Refine
Year of publication
Document Type
- Article (113)
- Review (48)
- Part of Periodical (21)
- Part of a Book (6)
- Conference Proceeding (1)
- Periodical (1)
- Report (1)
Is part of the Bibliography
- no (191)
Keywords
- Vormärz (191) (remove)
Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Als Kernland des römischen Imperiums, mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf dem Pilgerweg ins Heilige Land, durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige Republiken wie beispielsweise Venedig, Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Dies gilt auch für die Zeit nach 1796, für die Zeit nach dem Einmarsch der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte Italiens. Im ersten Teil stehen mit Blick auf das (post-)risorgimentale Italien zunächst exemplarische Untersuchungen in Literatur, Publizistik und Philosophie im Fokus. Der zweite Teil des Jahrbuchs ist dem Thema "Deutsche Künstler in Italien - zwischen politisch-ästhetischer Revolution und Traditionsbewahrung" gewidmet. Italien als Sehnsuchtsziel von Malern und Schriftstellerinnen sowie als Gegenstand von Reiseberichten, Gedichten und als Opernschauplatz bietet einerseits Inspiration und Freiraum zum künstlerischen Schaffen. Andererseits ist Italien aber auch ein kulturell seit Jahrhunderten beschriebenes Gebiet, das zu einer Auseinandersetzung mit den Kulturgeschichten beider Länder und bislang vorliegenden künstlerischen Gestaltungen herausfordert.
Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Als Kernland des römischen Imperiums, mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf dem Pilgerweg ins Heilige Land, durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige Republiken wie beispielsweise Venedig, Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Dies gilt auch für die Zeit nach 1796, für die Zeit nach dem Einmarsch der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte Italiens. Im ersten Teil stehen mit Blick auf das (post-)risorgimentale Italien zunächst exemplarische Untersuchungen in Literatur, Publizistik und Philosophie im Fokus. Der zweite Teil des Jahrbuchs ist dem Thema "Deutsche Künstler in Italien - zwischen politisch-ästhetischer Revolution und Traditionsbewahrung" gewidmet. Italien als Sehnsuchtsziel von Malern und Schriftstellerinnen sowie als Gegenstand von Reiseberichten, Gedichten und als Opernschauplatz bietet einerseits Inspiration und Freiraum zum künstlerischen Schaffen. Andererseits ist Italien aber auch ein kulturell seit Jahrhunderten beschriebenes Gebiet, das zu einer Auseinandersetzung mit den Kulturgeschichten beider Länder und bislang vorliegenden künstlerischen Gestaltungen herausfordert.
Dieter Richter sieht in seinem Beitrag "Schwarz-Rot-Gold am Tiber: Die deutsche 'Künstlerrepublik' in Rom als Experimentierfeld nationaler Einigung" Italienbegeisterung und Politik als eng verwoben. Die Flucht in den Süden vor Verfolgung durch deutsche Behörden oder vor dem bedrückenden restaurativen Klima in den deutschen Ländern mündet nicht selten in eine dauerhafte Emigration oder doch wenigstens in einen mehrjährigen Aufenthalt. Vor allem das Leben in der deutsch-römischen Diaspora begreift Richter als Gegenentwurf der Verhältnisse in der Heimat und im Vormärz. Es wird zum virtuellen Experimentierfeld der vermissten nationalen Einheit der Deutschen. Diese wird vor Ort durch Trachten, die Gründung einer Bibliothek und einiger Vereine sowie durch Festspiele symbolisch beschworen und befestigt.
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet. Das vorliegende Jahrbuch holt mit seinem Themenschwerpunkt die Komplexität dieser Entwicklung nicht ein, kann das auch im hier zur Verfügung stehenden Rahmen nicht. Es versteht sich als Impuls für notwendig weitere Forschungen.
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet.
Ursula Reitemeyer zeigt in ihrem Beitrag, inwiefern demokratisches und kommunistisches Denken im Vormärz im Humanitätsanspruch eines weltzugewandten Protestantismus wurzeln, der es zwar aus der Perspektive von Marx zur "wahren Stellung der Aufgabe", jedoch nicht zu praktischen Lösungen gebracht habe. Vor diesem Hintergrund untersucht und diskutiert Reitemeyer die angestrebte kommunistische Neuordnung von Staat und Gesellschaft als Bildungsinitiative, die in der "Tradition des (neu-)humanistischen Verständnisses des Protestantismus" steht.
Am 16. April 1994 fanden sich 18 Personen in einem Tagungsraum des Bielefelder Mövenpick-Hotels zusammen, um eine literarische Gesellschaft neuartigen Typs zu gründen: das Forum Vormärz Forschung. Neuartig insofern, als diese Vereinigung nicht zu dem Zweck gegründet wurde, einer Autorin/ einem Autor die Ehre zu erweisen, ihr/sein Andenken zu pflegen und ihrem/ seinem Werk neue LeserInnen zuzuführen, sondern um eine ganze Epoche zum Gegenstand ihrer vielfältigen Bemühungen zu machen und zwar möglichst interdisziplinär: den Vormärz. Für die LiteraturwissenschaftlerInnen, HistorikerInnen, TheologInnen, Kunst- und MusikwissenschaftlerInnen, die sich hier zusammenfanden, galt und gilt es als ausgemacht, dass Vormärz die einzig sachgerechte Bezeichnung für den Zeitraum zwischen 1815 (Wiener Kongress) und 1849 (Ende der Revolution von 1848/49) ist und eben nicht die konkurrierenden Epochenbezeichnungen Biedermeier oder Restaurationszeit. [...]
