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In “Fern von Aleppo”, the Syrian author Faisal Hamdo, who left his home in 2014 and sought refuge in Germany, tells of his very personal integration experiences. The book represents a kind of intercultural communication. In his book, Faisal Hamdo, who sees himself as a “mediator between the worlds”, tries to give the German reader answers to many questions regarding Syrian culture. From a text linguistic point of view, this book identifies the narrative development that seems to be tailored to the in-tercultural context. Accordingly, the present article raises the following questions: Does the structure of classic narration differ from the structure of narration in an intercultural context? Which intercultural information units are presented in the text? How are they embedded in the narrative text? Which constituents of the narrative structure are suitable for realizing intercultural communication? Which communicative functions do the constituents of the narrative structure fulfill in an intercultural context? The contribution sets itself the goal of analyzing the narrative structure to investigate how intercultural communication comes about through narration, how the intercultural information units are integrated into the constituents of the classic narrative structure so that they fulfill their communicative function, and to developa suitable analysis model.
Fallzahlaufkommen und Qualitätsindikatoren bei der Versorgung des abdominellen Bauchaortenaneurysmas
(2020)
Hintergrund: Der MTL30 (Mortalität, Transfer, Liegezeit) wurde als Surrogatparameter zur Evaluation der Qualität potenziell komplikationsträchtiger viszeralchirurgischer Eingriffe vorgeschlagen.
Zielsetzung: Es wurde überprüft, inwieweit sich der MTL30 zu den Ergebnissen des Bauchaortenaneurysma(AAA)-Registers des Deutschen Instituts für Gefäßmedizinische Gesundheitsforschung (DIGG) der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) und zum Fallaufkommen der Kliniken korrelieren lässt.
Material und Methoden: Insgesamt 14.282 Patienten wurden endovaskulär (EVAR) und 3923 Patienten offen (OAR) elektiv wegen eines AAA versorgt. Bestimmt wurden Fallaufkommen der behandelnden Kliniken, Klinikletalität, Liegezeit und Verlegung in ein anderes Akutkrankenhaus 30 Tage nach dem Indexeingriff.
Ergebnisse: Die Klinikletalität machte bei EVAR 1,3 %, bei OAR 4,9 % aus (p = 0,000), der MTL30 5,0 % vs. 14,4 % (p = 0,000). Für EVAR ließ sich keine Beziehung zwischen Fallaufkommen und Klinikletalität (Quintile 1: 1,0 %; Quintile 5: 1,3 %) sowie Fallaufkommen und MTL30 (Quintile 1: 5,3 %; Quintile 5: 5,3 %) nachweisen. Auch bei OAR bestand keine signifikante Beziehung zwischen Fallaufkommen und Klinikletalität (Quintile 1: 5,8 %, Quintile 5: 3,5 %; p = 0,505) und Fallaufkommen und MTL30 (Quintile 1: 16,4 %, Quintile 5: 12,2 %, p = 0,110). Bei einer Klinikletalität von 7,2 (5–10) % betrug der MTL30 bei OAR 17,6 %. Sowohl bei EVAR als auch bei OAR korrelierte die stationäre Aufenthaltsdauer signifikant mit Klinikletalität und MTL30.
Diskussion: Eine eindeutige Beziehung zwischen Krankenhausfallaufkommen und Klinikletalität ließ sich im AAA-Register des DIGG nicht aufzeigen. Das gleiche galt für den MTL30. Ob demnach der MTL30 gegenüber der Erfassung von Klinikletalität und stationärer Liegezeit als Qualitätsparameter einen Zusatznutzen bietet, muss offenbleiben.
Über problematische Straßennamen und Denkmäler wird politisch debattiert. Wie der öffentliche Raum aussieht, wird gemeinhin nicht als juristische Frage behandelt. Trotzdem taucht die Frage, was die Gesellschaft im öffentlichen Raum sehen will, auch als rechtliches Argument auf. Wann erkennt der Diskurs solche Fragen politischer Ästhetik als juristisches Argument an? Und welche Bedingungen entscheiden darüber?
Inklusion ist (k)eine Frage der Persönlichkeit - Inklusive Kompetenzen institutionell verankern!
(2020)
Orientiert am Themenschwerpunkt der „theoretischen und empirischen Klärung des Verständnisses pädagogischer Fachlichkeit“ beschäftigt sich unser Beitrag mit den Barrieren und Chancen, die sich in der Hochschulstruktur und –kultur und der universitären Lehre darstellen, wobei wir uns exemplarisch der Ausbildung inklusionsbezogener pädagogischer Fachlichkeit bei angehenden Lehrkräften zuwenden. Mit Bezug zu aktuellen Entwicklungen der bildungspolitischen Landschaft in Deutschland wird zunächst die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Lehramtsausbildung, wie auch in der gesamten Hochschullandschaft, dargelegt und diskutiert. Dabei wird das dem Beitrag zugrunde liegende Verständnis von Inklusion verdeutlicht. Die sich daraus ergebenden Anforderungen an Hochschulen, besonders in Bezug auf ihr Selbstverständnis, das Verständnis von Wissenschaftlichkeit und die gelebte Hochschulkultur, werden daraufhin formuliert. Daran schließen Überlegungen zur Umsetzung inklusionsorientierter Praxen in der Lehrer*innenbildung an. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der partizipativen Lehre als möglichem Werkzeug für eine inklusionssensible Hochschulentwicklung. Am Beispiel partizipativer Lehre gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten1 werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Menschen, die bisher keinen Zugang zur akademischen Wissensvermittlung hatten, als Lehrende tätig sein und so sowohl von Biografien unter der Erfahrung von Diskriminierung berichten, als auch diese Erfahrungen in die Produktion von Wissen einfließen lassen können. In der Diskussion um partizipative Lehre werden verschiedene Widersprüche und Diskurse deutlich, die geeignet sind, um über Hochschulkulturen und -praxen neu nachzudenken.
Der vorliegende Artikel befasst sich mit den Schwierigkeiten der Übersetzung von Humor und verschiedenen möglichen Übersetzungsstrategien für die Übertragung von Humor von einer Sprache bzw. Kultur in eine andere. Er enthält ferner eine Fallstudie, die sich mit den sehr erfolgreichen Synchronisationen des Synchronregisseurs und -sprechers Rainer Brandt in den 1970er/ 80er Jahren befasst. Dabei wird gezeigt, dass Kreativität und Mut zum Risiko in manchen Fällen sogar die synchronisierte Fassung erfolgreicher als das Original machen können. Es zeigt sich also, dass es sinnvoll ist, auch in der Synchronisation öfter vom Postulat der unbedingten Treue zum Original abzuweichen.
Die Literatur spiegelt in Werken die Spuren der Kultur, der sie zugehört, wider und ist beauftragt der Gesellschaft Richtung zu geben. Deshalb zeigen literarische Werke die geschichtliche, soziale, wirtschaftliche Seite und Kenntnisse vor dem Hintergrund ihrer Zeit. Durch Migrationserfahrungen wird literarischen Genres ein neues literarisches Genre hinzugefügt, nämlich 'die Migrantenliteratur'. Obwohl die Migrantenliteratur andere politisch-historische Hintergründe in sich trägt, kommt es in ihrem Kontext zu ähnlichen Bildern und Problemstellungen des Eigenen und des Fremden. Die Zahl der Schriftstellerinnen in diesem Genre der Literatur ist gering, aber Emin Sevgi Özdamar ist eine weltweit berühmte Schriftstellerin. Özdamars Erfolg ist darin zu sehen, dass sie Wörter, Sprüche und Redewendungen aus ihrer Muttersprache unmittelbar ins Deutsche überträgt. Das Erzählverfahren von Özdamar ist von interkulturellen Bezügen hinsichtlich der deutschen und der türkischen Kultur geprägt. Genau aus diesen Gründen sollen in der vorliegenden Studie die Sichtweise von Frauen, Frauenbildern, verschiedenen weiblichen Rollen in der deutschen und türkischen Gesellschaft im Roman 'Die Brücke vom goldenen Horn' von Emine Sevgi Özdamar, einer weltweit bekannten Autorin, analysiert werden. Es wird beabsichtigt, aus dem Blickwinkel einer Schriftstellerin aufzuzeigen, wie sich die Frauenbilder in den Jahren 1966-1975 in Deutschland und in der Türkei darstellten, ob es Unterschiede zwischen den zwei Kulturen gab und vor welchem geschichtlichen und sozialen Hintergrund die Frau, die im Mittelpunkt steht, lebte.
Soziologische Theorien weisen von Anfang an, seit Auguste Comte und Max Weber, eine Schlagseite in ihrer Theoriebildung auf und bleiben in ihrer Medienkonzeption beschränkt, wie wir heute wieder in Entwürfen einer Theorie der digitalen Gesellschaft beobachten können. Diese Schlagseite im soziologischen Medienbegriff resultiert nicht nur aus ihrem modernen Blick auf die Gesellschaft, sondern ebenso aus einer medialen Abstraktion; trotz ihrer Empirie sind soziologische Theorien häufig mit einer blinden Stelle in ihrem 'Medienbegriff' behaftet. Zu erinnern sei hier nur an Max Webers Begriff der Rationalität, der höchst abstrakt vom konkreten Lauf der Gesellschaft abgezogen wurde; einer angeblich entzauberten Welt der Moderne, die jedoch in ihrer 'oikonomia' in Wahrheit erst recht vollständig verzaubert auftreten sollte. So blieb und bleibt ihre Modernität, die sie gegenüber der spekulativen, transzendentalen und metaphysischen Philosophie angeblich auszeichnet, ein höchst abstraktes Produkt, das sie freilich in den modernen, ausdifferenzierten Gesellschaften als etwas höchst Konkretes und Objektives präsentieren oder, aktueller und spezifischer formuliert, statistisch, probabilistisch, stochastisch und algorithmisch errechnen wollen. In diesem medialen Reduktionismus sind heute auch neue soziologische Modelle befangen, die nunmehr die digitale Gesellschaft in einem theoretischen Rahmen unterbringen wollen, dabei aber die letzte verbliebene gesellschaftliche Bodenhaftung verlieren und vollends in einen digital-informatischen Rationalismus abdriften, gegen den dann kein Widerstand mehr möglich ist.
Die Übersetzung, insbesondere die literarische, ist vor allem eine Art Kulturübertragung. Neben der Beherrschung der Sprachen setzt sie die Kenntnis des Allgemeinen und Besonderen des Landes wie Kultur, Tradition, Glauben, geschichtliche und gesellschaftliche Begebenheiten und auch soziale Strukturen voraus. Wenn die Sprachen und Kulturen tiefgreifend wahrgenommen werden, können die übersetzten Texte die Adressaten erreichen, d.h., dass die Ausgangssprache und -kultur für die Zielrezipienten verständlich sein können. So wird der Übersetzer als Kulturträger angenommen. Cornelius Bischoff ist beispielsweise ein wohlbekannter Name für den deutschen und türkischen Literaturkreis. Er ist vor allem bekannt als "der deutscheste Türke und der türkischste Deutsche" sowie als eine Brücke zwischen Deutschland und der Türkei. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Cornelius Bischoff, einen Kulturträger zwischen der deutschen und türkischen Übersetzung, zu behandeln. Als ein "Haymatloser" fand er in der Türkei die Möglichkeit, die türkische Sprache und Kultur wesentlich kennenzulernen und viele türkische Werke ins Deutsche zu übersetzen. Als ein Übersetzer trug er zuallererst dazu bei, die türkische Literatur, die bedeutenden türkischen Schriftsteller, die türkische Kultur und Tradition sowie den türkischen Sprachgebrauch in Deutschland bekannt zu machen. In der vorliegenden Arbeit wird die Besonderheit Bischoffs in der Übersetzungswelt im Hinblick auf drei Aspekte diskutiert: zuerst im Hinblick auf den Zusammenhang seiner Wurzeln in der Türkei und im Türkischen - schon in seinen Wurzeln, besonders mütterlicherseits, wurde das Türkische verinnerlicht -, dann auf die in der Türkei verbrachten Jahre - die Jahre, in denen er "haymatlos" genannt wurde - und zuletzt auf die Wahrnehmung und Aneignung der türkischen Sprache, Kultur und Gesellschaft - was auf ihn lebenslang einwirkte. In diesem Kontext wird versucht, sein Leben, seine Werke und seine Wirkung im Rahmen der übersetzerischen Tätigkeit zu analysieren.
