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Zürich, 22. März 1937 - im ersten Stock des renommierten Herrenausstatters "London House" probiert Thomas Mann gerade einen neuen Anzug an, als ihn ein Verkäufer informiert, dass im Erdgeschoss Gerhart Hauptmann eingetroffen sei. "Möchten Sie ihn sehen?" Nach kurzem Zögern lehnt Thomas Mann ab - mit den Worten: "Ach, da wollen wir vielleicht doch andere Zeiten abwarten." Replik des Verkäufers: "Genau das hat Herr Hauptmann auch gesagt." Die Zürcher Nicht-Begegnung der beiden Nobelpreisträger ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Schließlich handelte es sich nicht nur um die international bekanntesten deutschen Schriftsteller, sondern auch um alte Bekannte. Und jeder von beiden hatte dem anderen manches zu verdanken. Warum also wollten die beiden einander nicht begegnen?
Um die literaturgeschichtliche Bedeutung der Situation im Zürcher Herrengeschäft einschätzen zu können, muss man die gesamte Beziehung zwischen beiden in den Blick fassen. Sie könnte wechselvoller kaum sein. Nach dreißig Jahren kollegialer, phasenweise nahezu freundschaftlicher Verbundenheit brach der Kontakt abrupt ab und wurde bis zu Hauptmanns Tod 1946 nicht mehr aufgenommen. Nach dem Ableben des älteren Kollegen ändert sich Thomas Manns Sicht auf Gerhart Hauptmann jedoch wieder. Und – soviel vorweg – dabei spielten Jubiläumsgeburtstage stets eine wichtige Rolle. Ich gehe zunächst auf die Phase der engen Bekanntschaft ein; im zweiten Teil dann auf die Umstände des Abbruchs der Beziehungen. Dabei soll vor allem der letzte Kontaktversuch genauer analysiert werden. Ein resümierender Blick auf die dritte Phase steht am Ende dieser Überlegungen. ...
Zeichnet Herbot aus didaktischen Impuls „das abschreckende Bild einer lasterhaft sündigen Welt“ (…), will er uns durch die Ausbreitung kriegerischer Leidenschaften über ihre Torheit belehren und zugleich die höfische Kultur implizit relativieren? (…) Dieser Frage nach der Aussage des Herbortschen Trojaliedes im Rahmen der literarischen und historischen Situation soll (…) [Volker Mertens’] Vortrag nachgehen. Dabei (…) [stellt er] zuerst de[n] Text selbst und seine literarischen Prätexte vor(…).
[D]ieser Veranstaltungstyp [wurde] 1996 etabliert […] und die komparatistisch angelegte Konferenz der Abteilung 2012 [wird] nunmehr zum 17. Mal in Folge ausgerichtet […]. Über den Kreis der 15 Referenten hinaus war sie mit etwa 120 aktiv mitdiskutierenden Teilnehmern gut besucht. Thematisch orientiert sich die Konferenz jeweils an einem Semesterkurs, den die Studierenden der am Department angebotenen Master‐Studiengänge (Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch) durchlaufen.
Seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zieht die Übersetzung im Fremdsprachenunterricht (FSU) das Interesse der Fremdsprachendidaktiker auf sich. In den anhaltenden Diskussionen über den Stellenwert der Übersetzung im FSU bestehen aber immer noch verschiedene Meinungen. Die Meinungsverschiedenheiten beruhen vor allem auf diversen miteinander konkurrierenden Lerntheorien und damit auch auf unterschiedlichen methodischen Prinzipien. Im Zusammenhang mit den herrschenden didaktischen Richtungen und mit den unterschiedlichen Lernzielen, die im Fremdsprachenunterricht verfolgt werden können, wird auch die Übersetzung unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet und bewertet. Hinsichtlich der Funktion der Übersetzung ist es inzwischen üblich geworden, zwischen zwei Verwendungsweisen zu unterscheiden: Einerseits wird die Übersetzung als ein methodisches Mittel zur Festigung, Erweiterung und Prüfung sprachlicher Fertigkeiten angewendet, andererseits ist sie als eine eigene Fertigkeit selbst ein Übungs- und Unterrichtsziel.