In der Krisen- und Umbruchzeit des Vormärz wurden pädagogische Fragen entlang der Grenze zwischen politischen, religiösen und sozialen Problemlagen kommuniziert, indem politische, religiöse und gesellschaftliche Herausforderungen pädagogisch interpretiert wurden. Erziehung und Bildung waren Gegenstand in Pamphleten, konzeptionellen Schriften, Briefen und Aufrufen, sie wurden in Zeitschriften verhandelt und waren literarisches Sujet. In der Verbreitung und Umsetzung oppositioneller pädagogischer Ideen waren Akteurinnen und Akteuren Grenzen gesetzt: Grenzen der obrigkeitsstaatlichen Zensurbehörden, aber auch Grenzen des staatlichen Bildungswesens, die der Umsetzung alternativer pädagogischer Ideen kaum Raum ließen. Pädagogische Konzeptionen und Praktiken der Opposition waren aufgrund ihrer kritischen Ausrichtung umstritten und daher einerseits klandestin, subversiv und konspirativ, sie zielten andererseits aber auch auf das Auditorium einer bürgerlichen Öffentlichkeit, da sie mit der Hoffnung verbunden waren, Emanzipationsprozesse ihres Klientels zu initiieren. Aus der Sicht der Zensurbehörden bargen sie daher Gefahrenpotential und Sprengkraft, weshalb pädagogische Akteurinnen und Akteure mit Zensurbestimmungen und Vereinsverboten in der Folge der Karlsbader Beschlüsse konfrontiert waren, mit Flucht, Verhaftung und Verfolgung - häufig blieb ihnen nur der Weg in die Emigration. Umgekehrt wurden Erziehung und Bildung auf Seite der restaurativen Mächte auch als Mechanismen des Erhalts der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen und Privilegien profiliert. Auf pädagogischem Feld wurden im Vormärz insgesamt Interessen- und Machtkonflikte zwischen "Emanzipation und Sozialdisziplinierung" ausgetragen.
Entgegen der Vielschichtigkeit und Komplexität pädagogischen Denkens und Handelns im Vormärz zeigen sich in der Forschungslage jedoch Desiderate. So wurden pädagogische Themen bis dato nur wenig wahrgenommen. Ausgehend von diesem Befund fokussiert der vorliegende Thementeil des Jahrbuchs das Thema "Zwischen Emanzipation und Sozialdisziplinierung. Pädagogik im Vormärz". In den folgenden Beiträgen werden pädagogische Handlungs- und Themenfelder aus verschiedenen disziplinären Perspektiven aufgegriffen. Dabei wird es deutlich, dass im pädagogischen Diskurs des Vormärz nicht nur verschiedene Positionen unter Aufnahme der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Situation gegeneinander geführt, sondern dass auch verschiedene Modi und Medien der Artikulation genutzt wurden. Der vormärzliche Diskurs über Erziehung und Bildung ist daher Gegenstand verschiedener Disziplinen und geht über den Interessenbereich der Erziehungswissenschaft deutlich hinaus. Er ist auch ein geschichtswissenschaftliches, literaturwissenschaftliches, kulturwissenschaftliches, philosophisches und theologisches Thema, was sich in den Beiträgen dieses Jahrbuchs niederschlägt.
Die Versammlungsfreiheit war ein gesuchtes Gut, das erst einmal zu begründen und im Blick auf mögliche Beschränkungen zu untersuchen war. Die Performativität einer Versammlung – das Beieinandersein freier Individuen zu einem Zweck, der sich nicht oder nicht immer einer reglementierenden Norm verdankte – erscheint heute als Teil jener Ethik der Kohabitation, die aus der Kantischen Notwendigkeit der Koordination der Freiheitsräume als Aneinanderstoßen von Willkürgrenzen kommt und im Blick auf Gefährdungsszenarien aktualisiert ist. Doch Aktualisierungen bedürfen der Grundlage, wollen sie nicht geschichtsvergessen sein (niedergelegt in der Geschichte finden wir die Praktiken, die für die damaligen Akteure Sinn verbürgten).
Um die Voraussetzungen für Heckers Wirken in Baden und das liberale Klima jener Zeit besser zu veranschaulichen, ist eine Betrachtung des Staats-Lexikons angebracht. Die Unterschiede zwischen den beiden ersten Auflagen, die im Deutschen Bund nicht veröffentlicht werden durften und der dritten Auflage sind geradezu umwälzend, sie veranschaulichen, warum das politische Klima des Vormärz nach der 1848er Revolution zum Erliegen kam. Das von Rotteck für die erste Auflage verfasste Vorwort (1834) sieht dessen Aufgabe darin, eine breite Menge der Bürger, Gelehrten und Gebildeten zu belehren und den gemeinen Menschenverstand zu schärfen.
Proletarier
(2018)
Der These des Begriffshistorikers Werner Conze – enthalten schon im Titel seines Aufsatzes von 1954: "Vom 'Pöbel' zum 'Proletariat'. Sozialgeschichtliche Voraussetzungen für den Sozialismus in Deutschland" - hat der radikale Sozialhistoriker Ahlrich Meyer bescheinigt, im Gewand "neutraler" Begriffsgeschichte im nachhinein bloß ein sozial-eliminatorisches Programm zu sanktionieren, dessen letzte Konsequenzen erst die Nazis endgültig exekutiert hätten - mit tatkräftiger "wissenschaftlicher" Unterstützung von Historikern wie dem Conze-Freund Theodor Schieder oder eben Conze selbst. Die "postnazistische" westdeutsche Geschichtswissenschaft habe letztlich bloß das alte "nazistische Programm der staatlichen Integration der deutschen Kernarbeiterklasse auf die Geschichte projiziert". Wie dem auch sei - auch hier wird einmal mehr deutlich, dass Begriffsgeschichte von Begriffspolitik nicht zu trennen ist. Aber zurück zum Vormärz: Wie immer man die "Conze'sche Integrationsthese" (Meyer) einschätzen mag, mit dem 'Pöbel' und dem 'Proletariat' stehen sich zwei sozialhistorische Protagonisten gegenüber, deren Begriffsgeschichte im Deutschen allemal problematisch ist.
Von Bürgerbauern und Proletariern : Narrative der Transformation in der Dorfgeschichte des Vormärz
(2018)
[...] der folgende Beitrag [will] klären, wie die Dorfgeschichten des Vormärz die Gegenwart des ländlichen Raumes interpretierten und welche Zukunftsmodelle sie dabei entwickelten. Im Vergleich von Berthold Auerbachs früher Dorfgeschichte "Befehlerles" von 1842 und Carl Arnold Schloenbachs "Das Deutsche Bauernbuch" von 1848 werden die verschiedenen Positionen herausgearbeitet. In einem ersten Schritt muss dafür in Ausschnitten auf die Erzählverfahren der Dorfgeschichten eingegangen werden. Erst der Anspruch, wahres, in einem historischen Prozess befindliches Landleben darzustellen, ermöglicht den Texten ihre politische Positionierung.
