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Schnittstellen zwischen Chaostheorie, soziologischer Systemtheorie und empirischer Literaturtheorie
(2009)
Dieser Beitrag präsentiert einige Berührungs- und Abstoßungspunkte von Theorieansätzen, die von konstruktivistischen Prämissen geleiteten sind und der chaostheoretischen Literaturwissenschaft, wie sie sich in den vergangenen zwanzig Jahren in ihrer Praxis darstellt. Ich gehe in meinen Ausführungen davon aus, dass die Überschneidungen, insbesondere in Hinblick auf die Theorieimporte und -anklänge aus den Naturwissenschaften und der Soziologie, aus kulturanalytischer Perspektive von Bedeutung sind. An ihnen ist zu beobachten, in welchem Maß Objektbereich und Disziplin (Literatur und Literaturwissenschaft) zu Instrumenten kultureller Selbstbeobachtung und Selbstvergewisserung werden.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
It is no longer possible to ignore how crucial the processes of cultural translation and their analysis have become, whether for cultural contact or interreligious relations and conflicts, for integration strategies in multicultural societies, or for the exploration of productive interfaces between humanities and the natural sciences. The globalization of world society, in particular, demands increased attention to mediation processes and problems of transfer, in terms both of the circulation of global representations and "travelling concepts" and of the interactions that make up cultural encounters. Here, translation becomes, on the one hand, a condition for global relations of exchange ("global translatability"), and on the other, a medium especially liable to reveal cultural differences, power imbalances and scope for action. An explicit focus on translation processes something increasingly prevalent across the humanities may thus enable us to scrutinize more closely current and historical situations of cultural encounter as complex processes of cultural translation. Translation is opened up to a transnational cultural practice that in no way remains restricted to binary relationships between national languages, national literatures or national cultures.
This essay deals with Stefan Heym's "King David Report" as a work of artistically-based biblical scholarship rather than a work of political allegory related to the writer's experience in the East Block during the Cold War. I consider Baruch Halpern's notion of complementary causation (the attribution of causes behind given biblical events to divine and human agency at the same time) in connection to King David's seduction of Bathsheba and the subsequent murder of Bathsheba's husband in 2 Samuel. I try to demonstrate Heym's refusal to attribute complementary causation to the biblical events in order to expose David and Solomon as Machiavellian autocrats rather than instruments of God. Given that (according to Baruch Halpern) the biblical story of David is an apologia of Solomon's illegitimate rule, Stefan Heym's novel undermines the traditional view of Solomon as a Christ type and a great Israelite monarch. Heym's position is contrasted with the deeply ingrained tradition in Judeo-Christian culture of seeing David's life in terms of complementary causation. The conclusion seeks to illustrates Heym's general philosophic stance that makes spirituality and power incompatible.
Rezension zu Döblin, Alfred, Berlin Alexanderplatz. trad. Irene Aron. São Paulo: Martins, 2009.
A partir de meados da década de 1980, observa-se uma mudança de paradigma na pesquisa sobre tradução: a primazia reservada até então ao texto de partida cede lugar paulatinamente aos fatores que coatuam na recepção do texto traduzido. Tal mudança tem conseqüências para a noção de competência tradutória: dos tradutores iniciantes não se espera apenas que tenham bons conhecimentos das línguas com as quais trabalham, mas também que sejam capazes de, na fase de compreensão do texto a ser traduzido, ativarem outras formas de conhecimento e, na fase de retextualização, traçarem estratégias que lhes possibilitem preencher lacunas adequadas à tarefa de tradução. Este artigo visa a demonstrar que a aplicação sistemática de conceitos da pesquisa lingüística de base contrastiva para o par de línguas alemão-português, bem como de conceitos da lingüística textual, pode contribuir para que os tradutores iniciantes ampliem e aprofundem seus conhecimentos na língua estrangeira, ao mesmo tempo em que são orientados nos primeiros passos da tradução. As considerações teóricas sobre o tema (Parte I) são ilustradas por um exemplo de aplicação (Parte II).
In diesem Aufsatz werden der medizinische und literarische Diskurs bei Büchner miteinander verglichen. Vor allem in seiner Zürcher "Probevorlesung über Schädelnerven" und in seinem "Woyzeck", welche im letzten Lebensjahr Büchners entstehen, scheinen die Begriffe von Subjektivität und Objektivität – in Lenzscher Anlehnung – "auf dem Kopf [zu] gehn". In seiner medizinischen Vorlesung beweist der Privatdozent Büchner, dass es den freien Willen gibt, während er in seinem Woyzeck, insbesondere in der Doktorszene, die Unterdrückung des Protagonisten eindrücklich in Szene setzt. Dieser Aufsatz zeigt somit auf, dass eine kritische Reflexion über die Abhängigkeit und den freien Willen des "Subjekts der Geschichte" auf der Folie der politischen Sensibilisierung in Umbruchzeiten wie im Vormärz möglich wird.