Im Jahr 2006 brachte Saul Friedländer seine weithin beachtete Gesamtdarstellung „Nazi Germany and the Jews“ mit dem zweiten Band „The Years of Extermination“ zum Abschluss. Das Buch lese sich wie ein Roman, so und ähnlich urteilten Rezensenten über dessen literarische Qualitäten. Auf erzählerische Stärken verweisen auch Kommentare zu Christopher Brownings jüngster Studie „Remembering Survival“ (2010). Das Erzählen in der Geschichtswissenschaft ist seit längerem wieder Gegenstand der Diskussion: Forscherinnen und Forscher auf einem Symposium auf dem Alten Schloss Dornburg bei Jena gingen im Juni 2011 dieser Frage speziell für den Bereich der Holocaust-Historiographie nach.
The discourses on textuality and literacy that can be observed in the Kyot-Excursus in 'Parcival' by Wolfram von Eschenbach and in the Magnetbergerzählung of the 'Reinfried von Braunschweig' will serve here as examples in an attempt to historicize textual models. My essay will focus on how the limits of textuality could be defines within those 13th-century aristocratic orders of knowledge to which court literature can provide an access. What emerges within this context are concepts and ideas that lie beyond the scope of modern scholarly systems; these narratives indicate a way of dealing with textuality and literacy that, rather than referring to the textual discourse, may remain instead on the phenomenal surface of the material or (as if the textual discourse did not exist) may embody implicitly the circumstances that it signifies.
Die Forschung bediente sich (…) [des Begriffes Schwankroman] im Sinnes eine Gattungsbegriffes, auch wenn sie nicht übersah, daß 'Schwankroman' bei aller Praktikabilität zugleich Ausdruck einer Verlegenheit ist, in welche ursprünglich wohl die ästhetische Norm von der geschlossenen Einheitlichkeit jeder Dichtung, die diesen Namen verdienen soll, geführt hat, einer Verlegenheit nämlich angesichts der offenkundig episodischen Struktur der genannten epischen Großerzählungen, die ihr Zusammengesetztsein aus kurzen, in sich weithin vollständigen Erzähleinheiten kaum je verleugnen. Dieses Dilemma schlägt sich nieder in der Binnenspannung zwischen den beiden Komponenten des Begriffs auf quantitativer, formal-struktureller und kategorialer Ebene: (…)
Was die altgermanistische Fachidentität wo nicht zu gefährden droht, da doch neu zu bestimmen nahe legt, das lässt sich am einfachsten unter jenem gängigen Stichwort 'Kulturwissenschaft' fassen, welches überhaupt in den Programm- und Legitimierungdebatten solcher akademischen Fächer eine zentrale Rolle spielt, die man einmal ohne weiteres die Geisteswissenschaften nannte. Dabei scheint durchaus umstritten zu sein, ob mit 'Kulturwissenschaften' ein Bruch mit den Traditionen der Deutschen Philologie angesagt ist oder im Gegenteil deren neuerliche Stabilisierung.
Sprachtechnologie für übersetzungsgerechtes Schreiben am Beispiel Deutsch, Englisch, Japanisch
(2009)
Wir [...] haben uns zur Aufgabe gesetzt, Wege zu finden, wie linguistisch basierte Software den Prozess des Schreibens technischer Dokumentation unterstützen kann. Dabei haben wir einerseits die Schwierigkeiten im Blick, die japanische und deutsche Autoren (und andere Nicht-Muttersprachler des Englischen) beim Schreiben englischer Texte haben. Besonders japanische Autoren haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weil sie hochkomplexe Ideen in einer Sprache ausdrücken müssen, die von Informationsstandpunkt her sehr unterschiedlich zu ihrer Muttersprache ist. Andererseits untersuchen wir technische Dokumentation, die von Autoren in ihrer Muttersprache geschrieben wird. Obwohl hier die fremdsprachliche Komponente entfällt, ist doch auch erhebliches Verbesserungspotential vorhanden. Das Ziel ist hier, Dokumente verständlich, konsistent und übersetzungsgerecht zu schreiben. Der fundamentale Ansatz in der Entwicklung linguistisch-basierter Software ist, dass gute linguistische Software auf Datenmaterial basiert und sich an den konkreten Zielen der besseren Dokumentation orientiert.