Das Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte hat aus der Kritik an der französischen Menschenrechtserklärung gelernt, dass es Menschenrechte weder ohne System der Rechte und Pflichten des Bürgers noch ohne Verankerung in der einschlägigen Organisation der Staatsorgane geben kann, die gleichzeitig die Freiheit und die Einheit des Volkes sichern. Außerdem sieht die den Reichsgesetzen zugrunde liegende Auffassung keine Grundrechte ohne Verankerung im zu schützenden geistigen Leben des Volkes vor. Unter dem Einfluss der Rechts- und Staatsphilosophie J. G. Fichtes und Hegels wurden im Vormärz rechtsphilosophische Theorien entwickelt, die individuelle Menschenrechte nicht abstrakt, sondern nur in einem "System des Rechts" aufeinander bezogener Komponenten gelten lassen, das den Menschen grundsätzlich als gesellschaftliches Wesen betrachtet und dem eine organische und geistige Auffassung der Gesellschaft zugrunde liegt. [...] Das Jahrbuch erforscht diese Zusammenhänge; neben der – vor allem – rechtsphilosophischen Inspiration der einzelnen spezifischen Aspekte der Grundrechte geht es um die folgenreiche Besetzung des politischen sowie imaginativen Ausdrucksraumes der Vormärz-Zeit durch die Idee der Menschenrechte, die sowohl in Bezug auf einzelne Grundrechte wie auch im Blick auf ihre Fundierung in der Klassischen Deutschen Philosophie, die Frage nach Frauenrechten als Menschenrechten, Protagonisten wie Friedrich Hecker oder den Zusammenhang von Menschenrechtsidee und Musik betrachtet werden.
Luise Mühlbach (Pseudonym für Clara Mundt) (1814-1873) gehörte zur ersten Generation der sogenannten Berufsschriftstellerinnen, d.h. der ersten Schriftstellerinnen, die durch ihr Schreiben finanziell unabhängig sein konnten. Die Tatsache an sich galt schon vielen Zeitgenossen als Provokation und Emanzipationsstreben, da die Geschlechtergrenzen durch das Ausüben eines Männerberufes überschritten wurden. Über einen längeren Zeitraum war Mühlbach sogar Alleinverdienerin der Familie, da ihr Ehemann, Theodor Mundt, frühzeitig erkrankt und 1861 gestorben war. Zudem gehörte sie ab den 1850er Jahren zu den populärsten BestsellerautorInnen ihrer Zeit und sie wurde somit schnell erfolgreicher als Theodor Mundt. Luise Mühlbach hat sich sehr früh gegen die Konvenienzehe und für eine Eheschließung aus Liebe und Zuneigung geäußert und hat dies in ihrer Ehe vorgelebt.
Vorwort
(2018)
Das Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte hat aus der Kritik an der französischen Menschenrechtserklärung gelernt, dass es Menschenrechte weder ohne System der Rechte und Pflichten des Bürgers noch ohne Verankerung in der einschlägigen Organisation der Staatsorgane geben kann, die gleichzeitig die Freiheit und die Einheit des Volkes sichern. Außerdem sieht die den Reichsgesetzen zugrunde liegende Auffassung keine Grundrechte ohne Verankerung im zu schützenden geistigen Leben des Volkes vor. Unter dem Einfluss der Rechts- und Staatsphilosophie J. G. Fichtes und Hegels wurden im Vormärz rechtsphilosophische Theorien entwickelt, die individuelle Menschenrechte nicht abstrakt, sondern nur in einem "System des Rechts" aufeinander bezogener Komponenten gelten lassen, das den Menschen grundsätzlich als gesellschaftliches Wesen betrachtet und dem eine organische und geistige Auffassung der Gesellschaft zugrunde liegt.
Als 1848/49 die Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche tagte, konnte sie auf Wissensbestände zurückgreifen, die parlamentarische Versammlungen im Vormärz in verschiedenen Teilstaaten des Deutschen Bundes hatten sammeln können. Wenn auch viele Abgeordnete keine oder nur wenig parlamentarische Erfahrung besaßen, so fanden sich unter ihnen doch erfahrene und bekannte Köpfe wie Friedrich Bassermann, Heinrich von Gagern, Friedrich Dahlmann, Gustav von Mevissen und Karl Mathy. In Abgrenzung zu ihren Vorgängerinstitutionen verstand sich die Nationalversammlung dezidiert als eine öffentliche Versammlung. Aus diesem Grund lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Ständeversammlungen des Vormärz zu werfen.
Das Ausmaß der parlamentarischen Öffentlichkeit im Vormärz variierte in den deutschen Staaten stark. Die rechtlichen Grundlagen der Parlamente, der obrigkeitliche Umgang mit ihnen, die unterschiedlich strenge Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse sowie die Stärke respektive Schwäche der liberalen Bewegung definierten den Rahmen. Die süddeutschen Staaten, allen voran das Großherzogtum Baden, galten dabei als am liberalsten, Preußen als reaktionärster Staat. Baden und Preußen sind somit das klassische Gegensatzpaar, mit dem der Umgang mit parlamentarischer Öffentlichkeit verglichen und Schlaglichter auf die Entwicklung des deutschen Parlamentarismus geworfen werden kann.