Das Thema stellt sich nicht nur im Blick auf die vom Medium Stummfilm geforderten Zwischentitel, sondern auch im weiteren Sinne. Seine Spannbreite reicht von den sogenannten 'Inserts', konkreten in der Filmhandlung auftauchenden schriftlichen Dokumenten, bis hin zu literarischen Referenzen und Motivkonstellationen. All dies zeigt, dass das frühe Kino als das 'neuere' Medium fortwährend auf das 'ältere', die Schriftkultur, Bezug nimmt, es zitiert und auratisiert, sich ebenso von ihm absetzt wie von ihm herleitet.
A teoria da mídia alemã surge no campo dos estudos literários no início dos anos oitenta e desempenha um papel vital no campo da comunicação e dos estudos de mídia mundo afora. Contudo, muitos pesquisadores dos estudos literários não parecem ter consciência do assim chamado "media turn" alemão, que produziu contribuições importantes para o debate contemporâneo acerca de questões sobre texto, mídia, percepção e tecnologia. Este artigo tenta mostrar um panorama desse debate, enfocando autores como Benjamin, Schmidt e Flusser.
O artigo aborda a trajetória da peça radiofônica alemã do pós-guerra. Depois de uma introdução ao gênero da radiopeça, são comentados três peças exemplares: "Träume" de Günter Eich, NWDR 1951, como exemplo típico de uma radiopeça literária, e "Träume 1951 - Musikalischer Epilog" de Hans Schüttler, NDR, do ano 2007, uma obra representativa da Audio-Art contemporânea. O último exemplo é de uma radiopeça pop, "Eisstadt", WDR 2005, de Schorsch Kamerun. Eisstadt, uma bricolagem com a mesma pretensão política de "Träume", mistura a cultura erudita com a cultura de massa e combina os mais diversos estilos de língua e de música. Ultimamente, com a valorização do audio na Alemanha, a peça radiofônica está passando por uma fase de revitalização, porém sob condições diversas daquelas dos anos cinquenta.
Erzählen ist eine grundlegende Form unseres Zugriffs auf Wirklichkeit. In den verschiedensten Bereichen der alltäglichen Lebenswelt und nicht zuletzt auf den Gebieten wissenschaftlicher Erkenntnis orientieren und verständigen wir uns mit Hilfe von Erzählungen. Reportagen des investigativen Journalismus, Selbstdarstellungen von Politikern im Wahlkampf, Erlebnisberichte in Internetblogs, Anamnesen im medizinischen Patientengespräch, Plädoyers vor Gericht, Vermittlungen von Verhaltensnormen in populärer Ratgeberliteratur, Heilserzählungen im Gottesdienst, Fallgeschichten in juristischen Lehrbüchern, ökonomische Prognosen von Kursverläufen – all diese Kommunikationen erfolgen wesentlich in erzählender Form. Anders als in den erfundenen Geschichten der Literatur bezieht man sich in diesen Erzählungen direkt auf unsere konkrete Wirklichkeit und trifft Aussagen mit einem spezifischen Geltungsanspruch: 'So ist es (gewesen)'. Solche Erzählungen mit unmittelbarem Bezug auf die konkrete außersprachliche Realität nennen wir Wirklichkeitserzählungen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die referentielle Leistung sprachlicher Kommunikation im Zeichen strukturalistischer und poststrukturalistischer Theorien allzu oft zugunsten eines pauschalen 'Panfiktionalismus' unterschlagen. Zweifellos 'konstruieren' Wirklichkeitserzählungen in erheblichem Maße eine Realität; aber sie sind eben auch auf eine intersubjektiv gegebene Wirklichkeit bezogen. Wirklichkeitserzählungen sind sowohl konstruktiv als auch referentiell – darin liegt ihre besondere erkenntnistheoretische Bedeutung. Es gilt, den referentiellen Aspekt von Wirklichkeitserzählungen angemessen zu berücksichtigen, ohne deren konstruktive Elemente zu vernachlässigen.
Erzählen im Journalismus
(2009)
Gibt es bestimmte soziale Funktionen des Journalismus, aus denen man Merkmale journalistischer Wirklichkeitserzählungen ableiten kann? Niklas Luhmann hat vorgeschlagen, den Journalismus als Teil der Massenmedien zu verstehen, die ein eigenständiges soziales System innerhalb unserer funktional differenzierten Gesellschaft bildeten. Der spezifische Code, der das System der Massenmedien von seiner Umwelt abgrenze, sei die Unterscheidung zwischen Information und Nichtinformation. Die Massenmedien, so Luhmann, stünden unter einem dauernden Erneuerungsdruck wegen der "ständigen Deaktualisierung von Information" […] Im Einzelnen ordnet Luhmann den Massenmedien (nicht im Sinne einer "geschlossenen Typologie", sondern "rein induktiv") drei "Programmbereiche" zu: "Werbung", "Unterhaltung" und "Nachrichten und Berichte". Bernd Blöbaum beschreibt den für "Nachrichten und Berichte" zuständigen Journalismus nicht als Teil des sozialen Systems der Massenmedien, sondern als ein eigenständiges soziales System, dem, so wie den Massenmedien insgesamt bei Luhmann, als primäre Funktion die "aktuelle Selektion und Vermittlung von Informationen" zukomme. In beiden Fällen wird der Journalismus jedenfalls systemtheoretisch durch die Leitdifferenz zwischen Information und Nichtinformation bestimmt. Obwohl selbstverständlich nicht nur im Journalismus, sondern auch in der Werbung und in der Unterhaltung erzählt wird, geht es im vorliegenden Beitrag, der engeren Bestimmung Blöbaums folgend, um Formen und Funktionen des Erzählens im Journalismus, und zwar um das rein sprachliche Erzählen im Printjournalismus von Zeitungen und Zeitschriften.