Die Entwicklung eines individuellen Standards „vom grünen Tisch“ führt selten zu zufriedenstellenden Ergebnissen. Bei der automatischen Prüfung stellt man schnell fest, dass die „ausgedachten“ Regeln einer systematischen Anwendung nicht standhalten. Bei der Implementierung solcher Richtlinien stellt man fest, dass sie oft zu wenig konkret formuliert sind, wie z.B. „formulieren Sie Handlungsanweisungen knapp und präzise“. Wie jedoch kann ein Standard entwickelt werden, der zu einem Unternehmen, seiner Branche und Zielgruppen passt und für die automatische Prüfung implementiert werden kann? Sprachtechnologie hilft effizient bei der Entwicklung individueller Richtlinien. Durch Datenanalyse, Satzcluster und Parametrisierung entsteht ein textspezifischer individueller Standard. Ist damit aber der Gegensatz von Kreativität und Standardisierung aufgehoben?
Standardisierung ist der bedeutendste Ansatz zu Qualitätssteigerung und Kostensenkung in der Technischen Dokumentation. Es gibt eine Reihe von Standardisierungsansätzen: Modularisierung, Informationsstrukturen, Terminologie, Sprachstrukturen. Dennoch werden diese Ebenen meist getrennt voneinander beschrieben. Wir untersuchen, wie Standardisierungen im Informationsmodell, in der Terminologie und in den sprachlichen Strukturen verknüpft werden und miteinander interagieren.
Der Übersetzungsprozess der Technischen Dokumentation wird zunehmend mit Maschineller Übersetzung (MÜ) unterstützt. Wir blicken zunächst auf die Ausgangstexte und erstellen automatisch prüfbare Regeln, mit denen diese Texte so editiert werden können, dass sie optimale Ergebnisse in der MÜ liefern. Diese Regeln basieren auf Forschungsergebnissen zur Übersetzbarkeit, auf Forschungsergebnissen zu Translation Mismatches in der MÜ und auf Experimenten.
Es ist eine alte Debatte. Auf der einen Seite steht die althergebrachte Maxime, alles, was wert ist, gesagt zu werden, müsse in jeder Sprache gesagt werden können - umso mehr dann, wenn es sich um die Wissenschaft handelt, die den Anspruch erhebt, universelle Wahrheiten zu erfassen. Demgegenüber steht ein immer wieder anzutreffender Gedanke, dessen wohl inspirierteste Formulierung von Wilhelm von Humboldt stammt, nämlich, dass die Verschiedenheit der Sprachen nicht nur eine von „Schällen und Zeichen“, sondern eine der „Weltansichten selbst“ sei. Thema dieses Vortrags ist die Frage, wo die Wahrheit zwischen diesen scheinbaren Gegensätzen liegt.
Die Antike bildet einen zentralen Bezugspunkt für Identitätskonstruktionen in den europäischen Kulturen. Das Wissen davon, was Antike ist, ist jedoch keineswegs statisch: "Die Antike" formiert sich historisch stets im Wechselspiel mit dem Selbstverständnis der rezipierenden Kulturen. Diese bipolare Konstruktion griff die interdisziplinäre Tagung "Das Geschlecht der Antike" auf, die Anna Heinze (Berlin) und Friederike Krippner (Berlin) im Juni an der Humboldt-Universität zu Berlin veranstalteten. Sie verfolgte einerseits die Frage, welche Rolle die Kategorie "Geschlecht" bei verschiedenen Epochenentwürfen der Antike spielt, und richtete den Blick andererseits darauf, was die Referenz auf die Antike bei der Konstruktion von Geschlechterverhältnissen in nachantiken Gesellschaften leistet.
Der (...) Beitrag setzt sich strukturell auf drei Ebenen mit Rolf Hochhuths Dramenpoetik auseinander. Erstens wird die gegenläufige Beziehung zwischen ihrem historisch-adäquaten Gestaltungsanspruch und ihrer literarisch-symbolhaften Überformung analysiert. Zweitens wird Hochhuths Verhältnis zu den für ihn poetologisch bedeutsamen Vorgängern Lessing und Schiller untersucht. Drittens geht es um die Frage, welche Konsequenzen sich aus der in den »Guerillas« formulierten Darstellungsabsicht ziehen lassen, der realen Wirklichkeit durch die Projektion einen neuen (literarischen) Wirklichkeit entgegenzutreten.
