezeichnet Karin Lorenz-Lindemann das Gespräch im Gebirg auch als Palimpsest. An diese Beobachtungen möchte ich im Folgenden anschließen und das Gespräch im Gebirg im Horizont eines von den Gebrüdern Grimm überlieferten Sagenstoffs mit dem Titel 'Der Ewige Jud auf dem Matterhorn' sowie dessen Bearbeitungen durch Ludwig Bechstein betrachten und diese als wichtige prätextuelle Ebene identifizieren. Im Zentrum meiner Überlegungen steht dabei die besondere Form dieser Adaption, die durch die Verschiebung der Erzählperspektive einen jüdischen Sprecher an die Stelle der antisemitischen Erzählerstimme treten lässt.
Transylvania was not exempt from the witch hunt of the 17th century; the city of Sibiu itself witnessed a series of trials and death sentences. While the phenomenon itself has been widely studied and written about in Western Europe, it has been scarcely mentioned in Romanian history works. The original documents from the Transylvanian archives, written down in German, have not been translated and presented to the Romanian public. The present paper intends to present aspects of the witch hunt in Sibiu during the 17th century starting from the case of a midwife judged and condemned to death by burning in 1692. This case will be presented through the original documents of the trial, found in the National Archives of Sibiu and containing the depositions of witnesses, of the accused herself, as well as the sentence passed. We hope that this will be the starting point for a selection and translation into Romanian of the German written documents, in order to make them available to the Romanian speaking public.
Janina Schmiedel nimmt die Synthese von romantischen und vormärzlichen Schreibweisen und das gleichzeitige Ineinander von Poetischem und Politischem in Heinrich Heines lyrischem Werk in den Blick. Anhand des Zyklus' "Neuer Frühling", der die zweite große Sammlung "Neue Gedichte" (1844) einleitet, zeigt sie, wie der von Heine nie vollständig vollzogene Abschied von der Romantik mit seinem Schreiben des Politischen (in den 30er und 40er Jahren) korrespondiert.
"Diachrone Interkulturalität". Tagung der Universität Luxemburg, 17.-19. November 2016
Ziel der Tagung "Diachrone Interkulturalität" war einerseits eine stärkere Anbindung der interkulturellen Forschung an ästhetische und literaturwissenschaftliche Fragestellungen, andererseits auch die Erweiterung eines bislang vorwiegend gegenwartszentrierten Theoriediskurses um die diachrone Betrachtungsweise: "Im aktuellen Theoriediskurs wird jedoch inzwischen häufiger darauf hingewiesen, dass eine Beschränkung der Interkulturalitätsforschung auf Globalisierungsphänomene zu kurz gegriffen ist und die Notwendigkeit einer Historisierung besteht. In diesem Sinne intendiert die Tagung eine Erweiterung des Forschungsfeldes im Zeichen des Diachron-Geschichtlichen und damit auch eine Komplexitätssteigerung eines häufig undifferenziert gedachten Interkulturalitätsbegriffes."
"Der Turm" und der Krieg
(2016)
"Vor dem Turm. Vorwerke, halb gemauert, halb in Fels gehauen. Zwischen dem Gemäuer dämmerts, indessen der Himmel noch hell ist." Die Szenenbeschreibung zu Beginn von Hofmannsthals Trauerspiel "Der Turm" skizziert eine düstere, unbehagliche Situation. Ein wuchtiges Hindernis stellt sich da in den Weg, zur Hälfte von Menschenhand gebildet, zur anderen aus der Natur genommen. Dunkle Konturen, die sich eben erst, im Licht der Dämmerstunde, zu neuen Formen ordnen. Vom Blick der Herannahenden erfasst wird das massive Bollwerk im Vorfeld eines beeindruckend aufragenden Verlieses, jenes titelgebenden Turmes, der hier buchstäblich seinen Schatten voraus wirft.
Räumliche Lage und dramaturgischer Zeitpunkt treten zu einer doppelt bestimmten Schwellenposition zusammen, beide befinden sich vor dem Turm. Es sind Kriegszeiten, das Leben ist karg, die Söldner murren, sind aufgewühlt. Soldaten "auf Grenzbewachung" durchstreifen das Gelände.