Uns geht es […] darum, über eckig und rund, einem Oppositionspaar, Formen, Formate, De-Figurationen und De-Konstruktionen von Geschlecht. aber auch von anderen Kategorien. die die Identität bestimmen, auszuloten. Mit welchem Oppositionspaar haben wir es hier zu tun? Oben […] im Netz. hieß es schon, dass wir das Eckige brauchen. um das Runde zu definieren, und umgekehrt. Oder aber auch, dass beide Kategorien gar nicht so leicht voneinander zu trennen sind, denn selbst der rundest geschliffene Kristall basiert auf der eckigen Struktur des Kristallgitters. Es scheint nicht so einfach zu sein. die Opposition eckig und rund aufrechtzuerhalten. Warum wird dann über dieses Paar versucht, die Kinder- und Jugendliteratur zu vermessen? Die Antwort liegt scheinbar auf der Hand – mit rund wird z.B. das Weiche. das Anschmiegsame. Kindliche oder eben das Weibliche. assoziiert. mit eckig das Härtere, Widerspenstigere, Kantigere, eben das Männliche zusammengedacht. Also 'rund' als das weibliche Prinzip? 'Eckig' als das männliche?
Der Gedanke, dass Kunstverhalten ein Ausdruck menschlichen Spielverhaltens sei, entspricht einem alten Konsens in Philosophie und Geisteswissenschaften. Er hat erneute Plausibilisierung erfahren von Seiten der Evolutionspsychologie, die nicht nur das Postulat vom menschlichen 'Spieltrieb' als einer angeborenen Eigenschaft auf festere Füße gestellt, sondern überdies auch eine Erklärung für die offenkundige Lust am Spielen geliefert hat. Kernthema meines Beitrags wird indes nicht diese allgemeine Parallele von Kunst und Spiel sein, sondern die spezifische Ausprägung des Spielerischen in einem bestimmten Typus von Literatur. Denn wenn es korrekt ist, dass sich die Lust am Lesen der Aktivierung angeborener Verhaltensprogramme durch literarische 'Attrappen' verdankt, dann stellt sich die Frage, welche Programme dies im Einzelnen sind.
The study offers a comprehensive overview on the works and activity of József Eötvös, central personality of the 19th-century modernisation of political culture and educational system in Hungary. It also reveals the paradoxical consequences of his efforts, namely the fact that while the first and second generation of Hungarian intellectuals returning home from Germany in the early ’40s and after the Austro-Hungarian Compromise in 1867 successfully contributed to the building of the modern cultural nation, at the end of the century the generation of émigrés chose Germany on purpose to escape the nationalistic institutional framework of Hungarian culture and sciences.
Do sentido interno
(2009)
E fez-se a luz : contribuições do medium fotográfico para a instauração do realismo literário
(2009)
The nineteenth century was the scene of deep changes in several areas of society: art, industry, science and others. Officially emerged in 1839, the photographic medium was received, discussed and practiced by many of these areas. This article deals with the arisal and the first receptions of photography in the artistic sphere, considering the shock between painting x photography, the discussion about visible reality and its forms of representation in art. It is also briefly discussed the artistic and social context in which the first realistic publications appeared, the importance of photography in these texts, how they were received in Germany and the fundamental differences between French and German literary realism. Thus, it is intended to point the emergence of the photographic medium as one of the aspects which - through the theoretical and conceptual reconfigurations which have taken place in art - contributed to the establishment of the realistic movement in painting and literature.
Novalis is perhaps the most expressive poet of German Early Romanticism. His ideas, mainly in form of fragments, were strongly based upon Fichte’s theory of magic idealism and are substantial part of his literary work, which presents a mixture of genres such as poetry, rhetoric, philosophical and religious themes and even social aspects. This article will introduce some of Novalis’ personal aspects with the intent of briefly introducing two of his main issues: the concept of Fragment, as exploited in ‘Die Lehrlinge zu Saï’s, and his ideal of a poetic, self referent language.