Goethe und Schiller als "klassische Autoren" zu bezeichnen, wie im Titel dieses Vortrags geschehen, ist durchaus nicht selbstverständlich. Ebenso wie ihre Reklamation als "Nationalautoren" gehört ihre Einreihung unter die Klassiker der Wirkungsgeschichte ihres Werkes, und zwar speziell der deutschen Rezeption an. In England werden Goethe und Schiller unter die Romantiker gezählt, in Frankreich wird nahezu ausschließlich die mehr als hundert Jahre frühere französische Literatur von Corneille (1606-1684) bis Racine (1639-1699) als "klassisch" bezeichnet. [...] Der Begriff des "Klassischen" schwankt durch diese Rückbindung an die Antike zwischen stiltypologischer und historischer Bedeutung, d.h. zwischen der Bezeichnung mustergültiger und harmonisch proportionierter Literatur einerseits, und dem Bezug auf die griechische und römische Antike andererseits. Darin liegt das Problem jeder nachantiken Klassik, die sich zwar von den antiken Vorbildern lösen will, um selbst mustergültig werden zu können, zugleich aber an den antiken Autoren gemessen wird. Goethe selbst hat in seinem Aufsatz "literarischer Sansculottismus" während der Hochphase der "Weimarer Klassik" (1795) die Ansicht vertreten, in Deutschland seien die Voraussetzungen nicht gegeben, unter denen klassische Autoren entstehen könnten.
[Erhard Schütz skizziert vier Phasen:] 1. Das Doppel von sozialdemokratischer Selbstbildproduktion und bildungsbürgerlicher Einhegungsbeschwörung (ca. 1850–1917) 2. Das Doppel von Hegemonial-Konkurrenz in der Arbeiterbewegung und neusachlicher Funktionalitätsfaszination (ca. 1917–1933) 3. Das Doppel von Produktionsverherrlichung als politischer Systemfeier und industriepopularisierender Sachliteratur (ca. 1933–1961) 4. Das Doppel von industrieweltlichem Sozialrealismus und politischer Systemagitation. (ca. 1961–1987) Arbeiterliteratur im engeren Sinne fundiert sich zunächst entscheidend in einer vom Industrieproletariat ausgehenden, gesellschaftlichen Zukunftsperspektive. Sie ist in diesem strikteren Sinne Teil von Arbeiterkultur. Arbeiterkultur war – zugespitzt – geprägt durch Arbeitsplatz, Familie und Verein. Als solches ist sie natürlich auch Gegenstand von Arbeiterliteratur gewesen. Aber Arbeiterliteratur ist darüber hinaus durch die Arbeiterkultur formbestimmt. Sie ist in diesem Sinne weder ein Ausdruck der sozialen Lage der Arbeiter noch der Reflex eines Klassenbewußtseins. Ihre Spezifik besteht zunächst vielmehr darin, den, wie Klaus-Michael Bogdal es ausdrückt, "Prozeß der Subjektkonstituierung der Arbeiter" zu verstärken und zu sichern, "indem sie einen wirksamen Code der Ich-Rede zur Verfügung stellt". Arbeiter-Schriftsteller bedienten sich mit der Literatur eines Bereichs, der traditionell als besonders intensi-ver und höchster Ausdruck von Subjektivität galt, um darin ein "kollektives Arbeiter-Subjekt" zu imaginieren. Oder anders gesagt: In der historischen Arbeiterliteratur konstituierte sich in Literatur, im Medium emphatischer Subjektivität, ein Schreiben in transindividuell-sozietärer Perspektive. Das prägt vor allem die frühe Phase der Arbeiterliteratur im 19. Jahrhundert.
„Perspektiven für die Zukunft unserer Kultur im 21. Jahrhundert“ ist das Thema, das ich leichtfertig benannt habe. Leichtfertig, weil es natürlich anmaßend ist, anmaßend wie die Kunst selbst. Als ob man das wüsste. Als ob man dazu etwas sagen könnte. Als ob diese „Zukunft“ mal eben so - kurz vor dem Mittagessen - aufsteigen könnte, wie Perlen aus dem Prosecco. Ich glaube schon, dass man dazu etwas sagen kann. Bescheidener: ich will es wenigstens versuchen und ein paar Überlegungen äußern, die Ihnen ein Bild vermitteln, wie ich denke, wer ich bin, was mich umtreibt, wofür ich stehe. Als Mensch, aber auch als derjenige, der dem künftigen Thalia Theater die Richtung gibt.