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Die Elbe ist mit einer Länge von ca. 1.100 km und einem Gesamteinzugsgebiet von knapp 150.000 km2 einer der größten Flüsse Mitteleuropas. Bis heute wurden etwa 80 % der Auen des Flusses eingedeicht. Dennoch blieben trotz Ausbau als Wasserstraße weite Bereiche als naturnahe Kulturlandschaften erhalten, die das bestehende großflächige Schutzgebietssystem an der Elbe rechtfertigen.
Die Gründung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen im Jahre 1906 markiert den Beginn des staatlichen Naturschutzes in Deutschland. Dieses Datum war Anlass, mit Publikationen auf 100 Jahre staatlicher Naturschutz zurückzublicken. Erschienen sind zwei sehr unterschiedlich angelegte Bücher. Hans-Werner Frohn und Friedemann Schmoll haben gemeinsam mit weiteren Historikern im Auftrag der Stiftung Naturschutzgeschichte (Königswinter) das Werk „Naturschutz und Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906-2006“ bearbeitet, das vom Bundesamt für Naturschutz in der Reihe „Naturschutz und Biologische Vielfalt“, Heft 35 herausgegeben wurde. Nahezu zeitgleich erschien der 2. Band Sachsen-Anhalt des in fünf Bänden geplanten Werkes „Lexikon der Naturschutzbeauftragten“, mit Beiträgen von Hermann Behrens, Werner Hilbig und Uwe Wegener.
Der Steckby-Lödderitzer Forst ist ein herausragendes Beispiel der frühen Naturschutzgeschichte Sachsen-Anhalts und geradezu typisch auch in Bezug auf die Geschichte des Landes, da er rechtselbisch anhaltisch und linkselbisch preußisch war. Damit wirkten sich einerseits die Ideen der Aufklärung und des Frühklassizismus im benachbarten Anhalt-Dessau der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert die konservative Agrar- und Landschaftspolitik des anhaltischen Herzogshauses sowie andererseits von preußischer Seite her der Vollzug von Polizei- und Forstpolizeiverordnungen im 19. Jahrhundert, die Aktivitäten der Landesverschönerungsvereine und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bemühungen in Preußen um rechtliche Verankerung des Naturschutzes auf das Gebiet aus.
Mit der Anerkennung des Naturschutzgebietes „Steckby-Lödderitzer Forst“ als Biosphärenreservat wurde das internationale Kapitel des Naturschutzes in der DDR aufgeschlagen. Selbstkritisch muss ich einschätzen, dass auch ich seinerzeit nur eine sehr unvollkommene Kenntnis darüber hatte, was ein Biosphärenreservat sein sollte und welche komplexen Aufgaben die UNESCO mit dem Programm „Der Mensch und die Biosphäre“ anstrebte. Vor allem in der Öffentlichkeit und auf den politischen und Verwaltungsebenen ließ sich das Argument Biosphärenreservat förderlich einsetzen. Das Verständnis des Biosphärenreservates als Naturschutzgebiet verstärkte sich auch dadurch, dass am 10. Dezember 1981 eine Erweiterung des Gebietes um 2.000 ha auf 3.500 ha durch Einbeziehung des Elbe-Saale-Winkels und unter Ausweisung einer Totalreservatsfläche von 500 ha erfolgte. Damit wurde die Wirksamkeit des Schutzgebietes als Refugium für bedrohte Arten sowie für Forschung, Lehre, Bildung und Naturschutzpraxis deutlich verbessert (Dornbusch 1991), eine Annäherung an den komplexen Anspruch eines Biosphärenreservates jedoch nicht erreicht.
Anlässlich des 70. Geburtstages von Herrn Dr. Siegfried Schlosser veranstaltete das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt am 26.03.2006 ein Fachkolloquium zur Thematik „Naturschutz und Erhaltung von Genressourcen“. Dieses Thema mit einer hohen naturschutzstrategischen Bedeutung steht in engem Zusammenhang mit wissenschaftlichen Leistungen von Herrn Dr. Schlosser zu pflanzengenetischen Ressourcen und Naturschutz.
Im Jahre 1989 veröffentlichte Gutte die Arbeit „Die wildwachsenden und verwilderten Gefäßpflanzen der Stadt Leipzig“ in Form einer erweiterten Florenliste. Seit dem hat sich das Territorium der Stadt Leipzig durch Eingemeindungen vergrößert, vielfältige Veränderungen der Biotope kamen hinzu. Dies sollte für die sächsische Metropole Leipzig Grund genug sein, zu diesem Zeitpunkt eine umfassendere Flora der Stadt zu veröffentlichen und das Gebiet der Stadt Markleeberg, das sich nahtlos an Leipzig anschließt, mit einzubeziehen.
Während unter dem Aspekt der Struktur und des Aufbaus der Landschaft sowie der Analyse ihrer historischen Landschaftselemente die historische Kulturlandschaftsforschung und die historische Gartendenkmal- und Kulturlandschaftspflege bereits eine breite Entwicklung genommen hat, ist die historische Landschaftsökologie noch ein junger Forschungszweig. Die vorliegende Arbeit leistet zu diesem Wissensgebiet aber einen eindrucksvollen Beitrag.
Vier Jahre nach Erscheinen des Buches über die Modellstudie zum Streuobstanbau in Bad Boll, das einen Standard zur Thematik darstellt, legen Herausgeber und Autor nunmehr die erweiterte 2. Auflage vor. Da die 1. Auflage in dieser Zeitschrift (31 (1994)1, S. 59-60) besprochen wurde, sei nachfolgend nur auf die Erweiterungsteile der 2. Auflage eingegangen.
In der Dissertationsschrift werden spontane und initiierte (gelenkte) Sukzesessionen auf tertiären und quartären Substraten in der Bergbaulandschaft Goitsche zwischen Bitterfeld und Delitzsch beschrieben. Dabei werden in Dauerbeobachtungsflächen und Versuchsflächen sowohl primäre als auch initiierte Vegetationsentwicklungen durch Mähgutverlagerung und Sodenschüttung bzw. Sodensetzung untersucht.
Das vorliegende Buch fasst Erforschtes, Entdecktes und Erlebtes von Uwe Zuppke aus einer über 50-jahrigen Beobachtungszeit in der Aue im Raum Lutherstadt Wittenberg zusammen. Als interessierter Jugendlicher, vielseitig tätiger Wissenschaftler und Landschaftsplaner und engagierter Naturschützer kennt er wohl wie kaum ein Anderer die Vielfalt der Lebenswelten und Lebensformen dieser Aue. Mit zahlreichen eigenen Beitragen zur Wirbeltierkunde besticht seine Wissensbreite, aber auch hinsichtlich der Wirbellosen sowie der Pflanzenwelt verschafft ihm seine Übersichtskenntnis gute Voraussetzungen für die Autorenschaft des vorliegenden Buches. Iris Elz, Tochter des Autors, trägt mit zahlreichen Fotos zur reichen Bildausstattung des Buches bei und zeichnet verantwortlich für Redaktion und Organisation.
Nach den Veröffentlichungen über das Auengrünland des Biosphärenreservates "Flusslandschaft Mittlere Elbe" erscheint mit der vorliegenden Dissertation nunmehr eine Übersicht über die Trockenrasen. Die Arbeit berücksichtigt das gesamte Biosphärenreservat und greift teilweise über dessen Grenzen hinaus. Nach einer allgemeinen Gebietseinführung und der Beschreibung der Untersuchungs- und Auswertungsmethoden folgt ein Kapitel zur Verbreitung von Trockenrasen-Arten. Zunächst werden die Verbreitung und die ökologischen Bedingungen der Sippen des Festuca ovina-Aggregates dargestellt. Dem folgt die Erörterung der Verbreitung weiterer ausgewählter Arten, insbesondere auch von Flechten. Danach wird eine Charakterisierung der pflanzengeographischen Stellung des Mittelelbe-Gebietes vorgenommen.
Der Zustand des Auengrünlandes an der Mittelelbe hat sich in den zurückliegenden Jahren dramatisch verschlechtert. Ursachen dafür sind späte Nutzungen und Verbrachungen, die einerseits vom Naturschutz als Nutzungsanforderungen vorgegeben werden, andererseits aber durch landwirtschaftliche Wirtschaftsweisen, die das artenreiche Auengrünland nicht nachhaltig sichern, bzw. Nutzungsaufgabe bedingt sind. Eine großflächige Nutzung des Grünlandes ist gegenwärtig nur auf der Grundlage der Milchproduktion möglich. Diese wiederum erfordert eine qualitativ hochwertige Futterbasis, die von naturschutzfachlich wertvollem Auengrünland nur unter bestimmten Bedingungen bereit gestellt werden kann. Wie lassen sich naturschutzfachliche und landwirtschaftliche Anforderungen an die Grünlandnutzung einander annähern?
Der Begriff Streuobst hat in der letzten Zeit in der naturschutzfachlichen und -politischen Diskussion einen beachtlichen Aufschwung erlebt. In den vergangenen Jahren wurden auch in den Kreisen des Landes Sachsen-Anhalt die Streuobstbestände erfasst. Dabei wurde der Begriff stark gedehnt, so dass von der Erfassung vom Straßenobst bis zum ländlichen Hausgarten, vom historischen Obstbestand auf den Deichen der Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft bis zu den traditionellen Streuobstwiesen des Hügellandes alle möglichen Obstbestände erfasst wurden. Spätestens bei der amtlichen Mitteilung an den Grundstückseigentümer, dass sein Obstbaumbestand als geschützter Biotop gemäß § 30 des NatSchG LSA eingestuft wurde, begann die Diskussion, was unter einer Streuobstwiese zu verstehen und was als Streuobstwiese zu schützen sei.
Dr. Bernd Rossel : 65 Jahre
(1993)
Deiche sind Wasserbauwerke und dienen dem Hochwasserschutz in Auen. Im Hochwasserfall sollen sie innerdeichs gelegene Siedlungsgebiete, Verkehrstrassen, Infrastruktur und Nutzflächen vor Überflutung bewahren und ausserdeichs einen ordnungsgemäßen Abfluss des Hochwassers ermöglichen. Ihr Aufbau und ihre Unterhaltung unterliegen den auf ihre Funktion ausgelegten Anforderungen.
Am 20. September 2007 veranstalteten das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Umweltstiftung WWF Deutschland unter Mitwirkung der Biosphärenreservatsverwaltung "Mittelelbe" (BR ME) und der LPR Landschaftsplanung Dr. Reichhoff GmbH in Dessau einen Workshop, der eine Einschätzung des standörtlich-soziologischen Verhaltens der neophytischen amerikanischen Rot-Esche (Fraxinus pennsylvanica) liefern sollte. Ausgangspunkt für den Workshop waren Einschätzungen der Baumart, die im Rahmen der Aufstellung des Pflege- und Entwicklungsplans (PEP) für das Naturschutzgroßprojekt "Mittlere Elbe" und der Kartierung der FFH-Lebensraumtypen im Mittelelbegebiet gewonnen wurden.
An den Ufern der Elbe bilden sich durch die Sedimentation gröberen Geschiebes Uferrehnen, d. h. Uferwälle, die das Einfließen von Wasser in die Flutrinnen und Senken bei bordvollem Abfluss des Flusses verhindern. Die Uferrehnen wirken sich negativ auf die Auendynamik aus, insbesondere an ausgebauten Flüssen, bei denen durch die Festlegung des Flusslaufes die ufernahe Sedimentation örtlich stetig erfolgt. Die Senkensysteme außerhalb des eigentlichen Fließgerinnes sind aber für das Einströmen des Hochwassers und dessen flächige Ausbreitung in der Aue bei Hochwassern von großer Bedeutung. Insgesamt verursachen diese Verwallungen an den Flussufern und in den Rinnen- und Senkensystemen eine deutliche Einschränkung des natürlichen Wirkens des Hochwassers. Der Pflege- und Entwicklungsplan (LPR 2005) sowie der Managementplan für das Naturschutzgroßprojekt Mittlere Elbe sehen deshalb die örtliche Absenkung von Uferrehnen im Anschluss an Flutrinnen und Senken sowie den Rückbau von Wegedämmen vor. Die praktische Umsetzung dieser Maßnahmen soll nachfolgend vorgestellt werden.