Eine "demokratisierte Ideengeschichte" findet sich im deutschen Sprachraum eher selten. Selbst in den letzten beiden Jahrzehnten, als man viel über Diskurse debattierte, wurde eher über deren theoretische Bedingungen und Möglichkeiten reflektiert, als dass materialreiche Diskursanalysen im strengen Sinne durchgeführt wurden. In der hiesigen politischen Ideengeschichte stehen fast ausnahmslos große Denker oder große Theorien im Vordergrund. In Abgrenzung dazu betritt Philipp Erbentraut mit seiner Dissertation "Theorie und Soziologie im deutschen Vormärz 1815-1848" ein wenig besiedeltes Terrain. Sein Ansatz macht es sich explizit zum Prinzip, die Theorien über Parteien im breit gefächerten politischen Diskurs umfassend - also demokratisiert - zu erschließen. Mit diesem methodischen Ansatz folgt Erbentraut dem Historiker Hans Rosenberg (1904-1988), der sich in Bezug auf den Vormärz schon früh um eine kollektive Ideengeschichte bemühte (Rosenberg 1972). Erbentrauts Studie stützt sich in diesem Sinne auf verschiedenste Medien wie Zeitschriften, Nachschlagewerke oder Monografien, auch zweitrangiger oder gänzlich anonymer Autoren. Selbst Dichtung und Lyrik werden herangezogen. Angesichts dieses heterogenen Materials wäre die abgeschwächte Rede von Theoremen über Parteien oder Parteibildern eventuell treffender gewählt. Dieser Einwand wird allerdings von Erbentraut in der Verteidigung seines sehr offenen Theoriebegriffs reflektiert.
In dieser Monographie fokussiert Veronica Butler einen vernachlässigten Schriftsteller des Vormärz, dem Zeitgenossen Anerkennung zollten als Innovator sowohl in Form als auch Gehalt. In den Publikationen des 'Forum Vormärz Forschung' erscheint August Lewald ausschließlich im Zusammenhang mit der Zeitschrift Europa: Nur Martina Lauster hat sich bislang mit Lewalds Skizzen befasst. Dennoch war Lewald "a key Vormärz player", dessen literarische Tätigkeit durch Lust am Experiment, Offenheit für neue Einflüsse und die Hinwendung zur Gegenwart gekennzeichnet war - alles Merkmale einer kulturellen "Labor-Zeit" (Peter Stein). Lewald war lange Zeit Opfer eines literaturhistorischen Wertungssystems, das im Vormärz "an era of comparative depression" sah und eine strikte Trennung zwischen Hoch- und Trivialliteratur voraussetzte, die der Tatsache einer journalistisch geprägten und operativen Literatur wenig gerecht wurde. Lewalds schriftstellerische Produktion wurde lange verkannt, weil sie nie den Anspruch auf die Anerkennung der Nachwelt erhoben hat, sondern immer "aus der Gegenwart herausgeschöpft und für die Gegenwart geschrieben" war, wie es der Lewald-Biograph Joseph Cruse schon 1933 formuliert hat.
Die USA - Terra incognita für die meisten Europäer im frühen und mittleren 19. Jahrhundert - spielten als Modell staatswissenschaftlichen, verfassungsrechtlichen und politischen Denkens bei den Vertretern und Verteidigern der monarchischen Herrschaft und ihres Machtgefüges genauso wie bei den Anführern und Anhängern gemäßigter und radikaler Reform-, Oppositions- und Widerstandsbewegungen, aber auch an deutschen Universitäten und Akademien, in literarischen und philosophischen Zirkeln, in Unternehmer- und Verlegerkreisen, Künstlerbünden und der medialen Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Zugleich stellte die Neue Welt ein Sehnsuchtsziel für Freiheitsliebende, politische Flüchtlinge, Auswanderungswillige und Wirtschaftsmigranten, aber auch bisweilen die gefürchtete Endstation für verbannte Gefangene dar: Das Spektrum der Funktionen, Aufgaben, Bilder und Vorstellungen ist breit, das die Vereinigten Staaten von Amerika in der Wahrnehmung der Zeitgenossen im Vor- und Nachmärz einnahmen und das ihnen zugeschrieben wurde - nicht zuletzt auch in der (Emigrations-)Literatur.
Die USA - Terra incognita für die meisten Europäer im frühen und mittleren 19. Jahrhundert - spielten als Modell staatswissenschaftlichen, verfassungsrechtlichen und politischen Denkens bei den Vertretern und Verteidigern der monarchischen Herrschaft und ihres Machtgefüges genauso wie bei den Anführern und Anhängern gemäßigter und radikaler Reform-, Oppositions- und Widerstandsbewegungen, aber auch an deutschen Universitäten und Akademien, in literarischen und philosophischen Zirkeln, in Unternehmer- und Verlegerkreisen, Künstlerbünden und der medialen Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Zugleich stellte die Neue Welt ein Sehnsuchtsziel für Freiheitsliebende, politische Flüchtlinge, Auswanderungswillige und Wirtschaftsmigranten, aber auch bisweilen die gefürchtete Endstation für verbannte Gefangene dar: Das Spektrum der Funktionen, Aufgaben, Bilder und Vorstellungen ist breit, das die Vereinigten Staaten von Amerika in der Wahrnehmung der Zeitgenossen im Vor- und Nachmärz einnahmen und das ihnen zugeschrieben wurde - nicht zuletzt auch in der (Emigrations-)Literatur. Gerade die repressive, restaurative Politik in Europa und hier vor allem in den Einzelstaaten des Deutschen Bundes bildete für viele unter Verfolgungsmaßnahmen und Zensurbedingungen arbeitende und leidende Oppositionelle, Intellektuelle, Gelehrte und Kulturschaffende den Ausgangspunkt für ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Verfassungs-, Regierungs- und Gesellschaftssystem der USA und den dort, wie es scheint, ohne Probleme vertretenen und verwirklichten Ideen von Freiheit, Demokratie, Recht, Föderalismus, Republik und Revolution und inspirierten sie gleichzeitig zu einer umfassenden künstlerischen und wissenschaftlichen Beschäftigung mit den jenseits des Atlantiks vorgefundenen und noch näher zu erkundenden Kulturen, Sprachen und Landschaften.
