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Wenn Echo spricht, so tut sie dies in und nach Ovids 'Metamorphosen' tropisch, in einer Rede-Figur der Wiederholung, die die Arbitrarität der Rede vorstellt. Diese artikuliert sich in der Trope, als die das Echo sich zeigt, und sie manifestiert sich in Echo als Figur des Gedächtnisses, als die Echo auf Fama, Ruf und Gerücht, hin auslegbar wurde. Echo und ihre Echos figurieren die Bezogenheit auf, genauer die Abhängigkeit jeder Rede von vorausgehender Rede, von den Reden der anderen, die wieder- und weitergesprochen werden.
Nicht von einer "Nähe" der Literatur "zum Ritual" [...] gehen die folgenden Überlegungen aus. Wenn als "Definitionsmerkmale des Rituals" "Wiederholung einer Handlung, Inszeniertheit, ästhetische Elaboriertheit, Selbstbezüglichkeit, Expressivität und Symbolizität" angeführt werden, dann stellt sich gerade die Frage, inwiefern ein literarischer Text Handlung 'ist', nicht aber nur ein Ritual oder eine Wiederholung einer Handlung thematisiert oder erzählt. [...] Das Verhältnis von Ritual und literarischem Text wird allein von deren Ferne und Entferntheit her gedacht werden können und damit erst die Versuche und die Notwendigkeit der literarischen Texte, im Verhältnis zum Ritual ihre eigene Performativität zu bestimmen.
Im Folgenden möchte ich das gerade angedeutete Spannungsfeld zwischen Kopie und Original unter medien- und kulturhistorischen Vorzeichen thematisieren. Meine Hypothese ist, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem 'Copy and Paste' respektive 'Cut and Paste' als einer Strategie der Texterzeugung und der Kulturtechnik der Pfropfung: einem ursprünglich botanischen Verfahren, bei dem Praktiken des Schneidens, Klebens und Kopierens eine wesentliche Rolle spielen. Dabei möchte ich insbesondere zeigen, wie sich das 'Prinzip Pfropfung' in der Interaktion mit den 'Trägermedien' von Originalen und Kopien realisiert – vor allem mit Blick auf jene 'Papierpraktiken', die mit den Kunst-Strategien der klassischen 'Avantgarde'-Strategien reüssieren: der Collage, der Montage, der Assemblage; Praktiken, die, glaubt man Antoine Compagnon, Echos einer "geste archaïque du découper-coller" sind, die der Logik des 'Cut and Paste' folgen.
FRAUEN.SCHREIBEN. So hieß das Thema des Symposiums, in dessen Zusammenhang dieser Text entstand. Die Frage, wie "Frau" in Texten von Schriftstellerinnen aus Österreich und China "geschrieben" wird, sollte dabei in den Blick genommen werden - Elfriede Jelinek stand dabei mit im Fokus der Analysen und ist auch meine Wahl im nachfolgenden Text. Diese Frage, nach dem "Wie-Frauen-Schreiben", die zunächst scheinbar recht simpel und unproblematisch gestellt werden kann, evoziert eine komplexe Auseinandersetzung mit Themen und Problemen, die der Literaturwissenschaft und Literaturtheorie konstitutiv zugrunde liegen - Fragen etwa nach einer potentiellen ('weiblichen') Autorschaft, einer 'weiblichen' Ästhetik, Fragen der Repräsentation 'von Frauen', hier im Besonderen 'in Texten von Frauen'.
