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Eine kontextuelle Untersuchung vermag sich vor allem dann als produktiv zu erweisen, wenn sie sich entstehungs- und publikationsgeschichtlich fundamentieren lässt. Demgemäß wird in der Folge die jeweilige Entstehungsgeschichte der beiden Prosawerke Goethes einer detaillierten Analyse unterzogen. Dabei sollen insbesondere die Arbeitsphasen der einzelnen Projekte festgemacht werden, um aus der Abfolge und der zeitlichen Nähe mögliche Abhängigkeiten zu erschließen. Im Zentrum des Interesses wird zum einen die Ferdinand-Geschichte aus der Erzählsammlung und werden zum anderen die Bücher 5 sowie vor allem 7 und 8 der Lehrjahre stehen. In einem zweiten Schritt wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die entstehungsgeschichtlich fundamentierte Kontextualität für die Deutung der beiden Werke nutzbar gemacht werden kann. Dabei wird konkret jeweils die Kommentierungsleistung des einen Werks für das andere untersucht.
Selten dürfte ein Roman während seiner Entstehung von so kompetenten Werkstattgesprächen begleitet gewesen sein, wie sie der Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller zu "Wilhelm Meisters Lehrjahren" in den Jahren 1794-96 bezeugt. Dieser so kritische wie beflügelnde Dialog wurde jedoch gleich nach Erscheinen des ersten Bands im Januar 1795 durch einen Widerstreit der öffentlichen wie der privaten Reaktionen zu diesem Roman überlagert. In dieser durch den Xenien-Streit zusätzlich aufgeheizten Situation publizierte der damals fünfundzwanzigjährige Friedrich Schlegel, der soeben nach der Entzweiung mit Schiller und Woltmann von Jena nach Berlin übersiedelt war, im September 1797 im dortigen Lyceum der schönen Künste das selbstbewußte "Kritische Fragment.
Goethes "Italienische Reise" als antiromantische Konfession: diese Zugangsweise zu einem der klassischen Texte der deutschen, ja europäischen Reiseliteratur dürfte nicht nur auf den ersten Blick befremden. Denn ist Goethes "Italienische Reise" nicht vor allem ein Gründertext der spezifisch deutschen, Klassiker und Romantiker (ja selbst noch ihre störrischen Nachfahren wie Rolf Dieter Brinkmann) verbindenden "Faszination des Südens"? Und bildet sie nicht zugleich den Höhepunkt in Goethes lebenslanger Aneignung Italiens wie keiner anderen fremdsprachigen Kultur?