The object of this paper is to attempt a comparison between the perception of the big city by an author of German expressionism, Georg Heym, and the Brazilian modernist Mario de Andrade. The aim is to compare the poetic visions of two cities, Berlin and Sao Paulo, at the beginning of the twentieth century and highlight both, the coincidences and differences in the perception of urban life, based on the ideas of the German sociologist Georg Simmel on the life of man in modernity and the stimulations of nerve impulses.
Maske - Verhüllung oder Offenbarung? : Einige Stichworte zur Semantik von Masken und Maskierungen
(2009)
Die Konnotationen, die an das Stichwort »Maske« geknüpft sind, stehen in Beziehung zu so komplexen Begriffen und Themen wie Identität und Rolle, Selbstentwurf und soziale Interaktion, Selbstdarstellung und Verstellung. Masken dienen geläufigen Vorstellungen zufolge unter anderem der Kommunikation mit dem Diesseits und mit der Transzendenz. Sie stehen aber auch für einen Raum zwischen Sein und Schein, Lebenswirklichkeit und ästhetischem Spiel. Sie übernehmen wichtige Funktionen in der Alltagspraxis wie auch in kultisch-rituellen Zusammenhängen. Entsprechend vielschichtig ist die Semantik von Masken und Maskierungen.
"Sprachgitter" ist eines der Gedichte Paul Celans, das in der Philologie der letzten fünfzig Jahre am extensivsten diskutiert, kommentiert und interpretiert wurde. Dabei wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass das Wort 'Sprachgitter' (wie auch das Gedicht dieses Titels) für Celan eine wesentliche poetologische Dimension habe […]. Celan räumt […] ein, dass der Titel "zweifellos ambi-; ja polyvalent" sei und außerdem "etwas verdammt 'Poetisches'" habe […]. "Ich sage mir aber gleichzeitig, daß mir in 'Sprachgitter' auch das Existenzielle, die Schwierigkeit alles (Zueinander-)Sprechens und zugleich dessen Struktur mitspricht (vgl. 'Raumgitter'), damit ist das zunächst amphibisch anmutende wieder zurück gedrängt". Die Doppelbödigkeit dieses Satzes betont die Radikalisierung des Begriffs von Sprache, der mit dem Wort 'Sprachgitter' verbunden ist; so lässt sich der Satz zum einen in drei konsekutiven Elementen konstruieren, zum anderen aber kann "die Schwierigkeit alles (Zueinander-) Sprechens" als Umschreibung für "das Existenzielle" schlechthin gedeutet werden, womit dieses 'Existenzielle' nicht allein als sprachlich verfasstes charakterisiert, sondern zugleich wesentlich mit dem Problem der Begegnung, der Trennung und der Grenze zusammengedacht wäre. An dieser poetologischen Bemerkung wird zudem deutlich, dass sie nicht allein nach einer 'literarischen Form' – dem 'Gedicht' – fragt noch lediglich nach dem 'Einzelfall' eines Gedichts mit dem Titel "Sprachgitter", sondern sich – ausgehend vom Gedicht – auch der Frage nach der Sprache überhaupt zuwendet.
Das Mißverhältnis zwischen der relativ geringen Zahl verurteilter Mörder und der Unzahl von Morden, die dem Fernsehpublikum allabendlich verabreicht werden, bedarf einer Erklärung. Die These lautet, daß der Fernsehkrimi der Durchsetzung gesellschaftlicher Macht- und Rechtsverhältnisse in den Köpfen des Publikums dient. Er nimmt aktuelle gesellschaftliche Probleme auf, spielt sie an den Grenzen der Legalität durch und macht den Verbrecher dingfest. Die Formen, in denen dies geschieht, zeigen mehr oder weniger genau den Wandel der staatlichen Verhältnisse an. Der Fernsehkrimi übernimmt daher unter den Bedingungen der Mediendemokratie die Funktion älterer Institutionen der Selbstverständigung: der griechischen Tragödie, des bürgerlichen Trauerspiels und der verschiedenen Formen des Kriminalromans. Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler erarbeiten sich in günstigen Fällen zwischen den staatlich dominierten Fernsehanstalten und dem Publikum, das an spannender Unterhaltung interessiert ist, einen Freiraum, der das staatliche Herrschaftsinteresse mit Mitteln der Kunst unterläuft. Eine Typologie des Fernsehkrimis kann die Produktionen daher zwischen dem staatssprengenden Krimi, der strikt allenfalls in Kinoproduktionen möglich ist, und dem staatstreuen Krimi, der zur Langeweile neigt, aufspannen. Der "Tatort" findet in der Konkurrenz der Landesmedienanstalten relativ günstige Bedingungen vor und bietet sich für eine Analyse an. Als Beispiel für den staatstreuen Krimi wird die Folge "Bienzle und der Tod im Teig" (Tatort Stuttgart, 2003), für den staatssprengenden Krimi der italienisch - französische Kinofilm "Die Macht und ihr Preis" (1976) angeführt. Dazwischen lassen sich verschiedene Strategien ansiedeln, die den Autoren und Regisseuren das Ausweichen vor den (in den Rundfunkräten präsenten) staatlichen Institutionen erlauben: Komik und Groteske (Tatort Bremen: "Eine unscheinbare Frau", 2007) sowie Ästhetisierung. Dafür werden der Kieler Tatort "Borowski und das Mädchen im Moor" (2008) und die Kölner Folge "Mutterliebe" (2003) genauer analysiert. Sie zeigen, daß die traditionellen Mittel der Kunst wohl immer noch am besten geeignet sind, um die Machtansprüche der staatlichen Institutionen wirksam zu unterlaufen — selbst im Fernsehkrimi, der am ehesten zwischen die politischen Fronten gerät, wie neuere Diskussionen um mehrere Tatort-Folgen gezeigt haben.