Die Naturschützer der Stadt Dessau-Roßlau mussten tief betroffen Abschied von Günter Kallenbach nehmen. Sein unerwarteter Tod ist menschlich und fachlich ein tiefer Einschnitt. Unser Mitgefühl gilt der Familie, den Freunden und Kollegen.
Günter Kallenbach wurde 1951 in Quellendorf geboren, wo seine Familie seit langem verwurzelt war. Sein Großvater mütterlicherseits war Bauer. Durch ihn fand er früh eine innigliche Beziehung zur Landwirtschaft und Natur. Nach dem Abitur erlernte er den Beruf eines Gärtners für Grünanlagen, Fachrichtung Grünanlagenbau. Ein Studium an der Ingenieurschule für Gartenbau Erfurt folgte.
In der internationalen Naturschutzdiskussion gewinnt in den letzten Jahren die Problemstellung des Schutzes der Arten- und Formenmannigfaltigkeit der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, aber auch der Kulturpflanzen und Nutztiere, als unersetzbare Ressource eine zunehmende Bedeutung. Auslöser dieser Betrachtungen ist einerseits die exponentielle Zunahme der Aussterberaten wildlebender Arten, die nicht nur das evolutionäre Gleichgewicht zerstört und die Stabilität der ökologischen Systeme gefährdet, sondern zugleich auch die aktuelle und potentielle Nutzung der biologischen Vielfalt extrem einengt bzw. zunichte macht. Zum anderen zeichnen sich gleiche negative Entwicklungen auch bei den als genetische Ressourcen wertvollen alten Haustierrassen bzw. alten Landsorten der Kulturpflanzen ab.
Flora und Vegetation
(1993)
Die Flora und Vegetation des Drömlings wurde bisher nicht zusammenfassend untersucht und beschrieben. Neben einer Reihe von floristischen Veröffentlichungen (367 Brennenstuhl, 379, 380, 381, 382, 383 Rattey, 370 Hartwich, 373 Laue, 386 Schmidt), liegen über Teilgebiete (Westdrömling) floristisch-vegetationskundliche Übersichten vor (387 Seewald, 223 Döscher). Neuere vegetationskundliehe Erhebungen aus Teilflächen des Ostdrömlings teilt Boison (222) mit.
Die Mulde, die in zwei Quellflüssen im mittleren und westlichen Erzgebirge entspringt, tritt südöstlich von Bitterfeld in das Land Sachsen-Anhalt ein und mündet bei Dessau in die Elbe. Als typischer Mittelgebirgsfluss hat sie periodisch je eine Hochwasserweile im Frühjahr und im Herbst/Winter, sommerliche Hochwasser hängen von ergiebigen Starkniederschlägen ab und treten nur episodisch auf. Bedingt durch das große Einzugsgebiet der Mulde von 7345 km2 und einer Lauflänge der Vereinigten Mulde von nur 147 km, kommt es zu sich sehr schnell aufbauenden und abfließenden Hochwasserwellen. Eingriffe am Ober- und Mittellauf wirken sich entscheidend auf den Unterlauf aus. Einen schwerwiegenden Einfluss auf die Mulde hatte der Bau des Muldestausees bei Pouch, der heute hinsichtlich der Geschiebeführung des Flusses, seiner Wassergüte und ökologischen Durchgängigkeit deutliche Auswirkungen zeigt. Dennoch ist die untere Mulde von besonderem Interesse für den Naturschutz, da der Fluss, im Vergleich zu anderen seiner Größe, weitgehend unverbaut blieb und damit ein in seinem Zustand sehr erhaltenswertes Landschaftselement mit zahlreichen Erscheinungen einer natürlichen Flussdynamik ist. Hinzu kommt, dass die untere Mulde zu den ehemals verschmutztesten Flüssen Europas zählte. Ihre Regeneration nach dem Zusammenbruch der chemischen Industrie bei Bitterfeld und Wolfen erlaubt gute Einblicke in das Potential eines solchen Gewässers.
Im Jahre 1992 fand in Rio de Janeiro eine WeltUmweltkonferenz statt. Als ein Ergebnis dieser Konferenz wurde ein Übereinkommen zur Erhaltung und Nutzung der biologischen Vielfalt verabschiedet. Dieses Übereinkommen besagt, dass die innerartliche und zwischenartliche Vielfalt der Organismen sowie die Vielfalt der ökologischen Systeme eine lebensnotwendige Voraussetzung für die Existenz der menschlichen Zivilisation ist.
Am 08.11.2009 beging Herr Klaus-Jürgen Seelig seinen 65. Geburtstag. Zu diesem Anlass gratulieren wir herzlich, erinnern uns an seinen Weg zur Ornithologie und seine Verdienste im ehrenamtlichen und beruflichen Naturschutz. In Magdeburg geboren, kam er schon in den Jugendjahren durch den Vater mit der Taubenzucht und der Singvogelhaltung in Kontakt. Von 1962 bis 1964 erlernte er den Beruf eines Forstfacharbeiters. Es entstanden erste Kontakte zu naturkundlichen Betätigungen, die sein Interesse an der Ornithologie weckten. 1967 schloss er die Fachschule für Pflanzenschutz in Halle als Staatlich geprüfter Pflanzenschutzagronom ab. Von 1970 bis 1975 absolvierte er ein Fernstudium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und schloss als Dipl.-Agraringenieur ab. Auch dieses Studium führte ihn an die Naturwissenschaften heran. Seit 1968 arbeitete Klaus-Jürgen Seelig in der Fachgruppe Ornithologie Magdeburg, im Kulturbund mit und wurde Mitglied des Ornithologischen Arbeitskreises Mittelelbe- Börde. 1978 legte er die Prüfung als Vogelberinger ab und wurde in die Bezirksarbeitsgruppe Artenschutz Magdeburg berufen, in der er die Bearbeitung der Vögel übernahm. Klaus-Jürgen Seelig leistete einen großen Beitrag für den Naturschutz, besonders in der heimischen Vogelwelt.
Die Entwicklung der organisatorischen Strukturen im Naturschutz nach 1945 vollzog sich relativ zügig; einerseits nahmen die ehrenamtlichen Naturschutzmitarbeiter ihre Tätigkeiten wieder auf und der Kulturbund bot den zahlreichen unter seinem Dach aufgegangenen Vereinen aktive Arbeitsmöglichkeiten (vgl. Reichhoff & Schönbrodt 1995) und andererseits schuf das Naturschutzgesetz der Deutschen Demokratischen Republik eine neue rechtliche Grundlage für die Arbeit der Behörden. Mit der Gründung des Instituts für Landesforschung und Naturschutz im Jahre 1953 (später Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz) entstand eine wissenschaftliche Einrichtung, die eine große fachliche Wirkung auf den ehrenamtlichen Naturschutz und den Kulturbund sowie auch auf Behörden hatte und die deren Arbeit vernetzte (vgl. IUGR 1998). In dieser Situation bedurfte es eines Instruments der Öffentlichkeitsarbeit, das die Kommunikation zwischen den Naturschutzkräften ermöglichte.
Im Verlag des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) und gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt erschien das Buch "Wurzeln der Umweltbewegung: die Gesellschaft für Natur und Umwelt' (GNU) im Kulturbund der DDR; ein Beitrag zur Geschichte der ökologischen Bewegung in den neuen Bundesländern". Als Autoren zeichnen Hermann Behrens, Ulrike Benkert, Jürgen Hoffmann und Uwe Maechler. Mit diesem Buch wird erstmals nach der politischen Wende in der ehemaligen DDR der Versuch unternommen, die Geschichte der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) im Kulturbund der DDR, ihre Struktur und Arbeitsweise sowie ihren Zerfall aufzuzeigen. Die Autoren gehen von der Überzeugung aus, dass auch durch die offizielle, d.h. "systemkonforme" Umweltbewegung der DDR, Leistungen auf dem Gebiet des Naturschutzes erbracht wurden, deren Ergebnisse nachhaltig fortwirken. Dabei werden Einschätzungen und Urteile vorsichtig formuliert, "da aufgrund der noch fehlenden historischen Distanz zum Umbruch in der DDR die Gefahr von Fehlurteilen, Fehleinschätzungen und Vorurteilen, insbesondere im Hinblick auf die Menschen, die in der DDR lebten und arbeiteten, außerordentlich groß ist".
Mit Dr. Siegfried Schlosser verlässt ein Fachmann seinen Schreibtisch, der in der Naturschutzlandschaft Sachsen-Anhalts Zeichen gesetzt hat, Spuren, die nicht so bald unkenntlich sein werden. Sein Eintritt in den Ruhestand gibt Anlass, seinen Entwicklungsweg in Teilen zu skizzieren und einige berufliche Schwerpunkte zu werten.
Im Rahmen einer im Jahre 1997/98 erarbeiteten Studie (Rahmenkonzept... 1998) wurden von den etwa 8968 ha Auengrünland des Biosphärenreservats Mittlere Elbe (Hentschel; Reichhoff 1995) die naturschutzfachlich wertvollen Bestände erfasst, floristisch-pflanzensoziologisch charakterisiert, naturschutzfachlich bewertet und hinsichtlich ihrer notwendigen Pflege bzw. pfleglichen Nutzung beschrieben. Die Bewertung der einzelnen Grünlandflächen erfolgte, wie in der Studie ausführlich dargelegt, sowohl nach allgemeinen Kriterien der Biotop- und Vegetationskartierung als auch nach für das Auengrünland spezifischen Gesichtspunkten.
Hugo Weinitschke, langjähriger Direktor des Instituts für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle (ILN), verschied kurz vor Vollendung seines 80. Lebensjahres in Halle (Saale). Mit Ihm verlieren wir einen Repräsentanten des Naturschutzes in der DDR, der sein gesamtes berufliches Leben der wissenschaftlichen und ehrenamtlichen Aufgabe des Schutzes von Natur und Landschaft gewidmet hat. Anlässlich seines 70. Geburtstages wurde sein Lebenswerk bereits im Jahr 2000 in dieser Zeitschriftenreihe (37. Jg. H.1, S.35) gewürdigt.
Am 22. März 2000 beging Otto Voigt seinen 90. Geburtstag. Geboren im südthüringischen Gießübel, erlernte er zunächst nach Schulabschluss den Beruf des Glasbläsers. Dem folgte eine Gärtnerlehre in der Umgebung von Gera. Nach Dessau kam er im Jahre 1929 und arbeitete als Gärtner in der Firma H. Birnbaum. Die freundliche, ordentliche und saubere Stadt mit ihren vielen Grünanlagen, den von Bäumen begleiteten Straßen und Plätzen und die schöne umgebende Landschaft bekräftigten seinen Entschluss, Dessau als zweite Heimat zu wählen.
Seit mehreren Jahren ist Sulfurylfluorid (Sulfuryldifluorid, SF) als Schädlingsbekämpfungsmittel für den Materialschutz und den Vorratsschutz gegen Insekten gelistet. Insbesondere der Ersatz des ozonzerstörenden Brommethans wird in diesen Anwendungsgebieten überwiegend mit diesem Wirkstoff realisiert. Sulfurylfluorid gilt seit langer Zeit als ein bewährtes Begasungsmittel gegen Termiten in Holzhäusern in den Vereinigten Staaten. Als 2005 die Industrienationen gemäß den Beschlüssen des Montrealer Protokolls den Ausstieg aus der Brommethantechnologie umsetzten, gab es Zulassungen für die Leerraumentwesung im Vorratsschutz und Genehmigungen für die Verwendung im Holz- und Materialschutz gegen Insekten.