"[D]ie ganze Welt stürzt zusammen", schrieb Hofmannsthal am 26. November 1918 an Ottonie Gräfin Degenfeld. Drastisch schildert er das massenhafte Sterben an der Grippeepidemie in Wien ebenso wie die Angst vor Arbeiteraufständen, vor Schießereien und Plünderungen, vor freigelassenen Kriegsgefangenen und Kriminellen. Hofmannsthal hatte im k.u.k. Kriegspressequartier den Weltkrieg als Verteidigung der Kultur propagandistisch unterstützt. Spätestens nach dessen Ende erschien ihm wie vielen seiner Zeitgenossen der Weltkrieg als eine Katastrophe bisher unbekannten Ausmaßes, die alle materiellen wie geistigen Bereiche der Kultur fundamental averänderte. Seine ungeheure Zerstörungskraft kündigte einen Umbruchsprozess an, der zu einer völligen Neukonfiguration der politischen und ökonomischen Kräfteverhältnisse, des individuellen Selbstverständnisses und der kollektiven sozialen Beziehungen führte. Wie Mathias Mayer bemerkt, war dementsprechend für Hofmannsthal die "Konfrontation von Chaos und Ordnung" das zentrale "Problem der Nachkriegszeit".
Ich äußere mich hier nicht als Hofmannsthal-Experte und bin auch seit langem nicht mehr hauptberuflich Philologe. Dennoch habe ich gern den Vorschlag angenommen, hier etwas beizutragen, weil "Der Turm" auch von großem theatertheoretischen Interesse ist. Zudem hatte ich mich immer wieder mit dem Dichter Hofmannsthal zu beschäftigen, zumal mit den frühen lyrischen Dramen, die in die Genealogie des postdramatischen Theaters der Gegenwart gehören. Das letztere ist keineswegs, wie oft geargwöhnt wird, per se textfeindlich, nur weil es eine Fülle überraschender neuer Theatermöglichkeiten jenseits des klassischen Modells einer Dramen-Aufführung entdeckt hat. Im Gegenteil kennt es von Peter Handke bis Heiner Müller, von Elfriede Jelinek bis Sarah Kane großartige zeitgenössische Theatersprachen, die allerdings nicht mehr dem Modell der dramatischen Repräsentation entsprechen. Sie entfernen sich mehr oder weniger weit von der tradierten Spannungslogik des dramatischen Theaters, ohne es doch gänzlich zu verlassen, während umgekehrt Künstler wie Robert Wilson, Jan Lauwers, Jan Fabre, Claude Régy und andere Bühnenidiome von komplexer 'poetischer' Art schaffen.
In ihrem Gespräch beschäftigen sich Prof. Dr. Bekim Agai, geschäftsführender Direktor des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam, und Ulrike Jaspers, Redakteurin von "Forschung Frankfurt", mit dem Wahrheitsanspruch der Religionen, der Debattenkultur in Deutschland, der jungen islamischen Theologie, den fundamentalistischen Strömungen und anderem mehr.
Die Deutschen traten »sich selbst immer ein wenig fremd gegenüber «, schreibt der Frankfurter Mittelalter-Historiker Johannes Fried in seinem Buch »Die Anfänge der Deutschen«, das deren »ethnische Taufe« vom späten 8. bis zum 12. Jahrhundert in den Blick nimmt. Das viel beachtete Werk, das nach 20 Jahren in einer überarbeiteten Neuausgabe vorliegt, lässt sich mittlerweile auch als Kommentar zur aktuellen Diskussion um eine angebliche Bedrohung »eigener« Werte lesen. Bernd Frye sprach mit Prof. Dr. Johannes Fried über ein Volk, das seinerseits aus fremden Elementen und Einwanderungsprozessen erwachsen ist.
'Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit', dieser Titel sowohl eines Films von Alexander Kluge aus dem Jahr 1985 als auch eines Songs der Hamburger Pop-Band 'Blumfeld' von 1992, scheint einen zentralen Aspekt einer weit verbreiteten soziokulturellen Problemwahrnehmung des 20. Jahrhunderts auf den Punkt zu bringen. Die zeitgenössische Verhandlung dieses Problems soll in den folgenden Ausführungen für die theoretische Rahmenerzählung einer Genese der Historischen Semantik nutzbar gemacht werden.