Von einem Absoluten zu einem Anderen : Celan und Blanchot: "Sprich als letzter, sag deinen Spruch"
(2009)
Dieses kurze Zitat aus dem 1980 veröffentlichten Essay von Blanchot "Die Schrift des Desasters" ist eine der vielen Überlegungen des Autors über den Holocaust. Jene eingehende Betrachtung Blanchots über «das absolute Ereignis der Geschichte», die sein ganzes Werk durchzieht, hat ihn dazu geführt, die Literatur neu durchzudenken und seine eigene Antwort auf die berühmt gewordene Frage Adornos zu finden. Mit seiner kurzen Erzählung "Der Wahnsinn des Tages" hatte der Autor und Essayist schon die Frage nach der Möglichkeit gestellt, eine Erzählung nach der Erfahrung der Shoah zu schreiben, es ging dabei um eine Art Geständnis des Schriftstellers über die Unmöglichkeit, weiterhin zu dichten. Somit wird das Fragmentarische in seinen Büchern immer wichtiger; die Entstehung und die Entwicklung dieses neuen Schreibens hängt auch mit einem ständigen Dialog mit einem anderen Denken, mit anderen Autoren zusammen, die für sein Werk von großer Bedeutung sind, wie z. B. Paul Celan.
Von Friedrich von Matthisson (1761-1831), „dem Landschaftsmaler unter den Dichtern, dem Sänger der Elegien und Mondscheinnächte, der Frühlingsbilder und Elfentänze, einem der Lieblinge unserer Lyrik“, wie das Damen Conversations Lexikon einige Jahre nach seinem Tod formuliert, publiziert das Goethezeitportal die Gedichte „Elysium“ und „Der Genfersee“. Beigefügt sind die Kritiken von Wieland und Schiller, Buchschmuck und Illustrationen sowie eine Kurzbiografie des Dichters.
Die „Wunderbaren Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, wie er dieselben bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt“, die sprichwörtlich gewordenen „Münchhausiaden“, werden im Goethezeitportal in Illustrationen verschiedener Künstler vorgestellt. Die erste Postkartenserie von Oskar von Herrfurth (1862-1913) wird hier durch eine zweite Folge mit weiteren 6 Lügengeschichten ergänzt. Wiederum gelingen dem Künstler effektvolle und witzige Umsetzungen ins Bild.
„Die Entstehungsgeschichte dieses Totentanzes dokumentiert die Umstrittenheit der Todesthematik im späten 18. Jahrhundert. Chodowiecki versuchte bereits 1780 erfolglos eine entsprechende Bildfolge zu veröffentlichen, stellte dieses Vorhaben nach verschiedenen Absagen für mehr als zehn Jahre zurück, stieß dann aber immer noch auf Widerstand.“ (Ulli Wunderlich) Schließlich gelang die Publikation in einem Kalender auf das Jahr 1791. Das Goethezeitportal publiziert die Kupferstiche mit den kurzen Beschreibungen, die der Künstlers in einem Brief gab, sowie den gedruckten Erklärungen im Kalender.
Das Werk „Freund Heins Erscheinungen in Holbeins Manier“, erschienen 1785 in Winterthur, vereinigt einen Totentanz des Schweizer Malers und Radierers Johann Rudolf Schellenberg in 25 Kupfern mit Texten des Weimarer Schriftstellers Johann Karl August Musäus. Innovativ sind beide Teile, die Motive der Blätter wie die Vers-Prosa-Mischung der Texte. Das Werk, von dem das Goethezeitportal eine Auswahl bietet, ist eine der wenigen Totentanzdarstellungen der Zeit.
Die Burg „Weibertreu“ (bei Weinsberg) verdankt ihren Namen einer „Weiberlist“. Die Frauen in der belagerten Feste nutzten ein Kaiserwort, das ihnen freien Abzug mit allem, was sie tragen können, versprach, und nahmen als ihr kostbarstes Gut ihre Männer Huckepack. Die Sage hat Bürger und Chamisso zu Balladen angeregt. Der schwäbische Dichter Justinus Kerner, der am Fuße der Weibertreu sein Heim hatte, sorgte sich um die Erhaltung der Ruine und regte zu diesem Zweck die Bildung eines Frauenvereins an, dem die Burg vom König von Württemberg geschenkt wurde. So wurde Weibertreu zu einem „romantischen Wallfahrtsort“. Das Goethezeitportal publiziert eine Auswahl von Ansichten, Historienbildern und Texten.
