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Einleitung: Das Pseudoaneurysma (PSA) stellt eine der häufigsten Komplikationen nach arteriellen Punktionen dar. Dabei unterscheiden sich die Komplikationsraten kathetergestützter Verfahren bei diagnostischen Eingriffen deutlich von jenen bei therapeutischen Eingriffen. Zur Behandlung des Pseudoaneurysmas steht eine große Bandbreite an Therapieoptionen zur Verfügung, unter anderem die ultraschallgestützte Thrombininjektion (TI) sowie die Therapie mittels konventionellem Druckverband (DV). Jedoch werden venöse Thrombosen nach der Behandlung des Pseudoaneurysmas beschrieben. Der Einfluss von Antikoagulantien (AK) und Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) sowohl auf die Erfolgsraten der Pseudoaneurysmatherapie als auch die anschließende Entstehung venöser Thrombosen wurde bisher noch nicht analysiert.
Fragestellung: Die Effektivität des Druckverbands und der Thrombininjektion bei Patienten mit Pseudoaneurysma und damit assoziierten venösen Thrombosen wurde geprüft. Außerdem wurden die Auswirkungen von Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmern auf die Erfolgsraten der Pseudoaneurysmatherapie und die damit assoziierten venösen Thrombosen untersucht.
Methoden: Es wurden von Januar 2010 bis Dezember 2018 insgesamt 468 Patienten mit Pseudoaneurysma untersucht, wovon 238 Patienten in die retrospektive Studie eingeschlossen wurden. Die Behandlung des Pseudoaneurysmas erfolgte mittels Thrombininjektion oder Druckverband. Nach Ablauf von 24 Stunden wurde der Therapieerfolg sonographisch kontrolliert, wobei auch auf das Neuauftreten venöser Beinvenenthrombosen geachtet wurde. Bei allen Patienten wurde die Medikation mit Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmern zum Zeitpunkt der Pseudoaneurysmatherapie erhoben.
Ergebnisse: Die Thrombininjektion war dem Druckverband sowohl hinsichtlich des größeren Therapieerfolgs (TI 86% vs. DV 52%, p<0,001) als auch der geringeren Thromboseinzidenz (TI 7,7% vs. DV 21,3%, p=0,039) signifikant überlegen.
Insgesamt erlitten 40 der 238 Patienten eine neu aufgetretene venöse Thrombose der unteren Extremität. Auch bei Betrachtung des Einflusses von Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmern erwies sich die 5 Thrombininjektion als dem Druckverband signifikant überlegen. Jedoch wurde bei der Thrombininjektion eine um 18% niedrigere Erfolgsrate unter Antikoagulation festgestellt (TIoAK 97% vs. TImAK 79%, p=0,22), wohingegen bei Druckverbandanlage unter Antikoagulation die Erfolgsrate nur um 6% geringer war (DVoAK 57% vs. DVmAK 51%, p=0,38). In Bezug auf die Thromboseraten nach Thrombininjektion bzw. Druckverband unter Antikoagulation oder Thrombozytenaggregationshemmern konnten keine signifikanten Unterschiede beobachtet werden.
Fazit: Es konnte nachgewiesen werden, dass die Thrombininjektion eine sichere Methode zur Behandlung des Pseudoaneurysmas darstellt und nach Ansicht der Autoren, bei vorhandener Expertise, primär angewandt werden sollte.
Denn die Thrombininjektion ist dem Druckverband in Bezug auf Erfolgs- und Thromboseraten signifikant überlegen. Antikoagulantien beeinträchtigen den Erfolg der Thrombininjektion stärker als den des Druckverbands, weshalb bei Notwendigkeit einer Pseudoaneurysmatherapie die Pausierung der Antikoagulantien im Rahmen einer patientenspezifischen Risiko-Nutzen-Abwägung in Betracht gezogen werden sollte.
Hintergrund: Die kardiale Magnetresonanztomographie (CMR) gilt als Referenzstandard für die Beurteilung der linksventrikulären Funktion und des Volumens des linken Ventrikels (LV). Neuartige Echtzeittechniken versprechen eine schnelle Bildgebung bei freier Atmung mit ähnlicher Qualität. Ziel dieser Studie war es, die Genauigkeit der standardmäßigen Steady-State-Free-Precession (SSFP)-Cine-Bildgebung bei angehaltenem Atem mit der gleichen Sequenz unter Verwendung von drei Signalmittelungen, während freier Atmung sowie mit einer Compressed-Sensing (Cs)- Echtzeittechnik während der freien Atmung zur Beurteilung von LV-Volumen und Masse zu vergleichen.
Methoden: 24 Probanden wurden mit einer Standard-SSFP-Technik bei angehaltenem Atem (BH), mit derselben Technik bei freier Atmung unter Verwendung von drei durchschnittlichen Herzzyklen (SA-FB) sowie mit einem CS-Echtzeitprotokoll bei freier Atmung (CS-FB) untersucht. Verglichen wurden die Erfassungsdauer, die Genauigkeit sowie die Inter- und Intraobserver-Variabilität von LV-Funktion, Volumen und Masse.
Ergebnisse: Die Echtzeit-Bildgebung war erheblich schneller als die freie Atmung mit drei Signalmittelwerten (p<0.001). Die Korrelation zwischen dem Referenzstandard (BH) und den beiden anderen Techniken war ausgezeichnet mit einem r2 für SA-FB vs. BH zwischen 0.74 - 0.89 und einem r2 für CS-FB vs. BH zwischen 0.81 und 0.94. SA-FB ergab mittlere Fehler zwischen 5.9% und 15% für verschiedene LV-Parameter, während CS-FB zu mittleren Fehlern von 6.5%bis 13% führte. Die Inter- und Intraobserver-Variabilität war bei der Echtzeit-Bildgebung ausgezeichnet und bei der SSFP-Bildgebung (SA-FB und BH) gut.
Schlussfolgerung: Sowohl ein Standardprotokoll mit 3 Signalmittelungen, während der freien Atmung als auch die Compressed Sensing liefern genaue und reproduzierbare Messungen des LV, während die Echtzeit-Bildgebung wesentlich schneller ist.
Ziel dieser Arbeit ist die Identifikation des Einflusses klassischer Labormaterialien und alternativer Experimentiermaterialien auf fachdidaktische Anforderungen an ein gelungenes Experiment im Chemieunterricht. Dabei umfassen alternative Experimentiermaterialien sowohl Materialien aus der alltäglichen Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern als auch Materialien aus dem Bereich der Medizintechnik, die anstelle von Materialien des gängigen Laborbetriebs im Chemieunterricht eingesetzt werden. Um den Einfluss des Experimentiermaterials auf entsprechende Anforderungen untersuchen zu können, wurden im Rahmen eines Mixed-Method-Designs zwei aufeinander aufbauende Studien durchgeführt. Bei Studie I handelt es sich um eine qualitative Interviewstudie unter N = 13 Chemielehrkräften, mit denen vor dem theoretischen Hintergrund fachdidaktischer Anforderungen an ein gelungenes Schulexperiment problemorientierte, leit-fadengestützte Interviews zu Vor- und Nachteilen beim Einsatz alternativer Experimentiermaterialien und klassischer Labormaterialien im Chemieunterricht geführt wurden. Anhand des gewonnenen Interviewmaterials wurden anschließend zunächst Eigenschaften identifiziert, in denen sich beide Materialpools voneinander unterscheiden, um davon ausgehend ein Kategoriensystem aufstellen zu können, das in Form einer Matrix den Einfluss dieser Materialeigenschaften auf organisatorische, experimentelle und affektive Anforderungen an ein Schulexperiment im Chemieunterricht darstellt. Dabei konnte in Bezug auf organisatorische Anforderungen insbesondere ein Einfluss des Experimentiermaterials auf zeitliche und finanzielle Rahmenbedingungen sowie auf Anforderungen zur Sicherheit beim Experimentieren im Chemieunterricht festgestellt werden. Ergebnisse zum Einfluss des Experimentiermaterials auf affektive und experimentelle Anforderungen an ein Schulexperiment wurden wiederum genutzt, um anschließend Hypothesen zum Einfluss des Experimentiermaterials auf entsprechende Anforderungen an gelungene Experimente im Chemieunterricht zu generieren, dabei an gelungene Schülerexperimente im Speziellen. Diese Hypothesen wurden in einer zweiten Studie quantitativ getestet. Innerhalb eines experimentellen Untersuchungsdesigns führten dazu insgesamt N = 293 Schülerinnen und Schüler eines von insgesamt fünf betrachteten Schülerexperimenten mit jeweils klassischem Labormaterial oder in einer jeweiligen Variante aus alternativem Experimentiermaterial durch. Im Anschluss beurteilten N = 237 Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer Fragebogenerhebung ihre subjektive Wahrnehmung der Experimentiersituation bezüglich der Variablen Grad der Herausforderung, Beobachtbarkeit, Autonomieerleben, Anspannung/ Druck, Kompetenzerleben und Interesse/ Vergnügen. Mit Ausnahme des Kompetenzerlebens und der Beobachtbarkeit konnte zu allen betrachteten Variablen ein signifikanter Einfluss des Experimentiermaterials festgestellt werden. Um diese Ergebnisse der Hypothesentests näher beschreiben und differenzierter erläutern zu können, beantworteten die 237 Schülerinnen und Schüler zusätzlich offene Fragen zu den von ihnen verwendeten Experimentiermaterialien; mit N = 56 weiteren Schülerinnen und Schülern wurden aus diesem Grund außerdem leitfadengestützte Gruppeninterviews geführt. Um folglich auch aus Schülerperspektive möglichst allgemeingültige Einflüsse beider Materialpools auf fachdidaktische Anforderungen an ein gelungenes Schulexperiment zusammenfassen zu können, werden die Ergebnisse dieser qualitativen Datenerhebung ebenfalls in Form einer entsprechenden Matrix dargestellt und dabei von den konkret durchgeführten Experimenten abstrahiert. Neben dem bereits genannten Einfluss des Experimentiermaterials auf den von Schülerinnen und Schülern wahrgenommenen Grad der Herausforderung, das wahrgenommene Autonomieerleben, die/ den wahrgenommene/n Anspannung/ Druck beim Experimentieren sowie das wahrgenommene Interesse/ Vergnügen an der Experimentiersituation konnte dadurch insbesondere ein Materialeinfluss auf die Durchschaubarkeit eines Versuchsaufbaus und deren einzelner Bestandteile sowie auf die wahrgenommene Authentizität einer Experimentiersituation identifiziert werden. Dadurch zeigt die Gesamtuntersuchung auf theoretischer Ebene die Bedeutsamkeit des konkreten Experimentiermaterials als Qualitätsmerkmal des Chemieunterrichts und gibt Lehrkräften auf unterrichtspraktischer Ebene einen Überblick zu Potentialen und Grenzen alternativer Experimentiermaterialien im Vergleich zu etabliertem klassischem Labormaterial.
