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Die „epische Erzählung“ hat also prinzipiell drei Funktionen: die Exposition der Voraussetzungen, die Motivation der Handlung und die Charakterisierung der Rolle des Erzählenden.
Unter diesen Prämissen (…) [wirft Volker Mertens] einen Blick auf Hagens Erzählung von Jungsiegfrieds Taten in „Nibelungenlied“: Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Dichter des „Nibelungenliedes“ ein anderes Verhältnis zur Stofftradition und andere Vorstellungen von Stimmigkeit und Kohärenz eines Werkes hatte Wagner, andererseits schuf auch dieser nicht im traditionsleeren Raum, das ‚Drachentöter-Image’ beispielsweise war beiden Siegfried-Gestaltungen bereits vorgegeben. (…)
(…) [Volker Mertens] beschäftigt (…) die Frage, ob (…) [man] in Siegfried tatsächlich einen (…) „Helden im Nirgendwo“ sehen k[ann], der hinter und über dem Merowinger Sigibert von Austrasien steht, der i.J. 575 ermordet wurde im Rahmen politischer Machtkämpfe und blutiger Familienzwistigkeiten –oder auch einem burgundischen Spross ähnlichen Namens. „Hat Siegfried gelebt?“ (…) Im Jahre 2000 lautet die Antwort: Helden leben in der Erzählung.
In seinem Lied L 62,6 'Ob ich mich selben rüemen sol' spielt Walther mit drei Vortragsrollen des höfischen Liedes (…). Mit Kaiser und Spielmann sind die beiden Extreme in der sozialen Rangordnung der Rollen vorgestellt. Das Problem der Vortragsrollen soll auf zwei Ebenen angegangen werden: 1. der literarischen (oder literarisierten): durch Untersuchung der Liedzuweisungen im 'Roman de l Rose ou Guillaume de Dôle' des Jean Renart (…), 2. der „realen“: durch Auswertung historischer und literarischer Zeugnisse über die Möglichkeiten v.a. des Fürsten (Kaisers).
Die Engländer nennen noch heute die Franzosen (…) 'frogs', die Deutschen 'krauts', und wir Kartoffelesser sprechen in Bezug auf die Italiener von Spaghettifressern. Über Kommensalität und Ausschluß aus derselben werden Abgrenzungen gezogen, erfolgt die Zuschreibung als 'anders', als fremdkulturell. Die Dichotomisierung funktioniert über Körperliches, über die symbolische Ordnung der biologisch notwendigen Nahrungsaufnahme, über die Definition dessen, was rein und unrein ist, was Nahrung ist und wie man sie erwirbt und zubereitet
In Reiseberichten spielt das Essen schon allein deshalb eine besondere Rolle, weil die Selbstverständlichkeit der Nahrungsaufnahme zum Problem wird (…).
Offensichtlich fanden (...) [die Mönche] die Geschichten von Kampf und Liebe, die mit dem Namen Artus verbunden waren, viel spannender als 'Jesu Wunder und Passion' oder der 'Heiligen Leben und Leiden'. Die Klosterbrüder kannten anscheinend Geschichten von Ideal-König Artus und seinen tapferen Rittern, den hilfsbedürftigen Damen, die ihre Befreier mit Hand und Land belohnten, und den grandiosen Festen mit den edelsten Gästen. Das höfische Leben, für das der Name Artus stand, war der willkommene Gegensatz zum asketischen Klosteralltag. (…) Klosterkirche und Minnegrotte gehören von der Auslegungsdimension her zusammen: Bildungsgeschichtlich ist die Philosophie der Liebe, die der Minnegrotte zugrunde liegt, ohne die Theologie der Mönche und die Philosophie der französischen Hohen Schulen nicht zu denken. (…) Die Darstellungsmuster für die geistige Bedeutung von Klosterkirche und Minnegrotte sind sich weitgehend gleich.
Die Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen als Hinführung zum Verständnis des Originals ist nicht nur das tägliche Brot in der mediävistischen Lehre, sie hat mittlerweile auch den Buchmarkt erobert. (…) Es scheint sich ein Konsens herausgebildet zu haben, wie dafür zu übersetzen ist: textdienlich, ohne Nachahmung der poetischen Form, v.a. der Reime, jedoch zeilengetreu, seltener sogar in reimlogischen Versen (…).