In seinem Buch "Einfache Formen" (1930) entwickelt André Jolles in Auseinandersetzung mit Goethes Naturkunde die Vorstellung einer besonderen Zeitlichkeit der von ihm so genannten "Einfachen Formen", die er als "Jedesmaligkeit" bezeichnet. Jolles greift damit den morphologischen Gedanken einer Vielgestaltigkeit von Form vor dem Hintergrund der sprachwissenschaftlichen Debatten seines politisierten akademischen Umfelds in Leipzig auf, das den Saussure'schen Systemgedanken der Sprache unter Rückbezug auf Wilhelm von Humboldt holistisch umdeuten wollte. Der Aufsatz verortet Jolles' Überlegungen in der formorientierten Literatur- und Kulturtheorie der Zeit. Anhand seiner Zeitbegriffe und seines Formkonzepts wird gezeigt, wie er die zeitgenössischen Ideen der Ganzheit und der Verzeitlichung von Form im Ausgang morphologischer Fragen auf eigenwillige Weise interpretierte.
Vorwort
(2020)
Lange waren Formkonzepte dem Zug der Zeit entzogen, um dann am Ende des 18. Jahrhunderts, und prominent in Goethes Naturforschung, massiv unter ihren Einfluss zu geraten. Wenn Goethes Überlegungen zu Morphologie und Metamorphose Manifestationen der im späten 18. Jahrhundert auf breiter Front beobachtbaren Verzeitlichungsprozesse darstellen, drängt sich die Frage auf, wie das Verhältnis von Zeit und Form in der als Zeitkunst verstandenen Literatur des Autors wirksam wurde.
(Un)glaubwürdig grün? : Wie Anleger im boomenden Markt für Grüne Anleihen nach Orientierung suchen
(2020)
Der Klimaschutz ist in der Finanzwelt angekommen. Diesen Eindruck erweckt zumindest das wachsende Angebot an »grünen« Anleihen. Diese Wertpapiere beschaffen Kapital für explizit klimafreundliche Industrien und Projekte. Doch können Anleger sicher sein, dass sie ihr Geld in einen klimafreundlichen CO2-Fußabdruck investieren und nicht doch beim »Greenwashing« eines rasant ressourcenabbauenden Unternehmens Beihilfe leisten? Die Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Kapraun hat sich mit der Glaubwürdigkeit Grüner Anleihen befasst.
Geschichts- und Literaturwissenschaft, verstanden als Spezialdiskurse, stehen, so die an dieser Stelle vertretene These, in einem wechselseitig-kommunikativen Verhältnis, das sich sowohl im außerwissenschaftlichen Interdiskurs Literatur als auch im Interdiskurs Geschichtserzählung niederschlägt. Die interdiskursive Konstruiertheit beider Erzähltextformen zeigt sich nicht nur inhaltlich an referentiellen Bezügen, sondern oftmals auch an (gemeinsamen) Erzählformen oder an paratextuellen Elementen. In den nachfolgenden Überlegungen werden die Interferenzen von Geschichtserzählungen und historischen Romanen in den Blick genommen, um an geeigneten Beispielen die konkrete Überführung von Spezialwissen in einen Interdiskurs aufzuzeigen und zu diskutieren. Zugleich soll ein Vergleichsrahmen eröffnet werden, der die Interdiskursivität beziehungsweise interdiskursive Konstruiertheit von Historiografie und Literatur einander gegenübergestellt. Dabei müssen diskursanalytische und narratologische Ansätze miteinander verbunden werden, um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht werden zu können. Die zu berücksichtigende Textauswahl beschränkt sich auf die zwei Romane "Imperium" und "Der Komet" und den geschichtswissenschaftlichen Text "The Boy", die in unterschiedlicher Weise interdiskursiv konstruiert sind. Beide Romane, und das ist neben einem allgemein historischen Sujet eines der wenigen inhaltlich verbindenden Elemente, verweisen in der fiktionalen Erzählung an verschiedenen Stellen auf Adolf Hitler und den Nationalsozialismus, und auch die faktuale Erzählung "The Boy" – erkennbar bereits am Untertitel "A Holocaust Story" – setzt sich mit dem Nationalsozialismus auseinander.
Marie-Aude Murail a pu se vivre au début de sa carrière "comme écrivaine pour non-lecteurs, vouée à faire des livres qui ne devaient jamais dépasser 200 pages" (cité dans Prince, 2015 : 152). "Le Hollandais sans peine", petit ouvrage illustré paru en 1989, relève de la littérature de jeunesse, que d'aucuns continuent à opposer à la 'vraie' littérature. Dans la présente contribution, je propose d'analyser le tour de force que Murail réussit ici encore avec humour, en coulant dans un récit pour enfants certains éléments essentiels de la critique du langage. Ainsi, en inventant de toute pièce une langue, le jeune protagoniste Jean-Charles tourne une situation de contrainte, l'injonction parentale de jouer avec le voisin de camping afin d'apprendre l'allemand, en un espace de créativité linguistique et communicationnelle qui, de plus, rapproche jeunes et adultes. L'ouvrage illustre en ce sens la définition de Murail de la littérature de jeunesse comme dialogue entre les générations.
Die Auseinandersetzung mit Stefan George war für Theodor W. Adornos philosophischen Werdegang entscheidend. Dieser Befund wird durch eine einfach quantitative Analyse bestätigt: Georges Name erscheint in Adornos "Gesammelten Schriften" 468 Mal. Zum Vergleich: Kafka wird 302 Mal, Goethe 298 Mal genannt. Gleichwohl hat die Forschung, trotz einiger Einzelstudien zur George-Rezeption Adornos, die Systematik und Struktur seiner George-Lektüre bislang nicht hinreichend herausgestellt. Adornos oft konstatierte Ambivalenz, die Georges philosophische 'Rettung' motiviert, erklärt sich aus seiner Doppelposition als Angehöriger der linken Frankfurter Intelligenz auf der einen, als Komponist der Zweiten Wiener Schule auf der anderen Seite - eine sozialgeschichtliche Konstellation, vor deren Hintergrund sich das Zusammenspiel dreier Problemfelder vollzieht: Erstens handelt es sich bei Adornos George-Lektüre um die Übertragung der materialistisch-dialektischen Methode auf die Kunstbetrachtung; diese hängt zweitens mit dem Problem des 'Klassischen' zusammen; drittens mit Adornos musikalischer Beschäftigung mit George. Der vorliegende Beitrag versteht sich als Versuch, die Verflechtung dieser Problemfelder darzustellen und damit die Logik von Adornos komplexem Verhältnis zu George zu erhellen.
Heute sterben zehn- bis hundertmal mehr Arten aus, als dies ohne die massiven Einflüsse des Menschen auf das System »Erde«der Fall wäre. Der Artenforscher Matthias Schleuning untersucht, wie Pflanzen und Tiere in komplexen Ökosystemen voneinander abhängen. Damit kann er voraussagen, wer zu den Gewinnern und den Verlierern von Klimawandel und stärkerer Landnutzung werden wird.
Ausgehend von spezifischen Anforderungen inklusiver Settings wird in diesem Beitrag ein Ansatz zur Weiterentwicklung des Modells der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften für inklusiven (Mathematik-)Unterricht vorgestellt. Inklusion wird dabei verstanden als fachliches Lernen und gemeinsame Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler. Für die Weiterentwicklung werden zunächst Anforderungen durch inklusive Bildung betrachtet, einerseits abgeleitet aus verschiedenen Aufgaben- und Kompetenzkatalogen, andererseits basierend auf Kernbeständen für den Umgang mit Heterogenität im (Mathematik-)Unterricht im Allgemeinen und für inklusiven (Mathematik-)Unterricht im Speziellen. Anschließend wird daraus Wissen zur Bewältigung dieser Anforderungen abgeleitet und unter Rückgriff auf die verschiedenen Bereiche des Professionswissens (Fachwissen, pädagogisches Wissen, fachdidaktisches Wissen, Organisationswissen und Beratungswissen) weiter ausgeführt, wobei der Fokus auf das fachdidaktische Wissen im inklusiven Mathematikunterricht gelegt wird. Die affektiven und motivationalen Merkmale (Überzeugungen, Selbstregulation und Motivation) der professionellen Handlungkompetenz werden ebenfalls in die Weiterentwicklung des Modells einbezogen. Insgesamt erfolgt die Weiterentwicklung des Modells somit im Rahmen einer Erweiterung der einzelnen bestehenden Kompetenzbereiche um Aspekte, die unter Inklusionsgesichtspunkten besondere Bedeutung erfahren. Mit der Identifizierung von Kompetenzbereichen bei Lehrkräften zu Beginn einer Fortbildung zu inklusivem Mathematikunterricht wird ein Beispiel präsentiert, wie das weiterentwickelte Modell angewendet werden kann. In diesem Zusammenhang konnten in den Äußerungen der Lehrkräfte – abgesehen vom Fachwissen – alle Kompetenzbereiche identifiziert werden. Abschließend werden Möglichkeiten vorgestellt, wie das Modell im Kontext der Lehrerprofessionalisierungsforschung weiterhin eingesetzt werden kann.
Archäologie des Arbeiter- und Bastlerstaats : Marc Schweskas Roman "Zur letzten Instanz" (2011)
(2020)
Mit seinem Roman "Zur letzten Instanz" hat der Berliner Autor Marc Schweska 2011 einen lesenswerten und vor allem ungewöhnlichen Roman veröffentlicht. Das liegt nicht daran, dass dieser Roman über die Ostberliner Subkultur der 1980er Jahre letztlich auch ein Berlinroman ist, wie es sie bereits in Überfülle gibt, und auch nicht daran, dass "Zur letzten Instanz" sich immer wieder der Mittel des Schelmenromans bedient. Ungewöhnlich ist Schweskas Roman vor allem, weil er zuallererst ein Bastlerroman ist und sich sowohl inhaltlich als auch formal mit dem Basteln auseinandersetzt. [...] Als Schlüsselfigur im Prozess der Theoretisierung des Bastelns kann Claude Lévi-Strauss gelten. Nachdem der französische Anthropologe in seiner 1962 publizierten Monographie "Das wilde Denken" seine berühmten Ausführungen zur 'bricolage' veröffentlicht hatte, in denen er das Basteln als Ausdruck eines der künstlerischen Tätigkeit nahestehenden 'konkreten Denkens' und den Bastler als Gegenspieler des Ingenieurs bestimmte, avancierte das Basteln zu einem zentralen Konzept strukturalistischer und poststrukturalistischer Theorie und Theoriebildung und wurde im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend als eine maßgebliche Kulturtechnik und als ein zentrales Kulturmodell einer (wie auch immer verstandenen) Postmoderne aufgefasst. "Die Postmoderne", so erklärt etwa Thomas Reinhard, könne deshalb nicht nur als "Periode des Zitats", sondern vor allem auch als "Epoche des Bastlers" charakterisiert werden. In seinem Roman schließt Schweska nun an diesen Diskurs an und zeigt sich mit den strukturalistischen und poststrukturalistischen Theorien des Bastelns vertraut. Besonders ist "Zur letzten Instanz" aber vor allem, weil Schweska diese Theorien hier auf die DDR bezieht, der - wie allen unter den Bedingungen des Mangels wirtschaftenden Staaten des 'Ostblocks' - eine besondere Affinität zum Basteln nachgesagt wird. Dadurch wendet sich der Autor nicht nur einer bislang unzureichend beleuchteten Episode der Geschichte des Bastelns zu; vielmehr eröffnet er auch eine ungewohnte Perspektive auf die Geschichte der DDR, indem er diese am Beispiel des Bastelns zu erkunden versucht und sich dafür selbst der Mittel des Bastelns bedient.