Die kongenitale Zytomegalievirus Infektion (cCMV-Infektion) ist die häufigste kongenitale Infektionskrankheit weltweit und ist der häufigste Grund für angeborene nicht-genetische Hörstörungen und eine häufige Ursache neurologische Entwicklungsstörungen. Die Inzidenz der cCMV-Infektion liegt in Deutschland zwischen 0,2 % – 0,5 %. Bei retroviral-exponierten Neugeborenen wird die Inzidenz mit 2,7 % – 11,4 % angegeben. Mit der erhöhten Inzidenz der cCMV-Infektion bei retroviral-exponierten Neugeborenen ergibt sich für diese Kinder ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Langzeitfolgen. Die genaue Inzidenz der cCMV-Infektion variiert je nach untersuchter Population. Für Deutschland existiert eine retrospektive Studie, welche eine Inzidenz von 2,7 % für cCMV-Infektionen bei retroviral-exponierten Neugeborenen ermittelte. In der vorliegenden Studie wurde diese Inzidenz in einem prospektiven multizentrischem Studiendesign in Deutschland ermittelt.
Zur Ermittlung der Inzidenz der cCMV-Infektion bei retroviral-exponierten Neugeborenen und Beurteilung der Umsetzbarkeit eines cCMV-Neugeborenen-Screenings wurde ein selektives cCMV-Neugeborenen-Screening für retroviral-exponierte Neugeborene mittels PCR-Untersuchung auf CMV aus einem Mundschleimhautabstrich innerhalb der ersten 21 Lebenstage an drei Studienstandorten innerhalb Deutschlands, Mannheim, München und Frankfurt am Main, durchgeführt. Bei positivem Ergebnis der PCR auf CMV-DNA erfolgte eine Bestätigungsdiagnostik mittels erweiterter Urin- und Blutuntersuchung auf CMV. Zur Diagnostik von cCMV-assoziierten Symptomen erfolgte eine Sonographie des Abdomens und des Schädels sowie eine ausführliche körperliche Untersuchung, eine augenärztliche Evaluation und erweiterte Testungen der Gehörfunktion. Nachuntersuchungen und Therapien wurden den betroffenen Familien außerhalb der Studie angeboten.
122 / 184 (66,3 %) HIV-exponierte Neugeborene von 111 Müttern wurden im Studienzeitraum zwischen dem 24.11.2017 und dem 31.03.2021 eingeschlossen. Eine cCMV-Infektion wurde bei einem Neugeborenen nachgewiesen, sodass die Inzidenz der cCMV-Infektion bei retroviral-exponierten Neugeborenen in dieser Studie 0,8 % beträgt. Eine HIV-Mutter-Kind-Transmission wurde nicht detektiert. Die Seroprävalenz für CMV bei den HIV-positiven Frauen lag in diesem Kollektiv bei 96,1 %.
Das Neugeborene mit nachgewiesener cCMV-Infektion zeigte eine zerebrale Beteiligung mit ependymalen Zysten und einer thalamostriatalen Vaskulopathie und erhielt außerhalb der Studie eine zeitgerechte antivirale Therapie mit Beginn in der Neonatalper-ode. Im Verlauf zeigten sich trotz der antiviralen Therapie Entwicklungsstörungen mit autistischen Verhaltensweisen. Die cCMV-Infektion wäre ohne ein routinemäßiges Screening mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nachgewiesen worden.
Die frühzeitige Untersuchung der Probanden auf eine cCMV-Infektion hat sich in dieser Studie als vorteilhaft gezeigt, da bei Nachweis einer cCMV-Infektion zeitnah weiterführende Diagnostik und Therapien angeboten werden konnten. Auch die relativ große Anzahl an rekrutierten retroviral-exponierten Neugeborenen im prospektiven Studiendesign in Zusammenarbeit mit mehreren Studienzentren in Deutschland spricht für die Validität dieser Studie. Als Limitation ist zu nennen, dass ein statistisch signifikantes Ergebnis nicht erzielt werden konnte. Aufgrund der Corona-Pandemie kam es organisationbedingt zu einer relativ hohen Anzahl an nicht eingeschlossenen Patienten. Auch die geplante Rekrutierung einer Vergleichsgruppe in Südafrika konnte aufgrund der Pandemie nicht umgesetzt werden. Falsch negative Befunde wurden im Sinne der Familie nicht mittels Goldstandardmethode überprüft, sodass eine Unterschätzung der Rate an cCMV-Infektionen möglich ist.
Insgesamt konnte diese Studie neben der Ermittlung der cCMV-Inzidenz bei retroviral-exponierten Neugeborenen in Deutschland von 0,8 % aufgezeigt werden, dass selbst symptomatische cCMV-Infektionen ohne ein systematisches cCMV-Neugeborenen-Screening nicht sicher nachgewiesen werden konnte. Zudem konnte gezeigt werden, dass ein systematisches cCMV-Neugeborenen-Screening mittels Mundschleimhautabstrich in Deutschland praktikabel ist und bei den Sorgeberechtigten Akzeptanz findet. Den erhobenen Daten zur Folge könnte ein Screening aller Neugeborener oder zumindest ein risikoadaptiertes Screening auf das Vorliegen einer cCMV-Infektion dazu beitragen, dass mehr Kinder mit asymptomatischer oder unentdeckter symptomatischer cCMV-Infektion diagnostiziert werden und so eine entsprechende Behandlung ermöglicht sowie ggf. Langzeitfolgen möglichst verringert werden.
Weitere Studien zum Effekt der verfügbaren antiviralen Therapie bei cCMV-Infektionen und regelmäßiger Kontrolluntersuchungen nach stattgehabter cCMV-Infektion sind zu empfehlen, um die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den Krankheitsverlauf zu evaluieren.
S100A12 ist ein Entzündungsmarker, der inflammatorische Prozesse präzise anzeigt. Entzündungsprozesse mit erhöhten S100A12 Konzentrationen spielen vor allem bei Autoimmunerkrankungen wie der der rheumatischen Arthritis (RA), autoinflammatorischen Erkrankungen wie der juvenilen idiopathische Arthritis (JIA) oder weiteren Erkrankungen wie dem familiären Mittelmeerfieber (FMF) eine wichtige Rolle. Das S100A12 Protein besitzt drei verschiedene Konformationen: das Dimer, das Tetramer und das Hexamer. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werde, dass das Hexamer an proinflammatorische Rezeptoren wie dem Toll-like Rezeptor-4 (TLR-4) und dem „receptor for the advanced glycation end products“ (RAGE) bindet und so die Produktion von weiteren Entzündungsmediatoren stimuliert. Daher besitzt die S100A12 Hexamerkonformation eine entscheidende Rolle in Entzündungsprozessen. Das Ziel bestand somit in der Selektion von Peptiden oder „single chain variable fragment“ (scFv)-Konstrukten, die exklusiv an die hexamere Konformation von S100A12 binden.
Mittels Biopanning von Peptid- und scFv-Phagen Bibliotheken konnten Peptide und scFvs selektiert werden. Die selektierten Peptide und die selektierten scFvs wurden in ELISAs weiter auf ihre Bindungseigenschaften charakterisiert. Durch Umklonierung in einen Fc-Konstrukt Vektor konnten die scFvs als vollständige scFv-Fc-Konstrukte exprimiert werden. Die Bindung der selektierten Peptide bestätigte sich als Biotin-Fusion im anschließenden ELISA. Es zeigte sich eine sehr hohe Bindungsspezifität der Peptide und der produzierten scFv-Fc-Konstrukte an das S100A12 Hexamer.
Mit den selektierten Liganden ist es gelungen einen Test zu entwickeln: an Streptavidin immobilisierte Peptide binden spezifisch das S100A12 Hexamer aus dem Testmedium und mittels selektiertem scFv-Fc-Konstrukten lassen sich die gebundenen S100A12 Proteine detektieren. Ein Detektionsantikörper ermöglichte die Visualisierung der gebundenen scFv-Fc-Konstrukte mittels Farbreaktion. Das S100A12 Hexamer konnte durch den Testaufbau auch im Plasma spezifisch detekiert werden.
Dieser Test könnte es ermöglichen, die exakte Diagnose und vor allem das Überwachung von Patienten mit steigenden Entzündungsmarkern, wie im Rahmen der autoinflammtorischen Erkrankung JIA oder einer Erkrankung wie dem FMF, zu verbessern. Mit einem verbessertem Krankheitsmonitoring könnte ebenfalls die Therapie im frühen Stadium optimiert werden.
Zusätzlich könnte ein mögliches therapeutische Potential der S100A12 Hexamer Liganden getestet werden. Sollten die hexamerspezifischen Liganden die Interaktion von S100A12 mit ihren Rezeptoren wie TLR-4 oder RAGE blockieren, ist eine therapeutische Verwendung in der Behandlung von Autoimmun- und autoinflammatorischen Erkrankungen möglich.
Auf Grund einer hohen Inzidenz und Mortalität, welche in den nächsten Jahren voraussichtlich eine deutliche Zunahme erfahren wird, stellt die Behandlung eines HCC an alle beteiligten Fächer der Medizin, sowie an den Patienten und die Patientin, eine enorme Herausforderung dar. In der klinischen Routine hat sich die TACE, nicht nur bei Patienten im intermediären Stadium der Erkrankung, etabliert, sodass im Laufe der Erkrankung nahezu jeder zweite Patient mindestens eine TACE-Behandlung bekommt.
Der mit Radiomics betitelte, im medizinischen Bereich relativ junge, Forschungszweig beschäftigt sich mit der Idee, dass in den Schnittbildern eine für das menschliche Auge nicht sichtbare Ebene von Informationen vorliegt, welche mit den richtigen Mitteln extrahiert, relevante Daten und Informationen zur Genetik, Phänotypie und Pathophysiologie des Tumors liefern kann.
Hier greift der Ansatz dieser Arbeit an. In dieser Arbeit wird die Hypothese postuliert, dass durch die Auswertung und Integration von Lipiodolablagerungen in der Zielläsion nach der ersten durchgeführten TACE eine zuverlässigere Prognose zum Therapieansprechen und Gesamtüberleben mit Hilfe von Radiomics möglich ist, als dies klinische Scores alleine erlauben.
Dazu wurde in dieser Arbeit ein Patientenstamm von 61 Patienten untersucht. Alle Patienten litten an einem histologisch gesicherten HCC. Bei allen Patienten wurden innerhalb eines Zeitintervalls von 6 Monaten drei TACE durchgeführt mit einer nachfolgenden Verlaufskontrolle mittels kontrastmittelgestützter MRT oder CT.
In einem dezidierten, mehrstufigen Verfahren wurden aus der nativen 24 Stunden postinterventionellen CT-Kontrolle die Lipiodol anreichernden HCC-Herde segmentiert. Aus diesem segmentierten 3-D Bilddatensatz wurde eine Vielzahl von bildgebenden Biomarkern, Features, extrahiert. Die Features wurden im weiteren Prozess selektiert, redundante und nicht reproduzierbare Features wurden für das weitere Vorgehen verworfen.
Aus den vorliegenden Daten der Patienten wurden Informationen selektiert, mit welchen insgesamt 5 klinische Scores berechnet wurden, diese Scores wurden im weiteren Verfahren ebenfalls als Features angesehen.