Marie Wrona präsentiert in ihrem Beitrag "Ist das ein Komma oder kann das weg? - Topologische Felder und Kommasetzung. Erste empirische Befunde" ein Experiment zur Kommadidaktik. Sie untersucht, inwiefern sich die Kommasetzungskompetenz von SchülerInnen verbessert, wenn diese mithilfe des topologischen Feldermodells vermittelt wird, das auf der Verbklammer im Deutschen aufbaut, anstatt wie bei traditionellen Ansätzen mithilfe von Signalwörtern wie Subjunktionen. Die SchülerInnen lernten, das finite Verb zu bestimmen und so zu entscheiden, ob ein Komma gesetzt werden muss oder nicht. Nach der Unterrichtseinheit setzten die SchülerInnen v.a. deutlich weniger falsche Kommata
Johanna Hartwig beschäftigt sich mit der Deklination entlehnter Farbadjektive wie lila, orange und rosa ("Gibt es denn jetzt lilane Kühe oder nicht? - Einflussfaktoren auf den Gebrauch indeklinabler Farbadjektive"). Diese Adjektive wurden ursprünglich nicht flektiert (das lila/rosa Haus). Hartwig führt ein Produktionsexperiment durch, um zu überprüfen, inwiefern die Frequenz und die Endung eines Adjektivs Einfluss auf dessen Flexion nehmen. Dabei stellt sie fest, dass frequente Adjektive zur Flexion neigen, jedoch auch die Endung eine Rolle spielt. So bleiben Adjektive auf [a] wie bspw. lila trotz hoher Frequenz unflektiert. Adjektive auf Frikativ weisen hingegen umso mehr Flexion auf, je frequenter sie sind. Für seltene Adjektive (creme) konnte Hartwig eine Vermeidungsstrategie feststellen: Creme wurde in ihrem Experiment am häufigsten in ein Derivat (cremefarben) umgewandelt, das eine Flexion des Adjektivs ermöglicht (das cremefarbene Haus).
Wie Hashtags bei Twitter als Teile von Komposita verwendet werden, zeigt Markus Majewski in seinem Beitrag #Erdogan-Diktatur - Hashtags als Elemente von Substantivkomposita in politischen Tweets. Als Grundlage dient ihm das Korpus aus Tweets von SpitzenpolitikerInnen der großen Parteien während des Wahlkampfs, in dem er alle Substantivkomposita mit einem Hashtag als Bestandteil wie #Energiewende auf funktionale, graphematische und strukturelle Aspekte untersucht. Insbesondere bei der Schreibung der Komposita zeigt sich eine große Kreativität. Zudem lassen sich Twitter-spezifische Kommunikationsfunktionen der Hashtag-Erstglieder beobachten.
Für den Wandel und die Variation der Präposition wegen interessieren sich Lea Heese und Fabiola Kaiser in ihrem Beitrag "Die menschliche Zunge ist faul. Assoziationen zu der Verwendungsweise der Präposition wegen mit dem Genitiv und dem Dativ". Wegen schwankt im Standard-deutschen zwischen Genitiv- und Dativrektion. Obwohl sie seit langem existiert, wird die Dativvariante von SprecherInnen oftmals als Zeichen für Sprachverfall gedeutet. Heese und Kaiser erhoben mithilfe einer Onlineumfrage Daten zum Gebrauch der Präposition in informellen und formellen Registern sowie Assoziationen zu den beiden Varianten. Wie bereits das Titelzitat des Beitrags zeigt, wird der Dativ unter anderem als Zeichen für Nachlässigkeit interpretiert.
Carlotta J. Hübener diskutiert in ihrem Beitrag "Nicht/keinen/kein Fußball spielen? - Inkorporationsprozesse in Substantiv-Verb-Verbindungen" Inkorporationprozesse bei Substantiv-Verb-Verbindungen wie bspw. Fußball spielen. Hierbei fokussiert sie auf die Negation: Während kein(en) Fußball spielen einen Hinweis darauf gibt, dass Fußball noch als eigenständiges Substantiv interpretiert wird, ist nicht Fußball spielen ein Indiz dafür, dass Fußball und spielen als eine konzeptionelle Einheit wahrgenommen werden. Kein negiert nämlich Nomen (Ich mag keinen Spinat), während nicht Verben negiert (Ich hab‘ noch nicht gegessen). Hübener überprüft in ihrem Beitrag anhand des Deutschen Referenzkorpus, inwiefern Frequenz, Idiomatik und Individuiertheit Einfluss auf die Negation von Substativ-Verb-Verbindungen nehmen können.
Brit Schwerin nimmt sich in ihrem Artikel "die bisher jedermann unbekannt gewesen [ist/war/sei/wäre] -Zum Rückgang des ersparten Finitums in Nebensätzen des frühen Neuhochdeutsch" des Phänomens der afiniten Nebensätze an, die in der Frühen Neuzeit im deutschen Sprachraum weit verbreitet waren. Ihre Analyse von Nebensätzen mit und ohne finites Verb in Texten aus dem 17. und 18. Jh. ergibt, dass der Rückgang der afiniten Konstruktionen in Verbindung mit dem Bedürfnis nach eindeutiger Markierung grammatischer Kategorien wie Tempus und Modus steht. Die diachronen Studien decken somit Sprachwandel auf verschiedenen Ebenen ab.