The paper aims at presenting research about Neo-Conservatism, in particular about the origin(s), history of development, ideas, and foreign policy goals. The core argument of the paper is that the discipline of International Relations (IR), in particular the North American Research and the Peace and Conflict Research, should take the Neoconservatives seriously. Three arguments can be made for this: First of all, Neoconservatives such as Robert Kagan, Charles Krauthammer, and Normen Podhoretz are participating in the debates about US foreign policy, and they introduce their ideas (e.g. "democracy promotion", "unipolar moment", and "benevolent empire") into the discourse. The foreign policy of the Reagan administration as well as the foreign policy of George W. Bush was highly influenced by neoconservative ideas. To sum up, Neo-Conservatism is the fourth influential school of US foreign policy beside Isolationism, Liberal Internationalism, and Realism. Secondly, Neoconservatives are proponents of a war-prone-US foreign policy, and advocates of the "war on terror" and the Iraq War. And finally, Neoconservatives are characterized by ideas, in particular the idea of democracy promotion, as the purpose of American politics and historic mission. Along with this, a neoconservative misunderstanding of IR theories becomes apparent. The "Democrat Realist" Krauthammer and the "Wilsonianist" Podhoretz both refer to "Realism", "Liberalism" and Wilson’s doctrine "to make the world safe for democracy" in a way which is not only misleading, but deceptive. Neoconservatives suggest that Realism is a sole power politics-theory without normative bias, and that the scholars of the liberal peace theory as well as Wilson and his successors claim for a policy of democracy promotion by using force and waging war. Against this background, a critical examination with Neoconservatism is presented in the paper. To reveal the neoconservative misunderstanding of IR discipline and its two important school of thoughts, the few similarities but numerous differences between Neo-Conservatism on the one hand and realist and liberal approaches in IR on the other hand are worked out.
Die Bestimmung der gefangenen und präparierten Belegindividuen erfolgte mit einem Stereomikroskop (Binokular) bei ca. 30 bis 60 Vergrößerung. Für die Determination der Bienen und Wespen, insbesondere für einzelne Gattungen der Familie Apidae, ist eine Vielzahl von spezieller Bestimmungsliteratur erforderlich. Zur besseren Übersicht ist die, für die Determination als auch die zur Klärung systematischer und nomenklatorischer Fragen, benutzte Literatur in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt.
Der Familien- oder Generationenroman durchlief seit seiner deutschsprachigen Prägung durch Thomas Mann zwei Schübe oder "[B]oom[s]": Auf die Welle der sogenannten 'Väterliteratur' oder 'Väterbücher' der 1970er und 80er-Jahre folgte ungefähr ab Ende der 90er-Jahre eine abermalige Konjunktur der Gattung im Umfeld neu aufgeflammter Debatten über 'Vergangenheitsbewältigung', die 'Enkelperspektive' auf den Nationalsozialismus und über 'Germans as victims'. Vergegenwärtigt man sich die ungebrochene Popularität dieser aktuellen Erscheinungsform des Generationenromans, so erstaunt der prominent auf dem Buchcover platzierte Untertitel von Christoph Geisers 2013 erschienenem Roman 'Schöne Bescherung': Dieser sei 'kein Familienroman', heißt es dort. Gesetzt wird diese peritextuelle Lektüreanweisung noch dazu ausgerechnet von einem Autor, der mit seinen frühen Texten Grünsee (1978) und Brachland (1980) die vielleicht wichtigsten Familienromane der jüngeren schweizer Literatur schuf.
Statt den Untertitel zu 'Schöne Bescherung' vor diesem Hintergrund zu problematisieren, buchte ihn das Feuilleton tendenziell als nicht weiter erläuterungsbedürftig ab und taxierte den Roman gar als Schlussstein einer veritablen "Familientrilogie". Schöne Bescherung will aber eben - anders als die formalästhetisch konventionelleren frühen Romane Geisers - explizit und dezidiert 'kein Familienroman' (mehr) sein. Der Text stellt sich also keineswegs in ein Verhältnis der Kontinuität zu Brachland, dem nächstälteren Roman der angeblichen "Familientrilogie". Vielmehr kommuniziert er noch vor seinem Incipit, eben durch den trotzigen Untertitel, einen kuriosen gattungsbezogenen Abgrenzungswillen. Dieser soll im Folgenden ernstgenommen werden.
"Königliche Hoheit", Thomas Mann's second novel, is as replete with descriptions of interiors, paintings, decorations and other spatial features as it is obsessed with the very concept of 'representation'. The complex interplay of 'space' and 'signification' that underlies this text has not received much scholarly attention. This paper attempts to elucidate how "Königliche Hoheit" interweaves descriptions of space(s) and thorny semiotic issues. In the process, it seeks to show that the novel, far from being a harmless 'fairytale' grounded in Mann's own biography, is suffused with exclusionary ideology.
'Generationenromane' versus 'Väterbücher'. - Stephan Wackwitz' Roman 'Ein unsichtbares Land' (2003) hat eine gleichsam panoramische Struktur: Der Text bietet die wohl eingehendste und materialreichste "Auseinandersetzung mit familiären und kulturellen Archiven" aller jüngeren 'Generationenromane' und rekonstruiert, ausgehend von den schriftlichen Erinnerungen Andreas Wackwitz', des Großvaters des Erzählers, die Geschichte des 20. Jahrhunderts als Familiengeschichte - von der 'Urkatastrophe' des ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart. Dabei entspricht 'Ein unsichtbares Land' in scheinbar idealtypischer Weise den literaturwissenschaftlichen Postulaten über die aktuellen 'Generationenromane'.
Der Text beruht tatsächlich auf der "nachträglichen Rekonstruktion einer Familiengeschichte", wobei diese "rekonstruierte Vergangenheit [...] weit hinter die Geburt der Erzählfiguren" zurückreicht und "daher nur schwer vereinbar mit einem kontinuierlichen Erzählen" ist; in ihm wird "Geschichte neu besichtigt und rekonstruiert", und zwar "mit dem Anspruch, unbekannte Aspekte der historischen Wahrheit freizulegen" - er ist, kurzum, ein Zeugnis hingebungsvoller "Arbeit am kulturellen Gedächtnis als Konstruktionsarbeit" und somit kohärent mit der gängigen Deutung des 'Generationenromans' der Gegenwartsliteratur als metahistorisches, selbstreflexives und eben gleichsam 'rekonstruktives' literarisches Verfahren, das gedächtnistheoretisch grundierte Interpretationsansätze erfordert. Als scheinbar prototypischer 'Generationenroman' ist nun 'Ein unsichtbares Land' in zweifacher Hinsicht von besonderem Interesse. Zum einen reflektiert Wackwitz als "Repräsentant der 68er-Generation" genau die intergenerationellen Verwerfungen, die auch in der sogenannten 'Väterliteratur' der Siebziger- und Achtzigerjahre prominent figurieren. Mithin lässt sich an diesem im Paratext als 'Familienroman' bezeichneten Werk besonders deutlich und prägnant zeigen, wie mangelhaft und revisionsbedürftig auch die jüngeren literaturwissenschaftlichen Differenzierungsversuche zwischen der 'Väterliteratur' und den aktuellen 'Generationenromanen' zuweilen sind.
"Wie der Geist zum Kamele ward" : Zu einem Leitmotiv in Jonas Lüschers 'Frühling der Barbaren'
(2016)
This paper deals with the semantics of 'barbarism' in Jonas Lüscher's novella "Frühling der Barbaren" (2013). It aims to show that the text incorporates the concept of 'barbarism' into what Lüscher himself calls a "narratology of social complexity": a narrative mode that enables literary texts to serve as platforms for the reflection of moral problems. Lüscher achieves this by referring to specific intertexts by Friedrich Nietzsche and Ingeborg Bachmann while subtly modifying and distorting them. In doing so, "Frühling der Barbaren" acquires a diagnostic and genuinely critical quality: with this sleight of hand, which could be considered a prime example of 'barbarian theorizing' (Walter Mignolo, Maria Boletsi), the novella evokes existing narratives only to recode them into a sardonic critique of global capitalism.
"Das Elementare in der Musik" : Zeitkritik und 'primitive' Musik in Thomas Manns Doktor Faustus
(2015)
Thomas Manns 'Doktor Faustus' (1947) ist ein Altersroman, ein Exilroman, ein Deutschlandroman, aber vor allem natürlich ein "Musik[]roman". Das ist im Hinblick auf die Frage nach einem gerade auch intermedial konstituierten Primitivismus im frühen 20. Jahrhundert signifikant. Denn der in jener Zeit beginnende und im Nationalsozialismus kulminierende Umschlag von Kunst und "Kultur" in Krieg und "Barbarei" koinzidiert im zeitdiagnostischen Panorama von Manns Roman mit einem ästhetischen Interesse am "Elementaren", am "Primitiven und Uranfänglichen". Dieses aufkeimende Interesse und seine politischen Weiterungen werden in Betrachtungen über zeitgenössische Kunst reflektiert und insbesondere am Schaffen des Tonsetzers Adrian Leverkühn exemplifiziert. Anders ausgedrückt: Der zeitgenössische Diskurs über das 'Primitive' spiegelt sich in Struktur und Handlung des Romans. Wenn im Folgenden der Frage nachgegangen wird, wie diese Vorstellung des 'Primitiven' im 'Doktor Faustus' funktionalisiert ist und aus welchen Quellen sie sich speisen könnte, ist ein "ausgeweitete[r] Primitivismus-Begriff" in Anschlag zu bringen, der sich in der Literaturwissenschaft erst zu etablieren beginnt.
"Und jetzt ich" : Gegen-Ästhetik und algorithmische Autorschaft in Jan Brandts "Tod in Turin" (2015)
(2021)
Als "Buchpreisverarbeitungsbuch" (TiT, 290) mit einer Erzählinstanz, die sich explizit als der empirische Autor zu erkennen gibt und geradezu leitmotivisch ihren beruflichen Status offenlegt - "'[i]ch bin Schriftsteller'" (TiT, 18 u.ö.) -, ist "Tod in Turin" Metaliteratur, Literatur über Literatur und vor allem über deren Produktions-, Rezeptions- und Verwertungsbedingungen. Metatextuell im Sinne Gérard Genettes, das heißt: Prätexte nicht nur referierend, sondern 'kommentierend', ist "Tod in Turin" aber schon qua Titel und Thema. "Die reiche, Jahrhunderte umspannende deutsche Italienliteratur" füllt längst eine schon wieder überholte Bibliographie von monographischer Dimension. In diese Tradition schreibt sich Jan Brandt ein und betreibt mit ihr ein "postmoderne[s] Spiel" (TiT, 291), dessen Telos, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, über die Subversion oder Persiflage bestehender literarischer Italienbilder hinausreicht. Es besteht vielmehr in einer neuartigen, nämlich 'algorithmischen' Fruchtbarmachung des überwältigenden Prätext-Kanons.
Hartholzauwälder gehören mit bis zu acht Baumarten in der Kronenschicht zu den Wäldern mit der höchsten Baumartenvielfalt in Europa und beherbergen eine Vielzahl gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Das Fehlen von Eichen in der Etablierungsphase in ansonsten eichenreichen Waldgesellschaften wie Hartholzauen ist daher naturschutzfachlich gravierend. Vielerorts wird mit starken waldbaulichen Eingriffen und finanziellem Aufwand versucht, zumindest einen Anteil an Stieleiche in die nächste Bestandesgeneration hinüber zu retten. Hinzu kommt die eher konzeptionelle Frage der Natürlichkeit der Stieleiche in Hartholzauwäldern. In der Hartholzaue im Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue in Hessen wurde Stieleichenverjüngung in der Etablierungsphase auf zwei unterschiedlichen ungesteuerten Sukzessionsflächen untersucht, welche nach starken Hochwässern entstanden und von Hochwasser geprägt sind. Dies beinhaltet die Beschreibung des Standorts, die Quantifizierung der Eichenanteile, die Einschätzung ihrer Vitalität sowie die Charakterisierung des Wuchses der Stieleiche. Auf der insgesamt 4,53 Hektar großen Inventurfläche fanden sich fünf Strukturtypen (Straten) in Form (1) eines strauchreichen Pionierwalds; (2) eines offenen bis lückigen Gehölzkomplexes; (3) eines halboffenen bis geschlossenen Gehölzkomplexes; (4) eines fast geschlossenen Gebüschkomplexes, gezäunt; sowie (5) eines geschlossenen Pionierwalds, gezäunt. Auf diesen kamen insgesamt 155 Stieleichen vor und wurden aufgenommen (34 Stieleichen/ha). Es zeigte sich, dass Wildverbiss die Etablierung der Eiche zwar behinderte, dennoch in allen Straten stabile, vitale Jungeichen heranwachsen konnten. Starke Überschirmung und Konkurrenz durch Bodenvegetation wirkten sich negativ auf das Wachstum aus, bis hin zum Ausfall von Eichenverjüngung in Herden von Goldrute (Solidago canadensis) und Reitgras (Calamagrostis epigeios). Die Bestände am Kühkopf zeigen, dass sich die Stieleiche nach starken Hochwasserereignissen auf neu aufgelandetem Substrat unter den dann konkurrenzarmen Bedingungen und bei zugleich kontrolliertem Wildstand in Hartholzauen erfolgreich natürlich etabliert und auch in die Baumschicht einwächst, also Bestandteil der natürlichen Vegetation dieses Lebensraumes ist. Das Ausbleiben der natürlichen Eichenetablierung in den heutigen Überflutungsauen ist demnach auf die dort weitgehend fehlende Substratdynamik nach starken Hochwässern und damit fehlende natürliche Auensukzession sowie hohe Rehwilddichten zurückzuführen.