Mehrere Machine Learning-Algorithmen wurden mit der Zielvariable: Größenregredienz des Tumors nach TACE als Folge eines annehmbaren Therapieansprechens, angelernt.
Das beste Ergebnis lieferte ein ML-Algorithmus mit einem Random Forrest Klassifikator auf der Grundlage des kombinierten, aus Radiomics-Features und klinischem Score-Features bestehendem Featuresets.
Um die initial aufgestellte Hypothese zu überprüfen wurde die Zielvariable von Größenregredienz der TL auf OS verändert. Die Performance des ML-Algorithmus in Bezug auf die neu definierte Zielvariable OS wurde hierbei mit dem C-index bewertet. Im Test-Set liegt ein C-Index von 0,67 vor. Das kombinierte Modell aus klinischem Score und Radiomics zeigt hierbei eine Überlegenheit gegenüber dem klinischen Score allein (C-Index 0,58) und dem Radiomics score (C-Index 0,60). Dies bestätigt die aufgestellte Hypothese. Das kombinierte Modell hat die Fähigkeit, anhand der Lipiodolanreicherung in der 24 Stunden postinterventionell durchgeführten CT, zur Prädiktion eines Gesamtüberlebens von HCC-Patienten nach einer TACE.
Die Patienten mit der kürzesten und längsten Überlebenszeit innerhalb der Studienpopulation dienten als Grundlage für eine Kaplan-Meier-Schätzung und Berechnung eines Risiko-Scores (siehe Abbildung 37). Dabei zeigt sich eine signifikante Differenz zwischen den Risiko-Scores. Eine Kurve dieser Art könnte zukünftig theoretisch als Schätzung zur Überprüfung der Indikation einer TACE- Wiederholung für einzelne Patienten dienen. Für eine entsprechende Generalisierbarkeit sind weiterführende Studien zur Validierung nötig. Unsere Studie liefert hier erste vielversprechende Hinweise, wobei unsere Limitationen nicht zu vernachlässigen sind, wie im Detail diskutiert.
Zusammenfassend zeigt unsere Arbeit, dass ein von uns definierter kombinierter Score, bestehend aus bildgebenden Biomarkern (Radiomics) und einem klinischen Score (m- HAP-II-Score), eine Prognose zum Gesamtüberleben nach der ersten TACE- Behandlung liefern kann. Mit Hilfe dieses kombinierten Scores war es in unserer Studienkohorte möglich abzuschätzen, ob ein Patient von weiteren TACE-Prozeduren profitieren würde. Der Behandlungsalgorithmus könnte auf dieser Basis individuell angepasst werden.
Der kombinierte Score hätte somit nicht nur das Potenzial Nebenwirkungen zu verhindern und Kosten im System einzusparen, sondern ebenfalls den Patienten potentiell individuell effektiveren Therapiealternativen zuzuführen.
Nanoarzneimittel haben in den letzten Jahren in der Therapie verschiedener Erkrankungen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dadurch hat auch die Anzahl zugelassener Arzneimittel mit an Arzneistoffträgern wie Liposomen gebundenen Wirkstoffen zugenommen. Weil für die Zulassung, neben der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, auch die Qualität der neuen Arzneimittel gewährleistet sein muss, spielen die verschiedenen Eigenschaften der Arzneistoffträger eine wichtige Rolle in der Qualitätskontrolle. Neben der Partikelgröße, der Partikelgrößenverteilung und der Oberflächenladung spielt die (Rest-)Kristallinität des Wirkstoffs und die Wirkstofffreisetzung eine wesentliche Rolle für die erfolgreiche in vivo-Performance von Nanoarzneimitteln. Zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung aus kolloidalen Arzneistoffträgern wie Liposomen, Nanopartikeln oder Mizellen gibt es bis heute keine Standardmethoden. In der Forschung und der pharmazeutischen Industrie werden folglich verschiedene Methoden wie Filtration, Zentrifugation oder Dialyse verwendet, um den freigesetzten Wirkstoff zu bestimmen. Dabei ist die Wahl der Separationsmethode auf die Eigenschaften der Arzneistoffträger abzustimmen.
In der vorliegenden Arbeit wurde eine dialysebasierte Apparatur, der Dispersion Releaser (DR), zur Untersuchung der in vitro Wirkstofffreisetzung aus kolloidalen Trägersystemen eingesetzt. Diese kann direkt mit den Apparaturen I/II der Arzneibücher der Europäischen Union (Ph. Eur.) und der Vereinigten Staaten (USP) gekoppelt werden. Zur Untersuchung der Wirkstofffreisetzung wird die Formulierung in das Donorkompartiment gegeben, sodass der freigesetzte Wirkstoff infolge über die Dialysemembran in das Akzeptorkompartiment permeiert. Dort kann dieser mittels HPLC analysiert werden. Besonders hervorzuheben ist das synchrone Rühren in beiden Kompartimenten des DR, worüber andere dialysebasierte Apparaturen nicht verfügen.
Die Entwicklung und Patentierung eines funktionsfähigen Prototyps des DR erfolgte an der Goethe Universität, Frankfurt am Main und wurde im Rahmen dieser Arbeit gemeinsam mit der Pharma Test Apparatebau AG (Hainburg, Deutschland) zu einer kommerziell erwerbbaren Apparatur (Pharma Test Dispersion Releaser, PTDR) weiterentwickelt. Innerhalb dieser Kollaboration wurde der Prototyp des DR unter Einbezug der Anforderungen der pharmazeutischen Industrie rekonstruiert. Eine erleichterte Anwendung für den Nutzer wurde dabei mitberücksichtigt.
Die finale Apparatur wurde zuletzt einer ausgiebigen Validierung unterzogen, bei der Diclofenac und Hydrocortison als Modellarzneistoffe dienten. Neben Untersuchungen zur Hydrodynamik und dem Einfluss der Umdrehungszahl auf die Membranpermeationsrate kM wurde eine Methode mit Gold-Nanopartikeln zur Bestimmung der Dichtigkeit des Systems entwickelt. Hierbei wurden Messungen mit einer UV/Vis-Methode und mit dynamischer Lichtstreuung durchgeführt, um die Abwesenheit der Goldpartikel im Akzeptorkompartiment nachzuweisen. Der Einfluss von Proteinen im Freisetzungsmedium auf die Membran-permeation wurde ebenfalls untersucht.
Der DR wurde ursprünglich zur Untersuchung von parenteralen Nanoformulierungen entwickelt. Aufgrund der bisher noch nicht erfolgten Untersuchung von halbfesten Zubereitungen im DR, wurde die Apparatur im Rahmen dieser Forschungsarbeit für zwei verschiedene Diclofenac-Gele (Voltaren® Emulgel, Olfen® Gel) unter verschiedenen Bedingungen evaluiert. Dabei konnte unter non-sink-Bedingungen der Einfluss der lipophilen Phase des Voltaren® Emulgels (GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG, München, Deutschland) gezeigt werden. Im Vergleich zum fettfreien Olfen® Gel (Mepha Pharma AG, Basel, Schweiz) zeigte Voltaren® Emulgel eine vollständige Freisetzung unter den erschwerten Löslichkeitsbedingungen.
Mit Hydrocortison als Modellsubstanz wurden vier verschiedene Proliposomen zur vaginalen An¬wendung formuliert. Neben der Charakterisierung der Partikelgröße und der Verkapselungs¬effizienz wurden Messungen mit dynamischer Differenzkalorimetrie durch-geführt und Aufnahmen zur morphologischen Charakterisierung mittels Transmissions-elektronen¬mikroskopie der Liposomen erstellt. Die Wirkstofffreisetzung des Hydrocortisons aus dem rekonstituierten liposomalen Gel sowie die Permeabilität über eine Zellmonoschicht wurde vergleichend untersucht. Dabei wurden Zelllinien aus humanem Cervixkarzinom beziehungsweise Endometriumkarzinom eingesetzt. Die Unterschiede der Formulierungen konnten vom DR sensitiver erfasst werden und die Verkapselungseffizienz als relevanter Faktor für die in vivo-Performance festgelegt werden.
Weil die tatsächliche Wirkstofffreisetzung durch die Permeation über die Dialysemembran überlagert werden kann, wurde neben der Standardisierung der Konstruktion die Auswertung mit Hilfe eines neuen mathematischen Modells, das auf dem Fick’schen Diffusionsgesetz basiert, verbessert. Das Normalisieren des Freisetzungsprofils mit Hilfe des mathematischen Modells dient dazu, die tatsächliche Wirkstofffreisetzung zu berechnen und den Vergleich verschiedener Freisetzungen ohne den Einfluss der Membranpermeation zu ermöglichen. Im Zuge der Validierung des DR wurde das mathematische Modell ebenfalls erfolgreich validiert.
In der vorliegenden Forschungsarbeit wurde eine neue Konstruktion des DR für die kommerzielle Anwendung entwickelt und validiert. Nebenbei wurde der Auswerteprozess zur Berechnung der diffusionsbereinigten Wirkstofffreisetzung vereinheitlicht und validiert. Zuletzt wurde das Anwendungsgebiet des DR von parenteralen Nanoformulierungen auf halbfeste Arzneiformen erweitert.
Ausgangspunkt der Forschungsarbeit ist der Gebrauch von Gesten in mathematischen Interaktionen von Lernenden. Es wird untersucht, inwiefern Gesten Teil des mathematischen Aushandlungsprozesses sind. Damit ist die Rekonstruktion einer potentiell fachlichen Bedeutung des Gestengebrauchs beim Mathematiklernen das zentrale Forschungsanliegen.
Theoretisch gerahmt wird die Arbeit von Erkenntnissen aus der psychologisch-linguistischen Gestenforschung zur systematischen Beschreibung von Gestik im Zusammenspiel mit der gleichzeitig geäußerten Lautsprache (McNeill, 1992; Kendon, 2004). Es werden ebenso ausgewählte Forschungen zur Gestik beim Mathematiklernen beleuchtet (Arzarello, 2006; Wille, 2020; Kiesow, 2016). Die mathematikdidaktische Interaktionstheorie begründet den sozial-konstruktivistischen Lernbegriff (Krummheuer, 1992). Ausgewählte Aspekte der Semiotik nach C. S. Peirce bieten eine theoretische Fundierung des Zeichenbegriffs und des Kerns mathematischen Agierens, verstanden als diagrammatisches Arbeiten (Peirce, 1931, CP 1.54 u. 1932, CP 2.228).
Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Forschungsarbeit ist der linguistische Ansatz der Code-Integration und -Manifestation von redebegleitenden Gesten im Sprachsystem nach Fricke (2007, 2012) in Verbindung mit dem Peirce’schen Diagrammbegriff. Diese Perspektive ermöglicht eine theoretische Fundierung der zunächst empirisch beobachtbaren Multimodalität der Ausdrucksweisen von Lernenden beim gemeinsamen Mathematiktreiben. Der Peirce’sche Diagrammbegriff dient hierbei zur Rekonstruktion einer systemischen Relevanz von Gesten für das Betreiben von Mathematik: Bestimmte Gesten sind semiotisch als mathematische Zeichen beschreibbar und haben potentiell konstituierende Funktion für das diagrammatische Arbeiten der Lernenden. Der übergeordnete Forschungsfokus lautet: Wie nutzen Grundschüler*innen Gestik und Lautsprache, insbesondere in deren Zusammenspiel, um ihre mathematischen Ideen in den interaktiven Aushandlungsprozess einzubringen und über den Verlauf der Interaktion aufzugreifen, möglicherweise weiterzuentwickeln oder auch zu verwerfen? In der Ausdifferenzierung wird die Funktion der verwendeten Gesten und die Rekonstruktion von potentiell gemeinsam gebrauchten Gesten der Interagierenden in den Blick genommen.
Methodisch lässt sich die Forschungsarbeit der qualitativen Sozialforschung (Bohnsack, 2008) bzw. der interpretativen mathematikdidaktischen Unterrichtsforschung zuordnen (Krummheuer & Naujok, 1999). Es werden Beispiele aus mathematischen Interaktionssituationen ausgewertet, in denen sich Paare von Zweitklässler*innen mit einem mathematischen Problem aus der Kombinatorik und der Geometrie beschäftigen. Eine eigens theoriekonform entwickelte Transkriptpartitur dient zur Aufarbeitung der Videodaten. Mit der textbasierten Interaktionsanalyse (Krummheuer, 1992) und der grafisch angelegten Semiotischen Analyse (Schreiber, 2010) in einer Weiterentwicklung der Semiotischen Prozess-Karten (Huth, 2014) werden zwei hierarchisch aufeinander aufbauende Analyseverfahren verwendet.
Zentrale Forschungsergebnisse sind 1) die funktionale und gestalterische Flexibilität des Gestengebrauchs beim diagrammatischen Arbeiten der Lernenden, 2) die Rekonstruktion von Modusschnittstellen der Gesten mit anderen Ausdrucksmodi in Funktion, interaktionaler Bedeutungszuschreibung und Chronologie, und 3) die häufige Verwendung der Gesten als Modus der Wahl der Lernenden in mathematischen Interaktionen. Gesten weisen eine unmittelbare und voraussetzungslose Verfügbarkeit auf, eine funktionale und gestalterische Flexibilität in der mathematischen Auseinandersetzung und die Möglichkeit, Funktionen anderer Modi (vorübergehen) zu übernehmen. Es zeigt sich eine konstitutive und fachliche Bedeutung der Gestik für das mathematisch-diagrammatische Agieren der Lernenden. In der Arbeit wird daraus schließlich das doppelte Kontinuum der Gesten für das Mathematiklernen entwickelt. Es zeigt in der Dimension der Funktion des Gestengebrauchs und der Dimension des Objektbezugs der Gestengestalt die Vielfältigkeit der Gestenfunktionen im gemeinsamen diagrammatischen Arbeiten der Lernenden und gibt Einblick in die verwendeten Gestengestalten.
Die Forschungsarbeit offenbart den Bedarf einer Beachtung von Gesten in der fachdidaktischen Planung und Gestaltung von Mathematikunterricht und in der Erforschung und Diagnostik der mathematischen Entwicklung von Lernenden. Es handelt sich bei Gesten in mathematischen Interaktionen nicht um ein reines Beiwerk der Äußerung, sondern um einen fachlich bedeutsamen Modus in Bezug auf das Mathematiklernen. Der Gebrauch von Gestik ermöglicht die Erzeugung von Diagrammen im Handumdrehen und eröffnet perspektivisch eine Erforschung ihrer Bedeutung für mathematische Lehr-Lern-Prozesse.
Die in dieser Zusammenfassung angegebene Literatur findet sich im Literaturverzeichnis der vorgelegten Forschungsarbeit.
Die Organisation SOS Children's Villages (im Folgenden: SOS) ist eine der größten und ältesten nicht-staatlichen, überkonfessionellen Kinderhilfsorganisationen der Welt. Heute sind mehrere Generationen in Einrichtungen der in 136 Ländern tätigen Organisation aufgewachsen oder haben von ihren Hilfsprogrammen profitiert. Seit der Gründung im Jahr 1949 liegt der Schwerpunkt auf "Kindern und Jugendlichen, die keine elterliche Fürsorge haben oder Gefahr laufen, diese zu verlieren". Trotz der langjährigen weltweiten Präsenz haben sich bisher nur wenige ethnologische Arbeiten mit der Organisation SOS, ihrem Modell und vor allem ihren Teilnehmern beschäftigt.
Die vorliegende Arbeit will diese Lücke schließen. Sie zeigt anhand exemplarischer, biographisch-narrativer Interviews und auf einer multi-sited ethnography basierenden Analysen, wie einzelne Akteure im SOS-Kontext ihrer Vergangenheit begegnen, wie sie Erfahrungen - aus der Zeit unter der Obhut von SOS, aber auch aus der Zeit davor - einordnen und wie diese ihre Gegenwart und auch Zukunft beeinflussen bzw. wie sie heute mit diesen Erinnerungen umgehen. Ziel dieser Arbeit ist es außerdem, am Beispiel von SOS als Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Bereich Kinder, Jugend und Familie zu untersuchen, wie sich EZ-Projekte auf das Leben, die Sichtweisen und Biografien verschiedener Akteure sowie auf bestimmte lokale Zusammenhänge auswirken und wie wiederum Handlungen und individuelle Einstellungen von Akteuren sowie bestimmte lokale Kontexte solche Projekte beeinflussen.
Hierfür habe ich über einen Zeitraum von elf Monaten zwischen Juni 2019 und Mai 2020 an vier Standorten der Organisation in Kenia und Tansania rund 150 Interviews mit verschiedenen Zielgruppen (mit SOS-Mitarbeitern, ehemaligen SOS-Teilnehmern, aktuellen SOS-Teilnehmern sowie Gemeindevertretern) geführt.
Die Studie liefert also Ergebnisse auf mehreren Ebenen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Akteure meiner Untersuchung ihrer Vergangenheit und den Erinnerungen daran im Erwachsenenalter durch Aneignungsprozesse begegnen, die es ihnen ermöglichen, diese Erinnerungen und Erfahrungen kohärent in ihre eigene Biografie einzuordnen. Dieser Umgang mit der eigenen Geschichte ermöglicht es den ehemaligen SOS-Teilnehmern, sich die Struktur, die ihrer Kindheit zugrunde lag, nämlich die der internationalen Hilfsorganisation SOS, anzueignen und darüber Handlungen und Verhaltensweisen auch in ihrer Gegenwart und Zukunft zu definieren und zu legitimieren, und SOS als Zentrum ihrer Kindheit auch im Erwachsenenalter auf unterschiedliche Weise in Besitz zu nehmen. Dabei erfüllen sie nicht immer die Erwartungen, die von organisatorischer Seite an ihr Verhalten oder ihre Interpretation von Organisationskonzepten und -prinzipien gestellt werden. Da durch das Organisationsmodell evozierte Probleme wie fehlende Zugehörigkeiten oder Schwierigkeiten beim Übergang in die Selbstständigkeit durch lebensweltliche Diskrepanzen im Vergleich zu lokalen Kontexten über die Lebenswege und Erfahrungen der (ehemaligen) Teilnehmer sichtbar werden, schreibe ich nicht zuletzt den Teilnehmern und ihrem Umgang mit diesen Erfahrungen einen Anteil an den Transformationsprozessen zu, in denen sich die Organisation aktuell befindet.
Das schnelle und unkontrollierte Wachstum von Tumorzellen bedingt beim Glioblastom ein heterogenes Tumormikromilieu, mit lokalem Sauerstoff- und Nährstoffmangel. Lokaler Selektionsdruck bedingt eine Evolution besonders anpassungsfähiger Klone. Die integrierte Stressantwort (integrated stress response, ISR) ist ein zelluläres Programm, das durch zahlreiche Stressoren, wie endoplasmatische Retikulum Stress (ER-Stress), durch die Akkumulation ungefalteter Proteine, Hypoxie, Glukose- oder Aminosäuremangel aktiviert wird. Ein zentraler Schritt zur Aktivierung der ISR ist die Phosphorylierung der alpha Untereinheit des eukaryotischen Translationsinitiationsfaktors 2 (eIF2α) an Serin 51. Die Phosphorylierung von eIF2α führt zur Modulation der Translation mit Induktion des Transkriptionsfaktors ATF4 (Activating Transcription Factor 4), der dann zelluläre Anpassungsvorgänge einleitet.
Unsere Hypothese lautete, dass ATF4-vermittelte molekulare Anpassungsmechanismen menschlicher Glioblastom (GB)-Zellen an die Bedingungen der Tumormikroumgebung (wie z.B. Hypoxie und Nährstoffentzug) maßgeblich zur Therapieresistenz beitragen und auch die Empfindlichkeit gegen TMZ-Chemotherapie beeinflussen. Somit könnte eine Inhibition der integrierten Stressantwort über den zentralen Mediator ATF4 zu einem gesteigerten Ansprechen auf Therapiebedingungen führen.
Um die ISR und ATF4 als mögliche therapeutische Angriffspunkte im Glioblastom zu evaluieren, wurde die ATF4 Induktion in Glioblastomzellen pharmakologisch und genetisch moduliert und im Zusammenhang mit TMZ-Behandlung sowie Glukose- und Sauerstoffentzug untersucht. Unter Glutaminentzug, Hypoxie und TMZ-Behandlung, welche Aspekte der GB-Mikroumgebung widerspiegeln, zeigten sich erhöhte ATF4 Proteinspiegel. ATF4-gensupprimierte GB-Zellen (ATF4sh) exprimierten unter gleicher Behandlung wesentlich weniger ATF4.
Im Einklang mit der Hypothese, dass ATF4 zur Therapieresistenz humaner Glioblastomzellen beiträgt, waren ATF4-gensupprimierte GB-Zellen (ATF4sh) im Vergleich zur Kontrollzelllinie empfindlicher gegen Hypoxie-induzierten Zelltod und zeigten einen erhöhten Sauerstoffverbrauch. Umgekehrt zeigten GB-Zellen nach pharmakologischer ISR Induktion einen verminderten Sauerstoffverbrauch. Auch nach Behandlung mit TMZ war die Überlebensrate in ATF4sh Zellen im Vergleich zur Kontrollgruppe geringer. Zur Hemmung der ISR wurden verschiedenen Inhibitoren der Kinase PERK (Protein kinase R-like endoplasmic reticulum kinase) entwickelt. In unseren Untersuchungen war nach der Behandlung der GB-Zelllinien eine verminderte ATF4 Expression festzustellen. Dabei kam es allerdings gleichzeitig bei der Behandlung mit höheren Inhibitorkonzentrationen zu einer Induktion von ATF4. Für den PERK-Inhibitor GSK 414 wurde in der Literatur auch die Hemmung anderer Kinasen wie KIT und RIPK1 gezeigt. Daher konnte bei den Konzentrationen, die für eine vollständige PERK-Inhibition erforderlich waren, keine selektive Hemmung von PERK mehr gewährleistet werden. Besonders aufgrund ihrer Toxizität auf die Funktion des Pankreas eignen sich diese Inhibitoren nicht für eine in vivo Erprobung. Da aber durch die Inhibition der ISR eine neuroprotektive Wirkung beschrieben ist, besteht die Notwendigkeit, weitere Inhibitoren zur Hemmung der ISR zu entwickeln. ISRIB (Integrated Stress Response Inhibitor) ist ein partieller ISR Inhibitor, der eIF2B angreift, was als Guanidin-Nukleotid-Austauschfaktor im Translationsinitiationsprozess benötigt wird. Für ISRIB wurde bereits in vitro und in vivo eine neuroprotektive, aber keine toxische Wirkung beschrieben.