Die Liebeslyrik hatte ihre Authentizität in der Performanz, der Sänger, der von Liebe sang, lieber im Augenblick seines Vortrags und faszinierte, überzeugte damit. Einer biographischen Kontinuität bedarf es erst dann, wenn kein Sänger-Ich, kein Körper, keine Stimme, die Liebe mehr beglaubigt. So scheint mir Ulrich [von Liechtensteins] Werk der Übergang von der primär aufführungsbezogenen Existenzform der Lyrik zum schriftkonservierten Lied zu markieren. (…) [E]ntweder wurde der öffentliche Vortrag schon zu dieser Zeit obsolet oder Ulrich konnte dies deutlich voraussehen und wollte seinen Nachkommen (…) den 'Frauendienst' als Memoria [hinterlassen]. Für den Nichtadligen [Johannes] Hadloub gab es eine solche Motivation (…) anscheinend nicht. Er reagierte (…) durch das Verschwinden des Sängers, indem er seine Dichterliebe episch in seine Liebesdichtung integrierte. (…) Dazu erfand Hadloub das neue Genre der 'Romanzen' (…).
Die folgende Untersuchung zielt auf die Poetologie, wie und mit welcher Wirkung die verschiedenen Männerrollen entworfen sind, ohne daß (…) [Volker Mertens berücksichtigt], welche soziologischen oder psychohistorischen Aufschlüsse man aus der Analyse der Rollenfiguration gewinnen kann. Das schließt andere Dimensionen natürlich nicht aus, die sich eher aus der Juxtaposition von Männer- und Frauenrollen im Hinblick auf die Affirmation und Didaktisierung von Genderrollen ergeben können. Ergebnis der Untersuchung soll ein differenziertes Verständnis dieses narrativen Mittels in beiden Texten und der Konsequenzen dieses Verständnisses vor allem in Bezug auf die kommunikativen Intentionen des Autors sein (…). Der Beitrag soll darüber hinaus die grundsätzliche Validität des Ansatzes erweisen und damit die Möglichkeit der Übertragung auf andere Texte eröffnen.
Meistergesang und Predigt : Formen der Performanz als Legitimationsstrategien im späten Mittelalter
(2004)
(…) [Volker Mertens] Fragestellung ist es, durch den Vergleich der mündlich geprägten Literaturgattungen Predigt und Meisterlied die Spezifika meistersängerischer Performanz zu erschließen, darüber hinaus durch die Heranziehung des volkstümlichen geistlichen Liedes zu einer differenzierten Kategorisierung von Performanz schlechthin beizutragen und schließlich zu Einsichten in das Verhältnis von überliefertem Text und Performanz zu gelangen.
[Volker Mertens greift] (…) auf die von Rainer Warning formulierte „doppelte Rollenhaftigkeit“ des lyrischen Ichs zurück (…), [die er] Performanz-Ich und Text-Ich (…) [nennt]. (…) Beide Ichs stehen in Spannung zum (biographischen)Autor (…), wobei seine Nähe zum Performanz-Ich dann besonders groß ist, wenn er selbst als Sänger seiner eigenen Lieder auftritt. Der Autor ist in hohem Maße sozial eingebunden, das Performanz-Ich fügt sich in eigene Traditionen und Konventionen, besitzt aber weitgehende Lizenzen im Vergleich zur sozialen Realität; am freiesten von äußeren Bedingungen ist das Text-Ich. Ein Beispiel aus Walthers Minnesang kann das verdeutlichen (…).
[Volker Mertens] Beitrag beschäftigt sich mit den Texten, die teils auf hoch- (Tristant), teils auf spätmittelalterliche Vorlagen (Melusine, Magelone) zurückgehen und deren letztbetrachteter Fall einer weitgehend autonomen Erfindung des Autors Jörg Wickram entspringt. (…) [Volker Mertens fragt] nach der Darstellung der Geschlechterliebe (…) im jeweiligen Werk und nach ihrer spezifischen Semantik im Rahmen der literarischen und gesellschaftlichen Situation der Entstehungszeit, die etwa einhundert Jahre umspannt – von der 1456 aus dem Französischen adaptierten Melusine des Thüring von Rigoltingen, über den Prosa-Tristant von 1484 und Veit Warbecks Magelone von 1527 bis zum 1557 gedruckten Goldfaden. Um das liebessemantische System des Hochmittelalters einzubeziehen, (…) [stellt Volker Mertens] den Tristant im Vergleich zur Versfassung Eilharts von Oberge von ca. 1190 an den Beginn.