Annette von Droste-Hülshoff hat neben ihren zu Lebzeiten erschienenen literarischen Hauptwerken keine explizit poetologischen Schriften hinterlassen. Dieser Befund überrascht bei einer Autorin, deren Gedichte und Prosatexte in hohem Maße selbstreflexiv sind. Eine mögliche Begründung dafür, dass diese konzeptionelle Energie nicht in eine individuelle Poetik mündete, kann sich auf kulturhistorische und biographische Argumente stützen. [...] Sich auf dem Literaturmarkt mit programmatischen Schriften oder literaturkritischen Zeitschriftenbeiträgen zu positionieren, wäre für Annette von Droste-Hülshoff undenkbar gewesen. Dem Verbot zum Trotz ließ sie sich allerdings nicht davon abhalten, alle verfügbaren Journale zu lesen und sich akribisch in Diskurs und Regularien zeitgemäßer Kritik einzuarbeiten. Daraus folgten verschiedene Strategien der Camouflage und des Versteckspiels, um die gewonnenen Fertigkeiten insgeheim und in gleichsam unverdächtigen Medien zu erproben: Poetologische Reflexionen liegen subkutan in Gedichten verborgen, die oberflächlich gelesen von der westfälischen Landschaft oder einer fragilen weiblichen Identität handeln, Spurenelemente verbotener Literaturkritik finden sich in den Briefen an Schücking und Elise Rüdiger. Wenn sich die Autorin nämlich, selten genug, in Briefen und Gedichten explizit über Poesie äußert, dann überrascht sie mit denkbar schlichten und dem eigenen Modernitätsanspruch kaum angemessenen Formulierungen. [...] Das sind Ungereimtheiten, die ich in diesem Beitrag zu erklären versuche. Sowohl die erste Beobachtung, dass Droste poetologische Äußerungen versteckt, als auch die zweite, dass die bestens und aktuell informierte Autorin mitunter zu solch anachronistisch anmutenden Formeln wie den oben zitierten greift, möchte ich vor dem Hintergrund ihrer kritischen Zeitgenossenschaft diskutieren. Meine Hypothese ist, dass das Spannungsfeld in Drostes Texten kontextuellen Spannungsfeldern korreliert und zu ihnen in ein Abbild- und Reflexionsverhältnis tritt. So, nämlich kontextbezogen und als Verhältnisbestimmung gesehen, erscheinen mir Drostes Verlautbarungen über das Dichten nicht weniger politisch als die ihrer vormärzlichen Kolleg*innen. Ein solches Vorgehen erfordert einen nochmaligen Blick in die Geschichte des 19. Jahrhunderts, und zwar unter besonderer Berücksichtigung jener ungeheuren, für das Jahrhundert charakteristischen Veränderungsdynamik, die Jürgen Osterhammel im Titel seiner Studie "Die Verwandlung der Welt" zum Ausdruck bringt. Einige der Fragen, die mich während der Suche nach Annette von Droste-Hülshoffs 'ungeschriebener Poetik' in ihren Texten und Briefen beschäftigen werden, richten sich auf die besonderen, von der Autorin selbst analysierten Modernisierungserfahrungen in Westfalen.
Der vorliegende Aufsatz geht davon aus, dass es die vermeintlich unspektakuläre, zugewandte 'Volksnähe' des Heiligen sowie seine Fähigkeiten als Prediger sind, die Michael Köhlmeier an Antonius von Padua faszinieren. Jedenfalls zeugen sowohl Köhlmeiers literarische Texte als auch seine Auftritte als Mythen- und Sagenerzähler von einem besonderen Interesse an Formen des kollektiven Erzählens sowie an der Beziehung zwischen Publikum und Redner. Vor diesem Hintergrund verfolgt der Beitrag zum einen die These, dass Köhlmeiers Erzählung sich als literarische Untersuchung zur Tradition der Antonius-Legenden lesen lässt, deren inhärenten Spannungen sie nachgeht und deren Produktionsmechanismen sie offenzulegen versucht. Es gehört zu den gattungskonstitutiven produktiven Problemen der Legende, dass sie ihren Gegenstand sowohl voraussetzen als auch performativ durch das eigene Erzählen herstellen muss: Die Heiligkeit der Person, von der die Rede ist, bildet zugleich Anlass und Ziel des Erzählens. In diesem zirkulären Projekt muss die Legende zum einen das Verhältnis zwischen individueller Handlungsmacht und göttlicher Vorsehung austarieren - der oder die Heilige muss als Person exzeptionell sein oder es erst werden, wobei ihm oder ihr diese Exzeptionalität als transzendente Auszeichnung zugeschrieben wird. Zum anderen verhandelt die Legende das Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv - der oder die Heilige muss sich zwar vom Kollektiv absetzen und abgrenzen, ist aber dennoch angewiesen auf die Anerkennung und Beglaubigung durch eine Gemeinschaft. Während die mittelalterliche Antonius-Biographik dieses triadische Gefüge ausbalancieren, heterogene Überlieferungen harmonisieren und widerständige Elemente tilgen muss, um die Lebensgeschichte des Heiligen zur wirkungsvollen Legende zu modellieren, unternimmt es Köhlmeiers Novelle, die plurale Vielstimmigkeit und immanente Widersprüchlichkeit der Überlieferung wieder zu entfalten. Dieses quasi-archäologische, quellenkritische Verfahren erfolgt allerdings nicht um seiner selbst willen, sondern dient, so unsere zweite These, der Etablierung einer eigenen, alternativen Version der Antonius-Legende. Über die produktive Umschreibung der Prätexte und die imaginative Füllung ihrer Lücken findet Köhlmeiers Novelle auf die alte Frage, wie sich Heiligkeit konstituiert, eine neue, durchaus überraschende Antwort: Die Macht zur Heiligung kommt hier nicht der göttlich inspirierten Rede zu, sondern dem Kollektiv.
Schon früh im 19. Jahrhundert wurde der Treibhauseffekt entdeckt. Doch bis sich die Menschheit ihres Einflusses auf das globale Klima bewusst wurde, hat es noch viele Jahrzehnte gedauert. Ein Rückblick auf das zähe Ringen darum, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen die richtigen politischen Schritte abzuleiten.
Hypericum perforatum s. str. und morphologisch ähnliche Hybriden (H. ×desetangsii s. l.) werden als Sammel-arten aufgefasst, die jeweils mehrere eng umgrenzte Arten umfassen. Beide Artengruppen werden im Aachener Raum unterschieden anhand strichförmiger dunkler Öldrüsen an der Außenseite der Kronblätter, die H. perforatum s. str. fehlen und bei Hybriden vorhanden sind. Andere morphologische Merkmale und besonders die Ökologie sind ebenfalls Unterschiede beider Gruppen. Ihre Umgrenzung und ihre Entstehung werden disku-tiert. Eine Sippe, die der Verfasser als eine H. perforatum nahestehende Hybride auffasst, wird als neue, hybrido-gene Art H. patzkei zu Ehren des verstorbenen Prof. Dr. ERWIN PATZKE beschrieben, der sie als erster als phäno-logisch und morphologisch abweichendes Taxon erkannt hat. H. patzkei beginnt früh mit der Blüte und kann u. a. anhand schmaler Blätter mit wenigen hellen Öldrüsen, dunklen strichförmigen Öldrüsen an der Außenseite der Kronblätter und einem schmalen Habitus mit spitzwinklig abstehenden Seitenästen unterschieden werden. Die Art ist charakteristischer für offene Stellen in Wäldern und deren Ränder als für trockene, offene Lebensräume, ist aber ökologisch ziemlich variabel. Sie ist bisher bekannt in der Umgebung von Aachen und nahe gelegenen Stellen in Belgien.
Die Variabilität der häufigen Arten Sonchus asper und S. oleraceus in Aachen wird dargestellt, und ihre Unter-scheidungsmerkmale werden kritisch diskutiert. Sie bereiten häufiger Bestimmungsprobleme als erwähnt wird, da viele Merkmale stark variieren und zumindest bei einzelnen Pflanzen ausfallen können. Zuverlässig ist in Zwei-felsfällen die Fruchtoberfläche. Die auffallende Variabilität beider Arten wird oft als rein modifikativ oder taxono-misch unbedeutend abgetan. Bei beiden Arten gibt es aber beachtenswerte Sippen: Bei S. asper sind zwei in der Blattteilung extreme Sippen weitgehend konstant und einheitlich, es gibt aber eine Zwischensippe, die möglich-erweise ebenfalls eigenständig ist. Neben einer häufigen typischen Sippe von S. oleraceus und selteneren Lokal-sippen lässt sich eine feinblättrige Sippe als mögliche Art S. reversus abtrennen. Gerade bei S. oleraceus stellt sich vielfach die Frage, ob Merkmale oder gar manche Sippen insgesamt auf Introgression von S. asper beruhen.
Ein kleiner Bestand von Ranunculus parviflorus konnte im Mai 2019 erstmals für Nordrhein-Westfalen in einem lückigen Scherrasen auf dem Friedhof in Zülpich-Juntersdorf/Kreis Euskirchen nachgewiesen werden. Das Vorkommen in Juntersdorf sowie die Merkmale, Verbreitung und Ökologie der mediterran-atlantischen Art werden diskutiert.
Am Ufer der Rurtalsperre (Untersee) konnten im Frühherbst 2018 größere Bestände von Cardamine occulta beobachtet werden. Es handelt sich um den zweiten Nachweis an einem naturnahen Standort in Nordrhein-Westfalen. Die Ökologie und Phänologie der neophytischen Art werden diskutiert. Bisher wurden in Europa außer an Ufern des Bodensees und des Rheins sowie in Reisfeldern in Norditalien nur Vorkommen in stark anthropogen beeinflussten Lebensräumen, wie Gärtnereien, Blumenkübeln und Friedhöfen beobachtet. Es lassen sich zwei Hauptentwicklungsphasen im Spätwinter/Frühjahr und im Spätsommer/Herbst feststellen. Während an anthropogenen Standorten wie Friedhöfen zu beiden Zeiten blühende Pflanzen beobachtet werden können, beschränken sich die Vorkommen an natürlichen/naturnahen Standorten offenbar entweder wie am Bodensee auf das Winter- oder wie in Nordrhein-Westfalen auf das Sommerhalbjahr.
Tiere erlauben einen ertragreichen Zugriff auf Büchners literarisches Werk. Exemplarisch zeigt sich dies an der »Hühnerlaus« aus dem Woyzeck. Ein Animal Reading dieses Tieres entfaltet zunächst vor dem wissensgeschichtlichen Hintergrund der Parasitenforschung die Rätselhaftigkeit von Büchners literarischer Hühnerlaus und schlägt dann vier mögliche Perspektiven vor, wie diese Rätselhaftigkeit für eine Interpretation fruchtbar gemacht werden kann: einen editionsphilologischen Lesartenstreit, die Debatten um den Wissenshorizont des Autors und seiner Figuren, eine Verortung in der Geschichte der Biotheorie sowie die Frage nach einer Tier-Ästhetik der Groteske.
Blockchain verspricht, Intermediäre wie Banken überflüssig zu machen und durch dezentrale Peer-to-Peer-Netzwerke zu ersetzen. Dieser Beitrag stellt die Frage nach der Realisierbarkeit dieser Ankündigung sowie danach, welche gesellschaftlichen Implikationen damit verbunden sind. Eine historisch informierte theoretische Analyse zeigt, dass die Erzeugung von Kreditgeld durch Banken ein für kapitalistische Gesellschaften existenzieller Vorgang ist. Die Fiktion des Geldwerts bedarf ihrerseits glaubwürdiger Intermediäre, die dauerhaft in der Lage sind, die zeitliche und räumliche Stabilität des Geldes zu inszenieren. Explorative Interviews mit Akteuren im Finanzsektor in Kombination mit einer inhaltsanalytischen Auswertung von einschlägigen Blogs, White Papers und Artikeln der Wirtschaftspresse lassen vermuten, dass Blockchain Intermediäre keineswegs ausschaltet, sondern diejenigen mächtiger werden lässt, die in der Lage sind, die Technologie ihren Bedürfnissen entsprechend umzugestalten.