Zusammenfassend lieferten unsere Untersuchungen Hinweise auf die wichtige Rolle von ATF4 für die Anpassung humaner GB-Zellen an Bedingungen der Tumormikroumgebung und für die Entstehung von TMZ-Resistenzen. Die Hemmung der ISR in GB-Zellen könnte daher ein vielversprechender Therapieansatz sein.
Hintergrund: Die Aortenklappenstenose stellt in Europa und Nordamerika das häufigste Klappenvitium dar und ist vor allem auf eine degenerative Genese zurückzuführen. Da das Auftreten erster Symptome mit einer schlechten Prognose assoziiert ist, ist die transfemorale Aortenklappenimplantation mittels Katheter (TAVI) als minimalinvasive Therapie schon seit längerem eine Alternative zum operativen Ersatz der Aortenklappe und aktuelles Thema der Forschung. Zwar existiert eine Vielzahl an Transkatheterklappen und es werden fortlaufend neue Generationen entwickelt, allerdings liegt bislang noch keine Studie vor, die einen direkten Vergleich der intraannularen Portico-Prothese (Abbott) mit der ebenfalls selbstexpandierbaren, aber supraannularen, Symetis-Prothese (Boston Scientific) präsentiert.
Methoden: Es erfolgte eine retrospektive Analyse von 142 gematchten (nach Alter, BMI, NYHA-Klasse, EuroScore, insulinpflichtiger Diabetes Mellitus, arterielle Hypertonie, COPD, KHK, präinterventionelle eGFR, cAVK, Schlaganfall, TIA in der Vorgeschichte) Patienten je Klappenmodell im medianen Alter von 83 Jahren, die sich mit einer hochgradigen symptomatischen Aortenklappenstenose im Zeitraum vom 12.10.2015 bis zum 07.01.2020 einer transfemoralen TAVI im Universitätsklinikum in Frankfurt am Main unterzogen. Untersucht wurde als primärer Endpunkt die Gesamtmortalität nach 1 Jahr. Darüber hinaus wurden mittels multivariater Cox-Regression unabhängige Risikofaktoren identifiziert. Als sekundäre Endpunkte wurden Komplikationen innerhalb von 30 Tagen gemäß den Definitionen des Valve Academic Research Consortium (VARC) 2 gewählt wie die Implantationen neuer Schrittmacher, paravalvuläre Leckage, Gefäßkomplikationen und akutes Nierenversagen. Analysiert wurden außerdem prozedurale Faktoren, die Symptomatik anhand der NYHA-Klasse sowie einige Laborparameter vor und nach der TAVI.
Ergebnisse: In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die 1-Jahres-Mortalität mit der Portico-Prothese signifikant höher ist als mit der Symetis-Prothese (25,2% vs. 12,2%; p=0,011). Dabei gelten neben der Portico-Prothese eine reduzierte linksventrikuläre Funktion und die NYHA-Klassen III/IV gemäß multivariater Cox-Regressionsanalyse als unabhängige Risikofaktoren. Postinterventionell war in der Portico-Kohorte ein neuer Linksschenkelblock (34,5% vs. 23,2%; p=0,036), die Implantation neuer Schrittmacher (22,6% vs. 11,8%; p=0,011) sowie ein akutes Nierenversagen (25,5% vs. 12,8%; p=0,006) signifikant häufiger. Hinsichtlich prozedurbezogener Faktoren hat sich herausgestellt, dass mit der Symetis-Prothese häufiger nachdilatiert (41,5% vs. 25,3%; p=0,004), mit der Portico-Prothese hingegen häufiger vordilatiert (92,2% vs. 82,3%; p=0,012) wurde. Außerdem wurde in der Portico-Kohorte signifikant mehr Kontrastmittel eingesetzt und das Verfahren mit der Durchleuchtung dauerte signifikant länger. Echokardiographisch resultierte post TAVI mit der Symetis-Prothese eine signifikant andere bzw. günstigere Verteilung der Aortenklappeninsuffizienzgrade. Laborchemisch war der Wert für NT-proBNP als biochemischer Marker für eine Herzinsuffizienz signifikant höher als in der Symetis-Gruppe.
Schlussfolgerung: Diese Arbeit zeigte eine signifikant höhere Mortalität nach 1 Jahr mit der Portico-Prothese im direkten Vergleich mit der Symetis-Prothese. Außerdem ergab der Vergleich signifikant höhere Komplikationsraten in der Portico-Kohorte hinsichtlich Schrittmacherimplantationen, neuem Linksschenkelblock und akutem Nierenversagen. Weitere Studien sollten die beiden Prothesen im längerfristigen Verlauf vergleichend analysieren. Die Ergebnisse dieser Studie können zur Optimierung neuer Klappengenerationen beitragen, indem sie auf potenziell prognosebestimmende Aspekte des Designs und der Implantationstechnik aufmerksam machen. Außerdem sensibilisert die Studie für eine individuell für jeden Patienten angepasste Prothesenauswahl. Möglicherweise sollte bei Vorerkrankungen der Niere oder bei vorbekannten Herzleitungsstörungen die Symetis- gegenüber der Portico-Prothese vorgezogen werden.
Resistenzen gegenüber Carbapenemen sind eine Bedrohung für die globale Gesundheit mit wenigen verbleibenden Therapieoptionen. Ceftazidim/Avibavtam (CZA) ist die Kombination aus einem Cephalosporin und einem Diazabicyclooctan, mit der Eigenschaft eine Vielzahl von Carbapenemasen der Ambler Klasse A und D zu inhibieren. Resistenzen gegenüber Carbapenemen in gramnegativen Bakterien sind in Kolumbien und anderen Ländern Lateinamerikas weit verbreitet. In den hier vorgestellten Arbeiten wurden 2.235 Enterobakterien und 492 P. aeruginosa Isolate aus fünf Lateinamerikanischen Ländern auf ihre Empfindlichkeit gegenüber CZA und anderen klinisch verfügbaren Antibiotika untersucht. Die CZA-resistenten Isolate wurden mittels PCR und Genomsequenzierung auf die zugrundeliegenden Resistenzmechanismen hin analysiert. CZA zeigte Aktivitäten gegenüber 99,2% (2.217/2.235) aller untersuchten Enterobacterales und 77,8% (383/492) aller P. aeruginosa Isolate. Als plausible Erklärung für die Resistenz gegen CZA konnte mittels qPCR bei allen Enterobakterien und bei 38,5% (42/109) der P. aeruginosa Isolate ein Metallo-β-Laktamase (MBL)-kodierendes Gen nachgewiesen werden. Die verbleibenden P. aeruginosa Isolate wurden einer Genomsequenzierung unterzogen, dabei zeigten sich Mutationen in Genen, die zuvor mit einer verringerten Empfindlichkeit gegen CZA assoziiert wurden, wie z.B. Genen die mit der Überexpression von MexAB-OprM und AmpC (PDC) in Verbindung stehen, sowie Genen, die PoxB (blaOXA-50-like), FtsI (PBP3), DacB (PBP4) und OprD kodieren. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit von Therapieoptionen gegenüber MBL-produzierenden und anderen Carbapenem-resistenten Mikroorganismen. Des Weiteren sind diese Studien eine Momentaufnahme der Empfindlichkeit gegen CZA vor dessen Verfügbarkeit in Lateinamerika und dienen deswegen als Ausgangspunkt um die Entwicklung von Resistenzen in dieser Region zu verfolgen.
Hintergrund: Der Hypoparathyreoidismus (Hypopara) ist neben der Recurrensparese eine typische postoperative Komplikation nach Thyreoidektomie. Ziel dieser Arbeit soll die Prozessoptimierung des postoperativen Managements sein, um einen p.o. Hypopara frühzeitig zu erkennen und zu therapieren und somit die klinischen Symptome zu lindern oder zu vermeiden.
Methoden: Es wurden alle Patienten mit einer beidseitigen Schilddrüsenresektion eingeschlossen. Ausschlusskriterien waren simultane Nebenschilddrüsen- erkrankungen sowie fortgeschrittene Schilddrüsenmalignome mit geplantem Tumordebulking und/oder langem ITS-Aufenthalt. Postoperativ wurden Parathormon (EDTA) sowie Kalzium (Serum) bestimmt. Bei einem Parathormon (PTH) - Wert unter dem Referenzbereich (15,0-68,3 pg/ml) und/oder einer ausgeprägten Hypokalzämie mit einem Kalziumwert < 1,9 (Ref. 2,20-2,65 mmol/l) und/oder klinischen Zeichen wie Kribbelparästhesien oder Tetanie wurde Kalzium und Vitamin D mittels festem Schema verordnet. Die Symptombesserung wurde klinisch dokumentiert.
Ergebnisse: Am AGAPLESION Elisabethenstift gGmbH in Darmstadt wurden im Zeitraum zwischen Januar 2019 und Juni 2022 Schilddrüseneingriffe bei insgesamt 465 Patienten durchgeführt. Nach Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 193 Patienten mit Thyreoidektomie in die Auswertung einbezogen. Ein p.o. Hypopara wurde bei 51 Patienten (26,4 %) festgestellt. Bei 40 Patienten (20,7 %) traten Symptome auf (39x Kribbelparästhesie, 1xTetanie). Von den 51 Patienten lag bei 26 (51 %) ein nur leicht erniedrigter Kalziumwert am 1. p.o. Tag vor (zwischen 2,00 und 2,20 mmol/l), bei 10 Patienten (19,6 %) war der Kalziumwert im Normbereich (2,20-2,65 mmol/l). Im Vergleich dazu lag bei 6 von 51 Patienten (11,8 %) ein normwertiger PTH-Wert vor. Bei 20 Patienten (10,4 %) erfolgte intraoperativ eine Nebenschilddrüsen-Replantation in den ipsilateralen M. sternocleidomastoideus. Davon trat bei 8 Patienten (40 %) ein Hypopara auf. Bei 29 Patienten (15 %) wurde in der Histologie ein akzidentiell mitentferntes Epithelkörperchen nachgewiesen. Davon trat bei 13 Patienten (44,8 %) ein Hypopara auf. Die mittlere Zeit nach OP zur PTH-Bestimmung lag bei 2,41 Tagen. Die mittlere Aufenthaltsdauer der Patienten mit Hypopara betrug 3,86 Tage (± 2,272), die der restlichen Patienten betrug 2,69 Tage (± 1,759), p < 0,001.