Auswertungen von Untersuchungen über frühere Waldnutzungen sowie Waldweide legen nahe, dass die Verjüngung der mitteleuropäischen laubabwerfenden Eichenarten Stieleiche (Quercus robur L.) und Traubeneiche (Quercus petraea Liebl.) ein episodischer Prozess ist, mit oft langen Phasen ausbleibender Verjüngung im Wechsel mit Phasen der erfolgreichen Etablierung einer neuen Generation. Eine Vielzahl von Faktoren wirkt sich auf die Verjüngung der Eichen aus. Als besonders bedeutsam werden genannt die Lichtversorgung; Prädation der Eicheln insbesondere durch Mäuse, Wildschweine und andere Tiere; Verbiss durch Wildtiere und Weidetiere; Befall der Blätter durch Mehltau (Microsphaera alphitoides); Konkurrenz durch die Bodenvegetation; Spätfrost; sowie der Wasserhaushalt des Standorts. All diese Faktoren wirken in einem komplexen Wechselspiel zusammen. Zur Ansamung und erfolgreichen Etablierung der Eichen im Wald sind eine Auflichtung des Kronendachs sowie eine niedrigwüchsige Bodenvegetation notwendig. Letztere können beispielsweise durch Beweidung erreicht werden. Verbiss wird bei guter Lichtversorgung durch die Jungeichen gut vertragen, es bilden sich bonsai-artige Krüppelbäumchen mit tiefreichendem Wurzelwerk heraus. Ein Höhenwachstum setzt jedoch erst dann ein, wenn der Weidedruck reduziert wird. Dies kann durch zeitliche oder räumliche Schwankungen des Verbissdrucks erreicht werden (Weideruhe). Die laubabwerfende Stiel- und Traubeneiche muss daher als Intermediärtyp zwischen Pionierbaumart und „stresstolerator“ sensu GRIME et al. (1978) eingestuft werden. In vielen Kulturlandschaften finden sich Bedingungen zur erfolgreichen natürlichen Eichenetablierung, also ohne unterstützende waldbauliche Maßnahmen, heute nur mehr an linienförmigen saum- und mantelartigen Randstrukturen von Wäldern, in Hecken und Gebüschen – dort trotz des Vorhandenseins von Wild. Naturschutzfachliche Gründe und zu erwartende Klimaänderungen legen jedoch eine stärkere Beachtung und Förderung der Eichenverjüngung nahe. Hierzu stellt Beweidung im Wechsel mit Weideruhe eine in Vergessenheit geratene und heute nur mehr wenig bekannte Möglichkeit dar.
In den Bergdörfern des Motzenlandes im Westgebirge Rumäniens haben sich bis heute traditionelle Landnutzungen, Landschaftsstrukturen und Biozönosen erhalten. Die Bevölkerung lebt von der Holzverarbeitung, der Viehzucht und Grünlandwirtschaft. Handwerk und (Tausch-)Handel mit Holzbottichen sowie neuerdings der Verkauf von Bauholz kommen hinzu. Gärten und kleine Äckerchen dienen der Eigenversorgung. Aufgrund des montanen Klimas spielen sie eine untergeordnete Rolle. Angebaut werden vor allem Hackfrüchte wie Kartoffeln und Weißkraut, selten auch Halmfrüchte wie Hafer (für die Pferde) und Roggen zur Gewinnung von Stroh als Zusatz für das Winterfutter. Bis heute wird Feldgraswirtschaft in Form der Egartenwirtschaft mit einem Wechsel von Ackerbau- und Grünlandphasen betrieben. Nach einigen Jahren des Ackerbaus findet auf einigen Äckern ein Nutzungswechsel hin zum Grünland statt. Im ersten Jahr nach der Ackernutzung herrschen einjährige Ackerunkrautarten noch vor. Sie werden abgelöst von mehrjährigen Rhizom-Unkräutern. Diese können sich jedoch nicht vollständig durchsetzen. Das Wechselgrünland wird bereits im ersten Jahr nach der Ackernutzung zur Heugewinnung gemäht. Dadurch werden die Unkrautarten zurückgedrängt; die Wiesenvegetation regeneriert sich bemerkenswert schnell. Schon nach etwa drei bis vier Jahren können auf den ehemaligen Ackerstandorten mesotraphente, relativ naturnahe Frischwiesen entstehen, deren Artenzusammensetzung dem langjährigen Dauergrünland floristisch ähnelt.
Der Eintrag starker anorganischer Säuren in Wälder führte zu tiefen pH-Werten und hohen Al3+-Konzentrationen im Boden. Dem versuchte man in Deutschland seit den 1980er Jahren durch Kalkung unter Verwendung dolomitischer Kalke zu begegnen. In den ersten Jahren nach Kalkung werden organische Auflagen abgebaut und die darin enthaltenen Nährstoffe, v. a. Stickstoff (N), mobilisiert und teils im humosen Oberboden gespeichert, teils aufgenommen, teils ins Grundwasser ausgewaschen. Die Bodenvegetation reagiert auf Kalkungmit einer Zunahme an nährstoff- und stickstoffliebenden Arten, Azidophyten gehen zurück. Die Artenzusammensetzung von Mykorrhizapilzen und Bodenfauna verändern sich vollständig. Die Baumwurzeln ziehen sich in den mineralischen Oberboden zurück. Bis die basischen Kationen eine Tiefe von 30 cm erreichen, vergehen viele Jahre. Seit 1990 gingen die Depositionen an Schwefel (S) stark zurück, doch der N-Eintrag blieb bis heute auf hohem Niveau. In Nadelbaumbeständen ist der N-Eintrag wesentlich höher als in Laubwäldern oder im Freiland. Hohe N-Einträge tragen zur fortdauernden Bodenversauerung bei, zugleich eutrophieren sie Waldökosysteme, welche von Natur aus N-limitiert sind. Das verstärkte Wachstum der Waldbestände zieht einen erhöhten Bedarf an anderen Nährstoffen nach sich. In vielen Wäldern wird die kritische Belastungsgrenze („critical load“) des Eintrags von ca. 10 bis 20 kg N ha-1 a-1 überschritten. Solche Wälder werden mit N übersättigt und geben überschüssiges Nitrat, das nicht im Humus eingebaut oder von der Waldvegetation aufgenommen wird, ans Grundwasser ab. Bis heute werden in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und neuerdings Sachsen-Anhalt große Waldflächen mit drei bis vier Tonnen dolomitischem Kalk pro Hektar und Jahrzehnt gekalkt. Ziel ist es, eine weitere säurebedingte Verwitterung von Tonmineralen zu verhindern und die Vitalität der Waldbestände zu erhöhen. Oftmals werden dem Kalk auch Phosphor- (P) und/oder Kaliumverbindungen (K) beigemengt. Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verzichten auf Waldkalkungen oder wenden sie nur in sehr spezifischen Fällen an. Die mitteleuropäischen Hauptbaumarten Buche, Fichte, Wald-Kiefer, Tanne und Eichen sind dort ähnlich vital, da diese edaphisch eine weite ökologische Amplitude besitzen. Analysen von Blatt- und Nadelspiegeln belegen eine geringe, doch ausreichende Nährelementversorgung selbst auf den sauersten Waldböden. Heute stellt nicht Bodenversauerung, sondern N-Eutrophierung (und Klimawandel) die Hauptgefährdung der Waldökosysteme dar. Eutrophierung gefährdet die Lebensgemeinschaften auf schwach gepufferten Böden in besonderem Maße, insbesondere oligotrophe Kiefern- und Eichenwälder. Kalkung in eutrophierten Wäldern wirkt der Versauerung entgegen und führt langfristig zu tieferer Durchwurzelung. Zugleich jedoch verbessert sie angesichts hohen N-Eintrags die Verfügbarkeit limitierender Nährstoffe und verstärkt dadurch die Auswirkungen der Eutrophierung. Daher fällt die Bewertung der Kalkung ambivalent aus. Nur eine Reduzierung des N-Eintrags stellt eine wirklich gute Lösung dar. Aus Naturschutzsicht besonders bedenklich ist Waldkalkung auf natürlich basenarmen Substraten und ihren oligotraphenten Lebensgemeinschaften. Deren Habitate müssen durch Pufferzonen und angepasste Verabreichungstechniken gegen Kalkeinträge geschützt werden. Auf bestimmten mesotrophen, aber versauerungsanfälligen Lehmböden kann Kalkung fallweise toleriert werden. Die Anreicherung mit P und K entspricht einer Düngung und ist daher nicht akzeptabel. Um die Auswirkungen von Waldkalkung abwägen zu können, sollten ausreichend große ungekalkte Kontrollflächen ausgewiesen werden. Angesichts eines heute relativ hohen Waldwachstums sollte eine weitere Förderung von Waldkalkung überdacht werden.
Die Ökologie der Verschiedenblättrigen Distel (Cirsium helenioides) wird in drei Teilen dargestellt: Der erste Teil behandelt die Synsystematik und Synökologie; im zweiten Teil stehen Fragen zur Autökologie und zur Heterophyllie im Vordergrund; der abschließende dritte Teil behandelt die Phytophagenkomplexe der Distelköpfe.
Der erste Teil dieser Arbeit behandelt allgemeine Morphologie, Phänologie, Vergesellschaftung und Ökologie von Cirsium helenioides und charakterisiert das Untersuchungsgebiet. Die Verschiedenblättrige Kratzdistel findet sich im östlichen Oberfranken vorzugsweise in mehr oder weniger stark anthropogen beeinflußten Grünlandgesellschaften der montanen Stufe.
Cirsium helenioides konnte in insgesamt 11 verschiedenen Pflanzengesellschaften angetroffen werden. Der Schwerpunkt des Vorkommens lag hierbei im Bereich der Bergwiesen zwischen 550 und 650 m, also vor allem im Geranio-Trisetetum, jedoch auch im Calthion sowie einer "Poa-Trisetum-Gesellschaft". In den Hochlagen kommt die Verschiedenblättrige Distel vor allem in Magerwiesen und Borstgrasrasen vor. Ein dem Calthion zuzurechnendes "Polygono-Cirsietum heterophylli" kann somit aufgrund der mangelnden Gesellschaftstreue der Art für Oberfranken nicht ausgeschieden werden. Jedoch kann die Art zur geographischen Differenzierung verschiedener Pflanzengesellschaften herangezogen werden.
Mit Hilfe der Zeigerwerte einzelner Arten und durchschnittlicher Werte der Aufnahmen und Gesellschaften wurden die Standorte hinsichtlich Licht, Temperatur, Kontinentalität, Bodenfeuchte, Reaktion und Stickstoff untersucht. Demnach ist Cirsium helenioides am häufigsten auf frischen bis feuchten, mäßigsauren bis sauren, mäßig stickstoffreichen Standorten anzutreffen. Eine vergleichende Betrachtung der untersuchten Standorte von Cirsium helenioides zeigt folgende auffallenden Merkmale:
(1) Cirsium helenioides bevorzugt die relativ spät gemähten Wiesen, z.B. aufgrund der extensiven Bewirtschaftung oder eines kühlen Montanklimas.