Datenschutz versus Katastrophenschutz : Standortdaten als Mittel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie
(2020)
Einige Länder setzen Standortdaten jetzt schon gezielt ein, um die weitere Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der weitreichende Befugnisse vorsah, um mithilfe von Standortdaten Kontaktpersonen von Infizierten über deren Handys zu orten, stieß auf teilweise heftige Kritik. Der Gesetzentwurf wurde daraufhin zurückgezogen, ohne dass nähere Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangt sind. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass eine Verarbeitung von Standortgesundheitsdaten nicht nur tatsächlich nützlich sein kann, sondern auch rechtlich möglich ist.
Wie lässt sich die Dramenkonstellation bewerten und einordnen? Hat man es mit der "Melodramatik bizarrer Exaltationsakte" zu tun? Oder mit einem Fortschreiben von "Büchners Radikalisierungsprogramm der Sozialkritik"? Oder mit "Anklängen ans Schicksalsdrama"? In der Tat: Das Stück bezeugt ein Katastrophenwachstum, wirkt pantragisch. Dieser Einakter lebt von einer Dramaturgie, die schnörkellos ins Ziel geht. Von vorn herein ist das Stück fünfter Akt. Die Katastrophe, die soziale Katastrophe, scheint vorprogrammiert. Dabei fließen verschiedene Traditionsstränge ineinander. Motivgeschichtlich geht es um das Hiob-Motiv, um das des Bettlers, um Verkennung und Wiedererkennung, um einen Vater-Sohn Konflikt, um den 'unbekannten Gegner', um Geschwisterliebe. Literargeschichtlich kombiniert das Stück aufklärerische Ansätze einer Ästhetik des Hässlichen mit Ideen-, Sprach- und Pathoselementen des Sturm-und-Drang. Ebenso schließt es sich mit seinen pessimistischen Zuspitzungen an die Schauerromantik und die Neuerungen der Schicksalstragödie an. Ebenso klingt ein Byron'scher wie jungdeutscher Zerrissenheits- und Rebellionsgestus an. Sozialgeschichtlich gesehen, bildet die 'soziale Frage' den inhaltlichen Kern. Was schauerdramatisch stilisiert wirkt, ist realistisch. Das Stück erweist sich bis in konkrete vermeintlich schauerdramatische Details hinein als ungeschminkte Sozialchronik und packende Sozialanklage gleichermaßen.[...] Die Tendenz des Stücks ist sozialkritisch und kirchenkritisch - und es zeigt unverkennbar Tendenzen von religiös-christlicher Weltverneinung. Diese Weltverneinung ist aber keine traditionell-pietistische, die erstens weiß, dass in jedem Fall eine schönere und bessere Welt wartet, und zweitens mit dem Verweis auf das bessere Jenseits das weniger bessere Diesseits stets noch zu meistern vermag. Sie basiert nicht auf der Intensivierung angelernter christlicher Gewissheiten, sondern auf dem Wanken dieser Gewissheiten. Es ist eine moderne, eine existentialistisch anmutende Weltverneinung. Nicht weil das Jenseits und weil das Gottesreich so verlockend wären, erscheinen sie als einziger Ausweg. Sie erscheinen als einziger Ausweg allein deshalb, weil das Irdische grundsätzlich pervertiert ist. In dieser Diagnose der Verderbtheit des Irdischen überschneiden sich, so scheint es, mindestens drei verschiedene Diskurse: erstens ein anthropologisch-geschichtstheoretischer Sündenfalldiskurs, der die menschliche Geschichte per se als Abweg vom göttlichen Schöpfungsplan ansieht, zweitens ein anti-institutioneller und staats- und kirchenkritischer, der wahre Moral und wahre Religion den pervertierten Institutionen von Staat und Kirche entgegensetzt, und drittens ein sozialkritischer, der Armut und Elend der Moderne vehement anprangert. Ob dieses soziale Elend von Wiese in gewisser Weise effektvoll funktionalisiert wird oder ob es tatsächlich Movens seines Einakters war, ist schwer auszumitteln. In jedem Fall wird sein Sozialdrama situiert in einem Geflecht religiöser Verstörung. Denn mit dem Zweifel an dem Irdischen wächst der am Überirdischen. Die Akteure, geworfen in Grenzsituationen wie Krankheit, Schuld und Tod, stellen auf ihre Weise Sinnfragen höchsten Ranges. Antworten finden sie nicht, und es bleibt bei wachsender Skepsis, gar Angst und Verzweiflung.
Nach der Abschaffung der Sklaverei 1888 brauchte Brasilien neue billige Arbeitskräfte und zog viele mitteleuropäische Siedler, unter ihnen deutschsprachige Kolonisten, an, die sich in Übersee ein besseres Leben erhofften. Das Ziel des Artikels ist es, die Wahrnehmung des Anderen sowie das Selbstbild in einigen, mehrheitlich nicht publizierten Tagebüchern und Memoiren deutschsprachiger Immigranten in Brasilien im 19. und 20. Jahrhundert zu untersuchen. Einige der Fragen, die angesprochen werden, sind beispielsweise die nach der Zielgruppe der jeweiligen Memoiren, nach deren Aufbau, sowie nach den Auslassungen und disparaten Darstellungen von Themen und Geschehnissen.
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen. Traditionell starke Sektoren wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau befinden sich angesichts disruptiver Veränderungen durch neue Technologien, den Kampf gegen den Klimawandel und veränderte regulatorische Rahmenbedingungen in einer Umbruchphase. Zahlreiche Industriezweige wandeln sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu „Smart Industries“. Gleichzeitig gewinnt die Kompetenz in Querschnittstechnologien wie Cloud Computing oder Cyber Security an Bedeutung, da diese den effektiven Einsatz von Künstlicher Intelligenz erst ermöglichen. Eine Analyse der Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft zeigt auf, dass in manchen Zukunftsfeldern ein erheblicher Nachholbedarf besteht.
Als Maßnahme gegen das "Insektensterben" werden Samentütchen im Handel angeboten oder von Firmen und Behörden verteilt, die im Garten, aber auch in der freien Landschaft, ausgestreut werden. Häufig wird dies von Naturschutzverbänden unterstützt. Der Inhalt dieser Tütchen ist in der Regel nicht dokumentiert und besteht in vielen Fällen aus nicht-einheimischen, einjährigen Arten, die zu keinem nachhaltigen, positiven Effekt in der Natur führen und höchstens den häufigen Insektenarten nützen. Es werden die Komplexität der Themenfelder "Insek-tensterben" und "Ansaaten" beleuchtet und Handlungsalternativen zur ungezielten Samenaussaat aufgezeigt.
Mehr 'Passional'
(2020)
Wie kann man sich auf etwas beziehen, das sich einfach nicht sagen lässt? Melanie Unseld hat herausgestellt, dass "Salomons Singespiel als künstlerisch-autobiographische Selbstreflexion und als Markierung der eigenen Liminalität zu verstehen [ist], als Versuch einer künstlerischen Selbstverortung, entstanden in einer isolierten Exilsituation, in der Selbstverortung in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung darstellte." Wo das Politische und eine extreme Form von Zensur korrektes, den Normen entsprechendes Kommunizieren nicht mehr zulassen, diese Situation aber gleichzeitig das Bedürfnis auslöst, ein Medium des gelingenden Selbst(er)sprechens zu finden, erscheint (kulturelle) Identität auch als ein performativer Akt, in dem die Herstellung und Darstellung der eigenen Geschichte nicht mehr klar zwischen Fiktionalität und Faktualität trennen kann, sondern spezifisch eigene Formen des Selbstentwurfs findet. Das macht Elisabeth Böhm im Folgenden anhand von Charlotte Salomons "Leben? oder Theater?" nachvollziehbar.
In diesem Beitrag werden Spezifika der mit der qualitativen Inhaltsanalyse vorgenommenen Leserezeptionsforschung dargestellt. Der Schwerpunkt liegt auf dem literarischen Lesen. In Analysen von Textrezeptionszeugnissen, die zu literaturdidaktischen Forschungszwecken vorgenommen werden, ergibt sich eine doppelt-hermeneutische Herausforderung: Ziel ist es zu verstehen, was Leser_innen in Texten verstehen. Für den Analyseprozess folgen daraus spezifische Anforderungen: Erstens muss der Umfang der Kontexteinheit geklärt werden. Hier sind differenzierte Antworten notwendig, weil sich der gegebene Kontext im Leseprozess ständig verändert. Zweitens erfordert das Forschungsinteresse eine bestimmte Art von Kategorien, die in der Literatur als formal bzw. analytisch bezeichnet werden. Eine weitere Differenzierung zwischen strikt formalen und theoriebasiert formalen Kategorien wird hier vorgeschlagen. Drittens muss geklärt werden, ob die rekonstruierten Leseaktivitäten Prozesse sind, oder ob sie auf zugrunde liegende Dispositionen schließen lassen. Diese Anforderungen werden diskutiert und mit Lösungsansätzen versehen.
Most of the times the tragic mask of the madman has fascinated artistic and literary modernity, inspiring a series of painters and writers through its complex expre-sivity and semantics. Balancing between lie and truth, cov-ering and revelating, through anarchy and virtuosity, the mask of the tragic clown reflects loneliness, the anxieties and demones of the modern individual in a world of vio-lence and alienation. In Celan’s late poetry, the mask of the tragic clown describes another kafkian metamorphosis which the present paper analyses in a cultural, biographic and intertextual context.
Unter Endometriose versteht man das Auftreten von endometrialen Zellen und Zellverbänden außerhalb des Cavum uteri, welche dem hormonellen Zyklus unterliegen und zu rezidivierenden Beschwerden führen können. Die Inzidenz wird je nach Quelle mit 2–15 % der Frauen im reproduktionsfähigen Alter angegeben. Schmerzen und Fertilitätseinschränkung sind die führenden Symptome. Unter Kinderwunschpatientinnen liegt die Inzidenz bei 20–48 %.
[...] ich [möchte] zeigen, wie Barbara Frischmuths Text "Die Entschlüsselung" die Unlesbarkeit von Texten vorführt, indem er zahlreiche unterschiedliche (Wissenschafts-)Diskurse (Genderstudies, Theologie, Kultur-, Literatur- und Geschichtswissenschaft) zu Wort kommen lässt. Frischmuths Text exekutiert, wenn man so will, de Mans Konzept der Unlesbarkeit, ja er erweitert dieses noch, indem er die, in allen Texten angelegte Unlesbarkeit "taktisch verstärkt". Damit wird "Die Entschlüsselung" – wie im Übrigen die meisten von Frischmuths Texten – als ein avantgardistisches Werk lesbar.