Schlussfolgerungen: Die PTH-Bestimmung ist neben der klinischen Visite essentiell zur Früherkennung eines p.o. Hypopara. Eine mehrtägige Kalziumbestimmung ist damit nicht zwingend erforderlich, sodass die Verweildauer verkürzt werden kann. Das verordnete Schema zur oralen Substitution von Kalzium und Vitamin D ist auch ambulant fortführbar. Die Replantation einer nicht erhaltbaren NSD hat bei 60 % einen Hypopara verhindert. Die gezielte Darstellung und Erhalt der NSD sollte bei jedem Eingriff eingehalten werden. Insgesamt zeigt diese Arbeit den höheren Stellenwert des postoperativen PTH-Wertes sowie der klinischen Zeichen als das Serumkalzium zur Erkennung und Therapie des Hypopara nach Thyreoidektomie.
Die kathetergestützte Thrombektomie ist, spätestens seitdem 2015 verschiedene Studien ihre Überlegenheit zur alleinigen medikamentösen Behandlung gezeigt haben, die bevorzugte Therapie bei Patienten mit akutem ischämi-schem Schlaganfall und embolischen Verschluss einer großen intrakraniellen Arterie. Obwohl die mechanische Thrombektomie mittlerweile zur Standardthe-rapie zählt, ist der Zusammenhang zwischen Lokalisation des Infarktareals und klinischem Behandlungsergebnis nach Thrombektomie bisher nicht gut untersucht. Die dieser Studie zugrunde liegende Hypothese war, dass Infarktdemar-kationen in der zentralen Corona radiata, Capsula interna und/oder den Ba-salganglien aufgrund einer potenziellen Schädigung der Fasern des Tractus corticospinalis mit einem schlechten Behandlungsergebnis (mRS 3 bis 6) nach mechanischer Thrombektomie assoziiert sind. Ziel dieser Studie war es somit, den Behandlungserfolg nach Thrombektomie bei Patienten mit entsprechender Infarktlokalisation zu untersuchen.
Hierfür wurden die Daten von 70 erwachsenen Patienten analysiert, die im Zeitraum von April 2016 bis Januar 2020 im Institut für Neuroradiologie des Universitätsklinikums Frankfurt aufgrund eines ischämischen Infarktes mit entsprechender Infarktdemarkation eine mechanische Thrombektomie erhalten haben. Alle erhobenen Daten stammen aus der elektronischen Krankenakte, dem Radiologie-Informations-System oder einem prospektiven Register zur internen Qualitätssicherung. Es erfolgte außerdem eine Unterteilung der Studi-enkohorte anhand des zusätzlichen kortikalen Infarktausmaßes bzw. der kortikalen Infarktlokalisation, um den Einfluss kortikaler Infarkte auf das Behandlungsergebnis beurteilen zu können. Die wichtigsten Endpunkte der Studie waren das klinische Behandlungsergebnis gemessen anhand der mRS nach 90 Tagen sowie die Ergebnisse der Subgruppenanalyse.
51,4 % der Studienpopulation erzielten nach 90 Tagen ein gutes klinische Be-handlungsergebnis (mRS 0 bis 2), 32,9 % der Patienten erreichten sogar ein exzellentes Ergebnis (mRS 0 bis 1). Insgesamt verstarben innerhalb von 90 Tagen nach dem Schlaganfallereignis 15,7 % aller Patienten und 32,9 % konn-ten nur ein schlechtes Behandlungsergebnis (mRS 3 bis 5) erzielen. Die Ergebnisse zeigen, dass die in der routinemäßig angefertigten Bildgebung nachgewiesenen Infarktdemarkationen im Verlauf der langen Bahnen nicht zwingend ein schlechtes Behandlungsergebnis bedingen. Bei Patienten mit ausge-dehnter Beteiligung des Kortex und Infarkten in definierten eloquenten Arealen waren die klinischen Behandlungsergebnisse allerdings schlechter als in der Vergleichsgruppe mit isolierten Läsionen der langen Bahnen.
Um künftig ein besseres Verständnis darüber zu erlangen, welche Patienten mit bestimmter Infarktlokalisation von einer mechanischen Thrombektomie langfristig profitieren können, sind weitere prospektive Studien mit exakt definierten Vergleichsgruppen und höherwertiger MRT-basierter Bildgebung erforderlich.
Einleitung: Frailty (engl. für Gebrechlichkeit) bezeichnet eine mit hohem Alter zunehmende Verschlechterung des körperlichen und kognitiven Zustandes von Individuen, woraufhin der Körper nicht mehr in der Lage ist, adäquat auf äußere und innere Stressoren zu reagieren. Frailty ist mit einer erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrate sowie längerer Krankenhausverweildauer und erhöhter postoperativer Komplikationsrate verbunden und stellt folglich einen chirurgischen Risikofaktor dar.
Problemstellung: Die Relevanz eines strukturierten Frailty Assessments in der präoperativen Risikostratifizierung führte zur Indikationsstellung, diverse validierte Risk Assessment Tools auf ihre prädiktive Vorhersagekraft bezüglich des Auftretens von postoperativen Komplikationen und postoperativer Sterbewahrscheinlichkeit zu untersuchen.
Methoden: In die vorliegende Studie wurden Patienten, die in dem Zeitraum vom 01.09.2018 und 31.01.2019 in der allgemeinchirurgischen Ambulanz vorstellig waren und einen allgemeinchirurgischen Eingriff erhielten, aufgenommen. Mittels Fragebögen wurden die Scores „Risk Analysis Index“, „Edmonton Frail Scale“ sowie „Charlson Comorbidity Index“ präoperativ erhoben und retrospektiv mit Daten aus der digitalen Patientenakte zusammengeführt. Endpunkte waren die 90-Tages- Mortalität sowie das Auftreten von schweren postoperativen Komplikationen ab Clavien Dindo Grad 3b. Die Analyse erfolgte in SPSS mittels Chi-Quadrat Test, t- Test und ROC-Kurven Analysen.
Ergebnisse: Das durchschnittliche Alter der Studienkohorte lag bei 56 ± 15.9 Jahren und der Anteil männlicher Patienten überwog mit 59.2% (n=282).
Die Fragebögen wurden 739 Patienten vorlegt und 476 Patienten konnten in die Datenanalyse eingeschlossen werden. Die 90-Tages-Mortalität lag bei 2.7% (n=13) und 9% (n=43) erlitten schwere postoperative Komplikationen ab Clavien-Dindo Grad IIIb. Die Einteilung nach der ASA-Klassifikation (p=0.024), maligne Diagnosen -7-(p<0.001) und Majorkomplikationen (p<0.001) stellten präoperative Risikofaktoren für postoperative 90-Tage-Mortalität dar. Von den Risk Assessment Scores zeigte lediglich der Risk Analysis Index eine signifikante Korrelation auf (p=0.013). Ein mittels ROC-Analyse ermittelter Cut-Off Wert von 23 klassifizierte 166 (34.9%) Patienten als frail, die mit 69% Sensitivität und 66% Spezifität (AUC=0.735) ein erhöhtes Risiko für postoperatives Versterben innerhalb von 90 Tagen aufwiesen (p=0.008). Risikofaktoren für das Auftreten schwerer postoperativer Komplikationen waren die ASA-Klassifikation (p=0.041), längere Krankenhausverweildauer (p<0.001) und maligne Diagnosen (p<0.001). Der Charlson Comorbidity Index (p=0.031) und RAI-C Werte ≥ 23 (p<0.001) korrelierten signifikant mit Majorkomplikationen. Das Alter ab 65 Jahren stellte mit 77 % Spezifität und 69 % Sensitivität ebenfalls einen prädiktiven Risikofaktor für postoperative Mortalität dar (AUC=0,787).
Schlussfolgerung: Mithilfe validierter Risk Assessment Tools ist es möglich Patienten, die ein erhöhtes Risiko für postoperative negative Ereignisse aufweisen, bereits präoperativ zu erkennen. Dies ermöglicht eine bessere Beurteilung der chirurgischen Indikationsstellung sowie das rechtzeitige Ergreifen von risikominimierenden Maßnahmen. Es ist notwendig die Ergebnisse dieser Arbeit künftig mit risikominimierenden Maßnahmen zu verknüpfen und zu untersuchen, ob die Implementierung der Risk Assessment Tools zu verbesserten postoperativen Ergebnissen führt, wenn modifizierbare Faktoren verbessert werden.
In den letzten Jahren haben sich die Therapiemöglichkeiten des Mammakarzinoms deutlich verbessert. Durch die Analyse von genetischen Veränderungen in den Tumorzellen oder in der Keimbahn ist eine zielgerichtete Tumortherapie bei einigen Subgruppen möglich; z.B. mit PARP- und PIK3CA-Inhibitoren.
In einer retrospektiven Analyse wurde in dieser Arbeit untersucht, wie genetische Mutationsanalysen in einer onkologischen Schwerpunktpraxis eingesetzt werden. Es sollte untersucht werden, wie häufig PatientInnen in einer onkologischen Praxis mit metastasiertem Mammakarzinom eine Mutationsanalyse brustkrebsassoziierter Gene erhalten haben, und welche Konsequenzen daraus gezogen wurden. Dabei wurde der Zeitraum von 2019 – 2022 betrachtet. Mithilfe der Software Albis wurden Daten von 49 PatientInnen identifiziert. 40 PatientInnen haben eine Keimbahndiagnostik der Gene BRCA1/2 erhalten. Von den PatientInnen, die die BRCA1/2-Analyse bekommen haben, konnten in 20% der PatientInnen eine Mutation in BRCA1 oder 2 detektiert werden. Bei den meisten dieser PatientInnen wurde der PARP Inhibitor Olaparib therapeutisch eingesetzt. 10 PatientInnen erhielten eine PIK3CA-Analyse, 9 von ihnen mittels PCR und eine mittels NGS. In dieser Gruppe wurde bei einer Patientin eine Mutation im PIK3CA-Gen ermittelt. 15 PatientInnen haben eine Multigenpanel-Diagnostik erhalten. Dabei ist eine Reihe weiterer genetischer Veränderungen nachgewiesen worden. Für einige dieser Veränderungen stehen therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung, die zwar nicht für das Mammakarzinom, aber für andere Tumorentitäten bereits zugelassen sind.