(2) Weiterhin liegt ein deutlicher Schwerpunkt in Brachwiesen, die bis vor nicht allzu langer Zeit noch bewirtschaftet wurden. Hier, vor allem an den etwas feuchteren Standorten, hat sich die Konkurrenzkraft anderer krautiger Arten wie Polygonum bistorta, Chaerophyllum hirsutum oder Filipendula ulmaria noch nicht voll entfaltet.
(3) Auffallend ist die deutliche Anreicherung dieser Art an etwas gestörten Stellen, z.B. an Böschungen und Wegrändern, Holzlagerplätzen, Fichtenschonungen und ähnlichen Standorten.
Einführung: Seit 20 Jahren ist die Vagusnervstimulation (VNS) eine europaweit zugelassene invasive Therapieoption für therapieresistente Depressionen (TRD). Im Gegensatz zu geläufigeren Behandlungen wie EKT sind Kenntnisse über VNS sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch in Fachkreisen gering.
Methoden: In diesem narrativen Review geben wir eine klinisch und wissenschaftlich fundierte Übersicht über die VNS. Hypothesen zum Wirkmechanismus sowie die aktuelle Evidenzlage zur Wirksamkeit werden dargestellt. Das perioperative Management, das Nebenwirkungsprofil und die Nachbetreuung einschließlich Dosistitration werden beschrieben. Ein Vergleich über internationale Leitlinienempfehlungen zur VNS findet sich ebenfalls. Ferner formulieren wir Kriterien, die bei der Auswahl geeigneter Patienten hilfreich sind.
Ergebnisse: Die elektrischen Impulse werden über den N. vagus afferent weitergeleitet und stimulieren über verschiedene Wege ein neuromodulatorisches zerebrales Netzwerk. Viele Studien und Fallserien zeigten die Wirksamkeit von VNS als adjuvantes Verfahren bei TRD. Der Effekt tritt mit einer Latenz von 3 bis 12 Monaten ein und steigt möglicherweise mit der Dauer der VNS. Unter der Beachtung der Stimulationsempfehlungen sind die Nebenwirkungen für die meisten Patienten tolerabel.
Fazit: Die VNS ist eine zugelassene, wirksame und gut verträgliche Langzeittherapie für chronische und therapieresistente Depressionen. Weitere Sham-kontrollierte Studien über einen längeren Beobachtungszeitraum sind zur Verbesserung der Evidenz wünschenswert.
Global Governance ist in: Klingt neuartig, global ist eigentlich auch alles und wer will sich schon vorwerfen lassen, noch im „methodologischen Nationalismus“ verhaftet zu sein? Dies ist überspitzt formuliert, doch wie sich zeigte nicht ganz unberechtigt. Nichtsdestotrotz waren die OrganisatorInnen des ersten Weltkongresses der International Association of Political Science Students (IAPSS) wohl selbst überrascht als zur Tagung mit dem Titel „The Limits of Global Governance“ rund 200 Anmeldungen von Studierenden kamen. In Thessaloniki, der europäischen Jugendhauptstadt 2014, wurde vier Tage über Global Governance debattiert und in den insgesamt sieben studentischen Panels, zahlreichen Vorträgen von etablierten WissenschaftlerInnen und weiteren Veranstaltungen zeigte sich vor allem die Vielfalt und Breite des Themas. Wir werden daher im Folgenden Schlaglichter auf interessante Veranstaltungen und Inhalte werfen und abschließend ein kritisch-konstruktives Fazit der Tagung ziehen.
Das Neuroblastom ist ein Tumor, der sich von sympathoadrenergen Vorläuferzellen ableitet und die häufigste solide Krebsform im Kindesalter darstellt. Das breite klinische Spektrum dieses Tumors, das von spontaner Regression zu fataler Progression reicht, spiegelt die außerordentliche biologische und genetische Heterogenität dieses Tumors wider. Polyploidie und Genexpressionsanalysen werden auf klinischer Seite zur Risiko- und Therapieeinschätzung eingesetzt. Genomweite Screeninganalysen identifizierten den Transkriptionsfaktor Phox2b als erstes Prädispositionsgen für NB. Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass Phox2b absolut essentiell für die Entstehung aller Ganglien des autonomen NS aus Neuralleistenzellen ist. Ziel der Untersuchungen dieser Arbeit war es, die Auswirkungen der NB-assoziierten Phox2b-Mutationen auf Proliferations- und Differenzierungsverhalten sympathoadrenerger Vorläuferzellen zu untersuchen. Hierzu wurden paravertebrale, sympathische Grenzstränge aus Huhnembryonen des Embryonaltags 7 präpariert, dissoziiert und mit Expressionsplasmiden für Phox2bwt und NB-Phox2b-Mutationen transfiziert. Nach zwei Tagen in Kultur wurden mit molekularbiologische Methoden Veränderungen des Proliferations-und Differenzierungsverhalten untersucht. Die Analyse des Proliferationsverhaltens transfizierter Neurone mit BrdU-Proliferationsassays und Phospho-Histon-3-Antikörpern offenbarte einen stark antiproliferativen Effekt des Phox2bwt-Proteins, den die untersuchten NB-Phox2b-Mutationen nicht aufwiesen. NB-Phox2b-Patienten sind heterozygot, d.h. Träger eines gesunden und eines mutierten Phox2b-Allels. Um die genetische Situation im NB-Patienten nachzuahmen, wurde mit spezifischen siRNAs das endogene Phox2b-Protein-Niveau herunter reguliert. NB-Phox2b-Mutationen mit mis- oder nonsense Mutation in der Homöodomäne zeigten unter Phox2b-Knockdown-Bedingungen einen proliferationsstimulierenden Effekt. Diese Experimente warfen die Frage auf, über welche Mechanismen Phox2b und NB-Phox2b-Mutationen Einfluss auf die Zellzykluskontrolle nehmen. Die quantitative Analyse der Expression bekannter Zellzyklusregulatoren wie Zyklin D1, D2 und D3 und der Zyklin-abhängigen Kinase-Inhibitoren p18, p21 und p57kip2 verlief ergebnislos. Die Überexpression des Zyklin-abhängigen Kinase-Inhibitors p27kip1 wirkte antiproliferativ auf Kulturen sympathoadrenerger Vorläuferzellen und das p27kip1-Epxressionsniveau korrelierte mit dem Phox2b-Proteinniveau. P27kip1 scheidet jedoch als alleiniger Vermittler des antiproliferativen Effekts von Phox2b aus, da die ebenfalls antiproliferativ wirkende Phox2-Homöodomäne keinen Einfluss auf das p27kip1-Expressionsniveau besitzt. Vielmehr wurde der bHLH-Transkriptionsfaktor Hand2 als Mediator der Proliferationseffekte von Phox2b identifiziert. Die Proliferation sympathoadrenerger Vorläuferzellen ist abhängig von der Hand2-Proteinmenge, und Hand2-Überexpression ist ausreichend, den antiproliferativen Effekt von Phox2b aufzuheben. Damit im Einklang geht der proliferationsstimulierende Effekt der Phox2bHDmut bei siRNA-vermitteltem Hand2-Knockdown verloren. Weiterhin führt Phox2b-Überexpression zu verringertem Hand2-Expressionsniveau und Phox2b-Knockdown zu vermehrter Hand2-Transkription. In Protein-Protein-Interaktionsexperimenten konnte eine direkte Bindung von Hand2 an Phox2bwt und die untersuchten NB-Phox2b-Mutanten nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass Hand2 in der Vermittlung der Phox2b-Proliferationseffekte auf transkriptioneller und posttranskriptioneller Ebene involviert ist. Der Wirkungsmechanismus dieser Phox2b-Varianten / Hand2-Komplexe konnte nicht endgültig geklärt werden und wird in Form verschiedener Modelle diskutiert. In NB-Patienten korreliert ein hohes Expressionsniveau von Differenzierungsmarkern mit mildem Krankheitsverlauf. Die Rolle von Phox2b als Schlüsselgen in der Entstehung und Differenzierung autonomer Neurone und die genetische Heterogenität des NB legen eine Funktion von NB-Phox2b-Mutationen auf den Differenzierungsstatus sympathoadrenerger Vorläuferzellen nahe. In quantitativen Analysen wurde die Expression von Phox2b-Zielgenen und in NB-Diagnostik involvierten Genen untersucht. Phox2bK155X, eine C-terminal trunkierte NB-Phox2b-Mutation, wirkte dominant-negativ auf die Expression der noradrenergen Markergene Th und Dbh, Tlx3 und die Neurotrophinrezeptoren trkA und p75, deren reduzierte Expression mit schlechter Prognose und damit aggressiven NB-Formen korreliert ist. Zusammenfassend konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, das NB-Phox2b-Mutationen in sympathoadrenergen Vorläuferzellen, den potentiellen Tumorentstehungszellen des NB, proliferationsstimulierend wirken und zumindest die C-terminal trunkierte Phox2bK155X-Mutation zur Dedifferenzierung dieser Zellen führt. Hereditäre Mutationen in Phox2b könnten im Patienten nicht nur die terminale Differenzierung sympathischer Neurone stören, sondern auch durch eine verlängerte Phase der Neurogenese die Empfänglichkeit für weitere Tumor-initiierende Mutation erhöhen.
Zentrum und Peripherie : Prinzipien der Landverteilung bei den Mosi im Raum Tenkodogo (Burkina Faso)
(1995)
Die Stadt Tenkodogo liegt auf der Siedlungsgrenze zweier Ethnien - der Mosi im Norden und Nordwesten und der Bisa im Süden - und zugleich am nördlichen Rand des Mosistaates Tenkodogo, dessen Hauptstadt sie auch ist. Der südlichste Staat der Mosi liegt somit überwiegend nicht auf Mosi-, sondern auf Bisaterritorium. Die Untersuchungen in diesem Gebiet konzentrierten sich auf zwei Siedlungen, die sich unter unterschiedlichen Aspekten für einen Vergleich besonders gut anboten. Anhand dieser beiden Siedlungen soll den Kriterien der Raumaufteilung und Landverteilung in diesem Gebiet nachgegangen werden. Wichtige Fragen dabei sind: Gibt es Erklärungen für die Lage der beiden Siedlungen im Raum? Wie wird das Land verteilt? Wie gestaltet sich die Landzuteilung und die Arbeitsorganisation innerhalb der einzelnen Familien, bzw. der Bewohner der verschiedenen Gehöfte? Lassen sich aus all dem schließlich übergeordnete Prinzipien und Präferenzen ablesen, die über die konkrete Frage der Landverteilung hinaus Rückschlüsse auf andere gesellschaftliche und politische Bereiche ermöglichen?
Der Beitrag, der an einen am 22.05.2017 an der Universidade Católica Portuguesa in Lissabon gehaltenen Vortrag anknüpft, setzt sich mit der Entstehung der Fremdsprachendidaktik und Fremdsprachenforschung in Deutschland aus der Philologie seit dem 19. Jahrhundert auseinander. In besonderem Maße wird dabei das Wechselspiel zwischen Unterrichtspraxis und Philologie einerseits sowie Philologie und Fremdsprachendidaktik/Fremdsprachenforschung andererseits fokussiert. Es wird aufgezeigt, wie im 19. Jahrhundert die Bedürfnisse einer zunehmend institutionalisierten Lehrerbildung zur Etablierung der Neuphilologie an den Universitäten führten, die freilich den Fremdsprachenunterricht nicht direkt in ihren Ausbildungsprogrammen berücksichtigte. Gleichzeitig entwickelte sich aber v.a. auf der Ebene der Schulen ein Diskurs, der als Fremdsprachendidaktik ante litteram bezeichnet werden kann. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert führt das zunehmende Interesse etwa einer Angewandten Linguistik an Fragestellungen des Fremdsprachenlernens schließlich über die aus heutiger Sicht als Etappe anzusehende Konstituierung der Sprachlehrforschung zur Ausdifferenzierung einer Fremdsprachendidaktik / Fremdsprachenforschung als eigenständiger wissenschaftlicher Teildisziplin. Dies soll am Beispiel der romanischen Sprachen aufgezeigt werden.