Der jüdische Intellektuelle Ludwig Börne (1786-1837), der einer breiten Öffentlichkeit als Journalist, Literatur- und Theaterkritiker sowie Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland bis in die Gegenwart ein Begriff ist, soll 1821 geurteilt haben, dass Johannes Weitzel der beste deutsche politische Schriftsteller sei. Umso erstaunlicher bei einer solchen Eloge durch eine weithin bekannte und seine Zeit prägende Geistesgröße ist, dass der Name Johannes Weitzel und dessen Werk heute weitestgehend unbekannt sind. Wenn man weiterhin berücksichtigt, dass Weitzels schriftstellerisches Werk mit den Werken und den Lebenswegen von Johann Joseph von Görres (1776-1848), Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822) und Karl Wenzeslaus Rodeckher von Rotteck (1775-1840), Karl Theodor Georg Philipp Welcker (1790-1869) sowie Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) korrespondierte, mit allen denen er in einem direkten Austausch stand, wundert man sich umso mehr, dass ein solch wichtiger ideengeschichtlicher Impulsgeber - was sich übrigens auch daran zeigt, dass er als eher bürgerlicher politischer Autor selbst für das Demokratieverständnis der deutschen Frühsozialisten von großer Bedeutung war - dermaßen in Vergessenheit geraten konnte. Wolfgang Kötzlers 1961 aufgeworfene Frage "Und wem, außer wenigen Fachhistorikern, ist sein Name heute noch ein Begriff?" gilt jedenfalls auch heute noch.
Keine Macht für Niemand : gegen die Ehe: Luise Mühlbach, Louise Dittmar, Louise Aston, Wilhelm Marr
(2017)
Theoretisch-utopische Entwürfe der Frühen Neuzeit und der Aufklärung haben fast automatisch nur männliche Akteure im Blick. Wenn Frauen dennoch auftauchen, dann allenfalls als Gebärerinnen, Haushaltsverantwortliche oder Erzieherinnen. Und auch für 'anarchoide' Entwürfe des 18. Jahrhunderts - gleich ob theoretisch-utopische oder literarische - gilt: Es waren fast ausschließlich solche von Männern für Männer. Diese Sichtverengung änderte sich erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts, d.h. mit dem Eintritt von Frauen als Autorinnen in soziale und politische Diskurse. Denn Frauen - unter einer Mehrfachherrschaft: unter dem gleichen sozialen, ökonomischen und politischen Druck wie Männer, aber zusätzlich noch unter dem Druck eben der Männer - hatten ihre Anliegen selbst in die Hand zu nehmen, und sie nahmen sie in die Hand. Und es zeigt sich: Nicht wenige der Emanzipationsdiskurse, die bislang als demokratisch angesehen wurden und werden, waren mitnichten 'nur' demokratisch. Denn sie waren nicht selten anarchistisch oder 'anarchoid'. Das verdeutlichen zum Beispiel auch die Debatten um den Status von 'Ehe'.
Der Zeitabschnitt zwischen 1815 bis 1848, der demokratisch-republikanische Vorfrühling, wird in der Literaturhistorik kontrovers gesehen und diskutiert. Denn zum Einen war da das Sich Reibende der Menschen an Verhältnissen, die zusehends durch ökonomischen Druck gekennzeichnet waren, und ihr daraus resultierendes Unwohlsein. Es gab etwas Gärendes, eine Unzufriedenheit, die sich Bahn brechen sollte und zur politischen Eruption von 1848 führte. Da war aber auch das Streben derjenigen, die man im Nachhinein unter dem Begriff Biedermeier subsumiert hat, nach der ländlichen Idylle und dem Rückzug ins Private. Es gab den Wunsch von vielen, der Kapitalismus, der am Horizont aufzuziehen begann, möge einen selbst noch verschonen, es möge einen Ausweg geben, und so reagiert auch der literarische Klassiker jener Epoche, Georg Büchners Figur Lenz, der einem wirklichen Menschen nachempfunden ist, verstört auf die zunehmende Kapitalisierung seiner Umgebung. Auch Lenz versucht, sich ihr zu entziehen, und Generationen von Schulkindern wurden Zeugen seiner Flucht ins Gebirge, die vergeblich bleiben musste. Lenz blieb letztlich nichts, als sich in eine Welt zu fügen, die nicht die seine war. Von nun an tat er: "[...] Alles wie es die Andern taten, es war aber eine entsetzliche Leere in ihm, er fühlte keine Angst mehr, kein Verlangen; sein Dasein war ihm eine notwendige Last. – So lebte er hin."
Gab es wirklich keine Möglichkeit, sich aus einer Entwicklung zu retten, die ein anderer Klassiker aus jenen Jahren folgendermaßen beschrieben hat: "Die Bourgeoisie," das sagen Karl Marx und Friedrich Engels im "Manifest der Kommunistischen Partei", das erstmals zu Beginn des revolutionären Jahres 1848 erschienen ist, "wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose bare Zahlung."
Welche Optionen gab es, auf "das nackte Interesse" und "die gefühllose bare Zahlung" zu reagieren? Georg Büchner hatte für die Revolte optiert und hatte sie gelebt, er hatte fliehen müssen und war jung verstorben. Andere versuchten, sich einen privaten Rückzugsort zu schaffen. Die Französin Louise Michel jedoch stand für einen dritten Weg, der allein der ihre war: Sie wollte sterben. Und ihren Todeswunsch hat sie mit großem Pathos verkündet.
Staatsgründung als pädagogische Herausforderung : die Politisierung des Pädagogischen im Vormärz
(2017)
Im Jahr der deutschen Revolution 1848 schrieb der politische Journalist und Paulskirchenabgeordnete Arnold Ruge:
Die freie Staatsform braucht freie Menschen und erst die freie Staatsform bringt mit Sicherheit freie Menschen hervor. Ja, so ist es, dieser Zirkel ist vorhanden.
In diesem Zitat äußert Ruge ein von ihm wahrgenommenes Kernproblem der Situation während des Vormärz und der Revolution: Die Einführung der auf einem souveränen Volk basierenden demokratischen Staatsform, ohne dass das Volk zur politischen Selbstbestimmung in der Lage sei. Ruge verstand den politischen Systemwechsel als Aufgabe eines jeden Menschen, der das 'monarchische Prinzip' selbst überwinden müsse, um die Demokratie zu schaffen. Dazu bedürfe er jedoch der pädagogischen Unterstützung. Ebenso projektierte Ruge im Jahr 1849 einen sozialdemokratischen Staat der Zukunft, in dem die demokratische Erziehung der Jugend eine staatserhaltende Funktion hat. Ruge machte damit sowohl die Schaffung als auch die Erhaltung des projektierten demokratischen Staates zu Aufgaben des Individuums, die der pädagogischen Förderung bedürfen. Im vorliegenden Beitrag sollen beide politischen Funktionen des Pädagogischen dargestellt werden: die schaffende sowie die erhaltende Funktion.