"Concordia domi, foris pax" : zur sprichwörtlichen Mehrsprachigkeit der Rhetorik Helmut Schmidts
(2016)
In den zahlreichen Büchern Helmut Schmidts, die in Sammelbänden auch seine Interviews, Reden und Aufsätze enthalten, spielen fremdsprachliche Phraseologismen eigentlich nur eine kleine Rolle. Dieser Beitrag enthält im Prinzip alle aufgefundenen Belege, was deutlich zu erkennen gibt, dass Helmut Schmidt im Vergleich zu Otto von Bismarck und Willy Brandt seine lateinischen und englischen Sprachkenntnisse weniger unter Beweis stellt. Französisch fehlt wegen seiner Unkenntnis der ehemals so bedeutenden Diplomatensprache fast völlig, während sich die beiden aussagekräftigen lateinischen Sprichwörter "Concordia domi, foris pax" und "Salus publica suprema lex" als gewichtige Leitmotive der politischen Rhetorik Schmidts erweisen. Erwartungsgemäß vertritt die moderne lingua franca des Angloamerikanischen die Mehrsprachigkeit Schmidts am deutlichsten. Zusätzlich zu englischen Zwillingsformeln und Redensarten kommt es hier in der Tat zu einer Reihe von englischen und amerikanischen Sprichwörtern, die eine erhebliche kommunikative Funktion übernehmen. Zweifelsohne hätte Schmidt deutschsprachige Äquivalente finden können, doch will er offensichtlich seine Betrachtungen zur politischen Situation in Deutschland, Europa und der Welt durch angloamerikanische Sprichwortweisheiten international untermauern. Dafür gab es vormals Latein und Französisch, doch hat nuneinmal die englische Weltsprache diese Rolle im modernen Zeitalter übernommen.
Die naturwissenschaftlichen Diskurse des 19. Jahrhunderts sprachen neben den 'Bildern' von einer ganzen Reihe weiterer Dinge, welche Wissensgegenstände repräsentieren konnten, auch ohne Modelle im damaligen Sinn zu sein. Weite Verbreitung fanden im 19. Jahrhundert in dieser Funktion insbesondere die Begriffe der 'Analogien', 'Interpretationen' und der 'Systeme' von wirklichen oder gedachten Dingen. Die Beispiele, die mit solchen Begriffen verbunden waren, sind häufig für die Wissenschaftsentwicklung von substanzieller Bedeutung gewesen. Sie stehen aber, wie ich im Folgenden andeuten möchte, für ganz unterschiedliche Formen und Funktionen der abstrakten Repräsentation. Den Begriff 'abstrakte Repräsentation' verwende ich hierbei etwas vage und naiv als schlichten Oberbegriff für verschiedene Weisen, einen Komplex von wissenschaftlich interessierenden Dingen oder Sachverhalten durch etwas anderes darzustellen und für die wissenschaftliche Praxis zu thematisieren, ohne dabei auf materielle, anfassbare Dinge zurückzugreifen, wie dies die 'Modelle' in der Sprache des 19. Jahrhunderts taten. Zugleich soll dadurch ('pace' Wittgenstein und unangesehen der inflationären Verwendung des Modellbegriffs seit Mitte des 20. Jahrhunderts) vermieden werden, vorschnell von einem 'Denken in Modellen' zu reden. Wir werden noch sehen, dass die in Rede stehenden, abstrakten Repräsentationen bisweilen sehr konkrete epistemische Funktionen hatten. Das Wort 'abstrakt' sollte hier also nicht überbewertet werden. Insbesondere möchte ich im Folgenden jeweils die spezifische 'epistemische Situation' charakterisieren, d.h. die Besonderheiten der Wissensumstände, in welchen der Rückgriff auf eine Form der abstrakten Repräsentation geschah und den Beteiligten vielversprechend erschien.
Religion sei "das Opium des Volks", das einem herz- und geistlosen "Jammertal" einen Heiligenschein verleihe. Der werde verschwinden, wenn "die Kritik des Jammertals" zur "Wahrheit des Diesseits" geführt habe, so Karl Marx 1844. Und heute: Die Religion existiert weiter, eine "wahre" Gesellschaft ist nicht verwirklicht. Im Gespräch mit vier Frankfurter Professoren erkundet der Philosoph und Publizist Rolf Wiggershaus, wie Religionsexperten das aktuelle Verhältnis von Religion und Gesellschaft sehen.