Der Verlag von K. Ad. Emil Müller in Stuttgart gab eine Serie von 12 Postkarten mit Werken des Münchner Malers Wilhelm von Kaulbach (1804-1874) heraus. In ihr finden sich 6 Illustrationen zu Werken Schillers und zwei Karten mit Goethe-Motiven. Das Goethezeitportal publiziert die gesamte Folge und fügt hinzu: Zwei Bildbeschreibungen und Figurencharakteristiken von Ernst Förster aus Kaulbachs "Schiller-Gallerie" sowie Kurzbiografien von Kaulbach und Förster.
Johann Karl August Musäus und Ludwig Bechstein : Sagen von Rübezahl ; Texte und Illustrationen
(2009)
In seinen »Volksmärchen der Deutschen« (1782-86) erzählt J. K. A. Musäus fünf Sagen von Rübezahl, dem schlesischen Berggeist. Eine davon illustrierte Ludwig Richter in einer großformatigen Radierung, die der Sächsische Kunstverein für seine Mitglieder als Jahresgabe 1848 auswählte. Das Goethezeitportal publiziert die Sage zum Vergleich auch in der Fassung von Ludwig Bechstein und fügt die bekannteste Darstellung Rübezahls, durch Moritz von Schwind um 1845, bei. Biografische Notizen mit zwei Bildnissen von Musäus ergänzen die Seite.
Die 1689 zerstörte Burg Hohenbaden beim Kurort Baden-Baden, heute eine großartige Ruine mit prachtvoller Aussicht, war mehrfach Gegenstand von Sagen und Dichtungen. Das Goethezeitportal publiziert eine Sage mit dem romantischen Motiv vom Marmorbild und Gedichte von Max von Schenkendorf (1783-1817), der als ‚Sänger’ der Befreiungskriege gegen Napoleon bekannt wurde. In diesen Gedichten verbindet sich auf exemplarische Weise die Ruinenromantik mit dem Willen zur Wiederbelebung der altdeutschen Welt und dem religiös überhöhten Aufruf zur nationalen Erneuerung.
In der Idylle „Vom alten Turmhahn“ bezieht sich Eduard Mörike auf sein Pfarrleben in dem Dorf Kleversulzbach (1834-1843). Der Text, der zu den Hauptwerken des Dichters zählt, ist von Ludwig Richter illustriert worden. Das Goethezeitportal veröffentlicht den Text mit den Illustrationen, zwei Zeichnungen Mörikes aus Kleversulzbach sowie biografische Notizen und Porträts von Dichter und Illustrator.
Tiere, alt und lästig geworden, werden aus dem Dienst gejagt oder zur Schlachtung bestimmt. Esel, Hund, Hahn und Katze, die auf solche Weise der Welt Dank erfahren, solidarisieren sich und formieren sich, indem sie ihre Kräfte zusammen legen, erfolgreich zu einer Gang der Alten und Ausgestoßenen. So etwa geht die leicht aktualisierte Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten. Das Goethezeitportal publiziert die Fassungen aus den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm und von Ludwig Bechstein, der die Geschichte um einen Bäckergesellen erweitert, der von seinem Meister vor die Tür gesetzt wird, weil er die Kundschaft nicht betrügen will. Zuletzt bilden die Tiere eine Wohn- und Lebensgemeinschaft, eine Altenkommune sozusagen. Illustriert werden die Texte durch Postkarten, darunter eine Serie von Oskar Herrfurth (1862-1934), einem beliebten Illustrator von Märchen, und das Fresko von Max Slevogt aus dem Bremer Ratskeller.
Das Weserlied (“Hier hab' ich so manches liebe Mal / mit meiner Laute gesessen …") von Franz Dingelstedt, vertont durch Gustav Pressel, erlangte volkstümliche Berühmtheit. Die schmerzliche Rückerinnerung an die unerfüllte Jugendliebe, Lautenklang und Talblick, oben die rauschenden Bäume und unten die glitzernde Welle und das brausende Wehr – all dies entspricht literarischen Gemeinplätzen bürgerlicher Empfindung. Die Seite bringt 34 Illustrationen, darunter mehrere Postkartenserien, orientiert über den Dichter und Dramaturgen Franz von Dingelstedt (1814-1881) und stellt weiterführende Weblinks bereit. Die Reihe von Volksliedern wird fortgesetzt.