Mit "Stirners Einzigem" ist das Buch 'Der Einzige und sein Eigentum' von Max Stirner gemeint, das gegen Ende des Vormärz erschien. Das Buch war ein Skandalon, ein paradoxes Skandalon allerdings, weil es ideengeschichtlich dort am eingreifendsten wirksam wurde, wo die Reaktion verborgen und indirekt blieb, bei Marx und Nietzsche. Ich habe den diffusen Status des 'Einzigen', der sich daraus ergab und den er, obwohl kein Mangel an Sekundärliteratur herrscht, im Grunde bis heute behielt, in einer Wirkungsgeschichte dargestellt und diese mit einem sprechenden Neologismus eine Re(pulsions- und De)zeptionsgeschichte genannt.
Auf die Repulsionsgeschichte des Einzigen gemünzt ist das "Vade retro!" im Titel, denn eine Reihe durchaus bedeutender Denker sahen in Stirners Ideen tatsächlich den Inbegriff des Bösen, Teuflischen bzw. "aufgeklärterweise" den Einbruch des Tierischen, Unmenschlichen, Barbarischen, Zerstörerischen in die kulturelle Welt. Einige waren dabei so entschieden, dass sie ihre philosophische Position wesentlich - wenngleich undeklariert - in Abwehr von Stirners Ideen entwickelten.
Ich werde - nach einer biografischen Skizze zu Leben und Werk Stirners - diese Repulsionsgeschichte in ihren markanteren Stationen wie in einem Parcours durchlaufen, um zu zeigen, dass diese Bezeichnung adäquat ist. Die mit ihr verwobene Dezeptionsgeschichte, also die das Inhaltliche betreffenden Täuschungen, Selbsttäuschungen und Verdrängungen der Abwehrenden, können hier nur beiläufig zur Sprache kommen.
Im Vorwort zum Rotteck-Welckerschen Staatslexikon hielt der bekannte liberale Staatsrechtler Carl von Rotteck 1834 ein flammendes Plädoyer für den Wert politischer Bildung. Oberstes Ziel müsse es sein, die Menschen in den Stand zu setzen, die Rechte und Pflichten wahrzunehmen, die ihnen als "active Bürger eines constitutionellen Staates oder überhaupt als mündige [...] Bürger eines Rechtsstaates" zustünden. Die Synthese von Erziehung und Demokratie, die bis heute zum Katechismus des braven Republikaners zählt, hat hier im politischen Denken des deutschen Vormärz ihren Ursprung. Während aber Liberale wie Rotteck vor allem für die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien und die Einübung bestimmter sozialer Tugenden auf dem Boden der konstitutionellen Monarchie warben, waren es in dieser Zeit vor allem demokratische Denker und Publizisten, die in volkspädagogischen Bemühungen einen Weg erkannten, das "gelobte Land" der Demokratie und damit eine komplette Systemalternative zu erschaffen.
Exemplarisch für diese Richtung untersucht Katharina Schneider in ihrer lesenswerten Dissertation eine besonders spannende Intellektuellengruppe deutscher Exilanten in der Schweiz, die 1840 in Zürich den politischen Emigrantenverlag "Literarisches Comptoir" gründeten und aus dem benachbarten Ausland versuchten, publizistisch auf die politische Lage in Deutschland einzuwirken.
Karin Wozonig erinnert mit Hieronymus Lorms kritischem Überblick über die biedermeierlich-vormärzliche Literatur in Österreich "Wien's poetische Schwingen und Federn" (1847) an eine der vielzitierten Publikationen der Vormärzzeit. Wozonig liest Lorms Aufsatzsammlung als Ausdruck der Selbstpositionierung österreichischer Schriftsteller angesichts der Metternichschen Zensurbestimmungen einerseits und des 'deutschen' Nationalismus andererseits. Zugleich ließen sich an Lorms "Poetischen Schwingen" die komplexe Verflechtung ideologischer und ästhetischer Positionen innerhalb des Vormärz nachzeichnen und von hier aus Literaturkritik als Manifestation des Politischen herausarbeiten.
Angestoßen und beschleunigt durch eine Reihe von Emanzipationsbewegungen, an deren Anfang der bürgerliche Liberalismus mit seinem Kampf um Gleichberechtigung und Rechtsgleichheit in einer noch zu schaffenden Staatsbürgergesellschaft steht, verändern sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in entscheidender Weise die Spielregeln politischer Theorie und Praxis. Die Vielfalt der sich in ganz divergenten Bereichen (Universitäten, Straßen, Fabriken, Literatur, Theater etc.) ereignenden und von jeweils unterschiedlichen Akteuren getragenen Interventionen macht es notwendig, sowohl liberale, demokratische, republikanische und frühsozialistische als auch konservative Positionen genauer innerhalb der zeitgenössischen religiösen, sozialen, philosophischen und staatstheoretischen Debatten über Institutionen, Gesetz, Recht und Ordnung zu verorten. Das setzt voraus, das Feld der Politik in seiner Heterogenität als eines komplexer Transfervorgänge - vom Sozialen ins Symbolische (Theorie) und vom Symbolischen ins Soziale (Praxis) - ernst zu nehmen und von hier aus die gewohnten Operationen der Unterscheidung (gute vs. schlechte Staatsform) und mit ihnen die Funktion und Bedeutung politischer Kunst noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Das Politische schreiben : sprachliche Symbolisierung und staatliches Ordnungsdenken im Vormärz
(2016)
Was ist ein Ordnungsproblem? Diese große Frage ist verkleinerbar in die Regionen von Sprachbenutzung und individueller Verursachung, kurz: die Perspektive des einzelnen Falls. Dies ist die Vorbemerkung zu einem Text, in dem es um den Zusammenhang von Ordnungsdiskurs (auch in seiner rechtsphilosophischen Tönung), sprachlicher Symbolisierung, d. h. eine durch sprachliche Zeichen erreichte Distanzqualität und die spezifische Form dieser Verbindung im Vormärz gehen soll.