Kafkas Romanfragment "Das Schloß" wird üblicherweise nicht mit einem persönlichen Handlungsspielraum oder Emanzipation in Verbindung gebracht. Und doch lohnt es sich, den Roman neu zu betrachten und die Frage zu stellen, ob man sich K. nicht auch als einen glücklichen Menschen vorstellen kann, dem sich durchaus ein Raum für Agency öffnet. Zwar ist die Schlosslandschaft, in der K. sich bewegt, alles andere als frei, und doch wird der Roman durch zahlreiche Ereignisse bestimmt, in denen K. auf eigentümliche Weise frei wirkt. [...] K.s Agency zeigt sich demnach vor allem dann, wenn man sich nicht so sehr auf seine absurde Unfreiheit, sondern eher auf seine absurde Freiheit konzentriert. Dieser Perspektivwechsel soll mit Hilfe des Konzepts des Institutionenromans vorgenommen werden. Es eignet sich nicht nur dazu, K.s Gefangensein auf dem Schlossterritorium zu analysieren, sondern ebenso, seinen geschickten Befreiungskampf in den Blick zu bekommen, indem man das Zusammenspiel von Arbeit und Müßiggang in unterschiedliche institutionelle Kontexte einordnet. K.s Freiheit taucht so in unübersichtlichen Schichtungen und Zusammenhängen auf und K. versteht sie zu nutzen, indem er sich, wie Kant es fordert, mit Entschlossenheit und Mut seines eigenen Verstandes bedient. Aufgrund der Gegenmacht des Schlosses kommt es aber auch zu 'Bedienungsfehlern' des Verstandes. Deshalb erzählt der Roman neben K.s Erfolgen auch von den Widerständen und Rückschlägen beim optimistischen Gebrauch der Kant'schen Aufklärungsformel. Den theoretischen Rahmen meiner Untersuchung bilden Konzepte, welche die Unterdrückung (Campe), Aushebelung (Vogl) und Förderung subjektiver Agency (Rancière) zum Thema haben.
Nicht nur die Seeversicherung. Philipp Hellweges Projekt zur Geschichte des Versicherungsrechts
(2020)
Der in Prag situierte Roman Café Slavia (1985) von Ota Filip, einem deutschschreibenden Autor, der in den 1970er Jahren die Tschechoslowakei aus politischen Gründen verlassen musste und sich nach seiner Ausbürgerung in München niederließ, erzählt die wechselvolle Geschichte Mitteleuropas vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Prager Frühling 1968, eingeleitet durch eine Rahmenhandlung, die sich an der Karlsbrücke in Prag abspielt. Der Beitrag versucht, die Symbolik der im Roman zentralen "Brücke" in ihrer Vielschichtigkeit offenzulegen. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Brücke als Erzählkonstruktion, die den Blick von der Gegenwart aus auf die Vergangenheit richtet und dabei sowohl die "kleine" als auch die "große" Geschichte im Blick behält. Dabei bekommt sie als topographischer Verbindungsort zwischen dem rechten und linken Moldauufer weitere Bedeutungszuschreibungen und steht für die Überschreitung nicht nur zwischen Raum und Zeit, sondern auch zwischen Faktualität und Fiktionalität.
Vorwort
(2020)
Die 14. Ausgabe der Aussiger Beiträge ist dem thematischen Schwerpunkt „Kanon 4.0“ gewidmet, denn die Frage nach dem literarischen Kanon, seiner Funktion und seiner Bedeutung berührt immer wieder und aufs Neue zentrale Aspekte der Literaturwissenschaft. In der Kanondiskussion stellt sich die Frage nach sich wandelnden Wertungen, nach Ausschlussprozessen und ihren (außerliterarischen und systemimmanenten) Ursachen. Über Kanonisierung nachzudenken, bedeutet aber auch, Fragen nach Macht zu stellen und das Verhältnis von Zentrum und Peripherie in den Blick zu nehmen.
The Romanian poet and internationally acclaimed mathematician Ion Barbu (i.e. Dan Barbilian), 1895-1961, practiced in his occasional poetry related to his experience as a doctoral student and later as a visiting professor in interbellic Germany a poetic discourse of immediate, sometimes diary-like reflection. The vitality of his occasional poetry mainly addressed to his close friends and seldom intended for publication is fed by the permanent contrast between the German and the Romanian cul-ture and civilization. The paper analyzes the intercultural dialogue which constitutes the background of Ion Barbu’s Germany-related occasional poetry with special emphasis on his poems written in German
The article shows a metaphoric portrayal of the Silesia region. The author analyses metaphors which are being used to describe and characterize this region, namely Silesia as a bridge, a boundary stone, a pear tree, a smaragd and other figures. The analysis shows that the metaphors express the multicultural character of Silesia. They are predominantly very positive assessed.
Furthermore, the author analyses metaphors which are being used to characterize the inhabitants of Silesia. The analysis shows that this metaphors express a positive as well as a critical perception of this population.
Der Einfluss extremistischer Gewaltereignisse auf das Framing von Extremismen auf SPIEGEL Online
(2020)
In diesem Beitrag untersuchen wir die Darstellung von Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus im medialen Diskurs am Beispiel von SPIEGEL Online, einem der deutschen Leitmedien. Wir leiten vier zentrale Dimensionen für die Konzeptualisierung von Extremismen ab: Ideologie und Organisation, Herkunft der Akteure, Stellung zur Gesellschaft und Typische Handlungen. Wir beobachten die Entwicklung der Darstellung der drei Extremismen an möglichen Bruchpunkten: Wir untersuchen das assoziative Framing der drei Extremismen vor und nach prominenten extremismusbezogenen Gewaltereignissen, namentlich die Anschläge des 11. September, die Veröffentlichung des NSU-Skandals und linksextremistische Aktivitäten während des G20-Gipfels in Hamburg. Mittels einer Kollokationsanalyse identifizieren wir mit den Extremismen assoziierte Aspekte und ordnen diese den Konzeptualisierungsdimensionen zu. Wir beobachten Veränderungen im Framing, die durch die ausgewählten Ereignisse bedingt sind, und vergleichen das resultierende Framing mit den Kerndefinitionen des Verfassungsschutzes aus dem Bericht des Jahres 2017, um mögliche Unterschiede in der Konzeptualisierung von Extremismen mit möglicherweise unterschiedlichen Handlungslogiken als Resultat divergierender Konzeptualisierungen herauszuarbeiten.
Der Einfluss extremistischer Gewaltereignisse auf das Framing von Extremismen auf SPIEGEL Online
(2020)
In diesem Beitrag untersuchen wir die Darstellung von Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus im medialen Diskurs am Beispiel von SPIEGEL Online, einem der deutschen Leitmedien. Wir leiten vier zentrale Dimensionen für die Konzeptualisierung von Extremismen ab: Ideologie und Organisation, Herkunft der Akteure, Stellung zur Gesellschaft und Typische Handlungen. Wir beobachten die Entwicklung der Darstellung der drei Extremismen an möglichen Bruchpunkten: Wir untersuchen das assoziative Framing der drei Extremismen vor und nach prominenten extremismusbezogenen Gewaltereignissen, namentlich die Anschläge des 11. September, die Veröffentlichung des NSU-Skandals und linksextremistische Aktivitäten während des G20-Gipfels in Hamburg. Mittels einer Kollokationsanalyse identifizieren wir mit den Extremismen assoziierte Aspekte und ordnen diese den Konzeptualisierungsdimensionen zu. Wir beobachten Veränderungen im Framing, die durch die ausgewählten Ereignisse bedingt sind, und vergleichen das resultierende Framing mit den Kerndefinitionen des Verfassungsschutzes aus dem Bericht des Jahres 2017, um mögliche Unterschiede in der Konzeptualisierung von Extremismen mit möglicherweise unterschiedlichen Handlungslogiken als Resultat divergierender Konzeptualisierungen herauszuarbeiten.
Wie beeinflussen Sehgewohnheiten unsere Wahrnehmung und damit unsere Vorstellungen von Körperlichkeit? Unter dem Ausstellungtitel Figures in der Galerie Sakhile&Me befragten Tega Akpokona, Adelaide Damoah, Mbali Dhlamini, Tagne William Njepe und Tim Okamura die menschliche Form und ihre Relation zu etablierten Geschlechterkonstruktionen sowie post- und neokolonialer Strukturen.
Brutalität ist der Kunst Richard Jacksons inhärent. Sie zeigt sich jedoch nicht nur in der Darstellung sich bekriegender Enten oder in dem Blick auf eine augenscheinlich schmerzhafte und chaotische Geburt, sondern in etwas anderem. Etwas, das sich direkt vor unseren Augen abspielt, aber unbenannt bleibt. Ein Kommentar.
Eine junge schwarze Frau lässt sich in einem mehrstündigen Prozess vor den Augen der Zuschauer*innen ihr krauses Afrohaar glätten, dann schüttet sie einen Eimer Wasser über ihr Haupt – die Performance "El tanque" der afrokubanischen Künstlerin Susana Pilar Delahante Matienzi in der neuen Werk-Kolumne "Kurz vorgestellt".
Joschua Yesni Arnaut verwebt sein künstlerisches Schaffen eng mit seinen persönlichen Erfahrungen: In "Didn’t We Deserve A Look At You The Way You Really Are?" in der Schleuse der Rüsselheimer Opelvillen stellt er das Thema Gewalt in den Mittelpunkt. Ein Gespräch über Neurosen, Privilegien und den Charme des Zufalls.
Vor zwei Monaten traf ich Sascia Bailer, die Künstlerischen Leiterin des M.1 der Arthur Boskamp-Stiftung in Hohenlockstedt, um über ihr Programm "Care" zu sprechen. Seitdem haben die dramatischen Geschehnisse uns gezwungen, die Realität neu zu überdenken. Bailers Konzept hat in der gegenwärtigen Krise nur an Aktualität gewonnen: Wir alle werden uns noch lange erinnern, wie sich die Care-Arbeitenden – Krankenschwestern, Pfleger*innen, Ärzt*innen und Sozialarbeiter*innen – in den Zeiten der höchsten Not, um uns gekümmert haben. Das Programm in der Ausstellungshalle M.1 hat das Ziel, die Unsichtbarkeit der Fürsorge und ihre Überlastung zu thematisieren und dieser entgegenzuwirken. Im Moment sind die Räume des M.1 sowie alle anderen Museen in Deutschland geschlossen, es lohnt sich aber, genau hinzuschauen, wie neue Dialoge in unserer Gemeinschaft hergestellt werden und welche Rolle dabei die Kunst spielen kann.
Bei Suizidformen mit mehreren Suizidenten und Opfern werden teilweise in Literatur und Rechtsprechung eine unterschiedliche Nomenklatur und Interpretation der Begrifflichkeiten vorgenommen. Der Beitrag analysiert die Begrifflichkeiten und befasst sich im Speziellen mit dem Phänomen des Doppelsuizids. Historische Fälle von Doppelsuiziden werden angeführt. Anhand von Fallkonstellationen werden rechtliche Bewertungen vorgenommen, die beim einseitig fehlgeschlagenen Doppelsuizid praxisrelevant werden können. Dabei werden die mitunter konträren Auffassungen in der einschlägigen Literatur und der Rechtsprechung dargestellt und Lösungsansätze aufgezeigt. Zudem verdeutlichen die Fallkonstellationen die Relevanz einer umfassenden Tatortarbeit und einer tatnahen Klärung der Motivationslage bei dem Überlebenden bzw. den Verstorbenen.
Hintergrund: Das genaue Wissen um die Umstände eines jeden tödlichen Arbeitsunfalls ist Voraussetzung für die Identifizierung von Unfallschwerpunkten und ermöglicht eine effektive Präventionsarbeit. Mit dieser rechtsmedizinischen Studie zum Arbeitsunfallgeschehen soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die Zahl tödlicher Arbeitsunfälle in Deutschland zu senken.
Material und Methode: Zur Untersuchung kamen die tödlichen Arbeitsunfälle, die sich im Einzugsbereich des rechtsmedizinischen Instituts Frankfurt am Main in den Jahren von 2005 bis 2016 ereigneten. Ausgewertet wurden Obduktionsprotokolle sowie die dem Institut zur Verfügung gestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten.
Ergebnisse: Es fanden sich 87 tödliche Arbeitsunfälle in dem genannten Zwölfjahreszeitraum. Die Altersstruktur reichte vom jugendlichen Alter bis in das Rentenalter. Betroffen waren zum größten Teil männliche Arbeiter (96,6 %, p < 0,0001), verhältnismäßig häufig ausländischer Nationalität (34,5 %). Die meisten Unfälle ereigneten sich in der 2. Jahreshälfte (58,6 %), an Montagen (26,4 %), kurz vor und nach der Mittagspause. In 3 Fällen lag die Blutalkoholkonzentration über 0,5‰. Die Baubranche (55,2 %) war der unfallträchtigste Wirtschaftszweig. Der Absturz (28,7 %) war der häufigste Unfallmechanismus und das Polytrauma (39,1 %) gemeinsam mit dem Schädel-Hirn-Trauma (24,1 %) gemäß dem ISS die häufigste Todesursache.