Von Mai bis August 1788 wohnte Schiller in Volkstedt, in der Nähe von Rudolstadt, Ende August zog er nach Rudolstadt um. Er verkehrte im Hause Lengefeld – heute „Schillerhaus“ mit Museum - und lernte die Schwestern Charlotte und Caroline kennen und lieben. So kam es im „Rudolstädter Sommer“ 1788 – wie Biographen annehmen - zu einem „romantisch-erotischen Dreiecksverhältnis“ (Eckhard Fuhr). 1790 heiratete er Charlotte. In der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg widmete Rudolstadt den Schiller-Stätten und dem Lied von der Glocke zwei Serien Notgeld, die das Goethezeitportal mit Erläuterungen publiziert.
Die sechs Genreszenen zur Ballade „Die Glocke“ von Schiller, aus dem Verlag von L. Stottmeister in Braunschweig, verweisen durch die Aussparung des Zitat- und Textfeldes auf ihre Entstehung um 1900 (auf der Rückseite durfte nur die Adresse stehen). Wie an den Kostümen ersichtlich, lässt der Künstler die Handlung am Übergang des späten Rokoko zum Empire spielen, mischt aber auch realistisch gegebene Szenen darunter.
Der von Goethe geschätzte Maler und Zeichner Johann Heinrich Ramberg (1763-1840) war der beliebteste Lieferant von „Almanachküpferchen“ für die Taschenbücher seiner Zeit. Sein Talent gilt als „fruchtbar, beweglich, liebenswürdig“ (Max von Boehn), die Almanachkupfer werden als gefällig, launig und schalkhaft gelobt, manchmal mit vorzüglichen Charakterisierungen und bildnerischen Einfällen (wie dem aus dem Pudel sich entwickelnden Mephisto). Von den 16 Faust-Illustrationen für „Minerva. Taschenbuch für das Jahr 1828“ und 1829 werden hier 9 aus einer bibliophilen, einer Handschrift nachgebildeten, in Pergament gebundenen Ausgabe von Goethes Faust publiziert. Mit einer Kurzbiografie und 2 Bildnissen von Ramberg sowie einer Würdigung der Illustrationen durch den Kulturhistoriker Max von Boehn.
Unter den Liebigbildern, den berühmtesten und am weitesten verbreiteten Sammelbildern, erschien 1911 eine Serie von Illustrationen zur Symphoniekantate „Fausts Verdammung“ von Hector Berlioz (1803-1869). Für Berlioz, „eine künstlerische Vielfachbegabung von äußerstem Anspruch und Raffinement“ (Hans Joachim Kreutzer), wurde Goethes Faust zu einem entscheidenden Bildungserlebnis. Sein Frühwerk, „Huit scènes de Faust“ ließ er Goethe zukommen, aber der wandte sich an Zelter, der ein vernichtendes Urteil abgab. Mit „La damnation de Faust“, 1869 uraufgeführt, schuf Berlioz eine eigenständige romantische Deutung des Faust-Mythos. Das Goethezeitportal publiziert diese Bilder mit Hinweisen und Dokumenten zur Entstehung und Aufnahme des Werkes.
Die einer Handschrift nachgebildete bibliophile Faust-Ausgabe im Askanischen Verlag von 1924 enthält eine umfängliche Sammlung von Illustrationen zum Werk. Daraus publiziert das Goethezeitportal 5 wenig bekannte Holzschnitte nach Zeichnungen von Gabriel Max (1840-1915), die 1879 bzw. 1886 erstmals erschienen sind. Darunter eine hinreißende Komposition zum „Hexen-Einmaleins“. Max, der einige Jahre als Professor der Historienmalerei an der Münchner Akademie tätig war, wurde durch seine „mystische Richtung“ bekannt. Die Kritik bescheinigt ihm, dass er „das Sentimentale mit dem Grauenhaften und Nervenerregenden geschickt zu mischen versteht“. Beigefügt sind die Bezugstexte und eine Kurzbiografie von Gabriel Max.
Zu dem Volksmärchen "Der Wolf und die sieben Geislein" publiziert das Goethezeitportal die Postkartenserie des populären Malers Oskar Herrfurth (1862-1934) sowie Illustrationen von Ludwig Richter. Zur Lektüre laden ein die Texte des Volksmärchens in den Fassungen der Brüder Grimm und von Ludwig Bechstein.
Von dem populären Maler und Illustrator Oskar Herrfurth (1862-1934) publiziert das Goethezeitportal eine Postkartenserie zum Märchen vom „Schlaraffenland“. Beigefügt sind Holzstiche von Ludwig Richter. Zur Lektüre laden ein die Texte des Volksmärchens in den Fassungen der Brüder Grimm und von Ludwig Bechstein sowie das reizvolle Kinderlied „Vom Schlaraffenlande“ von Hoffmann von Fallersleben.