Hobbes' Leviathan: Die sprachlich-politische Initiation der Leidenschaftsnatur des Menschen
Ordnung war stets, in den Diskursen der Gesellschaft, bezogen auf ihr Antonym. Ordnung war das zu Sichernde, auf konkreter historischer Ebene und das Gesicht dieser Bemühungen war ein Bewusstsein der Unordnung, das u.a. auf den prägenden Blick des 17. Jahrhunderts zurückgeht, als die konfessionellen Bürgerkriege den Zustand des Friedens als fernes Bild erscheinen ließen, dem die natürliche Ausstattung des Menschen entgegengesetzt war: Einige der Triebe und Abneigungen sind dem Menschen angeboren, wie der Nahrungstrieb, der Trieb zur Ausscheidung und Entleerung, die man auch, und zwar genauer, Abneigung gegen etwas, das man im Körper fühlt, nennen könnte. Dazu kommen noch einige - nicht viele - andere Triebe. Der Rest, der aus Verlangen nach einzelnen Dingen besteht, ging aus der Erfahrung und aus der Erprobung ihrer Wirkungen auf einen selbst oder auf andere Menschen hervor. Denn nach Dingen, die wir überhaupt nicht kennen oder an deren Existenz wir nicht glauben, können wir kein Verlangen haben, das weiter geht, als sie zu versuchen und zu erproben.
Angestoßen und beschleunigt durch eine Reihe von Emanzipationsbewegungen, an deren Anfang der bürgerliche Liberalismus mit seinem Kampf um Gleichberechtigung und Rechtsgleichheit in einer noch zu schaffenden Staatsbürgergesellschaft steht, verändern sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in entscheidender Weise die Spielregeln politischer Theorie und Praxis. Die Vielfalt der sich in ganz divergenten Bereichen (Universitäten, Straßen, Fabriken, Literatur, Theater etc.) ereignenden und von jeweils unterschiedlichen Akteuren getragenen Interventionen macht es notwendig, sowohl liberale, demokratische, republikanische und frühsozialistische als auch konservative Positionen genauer innerhalb der zeitgenössischen religiösen, sozialen, philosophischen und staatstheoretischen Debatten über Institutionen, Gesetz, Recht und Ordnung zu verorten. Das setzt voraus, das Feld der Politik in seiner Heterogenität als eines komplexer Transfervorgänge - vom Sozialen ins Symbolische (Theorie) und vom Symbolischen ins Soziale (Praxis) - ernst zu nehmen und von hier aus die gewohnten Operationen der Unterscheidung (gute vs. schlechte Staatsform) und mit ihnen die Funktion und Bedeutung politischer Kunst noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Janina Schmiedel nimmt die Synthese von romantischen und vormärzlichen Schreibweisen und das gleichzeitige Ineinander von Poetischem und Politischem in Heinrich Heines lyrischem Werk in den Blick. Anhand des Zyklus' "Neuer Frühling", der die zweite große Sammlung "Neue Gedichte" (1844) einleitet, zeigt sie, wie der von Heine nie vollständig vollzogene Abschied von der Romantik mit seinem Schreiben des Politischen (in den 30er und 40er Jahren) korrespondiert.
Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Im Jahre 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften Tage und die Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: 'Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht', und hätte die Bauern und Bürger zumGewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag: sie wohnen inschönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und redeneine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. DerBauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.
Mit dieser rhetorischen Fanfare beginnt der Hessische Landbote, jene politische Flugschrift, die Georg Büchner 1834, noch vor seinen eigentlich literarischen Werken, veröffentlichte. Es ist der Text in Büchners Werk, in dem die biblischen Bezüge am deutlichsten sind, wie in der zitierten Passage nicht nur die explizite Erwähnung der Bibel im ersten Satz und die deutliche Anspielung auf Jesaja 1.7 "Fremde verzehren eure Acker vor euren Augen" zeigt. Auch der gesamte Tonfall, jene Mischung von Vehemenz und Anschaulichkeit, die den Landboten insgesamt auszeichnet, ist biblisch geprägt. Allerdings wissen wir nicht einmal sicher, ob dieser zitierte Anfang von Büchner stammt, denn der Landbote hat zwei Autoren: Georg Büchner und Friedrich Ludwig Weidig, der einen nicht überlieferten Entwurf von Büchner überarbeitet und ergänzt hat, so dass am Ende kaum zu sagen ist, wer hier was geschrieben hat.
Das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts war die Zeit einer sich verstärkenden religiösen Dynamik. Sie kann geradezu als Experimentalphase angesehen werden, die von mitunter überraschenden Konstellationen geprägt war. In der Forschung gibt es, bis auf das reiche Feld von Detailstudien, allerdings keine zusammenhängenden Untersuchungen, die verschiedenen Aspekten dieses "Experimentalfelds" vergleichend nachgehen. So bleibt es bei einem Nebeneinander von literaturwissenschaftlichen, philosophischen, theologischen und historischen Arbeiten, die sich methodisch und theoretisch zu wenig befruchten. Allein aufgrund dieses Forschungsdefizits scheint ein ausdrücklich interdisziplinär angelegtes Jahrbuch zu dieser Thematik legitimiert. Die Ausgangsthese dieses Jahrbuchs ist dagegen, dass die Epoche durch eine "Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen" gekennzeichnet war. Befanden sich soziale, politische und religiöse Emanzipationsdiskurse keinesfalls in Einklang, vermischten sich darüber hinaus gerade auf religiösem Gebiet 'Vormärzliches' und 'Biedermeierliches' (bzw. Restauratives) sowie 'Emanzipatives' und 'Traditionelles' auf eine Weise, die nicht Übersichtlichkeiten, sondern Unübersichtlichkeiten beförderte.