Diskussion: Nach den Ergebnissen dieser Studie sollten Alter der Arbeiter sowie die Tages‑, Wochen- und Jahreszeit bei der Ausführung risikoreicher Arbeiten im Baugewerbe berücksichtigt werden. Besonderes Augenmerk sollten Arbeitgeber auf die Kontrolle von Sicherheitsvorkehrungen bei Arbeiten in der Höhe sowie auf die Durchsetzung der Helmpflicht gerade auch bei ausländischen Arbeitnehmern legen.
Die Bestände des in Deutschland stark gefährdeten Sand-Zwerggrases Mibora minima, für deren Erhalt das Land Hessen eine besondere Verantwortung trägt, gehen seit vielen Jahren zurück. In dieser Arbeit wurden als Beitrag zum Artenhilfsprogramm der Botanischen Vereinigung für Naturschutz in Hessen (BVNH) die noch vorhandenen Populationen erfasst sowie die botanischen und edaphischen Gegebenheiten an den Standorten untersucht. Dabei wurde durch Vergleich von Flächen mit und ohne Bewuchs des Zwerggrases der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die Verbreitung der Art durch die Beschaffenheit und Nährstoffversorgung des Bodens bestimmt wird. Es wurde ein weiterer deutlicher Rückgang der südhessischen Populationen um etwa 60 % seit 1999 festgestellt, der am stärksten die Standorte um Mörfelden-Walldorf betrifft. Dagegen haben sich die Bestände bei Rüsselsheim-Königstädten möglicherweise durch Pflegemaßnahmen stabilisiert. Ein bestimmender Einfluss edaphischer Parameter auf die Verteilung der Art innerhalb der kalkfreien Flugsande konnte nicht festgestellt werden. Der indigene floristische Status der Art wird in Frage gestellt und stattdessen ihre Einstufung als Epökophyt westmediterraner Herkunft angenommen.
Ende November hat Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD) vorgeschlagen, das Grundgesetz zu ändern und darin ausdrücklich Kinderrechte zu verankern. Der Vorschlag befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Auf dem Verfassungsblog hat sich Friederike Wapler kritisch mit diesem Entwurf auseinandergesetzt und am Ende empfohlen, statt einer schlechten Grundgesetzänderung lieber gar keine zu verabschieden. Ich hingegen halte eine solche Grundgesetzänderung für ebenso sinnvoll wie möglich.
Eine mobile Welt, Lebensläufe, die uns mal hierhin, mal dorthin führen und dann noch die globale Pandemie: Auch kleine Kunstprojekte müssen sich damit auseinandersetzen, wie sie ihren kreativen Prozess in räumlicher Entfernung organisieren. Welche digitalen Werkzeuge können helfen? Was das Projekt vi·son in den letzten Monaten über kreative Online-Zusammenarbeit gelernt hat.
Digitale Technik schafft neue Verhältnisse zwischen Musik und Kunst: Daten werden komprimiert und berechenbar, Qualitäten und Merkmale von Musik und Gemälden lassen sich nicht mehr nur interpretieren, sondern auch präzise analysieren. Warum nun ein Kunstprojekt, das sich diesem Verhältnis annimmt? Drei Inspirationen.
Weitere Notiz zum Erscheinungsdatum der "Flora der Gegend um Frankfurt am Main" von Johannes Becker
(2020)
Der zweite Band von Johannes Beckers "Flora der Gegend um Frankfurt am Main" (Cryptogamie) wurde offenbar zusammen mit dem ersten Teil bereits 1827 herausgegeben. Lediglich ein kleiner Teil ("Zweiter Theil. Kernschwämme") sowie wenige Seiten Nachträge zu Teil 1 wurden vor dem 5. September 1828 publiziert. Dank einer Notiz des Verlegers sowie eines Schreibens Beckers an den Senat der Stadt Frankfurt muss das Erscheinungsdatum dieser Teile nunmehr vorverlegt werden.
Das Thema fokussiert die Problematik der binären Präposition-Substantiv-Wortverbindungen (PWV) und -Wortverbindungsmuster (PWVM) mit ihren rekurrenten Kollokationspartnern und syntagmatischen Kontextmustern. Untersucht werden deutsche präpositionale Wortverbindungen, bei denen die interne Stelle zwischen der Präposition und dem Nomen überproportional häufig nicht mit einem Artikel besetzt ist. Solche Kombinationen kann man als autonome Einheiten auffassen und als feste Wortverbindungen untersuchen. Die Analyse stützt sich auf die Daten in der PRECON Datenbank, die vom Projekt Usuelle Wortverbindungen (UWV) modular erarbeitet wurde. Der im vorliegenden Artikel präsentierte empirische Zugang wirft ein neues Licht auf die Bestimmung der Äquivalenz, was bisher bei der Festlegung des sogenannten Systemäquivalents gar nicht oder nur annähernd beschrieben werden konnte. Das methodologische und lexikographische Novum beim Kontrastieren ist die Erweiterung der Beschreibung der Kernbedeutung(en) und ihrer Kernäquivalente um die Gebrauchsspezifika der Verwendung der äquivalenten PWV(M). Die korpusempirischen Analysen bestätigen die heute vertretene These, dass sich die Bedeutungs- und andere Gebrauchsaspekte nur schwer trennen lassen. Für die adäquate Beschreibung einer fremdsprachigen Einheit sind somit die verfestigte sprachliche Struktur, die verfestigte sprachliche Umgebung, die verfestigten situativ-kontextuellen Gebrauchsspezifika und die usualisierten Kontextmuster wichtig, in die die kontrastierten PWV eingebettet sind.
Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes ist es, einige Aspekte des Versuchs, den in Deutschland neu geprägten Begriff der "Ästhetik" nach Frankreich zu importieren, in der Zeit um 1850 zu beleuchten, einer Periode, in der die Ästhetik sich als philosophische Wissenschaft in Frankreich allmählich etabliert. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts stieß der Begriff "esthétique", der als direkte Übersetzung des deutschen Wortes "Ästhetik" geprägt wurde, auf zähen Widerstand. Schon ein schneller Blick auf die Wortgeschichte zeugt von dieser Resistenz. Zwar tauchte der Terminus "esthétique" bereits 1753 auf, aber dieser erste Beleg, der im Werk des französischsprachigen Mitglieds der Berliner Akademie der Wissenschaften Louis de Beausobre erschien, blieb lange Zeit isoliert und ohne Widerhall. In der "Encyclopédie" von Diderot und d'Alembert ist bezeichnenderweise unter "esthétique" kein Eintrag zu finden. Erst in zwei Nachbildungen der "Encyclopédie" - in die "Encyclopédie d'Yverdon" von Fortunato Bartolomeo de Felice und ins "Supplément à l'Encyclopédie" von Charles-Joseph Panckoucke - wurde ein solcher Artikel eingeführt. Dieser Importversuch blieb aber bis Anfang des 19. Jahrhunderts so gut wie folgenlos. 1835 wurde das Lemma zum ersten Mal in der sechsten Ausgabe des "Dictionnaire de l'Académie Française" aufgenommen. Den ersten wichtigen Beleg für einen regelrechten Einbürgerungsversuch liefert aber erst der zweite Band des "Dictionnaire des sciences philosophiques" von 1845. Dort ist ein Eintrag zur "esthétique" zu finden, der von Charles Bénard gezeichnet ist. Damit wurde dem Wort "esthétique" in der Sprache der französischen Philosophie sozusagen sein erster Taufschein erstellt. Wer genau war der Autor dieses langen Artikels und was hat ihn veranlasst, einen solchen Eintrag zu schreiben? Wie konnte die Ästhetik als besonderes Teilgebiet der Philosophie um 1850 neue Befürworter finden? Auf welche Hindernisse stießen ihre Fürsprecher? Auf diese Fragen sollen im Folgenden einige Antworten skizziert werden.
Lors d'une migration, le passage d'une langue maternelle à une langue étrangère suscite plusieurs questionnements identitaires, culturels et politiques. Ceci d'autant plus si la situation linguistique est complexe dans le pays d'origine et dans le pays d'accueil. En l-'occurrence, dans son roman autobiographique "Die undankbare Fremde" (2012), Irena Brežná crée à partir de deux trames narratives alternantes un lieu de rencontre entre deux mondes différents. Elle donne une importance considérable à la langue qu'elle prend comme point de départ pour démontrer les différences culturelles et politiques entre l'ex-Tchécoslovaquie et la Suisse en même temps qu'elle remet en cause les crises identitaires qui peuvent résulter d'une migration ou d'une fuite. Le présent article a pour objectif de mettre en évidence les différentes fonctions attribuées à la langue dans un contexte plurilingue et de migration tout en argumentant qu'Irena Brežná invite, à travers la lecture de son roman critique, à une participation active dans la construction d'une société ouverte à l’immigration.
Kaum ein Text von Johannes R. Becher hat in der Weimarer Republik für so viel Furore gesorgt wie sein zweiter Roman "(CHCl=CH)3As (Levisite) oder Der einzig gerechte Krieg (1926)", stand er doch im Mittelpunkt des gegen den Autor eingeleiteten Hochverratsprozesses, der den öffentlichen Protest verschiedener Schriftsteller gegen die Unterdrückung freier Meinungsäußerung zur Folge hatte. Als Levisite 1926 erschien, ermittelten die Behörden bereits einige Zeit gegen den Kommunisten Johannes R. Becher. [...] Da die Forschungsarbeiten zu Becher schwerpunktmäßig aus der DDR-Germanistik stammen, kritisieren die vorliegenden Studien oftmals die Form, in der die ideologische Botschaft artikuliert wird. Geprägt von der Skepsis gegenüber experimenteller Sprachgestaltung, wie sie in der Formalismusdebatte am deutlichen zum Ausdruck kommt, bemerken sie im Buch einen "krasse[n] Widerspruch zwischen dem sprachexperimentellen Charakter der Dichtung und den politischen Intentionen des Dichters", der die Arbeiterklasse als Leserschaft daher eher abschrecke. Dabei ist der Roman aus dieser Perspektive nur sehr schwer zu fassen. Hierfür ist ein Ansatz vonnöten, der in der Lage ist, die ästhetische Form und den Inhalt zusammenzudenken, und der das Werk zudem im Kontext des Hochverratsprozesses gegen Becher beleuchtet. Denn "Levisite" ist als bewusster Skandalroman angelegt und in dieser Weise als performativ-politisches Statement, das im fiktionalisierten Rückbezug auf den Autor dessen Entscheidung für den Kommunismus legitimiert. Das Problem, wie man Kunst und Leben zusammenbringen soll, beschäftigt die Frühe Moderne seit den naturalistischen Manifesten. Becher selbst vertritt Zeit seines Lebens ein Konzept, nach dem beide Dimensionen unmittelbar ineinander übergehen oder sich gegenseitig befruchten. Bechers Werk wird also nur verständlich, wenn man die Selbstinszenierungsstrategien seines Autors mit in den Blick nimmt. Dies gilt auch für die einer solchen Egozentrik scheinbar eher abträgliche politisch-engagierte Literatur der 1920er Jahre, wie sich am Beispiel von "Levisite" besonders gut zeigen lässt. Im Gegensatz zum konventionellen Bild der proletarisch-revolutionären Literatur, das vom Sozialistischen Realismus und der Arbeiterliteratur geprägt ist, erinnert der Roman den heutigen Leser daran, dass es eine kommunistische Avantgarde auch außerhalb der Theaterexperimente eines Erwin Piscator oder Bertolt Brecht gab. Er zeigt eine kommunistische Bewegung, die noch auf der Suche nach dem idealen Weg ist, um die politischen Machtstrukturen durch Kunst verändern zu können. Bechers Antwort auf diese Frage hat viel mit ihm selbst zu tun, weil sich die intendierte Wirkung des Buchs nicht unbedingt dadurch entfaltet, dass sich der Leser die Protagonisten zum Vorbild nimmt. Der Roman ist vielmehr das wichtigste Instrument Bechers, die Wahrnehmung seiner eigenen Person in der Weimarer Republik zu beeinflussen und sich selbst als Exempel des politisch verfolgten Schriftstellers zu inszenieren, womit der Inhalt der Romanhandlung in der Realität Bestätigung findet.