The bringing together of the two realms, that of Tristan and Isolde and that of Arthur, thus has a mutually corrosive effect. However, in the further course of the action Tristan and Isolde’s love regains some of its absoluteness: for instance Heinrich refrains from taking over the quarrel of lovers from Eilhart. He plays a double game, on the one hand reducing the absoluteness and self-sufficiency of love, on the other hand building it up again and thus preventing the establishment of a firm doctrine in the course of the narrative (…), as neither the Arthurian court nor the love of Tristan and Isolde provides an absolute norm. Heinrich wrote his romance for the Bohemian noble Raimund von Lichtenburg, and the account of the foundation of the Round Table and the self-directed activities of the knights have belonged (…). The initial Arthurian ideal has become a confirmatory ritual for an exclusive body of noblemen – that matches the spirit of the knightly societies.
Das Misstrauen gegen den schönen Klang der Versdichtung ist alt, und das Bedürfnis nach der Prosa (…) dient einerseits der Vergewisserung, daß die lateinischen Vorlagen ohne versbedingte Erweiterung und Veränderung wiedergegeben werden, andererseits der Abgrenzung der geistlichen Lehre von der höfischen Dichtung mit ihrem auf die Erzählung bezogenen Wahrheitsanspruch. (…) Neben Predigt und Traktat (…) wird im 15. Jahrhundert dann die Legende zur wichtigsten Gattung geistlicher Prosa. Die geistliche Prosa unseres Zeitraums ist sowohl traditionell wie neu: neu in der Rhetorik und Anschaulichkeit Bertholds von Regensburg, neu in der aus höfischer Sprache hochgetriebenen erotischen Bildlichkeit Meister Eckharts. Daß seine „Verantwortung“ mystischer Erfahrung vor allem durch den Bedarf an mystischer Erbauung formelhaft vererbt und zersetzt wurde, gehört zum vielfältigen und bunten Bild der geistlichen Prosa.
Während die Tannhäuser- und die Bremberger-Ballade keine direkten Beziehungen zum Minnesang aufweisen, ist das im Moringer-Lied anders: hier singt der Held zwei Strophen eines Liedes, das durch die Liederhandschriften A, C und E als Lied Walthers von der Vogelweide bezeugt ist, das sogenannte „sumerlaten-Lied“. Es hat damit die längste ununterbrochene Wirkungsgeschichte eines mittelhochdeutschen Liebesliedes: der jüngste nachweisbare Druck stammt aus dem Jahre 1605 (…). Die lange produktive Rezeption des Liedes (…) [nimmt Volker Mertens] zum Ausgangspunkt (…) [seiner] Überlegungen und (…) [arbeitet sich] durch die Tradition zurück: von der Ballade zum Text der Hs. B (dazu kommt der Vergleich von B mit dem, was der Balladen-Autor daraus gemacht hat) bis zu dem komplexen Text, wie ihn die Handschriften A und C überliefern. Über das Verständnis der Eigenart der späten Texte und der on ihnen aktualisierten Valenzen des ältesten Textes will (…) [Volker Mertens] dann abschließend dessen Mehrdimensionalität erschließen.
‘Religious identity’ will be regarded as the homogeneous whole of religious attitudes and religions and ethical actions which are rooted in the mentality of a person/a community: (1) this identity may exist in different stages of awareness; (2) the tension between the mentality of a person and of a community may be strong or nearly non-existent; and (3) religious attitudes and ethical actions may be closely tied or only loosely connected. (...) The awareness of religious identity is marked in the ‘Rolandslied’ by affirmation, in the ‘Willehalm’ by problematisation. (...).