Einleitung
(2015)
Das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts war die Zeit einer sich verstärkenden religiösen Dynamik. Sie kann geradezu als Experimentalphase angesehen werden, die von mitunter überraschenden Konstellationen geprägt war. In der Forschung gibt es, bis auf das reiche Feld von Detailstudien, allerdings keine zusammenhängenden Untersuchungen, die verschiedenen Aspekten dieses 'Experimentalfelds' vergleichend nachgehen. So bleibt es bei einem Nebeneinander von literaturwissenschaftlichen, philosophischen, theologischen und historischen Arbeiten, die sich methodisch und theoretisch zu wenig befruchten. Allein aufgrund dieses Forschungsdefizits scheint ein ausdrücklich interdisziplinär angelegtes Jahrbuch zu dieser Thematik legitimiert. Es erweist sich aber auch aus anderen Gründen als produktiv. Denn aufgrund dieses Forschungsdefizits bestehen nach wie vor mitunter vereinfachende Sichtweisen, so etwa die Annahme der Kongruenz sozialökonomischer, politischer und religiöser Emanzipationsdiskurse. Eine solche vereinfachende Perspektive, die politisches Fortschrittsdenken, wirtschaftlich-soziales Fortschrittsdenken und kulturelles Fortschrittsdenken (eingeschlossen den Aspekt Religion) zu unreflektiert in eins setzt, folgt einem Forschungsparadigma, das nach klaren Zuordnungen begehrt, letztlich aber nicht aufrechterhalten werden kann.
An der Transformation ökonomischen Wissens zwischen 1780 und 1830 lassen sich im Kern vier Schlussfolgerungen ablesen: Erstens trete die externe politische Steuerung des ökonomischen Feldes und seiner Akteure zugunsten der schon bei Adam Smith beschriebenen Selbstregulierung zurück, "die sich im Bezug auf Rückkopplung, Regelkreise und Selbstreferenz vom Diktat souveräner Repräsentation wie auktorialer Intervention absetzen und sich durch die Unabschließbarkeit ihres Prozessierens auszeichnen." Zweitens sei die Triebkraft des Ökonomischen die Erfahrung einer "fundamentalen Knappheit", die sich trotz einer gigantischen Überschussproduktion daraus ergebe, dass "den anderen stets fehlt, was man selbst nicht besitzt." Daraus resultiere drittens eine neue Arbeitsweise, in der das Produkt "vor allem das Sich-Selbst-Fremd-Werden des Produzenten repräsentiert" und in der Arbeit als das "materielle Entäußern des Eigensten" verstanden werden müsse. Der vierte Aspekt betrifft Folgen dieses Prozesses für die Deckungskraft der im gesellschaftlichen Verkehr produzierten, nicht mehr an eine spezifische Materialität gebundenen Wert-Zeichen, die, gerade weil sie als "Zeichen eines Fehlens von Realität erscheinen", mit dem "Titel eines poetischen Geistes versehen worden" sind.
Einleitend zum Schwerpunktthema "Geld und Ökonomie im Vormärz" soll anhand ausgewählter Forschungsliteratur ein ökonomiehistorischer Bogen von der frühindustriellen Mechanisierung des Textilgewerbes bis zum maschinisierten Fabriksystem im späten Vormärz gespannt werden, der technologischen und politischen Grundzüge der beginnenden Kapitalverwertung als transeuropäischen Prozess nachzeichnet. Dabei soll deutlich werden, dass die mit der Durchsetzung der kapitalistischen Lohnform verbundene Monetarisierung des Alltags, welche am Ende jede Lebensäußerung der in diese Transformation gezwungenen Subjekte bestimmt, keineswegs "ohne Mittel der Gewaltherrschaft" vor sich ging und dass die "Überlassung wertvoller Güter ohne Kampf, Raub und Krieg" am Ende des Zeitraums gerade nicht "wahrscheinlicher" geworden war.
Gibt Geld Geltung?
(2014)
Mit Luhmanns autopoietischem Begriff des Geldes, Hörischs Thesen zum Literatur-Geld als Transsubstantiationsmedium und Baeckers Verweis auf den potenziell umstürzlerischen "Unruhefaktor" des Geldes in einer pauperisierten Bevölkerung zeigt Hans-Joachim Hahn das Ausmaß der teils aus nackter Not gebotenen quasi-religiösen Fetischisierung des Geldes im fortgeschrittenen Vormärz auf. In einem Großteil der herangezogenen Schriften von Friedrich Engels über Georg Büchner, Annette von Droste-Hülshoff, Moses Hess und weiteren werden dem Geld in je verschiedenen Konstellationen unmoralische Eigenschaften und die Verursachung allgemeinen Sittenverfalls zugeschrieben. Insbesondere bei Droste und Hess figuriere Geld als "satanischer Mammon", während Marx und Büchner zwischen dem Tauschwertcharakter des Geldes und seiner Spekulationsfunktion zu unterscheiden wüssten. Nicht nur die unablässige Zirkulation, sondern vor allem auch der Mangel an Geld könne zum "Unruhefaktor" werden - sofern nicht, wie in einem anonym erschienenen Artikel vorgeschlagen, durch Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus oder eine politisch zu erkämpfende Distributionsgerechtigkeit Abhilfe geschaffen werde.
In seinem Beitrag "Von der Idealisierung der apostolischen Armut zur kirchlichpaternalistischen Fürsorge. Kirchliche Reaktionen auf das Arbeiterelend in der Zeit des Vormärz" beschäftigt Jörg Füllgrabe sich mit den differierenden Fürsorgekonzeptionen der christlichen Kirchen in Deutschland. Auf der Basis eines protestantischen Arbeitsethos verbinde Johann Hinrich Wichern die Linderung der Arbeiternot mit der Inneren Mission als einem umfassenden Programm christlicher Versittlichung; dieser Programmatik liege ein Paradigmenwechsel in der Armutskonzeption zugrunde, demzufolge die moderne Armut als Resultat subjektiven Unvermögens und Unwillens zur Arbeit selbst verschuldet sei. Der Katholizismus hingegen, der über die allgemeine Umwälzungen zu Beginn der Moderne hinaus auch noch die materiellen Einbußen durch die napoleonische Säkularisation zu bewältigen hatte, setze auf eine sozialdisziplinierende Einbindung der Armutspopulation in die christlich-bürgerliche Gemeinschaft, wodurch eine gesonderte Instituionen der Armutsfürsorge obsolet erscheine und zugleich die Position der Kirche im säkularen Staat gesichert sei. Spätere Ansätze aus dem ultramontanen Lager plädieren für eine korporatistische Korrektur der aufgeklärt-liberalen Gesellschaftsentwicklung, die sich vor allem in einer Adressierung des prekarisierten Handwerksstandes ausdrückt.