Das periinterventionelle Management von antikoagulierten Patienten stellt eine große Herausforderung im klinischen Alltag dar. Die genaue Abwägung von Blutungs- und Thromboembolierisiko ist essentieller Bestandteil der Frage, ob und wann die blutgerinnungshemmende Medikation pausiert werden soll. Ist das Zeitintervall zur geplanten Intervention zu kurz gewählt und daher die antikoagulierende Wirkung der Arzneimittel noch ausgeprägt, kann es leichter zu intra- und postoperativen Blutungen kommen. Umgekehrt kann es bei einer zu langen Unterbrechung der Antikoagulation zur Entwicklung von Thromboembolien kommen. Um diese Risiken zu minimieren und die Patientensicherheit zu verbessern ist ein leitliniengerechtes Handeln von großer Bedeutung. Durch den Einfluss des demographischen Wandels und die steigende Inzidenz der Erkrankungen, die eine Antikoagulation notwendig machen, erhöht sich ebenso die Anzahl der antikoagulierten Patienten, die sich einer elektiven Operation unterziehen müssen, wodurch das Thema schon seit Jahren an Bedeutung gewinnt. Trotz diverser Leitlinien, die in den letzten Jahren publiziert wurden, findet man im klinischen Alltag oftmals nicht auf Anhieb die passende Empfehlung, da diese von dem Einfluss etlicher Risikofaktoren, wie Alter, Geschlecht, Nierenfunktion u.a. bestimmt werden sollte. Der Einsatz eines Clinic Decision Support Systems (CDSS) kann ein leitliniengerechtes Handeln möglicherweise verbessern, indem patientenspezifische Risikokonstellationen anhand europäischer Leitlinien geprüft werden und dem Nutzer eine optimale Vorgehensweise unterbreitet wird.
Zielsetzung: In dieser Arbeit, soll die Eignung eines klinischen Entscheidungs-Unterstützungssystems (CDSS) anhand eines Multiple Choice (MC) Tests mit 11 kliniknahen Fallbeispielen, bezüglich evidenzbasierten perioperativen Managements von antikoagulierten Patienten untersucht werden.
Methoden: Im Rahmen einer klinischen prospektiven randomisierten multizentrischen Simulationsstudie beantworteten Ärztinnen und Ärzte einen Multiple Choice Test bestehend aus 11 Fallbeispielen zum Thema periinterventionelles Management von antikoagulierten Patienten. Dabei sollte zu - 5 - jedem Beispiel zwei möglichst leitliniengerechte Empfehlung ausgewählt werden.
Die Ärztinnen und Ärzte wurden vorab in zwei Gruppen randomisiert. Der PERI-KOAG Gruppe wurde das CDSS zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung gestellt. Die Kontroll-Gruppe hatte hingegen keinen Zugriff auf die Applikation und sollte den Test mit frei zugänglichen Hilfsmitteln, zum Beispiel Leitlinien oder anderen allgemein verfügbaren Apps beantworten. Die beiden Gruppen wurden anschließend in Bezug auf die Gesamtergebnisse, die Bearbeitungszeit und Berufserfahrung verglichen.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 168 Teilnehmer in die beiden Gruppen randomisiert, wovon 76 Teilnehmer, 42 Teilnehmer der PERI-KOAG Gruppe und 34 Teilnehmer der Kontroll-Gruppe den MC-Test vollständig beendeten und in die weitere Auswertung eingeschlossen wurden. Der MC-Test konnte mit maximal 22 Punkten (=100%) abgeschlossen werden. Die PERI-KOAG Gruppe erreichte dabei im Durchschnitt signifikant bessere Ergebnisse als die Kontroll-Gruppe (82 ±15% vs. 70 ±10%; 18 ±3 vs. 15 ±2 Punkte; P =0,0003). Unter Berücksichtigung der Bearbeitungszeit erzielten Teilnehmer mit längerer Bearbeitung durchschnittlich höhere Ergebnisse, als Kollegen welche den Test schneller abschlossen. Dieser Effekt zeigte sich in beiden Gruppen. Ein signifikanter Unterschied konnte hierbei nur in der PERI-KOAG Gruppe gezeigt werden (PERI-KOAG Gruppe ≥33 min. 89 ±10% (20 ±2 Punkte) vs. <33 min. 73 ±15% (16 ±3 Punkte), P =0,0005). Innerhalb der PERI-KOAG Gruppe zeigten sich tendenziell höhere Ergebnisse innerhalb der erfahreneren Gruppe (>5 Jahre Berufserfahrung), aber keinen signifikanten Unterschied zu weniger (≤5 Jahre Berufserfahrung) erfahrenen Kollegen (87 ±10% (19 ±2 Punkte) vs. 78 ±17% (17 ±4 Punkte), P =0,08). Dagegen konnte in der Kontroll-Gruppe kein Unterschied zwischen den Testresultaten von mehr und weniger erfahrenen Teilnehmern gezeigt werden (>5 Jahre: 71 ±8% (16 ±2 Punkte) vs. ≤5 Jahre: 70 ±13% (15 ±3 Punkte) P =0,66).
Diskussion: Diese Arbeit zeigt, dass im Rahmen eines MC-Tests mit Hilfe des CDSS ein leitliniengerechtes perioperatives Management von antikoagulierten Patienten signifikant verbessert werden kann. Eine fachgerechte Anwendung des Tools ist essentiell, um schwerwiegende Folgen, wie Blutungen oder Thromboembolien zu vermeiden. Eine längere Bearbeitungszeit und mutmaßlich intensivere Nutzung des CDSS, geht mit besseren Ergebnissen einher als eine schnelle Testbearbeitung. Ein insgesamt verbessertes leitliniengerechtes Management zeigt, unabhängig von der Berufserfahrung der Teilnehmer, das große Potential des CDSS.
Hintergrund: Amblyopie ist nach Fehlsichtigkeit die häufigste Sehstörung bei Kindern. Sie ist eine wesentliche Ursache für eine lebenslange Minderung der bestkorrigierten Sehschärfe und ist meist unilateral. Eine Asymmetrie in der Qualität des visuellen Eindrucks während der sensiblen Phase führt in der Regel zu einer unzureichenden Entwicklung des binokularen Sehsystems. Die Standardtherapie der Amblyopie besteht aus optimaler optischer Korrektur vorhandener Brechungsfehler und der direkten Okklusion, wobei das funktionsbessere Auge zeitweise mit einem Augenpflaster abgedeckt wird. Bisherige Studien haben gezeigt, dass besonders bei Patienten mit tiefer Amblyopie, die Therapietreue oft mäßig ist. In einigen Fällen kann das amblyope Auge nicht mit der Foveola fixieren. Diese exzentrische Fixation beeinflusst den Therapieerfolg negativ. Unser Ziel war, bei dieser speziellen Patientengruppe die Okklusionsdauer objektiv zu registrieren und deren Auswirkung auf die Visusentwicklung und die Fixationsänderung in Abhängigkeit vom Alter über einen langen Zeitraum zu untersuchen.
Methoden: In unserer prospektiven multizentrischen Pilotstudie untersuchten wir amblyope Kinder mit exzentrischer Fixation im Alter von 3-16 Jahren während 12-monatiger Okklusionsbehandlung. Der Nahvisus wurde mittels Landoltringen und Lea-Symbolen (jeweils Reihenoptotypen) bestimmt. Die Okklusionsdauer wurde kontinuierlich mit einem TheraMon®-Mikrosensor aufgezeichnet, der am Augenpflaster angebracht wurde. Der Fixationsort am Augenhintergrund wurde mit einem direkten Ophthalmoskop bestimmt. Unsere Ziele waren: Evaluierung der Sehfunktion, Therapieadhärenz und Beurteilung des Fixationsortes des amblyopen Auges. Der Anteil des korrigierten Visusdefizits, die Dosis-Wirkungs-Beziehung und die Therapieeffizienz wurden berechnet.
Ergebnisse: In unserer Studie wurden 12 Patienten mit Schiel- und kombinierter Schiel- und Anisometropieamblyopie im Alter von 2,9-12,4 Jahren (im Mittel 6,5 ± 3,4 Jahre) untersucht. Der Anfangsvisus der amblyopen Augen nach 3 Monaten refraktiver Adaptationsphase lag im Mittel bei 1,4 ± 0,4 logMAR (Spannweite 0,9-2,0), und der 5 Führungsaugen bei 0,3 ± 0,3 logMAR (Spannweite -0,1-0,8). Die mittlere interokuläre Visusdifferenz (IOVAD, Visusunterschied zwischen dem amblyopen Auge und dem Führungsauge) zu Beginn betrug im Mittel 1,1 ± 0,4 log Einheiten (Spannweite 0,5-1,8). Die verschriebene Okklusionsdauer lag im Median bei 7,7 Stunden/Tag (Spannweite 6,6-9,9), die tatsächlich erreichte bei 5,2 Stunden/Tag (Spannweite 0,7-9,7). Nach 12 Monaten betrug die mediane Visusbesserung der amblyopen Augen 0,6 log Einheiten (Spannweite 0-1,6), die mediane IOVAD 0,3 log Einheiten (Spannweite 0-1,8). Multiple Regressionsanalyse mit Rückwärtselimination zeigte, dass sowohl das Alter (p=0,0002) als auch die Okklusionsdosis (p=0,046) signifikante Einflussfaktoren für den Visusanstieg waren. Kinder unter 4 Jahren zeigten das beste Ansprechen mit der niedrigsten Rest-IOVAD (Median 0,1 log Einheiten, Spannweite 0-0,3). Die Effizienzberechnung ergab eine Visusbesserung von etwa einer log Visusstufe pro 100 Stunden Okklusion in den ersten zwei Monaten und einer halben log Visusstufe nach 6 Monaten. Die Therapieeffizienz nahm mit zunehmendem Alter ab (p = 0,01). Trotz einer gewissen Visusbesserung auch bei Patienten im Alter von ≥8 Jahren (Median 0,4 log Einheiten), zeigten diese eine geringere Therapieadhärenz sowie -effizienz (mediane Rest-IOVAD 0,8 log Einheiten). Zentrale Fixation wurde von 9 Patienten nach im Median 3 Monaten erreicht (Spannweite 1-4 Monate). Drei Patienten (>6 Jahre) erreichten keine zentrale Fixation.
Schlussfolgerung: Amblyopie mit exzentrischer Fixation stellt auch bei guter Adhärenz eine Herausforderung für den Therapieerfolg dar. Unsere Studie zeigte erstmals prospektive quantitative Daten basierend auf elektronischer Erfassung der Okklusion bei dieser seltenen Patientengruppe. Es konnte die deutliche Abnahme der Therapieeffizienz mit zunehmendem Alter gezeigt werden. Die Visusbesserung wurde viel stärker vom Alter als von der Okklusionsdosis beeinflusst. Nur Kinder, die zum Okklusionsbeginn jünger als 4 Jahre waren, konnten im Studienzeitraum in ihren amblyopen Augen eine für ihr Alter annähernd normale Sehschärfe und eine IOVAD <0,2 log Einheiten erreichen. Demzufolge sind, trotz möglicher geringer Visusbesserung auch bei älteren Patienten, eine frühzeitige Diagnose und Therapie dieser Patientengruppe unerlässlich für den Therapieerfolg.