Wie sich Konzessivkonnektoren im 18. und 19. Jh. entwickelt haben, untersuchen Lisa Bürgerhoff, Jana Giesenschlag, Linda Kunow und Alexandra Kern für ihren Beitrag "Von ob ich schon wanderte zu obschon ich wanderte?! - Eine Korpusuntersuchung zur Konzessivität von 1700-1900". Ihre Untersuchungen im Deutschen Textarchiv zeigen unter anderem einen Zusammenhang zwischen der Zusammenschreibung der Konnektoren und einer eindeutig konzessiven Lesart, der für obschon, obgleich, obwohl und obzwar allerdings unterschiedlich stark ist. Auch die Faktizität der Teilsätze und das Auftreten verstärkender Partikeln sind für die Entwicklung der ob-Gruppe von Bedeutung. Als eindeutigste und frequenteste Konzessivkonnektoren stellen sich insgesamt obwohl und vor allem obzwar heraus.
Mit der mittelhochdeutschen Nebensilbenabschwächung beschäftigt sich Tanja Stevanovićs Beitrag "Wo sind die vollen Vokale geblieben? Eine Untersuchung möglicher Einflussfaktoren auf die Nebensilbenabschwächung". Dafür hat sie in einer Korpusuntersuchung im Referenzkorpus Mittelhochdeutsch schwache Verben analysiert, die trotz der fortschreitenden Nebensilbenabschwächung noch im Mittelhochdeutschen Vollvokale in Endsilben aufweisen.
Lena Schnee analysiert in ihrem Beitrag "Eingenordet - Morphologische Assimilation mittelniederdeutscher Lehnwörter im Altnordischen" die Liste mittelniederdeutscher Entlehnungen im Altnordischen Etymologischen Wörterbuch und zeigt, wie die mittelniederdeutschen Wörter, die in der Hansezeit in die skandinavischen Sprachen entlehnt wurden, an das Altnordische angepasst wurden. Dabei wendet sie ein Transderivationsmodell an, um die morphologische Assimilation nicht nur von ganzen Lexemen, sondern auch von Affixen und Wortstämmen nachzuvollziehen. Schnees Untersuchung ergibt, dass bei der Entlehnung in das Altnordische hauptsächlich die Affixe adaptiert wurden. Die mittelniederdeutschen Affixe wurden überwiegend durch native oder entlehnte altnordische ersetzt, was darauf hinweist, dass die Morphemgrenzen und Wortbildungselemente bei der Entlehnung als solche erkannt wurden. Als Erklärung hierfür führt Schnee die typologische Ähnlichkeit der beiden Sprachen an.
Dinge, die warten
(2018)
Das Wort 'warten' gehört zu den Verben, die wir ohne Probleme allem anhängen können. Die Menschen können nicht nur den Menschen, sondern auch den Dingen jederzeit ein Warten unterschieben und allem, was dazwischen ist, sowieso. Die Raubtiere warten darauf, gefüttert zu werden; die berühmte Zecke wartet, bis etwas vorbeikommt; die Pflanzen warten auf den Regen. Vor dem Gewitter scheint die Natur auf etwas zu warten. All das sagt sich so: Diese Worte warten darauf, ausgesprochen zu werden. Hier geht es nicht bloß um die Banalität, dass wir den Dingen mit unseren Worten unablässig Tätigkeiten anhängen, die ihnen im wörtlichen Sinne nicht zukommen. Der Versuch, eine Grenze zu ziehen zwischen einer eigentlichen und einer uneigentlichen - also metaphorischen - Verwendung des Wortes warten, würde das Problem lediglich zudecken.
Es ist oft gesagt worden: Das Komische ist das Eigene des Menschen, nur der Mensch - und kein anderes Wesen - lacht. Begründet wurde dies häufig durch die Kennzeichnung des Menschen als Doppelwesen, das sich selbst widersprechen kann. Der Mensch gilt als Wesen, das gleichermaßen über einen Körper und einen Geist verfügt, als Wesen, das vom Zufall heimgesucht wird, aber auch zum Erhabenen fähig ist, oder als Wesen, das durch eine "individuelle[ ]" und eine "soziale[ ] Existenz" ausgezeichnet ist und deshalb "mit irgendeiner Norm" in Konflikt geraten kann. Jeweils ist es die Kollision der beiden Seiten, die nach den verschiedenen theoretischen Ansätzen zur Hervorbringung des komischen Phänomens führt und so - als Reaktion auf die Wahrnehmung des komischen Phänomens - das Lachen verursacht.