Die Rückseite einer Stickerei gilt gemeinhin nicht als vorzeigbar. Ungeachtet ihrer dreidimensionalen Textur ist die 'Nadelmalerei', wie man die Stickkunst schon in der Antike zu nennen pflegte, vielmehr ganz auf die Frontalseite ausgerichtet. In ihrer stark hierarchisierenden Fokussierung der zur Ansicht bestimmten kunstvollen 'Schau-' zuungunsten der meist ungestalten, dem Blick entzogenen 'Kehrseite' unterscheidet sie sich grundlegend von anderen Textilarten wie gefilzten oder gehäkelten Stoffen, deren Vorder- und Rückseite einander entweder gleichen oder aber symmetrisch sind. Anders als die konventionelle Leinwandmalerei wiederum ist die Stickerei konstitutiv mit ihrer Rückseite verbunden, insofern der stoffverzierende Faden "gleichzeitig zu seiner eigenen Befestigung auf der Unterlage dient."
Im Großraum um Halle und Leipzig wird seit mehr als 300 Jahren Braunkohle abgebaut. Sie war als Energieträger und ab dem 19. Jahrhundert auch als Rohstoff die Grundlage für die Entwicklung wichtiger chemischer Verfahren und machte Mitteldeutschland zum Zentrum der chemischen Industrie. In Spitzenzeiten wurden jährlich bis zu 100 Mio t Braunkohle gefördert.
Předloţená studie se zaměřuje na verbalizaci emocí v textech psaných v rámci internetového fóra hungrig-online.de. V první ĉásti jsou představeny teoretické informace z oblasti jazykové komunikace emocí. Další ĉást se zabývá ukázkou textu s tematikou partnerských vztahŧ, které ĉasto souvisí s poruchami příjmu potravy. Na základě tohoto textu je vypracován široký rejstřík termínŧ pro emoce. Je zajímavé, které emoce a jak se objevují, a závěry, ke kterým lze dospět. Poté jsou analyzovány všechny příspěvky dalšího uţivatele fóra hungig-online.de, které se týkají tématu partnerských vztahŧ. Diachronní perspektiva nám umoţňuje vysledovat vývoj a uskuteĉněné změny v uţití emoĉního jazyka.
In den vergangenen Jahren haben ökologische Fragen in der Naturstoffforschung mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Naturstoffe bilden dabei einen wichtigen Aspekt in der Aufrechterhaltung symbiotischer Systeme.
Symbiosen stellen eine der treibenden Kräfte der Evolution dar. Diese artenübergreifende Interaktion zweier Organismen ermöglicht die Evolution in wechselseitiger Anpassung, wobei per Definition in die Kategorien Mutualismus, Kommensalismus und Parasitismus unterschieden wird. Teilweise führt die obligatorische Abhängigkeit eines Organismus zum partiellen Merkmals- und Stoffwechselwegverlust, der durch seinen Symbiose-Partner kompensiert wird. In den meisten Fällen stellt Symbiose ein komplexes Netzwerk aus mehr als zwei Lebewesen dar.
Diese Arbeit beschreibt die Anwendung der Klonierungsmethode ExRec ("overlap extension PCR-yeast homologous recombination") für die vereinfachte Bereitstellung von Naturstoffen. Es konnte ein 45 kb großes Gencluster erfolgreich kloniert und zwei neue Peptide Ambactin und Xenolindicin aus Xenorhabdus charakterisieren werden, wobei letztgenanntes von einem stillen Gencluster stammt. ExRec stellt eine sehr effiziente und wichtige Methode für die Klonierung großer Gencluster als auch für die Klonierung aus Metagenombibliotheken und RNA Pools dar...
After lysis of Pseudomonas testosteroni with lysozyme and non-ionic detergents different DNA-protein complexes can be separated in 5 -25% (w/v) neutral sucrose gradient. The protein to DNA ratio of these complexes varies between 0.5-4.5 to 1, whereby the faster sedimenting forms contain more protein than the slower sedimenting ones. Different initial rates of DNase digestion may indicate various degrees of DNA packing in these complexes. The chromosomal complexes of Pseudomonas testosteroni are relatively stable towards pronase. Treatment with RNase or sodium dodecylsulphate is accompanied by a dramatic increase in viscosity and decrease in relative density. It suggests that DNA in these complexes is maintained in its supercoiled form by RNA molecule (s) in a similar way as in isolated chromosome of E. coli.
Testosterone degrading enzymes are synthesized de novo by bacterium P. testosteroni to utilize testosterone-like steroids as the only source of carbon. RNA-synthesis of the whole lysate of testosterone-induced bacteria was found to be 15% reduced compared to the control, suggesting a cytoplasmatic factor which modulates chromatin associated RNA-polymerase activity.
Chromosomale Strukturen von Pseudomonas testosteroni. II. Aktivität der endogenen RNA-Polymerase
(1976)
After careful lysis the nucleoid of Pseudomonas testosteroni can be isolated in three different forms with compact and unfolded DNA structures 1. The released nucleoids contain endogenous DNA-dependent RNA-polymerase activity using the chromosomal DNA as a template. RNA syn thesis is proportional to duration of RNA-polymerase reaction and amount of DNA-protein-complexes. The sensitivity towards ionic strength and rifampicin indicates that a part of RNA-polymerase activity is tightly bound to the chromosomal DNA.
Für den vorliegenden Band ist innerhalb der im ersten Bande angegebenen Grenzen die gleiche Vollständigkeit des Urkundenbestandes angestrebt worden, nur sind infolge der in diesem Zeitraume immer mehr anwachsenden Masse der Urkunden manche nur im Auszuge gebracht und als Anmerkung oder als Anhang gleichartigen Urkunden beigefügt worden. ...
Defluran ist ein volatiles Inhalationsästhetikum aus der Gruppe der halogenierten Methyl-Äthyl-Äther. Eines seiner Nebenwirkungen ist die Verstärkung eines kompetitiven neuromuskulären Blocks. Die vorliegende Dissertation untersucht den Einfluss von Desfluran auf die Wirkstärke der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxan zien Vecuronium, Atracurium und Pancuronium. Patienten der ASA-Klassifikation I und II wurden randomisiert in fünf Untersuchungsgruppen aufgeteilt. Die Wirkstärke-Untersuchungen der verschiedenen Muskelrelaxanzien wurden jeweils unter Desfluran-Narkose und als Kontrollgruppe unter modifizierter Neuroleptanästhesie durchgeführt. Die Messung der neuromuskulären Funktion wurde mechanographisch durchgeführt. Mit Hilfe der gefundenen kumulativen Effekte und der gegebenen kumulativen Dosen wurden für jeden Patienten durch semilogarithmische Regressionsanalysen eine kumulative Dosis-Wirkungskurve berechnet und individuelle 50-%- bzw. 95-%- Blockadedosen (ED50, ED95) ermittelt. Die resultierenden ED50- (ED95-)Werte wurden nach Untersuchungsgruppen zusammengestellt und mit Hilfe eines nicht-parametrischen Tests auf statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen untersucht. Signifikanzniveau war die Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%. Desfluran potenziert die relaxierende Wirkung der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien Vecuronium, Atracurium und auch Pancuronium. Bezogen auf die ED50 von Vecuronium liegt die potenzierende Wirkung von Desfluran bei 33% und für Atracurium bei 36%. Bezogen auf die ED95 von Vecuronium liegt die potenzierende Wirkung von Desfluran bei 34% und für Atracurium bei 38%. Vecuronium und Atracurium werden durch Desfluran in geringfügigem Masse unterschiedlich potenziert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Desfluran die Wirkung der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien Vecuronium, Atracurium und Pancuronium um ein Drittel ihrer Wirkstärke potenziert, das heisst, um die gleiche Wirkung zu erhalten, ist eine Dosisreduktion der Muskelrelaxanzien um ca. ein Drittel vorzunehmen. Zudem lässt sich anhand von vergleichenden Daten aus der Literatur nachweisen, dass die Potenzierung kompetitiver Muskelrelaxanzien durch die Ätherderivate Desfluran/Isofluran substanz unabhängig ist, wobei sich die Substanzunabhängigkeit sowohl auf die verwendeten Muskelrelaxanzien als auch auf die applizierten Ätherderivate bezieht.
Das Spannungsverhältnis zwischen poetischer Einbildungskraft und positivistischer Wissenschaft, zwischen Imagination und Evidenz, wird wohl an keinem anderen literarischen Genre des 19. Jahrhunderts so augenfällig wie am historischen Roman. Schon in der Gattungsbezeichnung verbinden sich die Lizenzen der Fiktionalität, die der Roman gewährt, mit einem wie auch immer gearteten Anspruch auf historische Faktizität. Die unüberschaubare Menge der historischen Romane, die im 19. Jahrhundert entstand, spiegelt in den vielfältigen Sujets und Figuren nicht nur die Interessen- und Problemlagen ihrer Entstehungszeit wider, sondern liefert im Zeitalter des ästhetischen Historismus ganz unterschiedliche Beispiele von textuellen Verfahren, die das Verhältnis von Imagination und Evidenz sichtbar machen.
Kathrin Jaschke hat eine mustergültige wirtschaftsgeschichtliche Analyse des antiken Puteoli vorgelegt. Ziel der Studie ist es, das Wirtschaftsleben der Stadt zur Gänze darzustellen: „Die meist allgemein getroffene Aussage der außergewöhnlichen Bedeutung der Stadt soll detailliert beleuchtet werden“ (7). Hierfür stellt sie verschiedene Fragen: Inwieweit wurde die Wirtschaft Puteolis durch die Einführung der annona beeinflusst? Wie waren die Verbindungen zwischen dem privaten Handel und der stadtrömischen Getreideversorgung? Hat die annona-Einfuhr die anderen Wirtschafts- und Handelszweige verändert? Wie gestalteten sich die Handelsbeziehungen nach Westen und Osten? Welche Personengruppen partizipierten an dem Handel? Welche Güter wurden in der Stadt und im Umland produziert? ...
Das vorliegende Buch behandelt den Kleinhandel in der Stadt Rom und schließt damit eine Lücke in der Erforschung der antiken Wirtschaft. Wie Holleran in ihrer Einleitung mit Recht schreibt, hat die Forschung bisher den überregionalen Handel deutlich umfänglicher in den Blick genommen, während der „retail trade“, auch aufgrund der schwierigen Quellenlage, nur wenig bearbeitet worden ist (4f.)...
Wim Broekaert, der bereits durch mehrere Aufsätze die Erforschung der kaiserzeitlichen Wirtschaftsgeschichte bereichert hat1, hat nun seine umfängliche Dissertation zu Schiffern und Kaufleuten/Händlern im lateinischen Westen vorgelegt. Das Buch ist eine prosopographische Arbeit, die es sich – wie Broekaert in der Einleitung (S. 6-8) formuliert – zum Ziel setzt, die sozialökonomische Organisation des wirtschaftlichen Handels zu beleuchten. Zu Recht wird einleitend bemerkt, dass eine Zusammenstellung des inschriftlichen Materials, das Aussagen über die sozialen Verknüpfungen und Strukturen, die wirtschaftlichen Handlungen zugrundliegen, bisher nicht erfolgt ist. Prospographische Untersuchungen als Bestandteil der Forschungen zur antiken Wirtschaft wurden gleichfalls bisher nicht unternommen. Broekaerts Untersuchung, das darf vorab gesagt werden, zeigt jedoch eindringlich den Mehrwert und das Potenzial der Prosopographie für die Erforschung der antiken Wirtschaft...