Förderung: bereitgestellt durch den Forschungspreis des Vereins „Augenstern e.V.“
In Deutschland existieren nur wenige Ergebnisse aus der klinischen Forschung, die im Kontext der allgemeinmedizinischen Versorgung gewonnen wurden. Dies ist u.a. damit zu begründen, dass Forschung in der Allgemeinmedizin in den Praxisalltag eingebunden sein muss, worauf die gegenwärtige Versorgungsstruktur nicht ausgelegt ist. Damit für Hausärztinnen und Hausärzte Forschung im Praxisalltag möglich ist, müssen also Strukturen geschaffen werden, die Forschung ermöglichen. Eine solche Struktur bieten Forschungspraxennetze (FPN) wie beispielsweise das Forschungspraxennetz „ForN“. ForN wurde vom Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Jahr 2011 initiiert. In ForN tätige Forschungspraxen können sich mit einer Gültigkeit von fünf Jahren als „akademische Forschungspraxis“ akkreditieren lassen, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Dazu gehört die Teilnahme an für Forschungsprojekte qualifizierenden Fortbildungen oder an Netz-begleitenden Treffen für Ärztinnen, Ärzte und Medizinische Fachangestellte (MFA) sowie die regelmäßige Teilnahme an Forschungsprojekten. Eine Verlängerung der Akkreditierung nach fünf Jahren ist möglich. Bisherige Publikationen über Forschung zu FPN bieten insbesondere Einblicke in Faktoren, welche den Beitritt in ein FPN fördern oder eher behindern. Forschung, die Faktoren der längerfristigen Mitwirkung der Praxen an FPN (wie Austrittsgründe, aber auch Motivation, eine Re-Akkreditierung anzustreben) untersucht, ist im Gegensatz dazu rar.
Diese Dissertation untersucht diese Faktoren anhand der folgenden Fragen: warum traten Forschungspraxen im Laufe der Zeit aus dem FPN ForN aus (ehemalige Mitglieder) und warum strebten andere eine Re-Akkreditierung an (aktive Mitglieder)? Weitere Unterfragen dieser Arbeit sind: welche Faktoren motivierten oder erschwerten hausärztlichen Teams eine Mitwirkung als Forschungspraxis? Wie wurde die bisherige Zusammenarbeit gesehen und als wie gut machbar wurden die Anforderungen zur Erlangung der Bezeichnung „akademische Forschungspraxis“ eingeschätzt?
Es wurde ein Fragebogen für ehemalige ärztliche ForN-Mitglieder entworfen und eingesetzt. Des Weiteren wurden Daten aus Fragebogenerhebungen von aktiven ForN-Mitgliedern (Hausärztinnen, Hausärzte, MFA) aufbereitetet. Die Daten wurden mithilfe der Datenanalysesoftware SPSS deskriptiv unter Angabe der Häufigkeiten, Mittelwerte, Standardabweichungen und Spannweiten ausgewertet.
Es konnten 14 Fragebögen von ehemaligen ärztlichen ForN-Mitgliedern aus 13 Praxen analysiert werden. Von den aktiven ForN-Mitgliedern wurden Fragebögen von 48 Ärztinnen und Ärzten sowie 57 MFA aus 41 Praxen ausgewertet. Als Gründe für den Austritt wurde von ehemaligen Mitgliedern insbesondere Zeitmangel und eine hohe Arbeitsbelastung angegeben. Weitere erschwerende Umstände waren ein Mangel an MFA, eine große Entfernung zum Standort des Instituts für Allgemeinmedizin und persönliche Gründe. Bis auf letztere Angabe waren dies auch die größten Hürden während der Teilnahme, die von aktiven Mitgliedern beschrieben wurden. Einen Beitrag für die Allgemeinmedizin zu leisten, persönliche Kompetenzen und Kompetenzen des Praxisteams zu erweitern sowie Abwechslung im Praxisalltag zu erleben, waren die wichtigsten motivierenden Faktoren einer Teilnahme im Forschungspraxennetz ForN, sowohl für aktive als auch für ehemalige Mitglieder. Die Anforderungen des FPN ForN an die Akkreditierung als Forschungspraxis wurden aus Perspektive der aktiven Mitglieder überwiegend als machbar empfunden. Nur die Umsetzung zusätzlicher, nicht verpflichtender Aktivitäten wurde als schwieriger erfüllbar bewertet. Bezüglich der Zusammenarbeit mit dem Institut für Allgemeinmedizin gaben ehemalige ärztliche ForN-Mitglieder an, eine gute Vorbereitung auf Forschungsaufgaben erfahren zu haben, dem ForN-Team des Instituts für Allgemeinmedizin vertrauen zu können und dass die Kommunikation allgemein gut war.
Gründe für den Austritt aus dem FPN und Hindernisse während der Teilnahme in ForN waren überwiegend externe Faktoren wie Zeitmangel, eine hohe Arbeitsbelastung oder ein Mangel an MFA. Auf diese Faktoren hat das Institut für Allgemeinmedizin keinen direkten Einfluss, es kann lediglich die administrativen Aufgaben innerhalb eines Forschungsprojektes für das Team einer Forschungspraxis so vorstrukturieren, dass sie möglichst gut im Praxisalltag bewältigt werden können. Ein Vergleich mit Publikationen, die sich mit förderlichen und hinderlichen Faktoren eines Beitritts in ein FPN auseinandersetzen, zeigt, dass ähnliche Gründe auch die längerfristige Mitwirkung beeinflussen.
Einfache elektrochemische Methode zur Bestimmung von Chlorit in wässrigen und nicht-wässrigen Systemen Stoffe bzw. Verbindungen, welche nachweislich krebserregend oder fruchtbarkeitsschädigend sind, werden seit Jahren, insbesondere durch die WHO, streng reguliert. Zu diesen Stoffen zählt u. a. Chlorit, welches als Abbauprodukt in Desinfektionsmitteln, Poolwassern und im Rahmen von organischen Oxidationsprozessen vorkommt. Im Rahmen des Projektes sollte eine elektrochemische Methode zu Detektion von Chlorit in wässrigen und organischen Proben entwickelt werden, wobei auf eine Glaskohlenstoffelektrode in Kombination mit Li [NTf]2 im Wässrigen und [Bmpyrr][NTf]2/MeOH im Organischen als Elektrolyten zurückgegriffen wurden.
Bei der Methodenentwicklung wurde auf Differentielle-Puls-Voltammetrie zurückgegriffen, da diese im Vergleich zum Cyclovoltammetrie deutlich empfindlicher ist. Die Methodenvalidierung nach ICH-Guidelines konnte erfolgreich durchgeführt werden Dabei konnte im Wässrigen eine Nachweisgrenze von 0.07 mg L-1 (Organisch: 0.20 mg L-1) erhalten werden. Beide lagen deutlich unter den WHO-Grenzwerten von 0.7 mg L-1. Die Selektivität/Interferenz wurde gegenüber den übrigen Chlor-Spezies getestet; für alle Spezies, außer Hypochlorit, konnten für die Wiederfindungsrate von Chlorit Werte nahe 100% erhalten werden. Die entwickelte Methode konnte erfolgreich auf wässrige (Poolproben, Desinfektionsmittel) und organische Proben (aus Pinnick-Synthesen) angewendet werden. Insbesondere durch die Anwendung im Bereich der Pinnick-Oxidation war der Sensor für mögliche In-Line-Analytik geeignet. Bei den organischen Proben konnte zudem die ionische Flüssigkeit zu 92% zurückgewonnen werden, was den Elektrolyten in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit noch attraktiver macht.
Entwicklung ionenchromatographischer Methoden zur Detektion von Chloroxo-Spezies
Der Bedarf an schnellen, kostengünstigen Analysemethoden, welche den Vorgaben der einzelnen Behörden weltweit entsprechen, ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Im Rahmen des Projektes sollte eine ionenchromatographische Methode (IC) entwickelt werden, welche neben den Chloroxo-Spezies (Chlorid, Hypochlorit, Chlorit, Chlorat und Perchlorat) auch die bekannten Standardionen (Fluorid, Bromid, Nitrat, Phosphat, Sulfat, Iodid) nachweisbar macht. Zunächst gelang es, die Methodenparameter zu optimieren und so die Chloro-Spezies, außer Hypochlorit, von den übrigen Standardanionen innerhalb von 50 Minuten vollständig zu trennen. Die Methode konnte in der weiteren Entwicklung sogar noch um die Detergenzien-Anionen Acetat, Formiat, Oxalat und Tartrat erweitert werden. (ASupp 7, 45 °C, 0.8 mL min-1, 6 mmol L-1 Na2CO3 / 1 mmol L-1 NaHCO3 + 10% Acetonitril). Auch alle notwendigen Validierungsparameter konnten erfolgreich bestimmt werden. Zuletzt war es möglich, erfolgreich unterschiedliche Realproben zu vermessen.
Da ein Nachweis von Hypochlorit mittels IC nicht möglich war, wurden weitere Anstrengung unternommen, dieses Anion mittels IC-PCR (Nachsäulenderivatisierung) nachzuweisen. Als Detektionsprinzip wurde dabei auf eine Bromat-Nachweis-Methode mittels UV/VIS zurückgegriffen, welche im Rahmen des Projektes angepasst wurde. Da davon ausgegangen werden muss, dass das Hypochlorit mit reaktiven Stellen innerhalb des Säulenmaterials reagiert und somit nicht mehr detektiert werden kann, wurden Passivierungsexperimente an der Vorsäule und Säule für 24 h mit einer Hypochlorit-NaOH-Mischung durchgeführt. Nach 60 Stunden Passivierung konnten erstmals reproduzierbare Ergebnisse bei dem Nachweis von OCl- erhalten werden. Zuletzt konnten erfolgreich fünf unterschiedliche Realproben vermessen und der Hypochlorit-Gehalt mit bisher angewandten Methoden verglichen werden, wobei die erhaltenen Werte in der gleichen Größenordnung lagen.
Entwicklung eines Sensors unter Verwendung der Viologen-Grundstruktur auf metallischen Oberflächen
Früher fanden Viologene und deren Derivate Anwendung im Bereich der Schädlingsbekämpfung und wurden hauptsächlich als Kontaktherbizid verwendet. Mittlerweile hat sich das Anwendungsspektrum der Viologene deutlich verändert, u.a. werden die in organischen Redox-Fluss-Batterien als Elektrolyte eingesetzt. Im Rahmen diesen Projekts wurden mehrere bekannte Viologen-Grundkörper (u. A. Methylviologen (MV)) vollständig elektrochemisch charakterisiert Im Anschluss wurde MV mit unterschiedlichen Ankergruppen (Thiol-, Sulfonat, -Phosphonat-, Carboxylanker) modifiziert und auf metallische Oberfläche (u. A. Gold und Kupfer) abgeschieden mit dem Ziel ein neues Sensor-Motiv für die Analytik zu entwickeln. Der Thiolanker konnte erfolgreich auf Gold, der Carboxylanker erfolgreich auf Kupfer abgeschieden werden. Die anschließenden elektrochemischen Untersuchungen der abgeschiedenen Monolagen ergaben jedoch eine geringe Stabilität der Anker in wässriger und organischer Umgebung, sodass in Zukunft weitere Anstrengungen unternommen werden müssen, die Stabilität des Viologensystems auf der Oberfläche zu verbessern.