Die russische Literaturwissenschaft entwickelte sich auf der Basis der russischen Literaturkritik des 19. Jahrhunderts und setzte sich schon früh mit Problemen der komparatistischen Einfluss- und Beziehungsforschung auseinander. Sie war von Beginn an supranational und interdisziplinär ausgerichtet. Hingegen hatten die Einzelphilologien in der russischen universitären Tradition einen schweren Stand. So war z. B. anlässlich des erst im Jahre 2003 gegründeten russischen Germanistenverbandes festzustellen, dass die Vertreter der russischen Germanistik Probleme hatten, ein fachdisziplinäres Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln und sich eher als allgemeine Literaturwissenschaftler oder Komparatisten definierten. Während sich die Komparatistik in Deutschland erst nach der Überwindung eines langwierigen und schwierigen Prozesses der Abgrenzung in Bezug auf die Einzelphilologien in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre einen festen Platz eroberte, nahm die russische Komparatistik eine völlig andere Entwicklung, da es dort einer besonderen Legitimation der vergleichenden literaturwissenschaftlichen Forschung nicht bedurfte.
"Time and place are the real unifiers of Wandering Rocks", so Clive Hart. Man könnte diese Behauptung als die Lösung des zehnten Kapitels Joyces auffassen; genauer betrachtet aber, teilt sich die Behauptung sofort in zwei Fragestellungen: eine richtet sich auf Joyce's narrative Ausführung, eine zweite Frage bezieht sich notwendigerweise auf unser Verständnis der Zeit und des Raumes überhaupt. Der folgende Aufsatz ist eine Untersuchung über die Weise in der Joyce sich in diesem Kapitel mit dem Problem der Zeit auseinandersetzt. Insofern ist es auch eine Untersuchung über den Begriff der Zeit. Unsere Absicht ist daher nicht, eine Deutung oder eine Bedeutung des Textes zu produzieren (wenn wir überhaupt über eine einzige Bedeutung sprechen könnten, was für diesen Roman eher unwahrscheinlich ist), denn, wir gehen davon aus, dass jede Lektüre eine Erfahrung, ein unendlicher Prozess ist, das jenseits des Wahren und Falschen liegt: „or une expérience n'est ni vraie ni fausse. Une expérience est toujours une fiction."
Eine Familienfotografie weckt nicht nur Erinnerungen an die eigene Vergangenheit und Lebensgeschichte, sondern ruft auch Assoziationen und Verknüpfungen zu anderen Bildern und Narrationen auf, wie dieses Beispiel zeigt. Fotografie ist also mehr als eine Dokumentation von Erlebtem. Was sie unter verschiedenen Perspektiven leisten kann, soll hier anhand aktueller Interviewbeispiele untersucht werden. Dabei verfolge ich die These, dass eine Fotografie dann eine besondere Wertzuschreibung erhält, wenn es zu einem Objekt der Gegenwart wird, also eine Aktualisierung erfährt. Wenn man den Gebrauch von Fotografien näher betrachtet, scheinen sie ein gewisses Eigenleben zu führen: Sie fungieren nicht nur als Redeanlass, sondern der Betrachter kann den Eindruck haben, das Bild selber spräche zu ihm, würde ihm etwas mitteilen wollen oder hätte gar eine Botschaft. „La photographie n'est jamais qu'un chant alterné de ‘Voyez', ‘Vois', ‘Voici' [...]." stellt Roland Barthes in seinen Überlegungen zum Wesen der Fotografie 1980 in „La chambre claire" fest.
Wird man als Linguistin - und zwar ausdrücklich in dieser Funktion und nicht in der auch möglichen Rolle als Fotografin oder Bildwissenschaftlerin - dazu eingeladen, über die Documenta zu berichten, so ist man positiv überrascht. Man freut sich, weil man als Vertreter/in einer die Sprache untersuchenden und vermittelnden Disziplin verschiedentlich Vorbehalten seitens Fachfremder begegnet. Diesen zufolge wird Sprachwissenschaft - wenn sie überhaupt in interdisziplinäre Zusammenhänge eingebunden wird - eher bei den Naturwissenschaften als bei den Geisteswissenschaften geortet. Ihre Tätigkeitsfelder lokalisiert man in („unschöpferischen") Bereichen wie »Wissenschaft über Sprachtherapie bis hin zur Entwicklung automatischer Sprachverarbeitungssysteme«[3]. Dass Linguisten tatsächlich erfolgreich und anwendungsorientiert an formal-eindeutigen, programmierbaren Sprachen forschen und den Kompetenzerwerb normgerechten Sprachgebrauchs fördern, ist die eine Seite. Die andere Seite ist, pauschalisierend formuliert, dass genau deswegen künstlerisch-kreative Kreise Linguisten häufig unter „Strukturalismus-Verdacht" stellen. Assoziiert mit der Annahme grundsätzlich möglicher Zerlegbarkeit, Klassifizierbarkeit, Systematisierbarkeit von Welt distanziert uns die Zuschreibung zum strukturalen Denken von den aktuellen interdisziplinär-kulturtheoretischen Diskussionen, in denen eben diese Schlagwörter als Reizwörter einen hohen Provokationswert haben.