Dorieus von Sparta und seine gescheiterten Expeditionen nach Libyen und Sizilien
haben aufgrund knapper Quellennachrichten in der Forschung nur wenig Beachtung
gefunden. Der ausführlichste und, wie bereits Benediktus Niese anmerkte, eigentlich
einzige antike Bericht findet sich im fünften Buch der Historien Herodots. Selbiger
kommt im siebten Buch (158 u. 205) nochmals kurz auf Dorieus zu sprechen und erwähnt
im neunten Buch (10) dessen Sohn Euryanax. Diodor und Pausanias bieten
kurze Erwähnungen, die auf Herodot basierend lediglich knappe zusätzliche Informationen
beinhalten und nur dank des Halikarnassiers zu kontextualisieren sind.
Dorieus’ Versuch, sowohl in Libyen, als auch auf Sizilien spartanische Apoikien
zu gründen, „hat sich die Forschung nie so recht erklären können.“ Dieser Beitrag
wird der schmalen Quellenüberlieferung ebenfalls keine gänzliche Erklärung abgewinnen
können. Aber es soll der Versuch unternommen werden, die beiden „Auswanderungsversuche“
mit der innenpolitischen Situation unter der Herrschaft des
Kleomenes I., des älteren Halbbruders des Dorieus, in Verbindung zu setzen bzw. die
Möglichkeit von Abhängigkeiten zu ergründen und dabei auf die herodoteische Gestaltung
der Dorieus-Episode einzugehen. Dorieus wird in Teilen der Forschung als
Oikist bezeichnet, der in Sparta selbst keine Aussicht auf politischen Aufstieg gehabt
und deshalb aus persönlicher Motivation heraus auswärtige Betätigungsfelder gesucht
habe. Worauf gründet sich jedoch die für Sparta, ganz besonders für einen spartanischen
Königssohn, untypische Motivation, in die Ferne zu ziehen – sogar wiederholt
ein solches Unterfangen zu wagen?
Bange zeigt mit seiner Studie zum römischen Kreditgeldwesen auf, dass bereits lange vor dem 13. Jahrhundert – so die ‚klassische‘ Einschätzung für das Aufkommen eines modernen Bankwesens – ein Kreditgeldsystem verwendet wurde, und unterstützt eine modernistische Deutung der römischen Wirtschaftsgeschichte. In der Einleitung (S. 14) wendet er sich gegen die negativen Ansichten von Moses I. Finley und steht dabei in mancher Weise in einer Tradition mit anderen geldwirtschaftlichen Forschungsbeiträgen, so etwa mit Sitta von Redens wichtiger Monographie "Money in Classical Antiquity", wobei die schematische bipolare Wahrnehmung primitivistischer oder modernistischer Ansätze an sich in weiten Teilen der aktuellen Wirtschaftsgeschichte als überholt anzusehen ist. Ferner beklagt Bange, dass gerade die numismatische Forschung eine lediglich verengte, letztlich in Übereinstimmung mit Finley vereinfachte "Geld gleich Münze"-Perspektive eingenommen hätte (S. 15). Diese Einschätzung, die sich auf die positivistische Material- bzw. Grundlagenarbeit der Numismatik fokussiert und mit einem Zitat aus Francesco de Martinos Klassiker "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom" (1991) unterlegt wird, erscheint als Kritik an numismatischen Beiträgen zur antiken Wirtschaftsgeschichte zu absolut und verallgemeinernd formuliert. ...
Nach einer erfolgten Stammzelltransplantion im Rahmen einer Leukämie sollte in regelmäßigen Abständen der hämatopoetische Chimärismus untersucht werden, da ansteigende autologe Anteile einem Rezidiv häufig voran gehen. [33, 35-37] Es wurde in den letzten Jahren beschrieben [50, 52, 54, 55, 81], dass Sequenzpolymorphismen (SPs) als hochempfindliche Marker für die Chimärismusanalyse fungieren können. Durch sie würde eine deutlich höhere Sensitivität erzielt werden, als mit der bisher verwendeten Methode, die Short Tandem Repeats als Marker zur Diskriminierung von Spender und Empfänger benutzt. Ziel dieser Arbeit war es, die Proben von Kindern, die nach einer ALL eine Stammzelltransplantation erhalten hatten, und die bereits mit der STR-Methode untersucht worden waren, mit der RT-PCR-Methode in Hinblick auf die in der Einleitung gestellten Fragen, erneut zu analysieren. Es ist in 96 % der Empfänger-/Spenderpaare möglich unter den 29 ausgewähltenten SPs mindestens einen geeigneten Marker zu finden und sicherlich wäre es möglich noch weitere Sequenz-Polymorphismen hinzu zu nehmen, falls die Informativität der 29 verwendeten nicht ausreichend ist. Es konnte in fast allen Experimenten eine Sensitivität von 0,1 % erreicht werden, mit zunehmender experimenteller Erfahrung immer zuverlässiger, so dass man inzwischen ein Experiment, bei dem diese Sensitivität nicht erreicht wird, wiederholen würde. Durch eine Vereinfachung der Methode mit einem optimierten Primerscreening, universellen Standardreihen und dem Einsatz von einer definierten Menge DNA-Lösung, die zumindest über einen weiten Bereich unabhängig ist von der enthaltenen Konzentration, lässt sich eine Laborroutine entwickeln, die ähnlich zeitaufwändig ist, wie der jetzige Goldstandard, die STR-Methode. Allerdings ist die RT-PCR-Methode derzeit noch deutlich teurer. In dieser Arbeit zeigt sich, dass die Real-Time PCR mit Sequenz Polymorphismen als genetische Marker eine sehr sensitive Methode zur Erfassung autologer Anteile darstellt und in der praktischen Anwendbarkeit mit der bisherigen PCR-Methode mit Short Tandem Repeats zur Differenzierung vergleichbar ist. Häufig lassen sich autologe Signale früher detektieren. Dadurch werden auch mehr Patienten als gefährdet eingestuft. Vor allem Patienten, die zweimal oder öfter in Folge einen gemischten Chimärismus von größer als 0,5 % aufweisen (und sich nicht in der Phase eines abnehmenden Chimärismus befinden) müssen genau beobachtet und engmaschig kontrolliert werden. Bei einer ansteigenden Dynamik ist es häufig sinnvoll, eine Immuntherapie einzuleiten. Nur bei zwei unserer Patienten verschwanden die autologen Signale von alleine wieder. Bei 50 % der Rezidivpatienten und bei 2 der 3 Patienten, die abgestoßen haben, sieht man mit der RT-PCR-Methode früher autologe Signale. Es wäre jetzt in einem nächsten Schritt nötig, bei einem ausreichend großen Patientenkollektiv beide Methoden parallel in einer prospektiven Studie miteinander zu vergleichen.
Leonard Reinecke ist Professor für Medienwirkung und Medienpsychologie am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. In seiner aktuellen Forschung widmet er sich insbesondere den Themenkomplexen Online-Kommunikation, der Rezeption und Wirkung neuer Medien und der empirischen Unterhaltungsforschung.
Die Kenntnis der molekularen und physiologischen Mechanismen von Parasitoid-Wirt-Interaktionen ist eine wichtige Voraussetzung für die Auswahl geeigneter, an den Zielorganismus angepasster Parasitoiden-Stämme und damit für den erfolgreichen Einsatz von Nutzarthropoden in biologischen Pflanzenschutzprogrammen. Insbesondere bei endoparasitischer Entwicklung sind die Larven dieser Insekten unterschiedlichen Abwehrreaktionen von Seiten ihres Wirtes ausgesetzt, gegen die sie im Prozess einer Koevolution spezifische Anpassungen entwickelt haben. Die an vorratsschädigenden Lepidopteren als Solitärparasitoid auftretende Schlupfwespe Venturia canescens (GRAV.) (Hymenoptera: chneumonidae) injiziert als passiven Schutzmechanismus gegen die Immunabwehr des Wirtes zusammen mit dem Ei ein Sekret aus den Calyxdrüsen der weiblichen Ovarien in den Wirt. Dieses Sekret enthält so genannte Virus-ähnliche Partikel (virus-like particles, VLPs), die an der Eioberfläche anhaften und eine Einkapselung des Eis durch Hämozyten des Wirtes verhindern. Der Terminus „Virus-ähnlich“ bezeichnet dabei solche Partikel, die keine eigenen Nukleinsäuren enthalten – dies steht im Genesatz zu den bei anderen parasitoiden Wespen auftretenden Virus-Partikeln, deren DNA aus mehreren zirkulären DNA-Molekülen besteht und die der Virus-Familie der „Polydnaviridae“ zugeordnet werden (FLEMING 1992). Bei V. canescens umfassen die VLPs (VcVLPs) vier Proteine mit einer Größe von 35, 40, 52 und 60 kDa, sowie einige schwächer ausgeprägte Proteine im Molekulargewichtsbereich von 80 – 100 kDa (Abb. 1). Drei der V. canescens Gene, die für das 40, 52 und ein 94 kDa großes VLP Protein kodieren, wurden bislang kloniert und molekular analysiert (THEOPOLD et al. 1994; REINEKE et al. 2002; ASGARI et al. 2002).
Die vorliegende Arbeit hat aus verschiedenen Perspektiven untersucht, wie Janet Frame das Genre der Autobiographie verwendet, um einerseits mit ihrer eigenen Sicht den einengenden Darstellungen ihrer selbst und vor allem ihres Gesundheitszustandes entgegenzutreten und andererseits ihre Position als anerkannte neuseeländische Schriftstellerin festzuschreiben. Es ist dargestellt worden, wie erfolgreich diese Um-Schreibung gewesen ist. Wurde vor "An Autobiography" Frames Schizophrenie noch als allbekannte Tatsache betrachtet, so zeigen spätere Artikel, daß die in der Autobiographie vertretene These von der Fehldiagnose allgemein übernommen worden ist. Zwar bleibt auch ein von uns genommenes Stigma weiterhin Teil unserer Identität, weshalb auch nach der Autobiographie noch häufig Bezug auf ihre (vermeintliche) Krankheit genommen wird: "But then, they used to think she was mad […] And so here she is still; alive, sane, taxed, remarkable." Aber es gelingt Frame, eine Persona 'Janet Frame' aufzubauen, hinter der sich ihr privates Selbst 'Janet Clutha' freier bewegen kann....
In Georg Büchners Jubiläumsjahr seines 200. Geburtstages sind die 1824-1826 in juristischen Fachzeitschriften publizierten, inzwischen längst vergessenen Gutachten von Georg Büchners Vater Ernst erneut unter dem Titel "Versuchter Selbstmord mit Stecknadeln" veröffentlicht worden. Die depressive Patientin des titelgebenden Berichts gab an, zunächst 30 und später dann 300 Stecknadeln in suizidaler Absicht verschluckt und unbeeinträchtigt wieder ausgeschieden zu haben. Ernst Büchner hielt das nicht für glaubhaft; zur experimentellen Überprüfung schaffte er einen großen Dachshund an, dem er Stecknadeln ins Futter mischte, um ihn dann zu töten, den Bauchraum zu eröffnen und die erhöhte Peristaltik des Darms zu beobachten [...]. Am 18. Dezember 1836 hatte der Vater die Übersendung eines Buchpaketes angekündigt, das auch Exemplare dieses Gutachtens enthielt; der inzwischen in theoretischer Medizin habilitierte Sohn sollte sie exemplarisch mit seinen Studenten in Zürich durchgehen. Georg Büchner, der seinem Woyzeck-Drama, mit dem er zu dieser Zeit intensiv beschäftigt war, medizinisch-psychiatrische Gutachten des Falles Woyzeck – u.a. von Johann Christian August Clarus - zugrundelegte, war durch die Sendung seines Vaters "[k]urz vor seinem Tod [...] noch einmal mit dem absurden Schrecken konfrontiert, der vom Nadelexperiment ausgeht. Woyzecks mörderische Erbsen-Diät ist mit diesem grotesken und in der sinnlosen Summierung der verschluckten und ausgeschiedenen Nadeln durchaus komischen Experiment wahrlich verwandt." Der Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags wird jedoch nicht auf dem Vergleich des juristisch-moralischen Ansatzes des Vaters und des Sohnes bei der Beurteilung der zugrundliegenden Fallgeschichten liegen, sondern auf der grundsätzlichen Struktur einer Subjektivierung durch Disziplinierung, durch Strategien des Überwachens und Strafens, die Georg Büchner als grundsätzliche sozialpolitische, psychologische und moralische Erkenntnis diesen Fallgeschichten abgewinnt, um sie in eine dramatische Form zu überführen.