The focus on communication in research on professional and scientific language somehow reflects the intention of John L. Austin's phrase "How to do things with words?" But a description based on the concept of communication ultimately also relies on linguistic idiosyncrasies. We will look at things the other way round and ask first "how to do (professional) things" and then look at the linguistic units used specifically for this purpose. Professionalism in this view takes very different forms for different types of actions ("practices"). Although reliability and professional authority are central features of all linguistic realizations to be considered, they are represented in very different ways. As a result, professionalism not only shows in the high degree of explicitness of technical prose typical for written scientific discussion. It is also reflected in the high degree of implicitness of speech that accompanies and constitutes practical action.
Im 15. Abschnitt seiner Aesthetik kommt Theodor Mundt auf den Humor als 'burleske Philosophie' zu sprechen. Als erster deutscher Ästhetiker hatte der von dem berühmt-berüchtigten Verbotsbeschluss des Bundestags vom 10. Dezember 1835 gegenüber dem sogenannten Jungen Deutschland hart getroffene Autor 1837 in seiner Abhandlung Die Kunst der deutschen Prosa systematisch die "zeitgemäße Stellung" der deutschen Prosa und damit deren Vorrangstellung gegenüber der Poesie begründet. [...] Richtete Mundt in dieser Abhandlung den Fokus noch auf die "Emancipation der Prosa", ist es in der Aesthetik nun "das Prinzip der Unmittelbarkeit" als "Philosophie der That". Mundt selbst spricht im Vorwort selbstbewusst von dem "von mir neu aufgestellte[n] Prinzip der Aesthetik". [...]
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet.
Der vorliegende Beitrag diskutiert, wie mithilfe von Unterrichtsvideographien die Reflexionskompetenz angehender Englischlehrkräfte bereits in der ersten Ausbildungsphase angebahnt und geschult werden kann. Er geht von der Annahme aus, dass praktizierenden Lehrkräften häufig die Gelegenheiten oder auch die Kompetenzen zur systematischen Reflexion fehlen (vgl. Kittel & Rollett, 2017) und diese bereits vorher grundgelegt werden müssen. Anhand von zwei Seminarbeispielen aus der Englischdidaktik, welche sich auf die disziplinspezifischen Heterogenitätsdimensionen Mehrsprachigkeit (vgl. u.a. Elsner & Wildemann, 2012; Niesen, 2018) und Transkulturalität (vgl. u.a. Viebrock, 2018; Kreft, 2019a, 2019b) beziehen, werden praktische Umsetzungsmöglichkeiten bzw. die wechselseitige Integration theoretischer Konzepte und unterrichtlicher Handlungen/Interaktionen illustriert. Die vorgestellten Aufgabenformate beziehen sich auf die kasuistische Fallarbeit (nach Lindow & Münch, 2014) sowie auf VierSchritt-Analysen (nach Santagata & Guarino, 2011). Als grundlegende Struktur für die Entwicklung von Reflexionskompetenz in videobasierten Lernsettings wird eine adaptierte Fassung des Modells von Aeppli und Lötscher (2016) mit den Verfahrensschritten „Erleben“, „Erkennen“, „Darstellen“, „Analysieren“ und „Alternative Szenarien entwickeln“ verwendet. Es zeigt sich, dass die gewählte Vorgehensweise Studierende in die Lage versetzt, die konzeptionelle und unterrichtspraktische Bedeutung von sprachlicher und kultureller Heterogenität im Englischunterricht zu erkennen und, in einem weiteren Schritt, Möglichkeiten zur Förderung von transkulturalitäts- bzw. mehrsprachigkeits-sensitivem Handeln zu identifizieren und somit ihre Reflexionskompetenzen zu schulen.
In der Querelle des Anciens et des Modernes ergreift Friedrich Hölderlin Partei für die Moderne. Daraus ergibt sich eine Absage an die Tragödie als höchste Kunstform und ein Bekenntnis zur Lyrik. Hölderlin gelangt jedoch zu einem ganz anderen Lyrikkonzept als etwa Hegel, der Lyrik als Artikulation von Subjektivität begreift. Für Hölderlin ist die Lyrik kein Medium subjektiver Selbstvergewisserung, sondern die vorzügliche Gattung des Erinnerns, des geduldigen Ausharrens ‘in dürftiger Zeit’ sowie des Schreibens gegen die gefährliche ‘exzentrische Begeisterung’. Vom Schreiben erhofft er sich eine Revolution der ‘Vorstellungsarten’. Hölderlin möchte der Moderne unabhängig von der ausgedienten Sprache der Tradition ein autonomes ästhetisches Profil verleihen, und so wird die Sprache der modernen Dichtung bei ihm unvermeidlich zur Sprache der obscuritas, der Dunkelheit. Hölderlins Ringen um eine genuin moderne Diktion verfremdet die überlieferte Sprache und führt zu einer Entfremdung von ihr, was wiederum Befremden auf Seiten der Rezipienten bewirkt. Hier soll zum einen der Wechsel von der Tragödie zur Lyrik als gattungspoetischem Paradigma der Moderne seit dem späten 18. Jahrhundert rekonstruiert werden. Zum anderen wird Hölderlins Verflechtung von Subjekt- und lyrischer Sprachkritik studiert, um die Spur sichtbar zu machen, die sie bis zu Adorno auslegt.
Professionelle Kompetenz gilt als zentrale Handlungsressource unterrichtlichen Handelns. Berufsbezogene Überzeugungen und Werte (beliefs) können dessen Qualität maßgeblich beeinflussen und sind Gegenstand zahlreicher empirischer Untersuchungen. Eine Vielzahl von Forschungsvorhaben präzisieren den gewählten Beliefbegriff hinsichtlich fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer oder (sonder)pädagogischer Fragestellungen. In dem vorliegenden Beitrag wird zunächst unser Begriffsverständnis von professioneller Handlungskompetenz, Inklusion und Teachers’ Beliefs theoretisch begründet. Von diesen Betrachtungen ausgehend, wird das Forschungsdesign einer qualitativen Studie abgeleitet, welches die inklusionsbezogenen Überzeugungen von angehenden Lehrkräften hinsichtlich eines gemeinsamen Unterrichts beschreibt sowie Implikationen für die Hochschullehre aus Studierendenperspektive ermöglicht. Die Ergebnisse geben Aufschluss über das Heterogenitätsverständnis von Lehramtsstudierenden der Regelschule, deren vorherrschenden Rollenbildern und ideellen Überzeugungen zu inklusivem Unterricht. Sie skizzieren außerdem hochschuldidaktische Maßnahmen, welche aus Studierendenperspektive einen Beitrag für die Vorbereitung im Unterricht inklusiver Klassen leisten können. Konsequenzen, die sich aus unserer Sicht für die Ausbildung von Lehramtsstudierenden ergeben, werden mit Fokus auf die Entmystifizierung inklusionsbezogener Überzeugungen diskutiert.
In Werbetexten, die Leser nicht nur informieren, sondern auch motivieren, aktivieren oder Änderungen in der Einstellung bewirken sollen, werden vielseitige rhetorische Mittel eingesetzt, die mitunter auch Phraseologismen enthalten. Da diese authentischen Textsorten auch im Deutsch als Fremdsprache (DaF) Unterricht intensiv eingesetzt werden, ist es für Lehrende und Lernende unausweichlich Phraseologismen nicht unbeachtet zu lassen. Um sie im fremdsprachlichen Unterricht jedoch zielorientiert und angemessen einsetzen zu können, müssen Lehrende sie erst selbst beherrschen. Infolge der Immatrikulationsvoraussetzungen für germanistische Studiengänge der Deutschlehrerausbildung in der Türkei kann von zwei verschiedenen Gruppen ausgegangen werden: Lehramtsanwärter/-innen, die in einem deutschsprachigen Land aufgewachsen sind und Deutsch als Zweitsprache erworben haben (DaZ-Lerner) und Lehramtsanwärter/-innen, die Deutsch als Fremdsprache in der Türkei lernten und keinen bzw. nur kurzfristige Aufenthalte in einem deutschsprachigen Land aufweisen (DaF-Lerner). In einer Studie im Rahmen einer Dissertation wurde im Studienjahr 2017-2018 anhand von Phraseologismen in deutschen Werbetexten die phraseologische Kompetenz von 152 Lehramtsanwärtern/-innen der Deutschlehrerausbildung an der Marmara Universität untersucht und der Fragestellung nachgegangen, inwiefern sie Phraseologismen beherrschen und inwieweit ein Unterschied zwischen DaZ- und DaF-Lernern besteht. Die Ergebnisse der Studie bestätigten die Annahme, dass Lehramtsanwärter/-innen Phraseologismen nur in einem begrenzten Rahmen beherrschen und ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen besteht.
Die Qualifizierung von Sportlehrkräften für einen inklusiven Sportunterricht stellt eine zentrale Herausforderung für die sportdidaktische Lehre und Forschung dar. Obwohl die Bedeutung situationsspezifischer Fähigkeiten für die universitäre Sportlehrkräftebildung auch im Zusammenhang mit einem inklusiven Sportunterricht betont wird, fehlt es an Kompetenzmodellen, die die Ebene der situationsspezifischen Fähigkeiten berücksichtigen und somit eine Grundlage für Lehrkonzepte bilden können, die auf die Förderung situationsspezifischer Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht abzielen. Zudem mangelt es bestehenden Lehrkonzepten auch an Arbeits- und Organisationsformen, um gezielt situationsspezifische Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht anzusprechen. Schließlich existieren bisher keine Testverfahren, mit denen situationsspezifische Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht gemessen und darauf abzielende Lehrkonzepte evaluiert werden können. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es demzufolge, konzeptionelle Überlegungen anzustellen, wie ein Kompetenzmodell für den inklusiven Sportunterricht generiert werden kann, welches die Ebene der situationsspezifischen Fähigkeiten berücksichtigt, wie ein Lehrformat angelegt sein müsste, um gezielt die situationsspezifischen Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht anzusprechen und wie diese situationsspezifischen Fähigkeiten gemessen werden können, um eine diesbezügliche Evaluation zu ermöglichen.
Im vorliegenden Beitrag soll der Film "Zvizdan"/"Mittagssonne" aus dem Jahr 2015 des kroatischen Regisseurs Dalibor Matanić vorgestellt werden. Der in Deutschland bekannteste Film Matanićs ist vermutlich der Film "Fine mrtve djevojke"/"Schöne tote Mädchen" (Matanićs zweiter Film aus dem Jahr 2002). Bei "Fine mrtve djevojke" handelt es sich um einen sog. 'Independent'-Film, mit dem dieser im Jahr 1975 in Zagreb geborene Regisseur die Homosexualität in einer sehr provinziellen, kleinbürgerlichen Umgebung Zagrebs behandelte. Mit diesem Film gewann Matanić auf dem Filmfestival in Pula im Sommer 2002 alle drei Hauptpreise - den der Jury, den des Publikums und den der Kritik. Mit seinem Film "Zvizdan" gewann der Regisseur 2015 in Cannes den Ersten Preis in der Kategorie "Un certain regard". Aber auch mit anderen seiner Filme positioniert sich der durchaus kontroverse Regisseur in die erste Liga der kroatischen Filmemacher und schreibt an einer Geschichte des europäischen filmischen Realismus mit. Das ausgewählte Film-Beispiel des gefeierten Regisseurs wird im Folgenden im Hinblick auf seinen Realismusgehalt analysiert.