A tension between subjective and collective mentality is non-existent in the ‘Rolandslied’, whereas in the ‘Willehalm’ it is relatively strong without breaking up the integration of the subject into the nobility. (...) Religious attitudes and political actions (...) strongly diverge in both works on an objective level; however, this is not the case for the ‘Rolandslied’ on a subjective level. The ‘Willehalm’ testifies to a process of a subjectivisation and individualisation which can be termed typical for the twelfth century and which is to be found in various cultural areas.
Die Wiederentdeckung in der Mitte des 18. Jahrhunderts und die zunächst höchst bescheidenen Wirkungsgeschichte vollziehen sich in einer europäisch bestimmten heldenepischen Arena, deren Koordinaten von Vergil und dann Homer einerseits und den nordischen Dichtern mit dem Paradigma Ossian andererseits gebildet werden.(...) [Volker Mertens bezieht sich] auf das 18. Jahrhundert. (...) [Er zeichnet] die Entwicklung des epischen Feldes in Bezug auf das ‚Nibelungenlied’ nach und entwickel[t] am Schluss Perspektiven auf den mittelhochdeutschen Text in der epischen Arena um 1200.
Der Text als sinnhaltige Einheit ist der Ausgangspunkt von Kurt Ruhs Wissenschaft, sein Verhältnis ihr Ziel (...). Die Textgeschichte ist zu einem Leitmodell auch und gerade der ‚schönen’ Literatur geworden. Der erweiterte Literaturbegriff ist demgegenüber ins Abseits gestellt. Die Lyrikforschung hat sich längst vom Autorentext verabschiedet und untersucht die einzelnen Textfassungen in ihrer je spezifischen Varianz und Funktionalität, die Handschriften sind nicht mehr oder weniger gute Textzeugen, sondern literaturgeschichtliche Größen.
[In seiner Studie will Volker Mertens] vor allem die konnotativen Bedeutungen darstellen, die für die ‚Jagd’ zu erschließen sind: es sollen als solche die gesellschaftlichen Traditionen der realen und der allegorischen Jagd in der Literatur gelten, die anthropologischen Deutungspotentiale der dargestellten Vorgänge und die mythische Dimension des literarischen Jagdmotivs.
Johann Jakob Bodmer verdanken wir die Wiederbelebung der mittelhochdeutschen Literatur. (...) [Volker Mertens] interessiert die Erweckung des Minnesangs aus etwa dreihundertjährigem Schlaf. (...) Die Rezeption geht im 19. Jahrhundert in zwei Formen auseinander: in die maßvoll der zeitgenössischen Sprache angepaßte Übersetzung wie bei San Marte und Simrock oder in die der tatsächlichen oder erschlossenen Sprachgestalt des 12./13. Jahrhunderts verpflichteten Ausgaben etwa Karl Lachmanns oder Moritz Haupts. (...) Tiecks Minnelieder-Ausgabe stellte seinerzeit einen Befreiungsschlag dar, der die Hermetik des Handschriftendrucks einerseits und die Neutralisierung des eigentümlichen poetischen Potentials durch die galante Vereinnahmung andererseits durchbrach. Sie war ein buchhändlerischer und dichterischer Erfolg und läutete Mennesangs zweiten Frühling ein.
Ausgangspunkt (...) [der] Überlegungen ist die Beobachtung, daß der Münchner Hofmaler Ulrich Füetrer in seinem ‚Buch der Abenteuer’ aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts diese Erzähltechnik verwendet, die bisher vor allem am ‚Nibelungenlied’ beobachtet worden ist. Schon im Jahre 1953 hat Hugo Kuhn von der ‚Szenenregie’ in der ‚Nibelungendichtung’ gesprochen und damit ein Stichwort aufgegriffen, das von Andreas Heusler stammt. (...) Er sieht die Gebärde der Mündlichkeit zugeordnet, ihre Kontextualisierung in der Szene hingegen als Kompensationsversuch der Schriftlichkeit, wo die verlorene oder gefährdete räumliche Verortung, die durch die Situativität des mündlichen Vortrags gegeben sei, sozusagen ausformuliert wird im schriftlich konzipierten Text. Das ist ein Vorgang, den wir ähnlich in der Minnelyrik beobachten können, etwa einhundert Jahre nach dem ‚Nibelungenlied’ bei Johannes Hadloub.