In der vorliegenden Arbeit wurden die verfügbaren Daten aller 887 Bruten der Weißstorch-Population Oberschwabens von 1948 bis 2004 ausgewertet. Wie in einigen anderen mitteleuropäischen Brutgebieten ging der Bestand des Weißstorchs auch in Oberschwaben (Südwürttemberg) seit Beginn der systematischen jährlichen Bestandserfassungen Ende der 1940er Jahre signifikant zurück. Der Rückgang betraf sowohl den Brutbestand als auch die Nichtbrüter. Der Anstieg des Brutbestands seit Mitte der 1980er Jahre ist ausschließlich auf Bestandsstützungen durch Auswilderung handaufgezogener Störche – sowohl im Brutgebiet Oberschwaben als auch in benachbarten Regionen – zurück zu führen. Erst in den letzten Jahren nimmt der Wildstorch- Brutbestand zu. Seit Mitte der 1960er Jahre fiel auch der Bruterfolg dramatisch ab, ein besonders drastischer Abfall ist seit Anfang der 1980er Jahre zu beobachten. Die Ursachen des Bruterfolg-Rückgangs sind überwiegend im Brutgebiet zu suchen. Er kann jedoch weder mit Veränderungen von Witterungsparametern, noch mit Veränderungen in der Gelegegröße bzw. des Schlupferfolges begründet werden. Auch Bruterfahrung, Altersstruktur und Brutbeginn spielen keine maßgebliche Rolle. Während für die Abnahme des Bruterfolgs Mitte der 1960er Jahre Nahrungsengpässe entscheidend waren, geht der erneute Abfall Anfang der 1980er Jahre maßgeblich auf die Ansiedlung der Projektstörche zurück. Es wird nachgewiesen, dass die während der Brutzeit nicht zugefütterten überwinternden Projektstörche (einschließlich der von ihnen abstammenden Überwinterer) einen signifikant schlechteren Bruterfolg als die ziehenden Wildstörche haben: Wildpaare hatten in Oberschwaben im Zeitraum 1981-2004 einen durchschnittlichen Bruterfolg von 1,86 ausfliegenden Jungen pro Brutpaar, während Projektpaare nur durchschnittlich 1,29 Junge zum Ausfliegen brachten; bei den Mischpaaren entscheidet der Status des Männchens. Entgegen oft geäußerter Annahmen ist die frühe Brut der überwinternden Störche für die Jungenaufzucht nicht von Nachteil. Allerdings gibt es Hinweise auf eine mangelnde Fähigkeit der Projektstörche, Nahrung zu beschaffen. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Gesamtpopulation bestätigen sich in Oberschwaben viele Bedenken der Kritiker von Auswilderungsprojekten, ausführlich diskutiert werden Ursachen des mangelnden Zugtriebs bei einem Teil der Nachkommen.
Analyse des starken Bestandsrückgangs beim Waldlaubsänger Phylloscopus sibilatrix im Bodenseegebiet
(2009)
In der Brutsaison 2003 wurden in 29 besetzten Revieren und
13 in früheren Jahren besetzten Revieren („verwaiste Reviere")
des Waldlaubsängers Vegetationsparameter der Kraut-,
Strauch- und Baumschicht erhoben, und der Bruterfolg von
zehn Brutpaaren kontrolliert. In zehn Revieren verpaarter
Männchen und zehn verwaisten Revieren wurde das Nahrungsangebot
abgeschätzt und Ellenbergsche Zeigerwerte
berechnet. Für den Waldlaubsänger wurde hiermit erstmals
ein Vergleich von besetzten und verwaisten Revieren durchgeführt,
um Einblicke in die Eignung der rezenten Lebensräume
als Bruthabitat zu bekommen.
Der festgestellte Bruterfolg (50 %) liegt im Rahmen entsprechender
Daten aus der Literatur. Auffällig ist die hohe Anzahl
unverpaarter Männchen (63 %). Es brütet nur ein kleiner Teil
der Population, und von diesen Bruten ist nur die Hälfte erfolgreich.
Der hohe Anteil unverpaarter Männchen ist möglicherweise
ein Hinweis darauf, dass die Habitate des Waldlaubsängers
im Untersuchungsgebiet fragmentiert sind.
Hinweise darauf, dass erhöhte Prädation an den Bestandsrückgängen
beteiligt ist, ergaben sich nicht.
Im Vergleich von besetzten und verwaisten Revieren des
Waldlaubsängers ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich
Nahrungsverfügbarkeit zur Nestlingszeit und am Neststandort.
Dies legt nahe, dass diese Faktoren nicht an den Bestandsrückgängen
im Untersuchungsgebiet beteiligt sind. Unterschiede
in besetzten und verwaisten Revieren ergaben sich in
strukturellen Parametern der Baumschicht. Verwaiste Reviere
haben einen älteren Baumbestand und wichtige strukturelle
Elemente, z. B. die Beastung von Bäumen unter 4 m, sind
dort in geringerem Ausmaß vorhanden. Da das Flächendurchschnittsalter
der Waldbestände in Deutschland und Mitteleuropa
höher wird, ist denkbar, dass sich die Habitatqualität
für den Waldlaubsänger weiter verschlechtert. Zur Zeit finden
aber vermutlich eher Verschiebungen innerhalb von Baumaltersklassen
statt, die noch für den Waldlaubsänger geeignet
sind. In Revieren verpaarter Männchen wurde öfter eine zusammenhängende
Grasfläche und mehr einzelne Grasbüschel
festgestellt als in Revieren unverpaarter Männchen und in
verwaisten Revieren. Sie sind im Zusammenhang mit dem
Neststandort wichtig und es ist denkbar, dass es an geeigneten
Nistplatzmöglichkeiten mangelt.
Die Bestandsrückgänge des Waldlaubsängers sind eine überregionale
Entwicklung und treffen zumindest auf das südliche
und westliche Mitteleuropa zu. Das Ausmaß des Bestandsrückganges
im Untersuchungsgebiet innerhalb von 20 Jahren
(Rückgang um 87 %) legt den Schluss nahe, dass neben der
Fragmentierung und Verschlechterung der Bruthabitate Ursachen
außerhalb des Untersuchungsgebietes in erheblichem
Maße an dem Populationsrückgang beteiligt sind. Am wahrscheinlichsten
sind Veränderungen in Rast- oder Überwinterungsquartieren
und/oder ein großräumiger Wandel im
Verbreitungsareal infolge klimatischer Veränderungen.
In der vorliegenden Untersuchung wurden Populationen der Gattung Corbicula im Rhein mit Individuen aus der Mosel, der Weser sowie aus Frankreich, Spanien, Nordamerika und dem Nahen und Fernen Osten sowohl mit genetischen als auch morphologischen Methoden untersucht. Aus diesen Daten sollte ermittelt werden, wie viele Taxa bei der rezenten Besiedelung Europas auftraten und welche Migrationsrouten hierbei nachgewiesen werden konnten. Es konnte gezeigt werden, dass im Rhein zwei hybridisierende genetische Linien auftraten, wobei keine Rückkreuzung mit den Eltern nachgewiesen werden konnte. Die Hybride waren morphologisch nicht zu unterscheiden. Hinweise auf einen unterschiedlichen Chromosomensatz dieser Linien bzw. eine Polyploidie konnte nicht gefunden werden. In der Rhone wurde eine weitere Linie entdeckt. Eine der genetischen Linien im Rhein konnte im Vergleich zu Individuen aus Fernost als C. fluminea identifiziert werden. Die Herkunft der beiden Linien aus Rhein und Rhone blieb unklar, da sie nicht Individuen aus Israel oder Nordamerika zugeordnet werden konnten. Eine Polytomie der MP- und ML-Analysen war nicht auf einen zu geringen Datensatz zurückzuführen, vielmehr konnte gezeigt werden, dass Corbicula im Pleistozän eine Radiation durchief. Schalenmorphologisch konnten die genetischen Linien aus dem Rhein nicht durchgehend den zwei auftretenden Morphen zugeordnet werden. Gleichzeitig schienen diese Individuen die Extreme einer weltweiten Variabilität der Schalenform darzustellen. Ein morphologischer Vergleich von Schalen aus der Sammlung Senckenberg zeigte keine Unterschiede zwischen Individuen, die als C. fluminalis und C. fluminea bezeichnet waren. Vielmehr scheint die Schalenform nicht genügend conchologischen Merkmale zu besitzen, um die genetischen Linien zu unterscheiden. Die Besiedelung Europas durch die Körbchenmuschel erfolgte mehrfach unabhängig in verschiedenen Flusssystemen Südwest- und Mitteleuropas Anfang der 1980er Jahre. Auf- grund der hier nachgewiesenen Isolationswirkung von Stauwehren der Bundeswasserstrassen auf Makroinvertebraten und der Ergebnisse der DAF-Fingerprints von Corbicula- Populationen wurde die Mosel vermutlich von Frankreich aus besiedelt.
In dem Entwurf einer European Strategy on Invasive Alien Species T-PVS (2002) 8 werden verstärkte Forschungsaktivitäten der Mitgliedstaaten angeregt, die nicht nur auf den biologischen Bereich oder Bekämpfung invasiver Arten beschränkt bleiben, sondern auch die Bewertung der Auswirkungen auf Gesundheitswesen und Volkswirtschaft untersuchen sollen. Derartige Studien wurden bisher nur für die Vereinigten Staaten von Amerika oder mit eher regionalen Charakter durchgeführt. Aus diesem Grunde wurden 20 Tiere und Pflanzen aus verschiedenen Problemgebieten (Gesundheitsgefährdende Arten, Schäden in Forst-, Land-, und Fischereiwirtschaft, im kommunalen Bereich, an aquatischen und terrestrischen Verkehrswegen sowie Kosten von Arten, die einheimische Spezies gefährden oder in der Empfehlung 77 der Berner Konvention aufgeführt sind) ausgewählt und beispielhaft für das Gebiet Deutschlands bearbeitet. Die entstehenden Kosten wurden in drei Kategorien aufgeschlüsselt: a) direkte ökonomische Schäden, beispielsweise durch Vorratsschädlinge, b) ökologische Schäden, verursacht durch Pflege und Schutz gefährdeter heimischer Arten, Biozönosen oder Ökosysteme und c) Kosten für Maßnahmen zur Bekämpfung invasiver Arten. Es zeigte sich, dass auf Grund der Datenlage sowie der unterschiedlichen Biologie und Ökologie der invasiven Arten jeweils individuelle Ansätze notwendig waren. Die hier ermittelten Kosten unterscheiden sich stark von Art zu Art. Nicht alle untersuchten Arten verursachen ökonomische Schäden. Eine differenzierte Betrachtung von Neobiota ist nach dem Prinzip der Einzelfallbewertung erforderlich. Die Monetisierung von ökologischen Schäden gelang hierbei nur in wenigen Fällen. Weitergehende, mehrjährige Studien sollten willingness to pay-Analysen einbeziehen, um offen gebliebene Fragen zu beantworten.
Prometheus und die Folgen
(2004)
Was Goethe als irritierter Beobachter des historischen Prozesses – für ihn bekanntlich »das schrecklichste aller Ereignisse« – unternommen hat, lief auf Versuche hinaus, dieses Politikschicksal zu »gewältigen«, in der Naturwissenschaft und – mit inneren Sperren zunächst – in der Dichtung. Ein solcher Bewältigungsversuch soll hier näher besichtigt werden, eingebunden in einen literarischen Dialog mit Schiller: die Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten (1794/95), Goethes erster bedeutender Beitrag zu den Horen, über den durch die neuere Forschung Erstaunliches in Umlauf gesetzt worden ist.