Die Stichtagserhebung der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) fragt jedes Jahr zum Stichtag am 31. März die Gegebenheiten in allen sozialtherapeutischen Einrichtungen deutschlandweit ab. Inzwischen liegen Daten aus 23 Erhebungsjahren vor und geben Aufschluss über die Entwicklungen der Versorgungslage (Anzahl der Einrichtungen bzw. Haftplätze), bezüglich der demografischen Daten der Gefangenen (Alter, Staatsbürgerschaft, Dauer der Haftstrafe, schwerste Straftat, Vorstrafen), über institutionelle Vorgänge (Aufnahmen, Abgänge und Nachbetreuung) sowie hinsichtlich von Daten zum Personal (Anzahl der Personalstellen und Frauenanteil). Die vorliegenden Auswertungen verdeutlichen die Entwicklungstrends in der Sozialtherapie zwischen 1997 und 2019 und legen nahe, dass nach einem starken Ausbau der sozialtherapeutischen Einrichtungen ab 1969 nun mit 71 Einrichtungen eine Sättigungsgrenze erreicht zu sein scheint. Die inhaftierten Personen werden zunehmend älter, sodass 2019 die über 50-Jährigen die größte Altersgruppe stellen. Schon seit 2003 liegt der Anteil derjenigen, die aufgrund eines Sexualdelikts inhaftiert sind, bei ca. 50 %, was gegenüber anderen Deliktgruppen eine deutliche Mehrheit darstellt. Ein Großteil der Gefangenen hat keine Haftlockerungen, wobei hier eine zunehmend restriktivere Praxis zu erkennen ist. Die Personalausstattung hat sich über die letzten 23 Jahre insofern verändert, als dass mehr Fachdienste und tendenziell weniger Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) eingerichtet wurden.
Noch bevor Begriffe wie Immanenz, Realität oder Unmittelbarkeit zu gängigen Gegenständen der Ästhetik werden konnten, entwickelt Weiße ein System, in dem er der Realität und dem Hässlichen einen Platz einräumt. So stellt sein Werk ein Zeugnis der Anfänge dieser Entwicklung dar, die bereits wenige Jahre später fester Bestandteil der Ästhetiken wurde. Dies blieb jedoch nicht ohne Folgen für die Rezeption seines eigenen Werkes, in der nur selten Weißes eigene Argumentation eine Rolle spielte, der Fokus vielmehr auf die Ergebnisse gerichtet war, die bei den Nachfolgern in der Regel konsequenter und stringenter ausgeführt worden waren. Nichtsdestotrotz stellt gerade dieses frühe umfassende Werk Weißes ein interessantes Dokument des Beginns eines Paradigmenwechsels im Nachdenken über das Schöne im Vormärz dar, dessen Tragweite sich bei Erscheinen von Weißes Abhandlung noch nicht abzeichnete. Der folgende Beitrag möchte diese initialen Weichenstellungen in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Ästhetik beleuchten, wobei besonderes Augenmerk auf dem Moment der Gleichzeitigkeit liegen soll, die das Potential des Neuen, bisher so noch nicht Gedachten, mit den Denkweisen der Goethezeit versöhnen soll. Und nicht zuletzt könnte die Betrachtung dieses frühen Entwicklungsstadiums auf dem Weg zu einer modernen Ästhetik auch Aufschluss geben über das Verhältnis der beiden konträren literarischen Tendenzen des politischen und des restaurativen Schreibens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
„Today I feel like…“ von Jeppe Hein in der Frankfurter Schirn Kunsthalle. In der Frankfurter Schirn sind die Gäste aufgefordert, kreativ zu werden: Für das Projekt “Today I feel like…” hat der Künstler Jeppe Hein die sonst weißen Mauern des Ausstellungshauses mit blauen Ovalen versehen, in denen die Besucherinnen und Besucher ihrer eignen Gefühlswelt Ausdruck verleihen können.
Seit ihrer Auffindung und Bergung im vergangenen Jahrhundert harren die Bruchstücke dreier Steininschriften aus den Heidelberger Stadtteilen Neuenheim und Handschuhsheim sowie vom Heiligenberg im Depot des Kurpfälzischen Museums Heidelberg ihrer wissenschaftlichen Würdigung. Bei genauerer Betrachtung lassen sie sich trotz ihrer sehr fragmentarischen Erhaltung nahezu zweifelsfrei als Weihinschriften (1. und 2.) beziehungsweise als Grabinschrift (3.) identifizieren, womit sie das Corpus der bereits bekannten epigraphischen Zeugnisse Heidelbergs entsprechend erweitern. Außerdem darf in einer vierten ebenfalls im Depot verwahrten, allerdings bereits publizierten und nur allgemein als Votivstein gedeuteten Inschrift aus Meckesheim / Rhein-Neckar-Kreis (4.) nunmehr so gut wie sicher der Bestandteil einer Jupiter(giganten)säule erkannt werden. Das aus dem Heidelberger Raum bislang dokumentierte Repertoire solcher monumentalen Weihedenkmäler der Römerzeit erfährt damit ebenfalls einen weiteren Zuwachs.
Die UN-Behindertenrechtskonvention bringt unter anderem eine „inklusionsorientierte Lehrer*innenbildung“ hervor, die Lehrkräfte für inklusive Settings kompetent machen soll. Damit das gelingen kann, müssen einerseits für inklusive Settings notwendige Kompetenzen identifiziert und operationalisiert werden, andererseits sind Erkenntnisse darüber notwendig, wie Studierende diese Kompetenzen entwickeln. Erst dann können wirksame Lehr- und Lernformate konzipiert werden. Inzwischen liegen Forschungsergebnisse zu inklusionsbezogenen Aufgaben- und Anforderungsprofilen vor, jedoch über vereinzelte Best-Practice-Beispiele kaum evidenzbasierte Erkenntnisse über Kompetenzentwicklungsprozesse in diesem Bereich oder gar Ableitungen für die Vermittlung solcher Kompetenzen. In diesem Artikel wird für die inklusionsbezogene Teilkompetenz „(multi-)professioneller Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft“ ein kompetenzorientiertes Lehr- und Lernformat im Rahmen des Lehramtsstudiums an der Universität Paderborn konzipiert. In Anlehnung an das Constructive-Alignment-Modell werden dafür anhand eines Kompetenzmodells Learning Outcomes definiert, didaktisch-methodische Lernwege zugeordnet und Möglichkeiten einer Evidenzbasierung in Form von Prüfungen und Evaluation diskutiert. Dieser Artikel leistet so einen Beitrag zu einer inklusiven Hochschuldidaktik als Werkzeug, aber auch Voraussetzung und gleichzeitig Ergebnis, einer pädagogischen Fachlichkeit im Spannungsfeld inklusiver Realität.
Krisen als Normalität
(2020)
Es gibt in Krisenzeiten wenig Verlässliches. Doch auf eines kann man immer zählen: Irgendwann, und meistens früher als später, fällt der Begriff der Ausnahme oder einer seiner zahlreichen Verwandten. Hierzu gehört vor allem die große Schwester der Ausnahme: der Ausnahmezustand. Da unterscheidet sich die Corona-Krise nicht von der Eurozonenkrise, die Eurozonenkrise nicht von der globalen Finanzkrise und diese nicht von der durch die Terroranschläge vom 11. September ausgelöste Sicherheitskrise. Auch wenn wir über den Corona-Virus selbst nicht viel wissen, scheint vieler Orten Gewissheit darüber zu herrschen, dass wir derzeit im Ausnahmezustand leben. ...
Es legt sich nicht unmittelbar nahe, dass sich eine Alttestamentlerin von ihrem Fach her zu Zensur äußert. Schließlich ist das, was wir heute unter Zensur verstehen, vorrangig mit der Kontrolle von Massenmedien verbunden, die es in der Form zu biblischen Zeiten nicht gab. Zensur im Sinne kontrollierender Lenkung von Information und Deutungshoheit über Fakten durch politische, religiöse oder wirtschaftliche Institutionen und Machthaber gab und gibt es freilich überall, wo Menschen zusammenleben und sich eine soziale Ordnung bzw. Hierarchie herausbildet. So will dieser Beitrag in einem interdisziplinären Kontext einige grobe historische und theologische Linien vom alttestamentlichen Verbot, andere Gottheiten zu verehren, über die ikonographische Zensur hin zu erlaubten, religionspolitisch aber völlig inkorrekten sprachlichen Gottesbildern nachzeichnen.
Im Rahmen einer Kartierung und FFH-Bewertung von für den Klettersport genutzten Felsen im Werra-Meißner-Kreis wurde Asplenium fontanum (Jura-Streifenfarn) im Gebiet des "Ellersteines" nordöstlich der Ortschaft Hundelshausen bei Witzenhausen 2014 mit einer Pflanze erstmals nachgewiesen (Rasterfeld 4625/3). Vorher galt der Jura-Streifenfarn, eine in Deutschland sehr seltene Art, in Hessen seit circa 1950 als erloschen. Mit den Populationen in der Schwäbischen Alb, am Kyffhäuser und bei Wolfstein (Rheinland-Pfalz) bildete dieser A.-fontanum-Fund die bekannten Vorkommen der letzten Jahre in Deutschland. Bei dem hessischen A.-fontanum-Vorkommen im Bereich des Ellerstein-Felskomplexes handelte sich um das nördlichste Vorkommen an einem natürlichen Standort in Deutschland. Der Wuchsort des Farnes befindet sich in einem Buchenwald auf einem kleinen Dolomit-Felsblock vor einer Felswand, die zum Bouldern genutzt wird (Klettern ohne Seilsicherung in Absprunghöhe). Aufgrund der Position und Ungeschütztheit des Wuchsortes erschien der Farn ausgesprochen gefährdet gegenüber mechanischem Abrieb durch Kletterer. Der von 2014 bis 2018 beobachtete Farn trieb 2019 nicht mehr aus. Die Ursachen dafür sind nicht eindeutig. So könnte die extreme und außergewöhnlich lang anhaltende Dürre im Jahr 2018 mit anschließenden meist zu trockenen Winter- und Frühjahrsmonaten verantwortlich sein. Verbiss oder negative Auswirkungen des Klettersports auf den Farn sind jedoch nicht auszuschließen. Daher werden die für den Farn im Ellerstein-Felskomplex festgestellten Gefährdungen in der vorliegenden Arbeit diskutiert und Empfehlungen für Artenhilfsmaßnahmen gegeben. Insbesondere wird ein vollständiger Verzicht auf Klettern und ein Aussetzen der Waldbewirtschaftung am Wuchsort und an potenziellen Siedlungsstellen der unmittelbaren Umgebung vorgeschlagen. Entsprechende Maßnahmen gelten sinngemäß für andere sehr seltene oder stark gefährdete Pflanzenarten, die in exponierten, ungeschützten Positionen an Felsen wachsen.
Eine Lehrveranstaltung 'Poetologie' sollte zum Lehrplan 'Deutsch als Fremdsprache' in der LehrerInnenausbildung in der Türkei gehören. Doch wie schaffen wir es, die Studierenden für Poetik, für Lyrik und dichterische Prosa zu begeistern, ohne sie mit trockenen Regelwerken und mit der Pflichtlektüre von Datenmengen abzuschrecken? Aus zwei verschiedenen Perspektiven versuchen wir das Problem zu beleuchten, das heißt den eigenen Standpunkt kritisch zu hinterfragen und Erfahrungen zu bewerten: erstens die Sicht einer Deutsch lehrenden deutschen Sprachvermittlerin für (unter anderen) türkische Schülerinnen und Schüler in Deutschland und, zweitens, die Sicht eines Deutsch lehrenden deutschen Gastprofessors in der Türkei. Wesentlich fehlt hier die 'dritte' (und eigentlich von der Gewichtung her die erste) Sichtweise, nämlich die der Deutsch lehrenden türkischen Person in der Türkei. Wir verzichten nicht bewusst darauf, aber wir möchten mit diesen Anmerkungen zum Nachdenken anregen.