Stumme Diener, menschliche wie nichtmenschliche, sind entgegen ihrer Bezeichnung "things that talk", Stumme Diener können gar nicht anders, als doch zu reden. Ihre abgewandten, verstellten Stimmen, ihr Flüstern und Murmeln bei halbgeöffnetem Mund gilt es zu vernehmen. Nicht nur der Subalterne spricht, auch die Dinge. Sie können gar nicht anders als im Modus des Stummgeschaltet-Seins dennoch mitzureden mit Hilfe der um sie herumgelagerten Geschichten. Stumme Diener sind Medien, die Sprechen machen.
Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) zählt nicht nur humane Akteure - im Fall der Literatur: Figuren - zu Handlungsträgern. Auch Dinge handeln, weshalb Bruno Latour sie mit dem Semiotiker Algirdas Greimas als 'Aktanten' bezeichnet. Die ANT versucht, das Zusammenwirken humaner wie nichthumaner Aktanten zu beschreiben. Akteur-Netzwerk-Soziolog_innen erstellen hierfür einen Bericht von dem, was Latour in Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie das 'Soziale Nr. 2' oder das 'Soziale der Assoziationen' nennt, die Verbindungen und Zwischenwirkungen der Aktanten, die in der Soziologie unbeachtet geblieben seien. Die Soziolog_innen sollen dabei den Dingen 'kurzsichtig' folgen und deren Handlungsvermögen (agency) weniger "steif" und "hölzern" darstellen, sondern sich in ihren Berichten die Literatur zum Vorbild nehmen.
"Wir wissen nichts vom Sozialen, was nicht durch unser Wissen vom Natürlichen definiert wäre und umgekehrt." Was Bruno Latour für die Soziologie der modernen Wissenschaften formuliert, gilt, seit ihren Anfängen, für die von Übertragungen und Analogieschlüssen bestimmte Begriffsgeschichte der Naturlehre überhaupt: Die 'Ordnung der Dinge' in der Natur und gemäß ihrer jeweiligen Natur entspringt dem Ordnungsdenken sozialer Wesen, die ihre eigenen Belange in Orientierung an Konzeptionen der Natur zu regeln versuchen. Ein solches Denken der menschlichen in Analogie oder Kontrast zu den nichtmenschlichen Dingen setzt die kategoriale Geschiedenheit zweier Sphären voraus, deren Ordnungsmuster einander nun wechselseitig konturieren und stabilisieren.
Menschliches Leben vollzieht sich notwendigerweise mit Hilfe des Gebrauchs von Dingen. Versteht man unter Dingen - in bewusster Umgehung aller definitorischen und philosophischen Abgrenzungsprobleme - alle natürlichen und artifiziellen Entitäten, die unbelebt, sprachlos und mobil sind, dann kann man insgesamt vier Bereiche von Dingen identifizieren, die für menschliche Handlungen zentral sind: 1. der Bereich des Körpers (hierher gehören die Unterbereiche von Wohnen, Kleiden, Essen und Sport mit Dingen wie Möbeln, Essgeschirr und etwa Schlägern und Bällen), 2. Kommunikation und Verkehr (hierher gehören neben Autos, Telefonen und Büchern auch Spiele, Musikinstrumente, Bilder und Kunst), 3. Krieg (Waffen) und 4. schließlich die Arbeit (mit der ganzen Fülle von Instrumenten und Werkzeugen). Selbstverständlich gibt es Mischformen, Steine etwa können zum Wohnen gehören, wenn aus ihnen die Wände der Häuser gebaut werden, zum Krieg, wenn eine Steinschleuder zum Einsatz kommt, oder zur Arbeit, wenn Mauern oder Pyramiden gebaut werden oder einfach alle Werkzeuge aus Stein sind, wie in der Steinzeit.
Der Artikel diskutiert die Arbeit von Paläopathologen, die diverse Krankheiten von Menschen der Vormoderne mittels mikroskopischer Untersuchungen an ihren Skeletten nachweisen können. Anhand der Befunde eines 4300 Jahre alten Skelettes erzählt die SZ-Autorin eine überraschend detaillierte, wenn auch knappe Lebensgeschichte eines Menschen - sie bettet die wissenschaftlichen Ergebnisse in ein Narrativ ein.