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Das Palindrom, ein seit der Antike geübtes anagrammatisches Buchstabenspiel, galt einerseits als magische und numinose Praxis, andererseits, vor allem in der Moderne, als bloßes l'art pour l'art. Wie die Form als hintersinniges experimentelles Genre genützt werden kann, zeigt Brigitta Falkners Band 'TobrevierSCHreiverbot' (1996): Hier erweist sie sich als ironisches, satirisches und (sprach-)philosophisches Bild-Text Medium mit inhärenter autoreflexiver Bedeutung.
Die im Band behandelten 'Experimentierräume in der österreichischen Literatur' reichen wie das literarische Experiment als Programmatik bis in die Romantik zurück. Insbesondere in Österreich steht seit Wittgenstein und seiner intensiven Rezeption in der Moderne und dann wieder nach 1945 vor allem die Sprache als Material literarischen Experimentierens im Vordergrund. Die Übertragung des naturwissenschaftlichen Versuchs auf die literarische Produktionsweise wurde in diesem Sinne eingehend diskutiert und auch im speziell österreichischen Kontext reflektiert. In diesem Band soll der Begriff des Experimentellen jedoch nicht nur auf die Sprache selbst, sondern auch auf ihre Inhalte und über die diesbezüglich relativ gut beforschte Lyrik hinaus auf andere Formen der Literatur bezogen werden. Die Erprobung neuer literarischer Strategien und Techniken rückt die experimentelle Literatur in die Nähe der Avantgarde; im vorliegenden Buch sollen die beiden Begriffe, deren kleinster gemeinsamer Nenner das Innovative darstellt, jedoch klar von einander abgegrenzt werden.
Einfach (.) raffiniert : Friedrich Achleitners 'einschlafgeschichten' und 'und oder oder und'
(2019)
In Friedrich Achleitners Miniaturen 'einschlafgeschichten' (2003) und 'und oder oder und' (2006) schlägt sich das Multitalent eines Analytikers, eines genauen Beobachters und eines (neo-)avantgardistischen Künstlers nieder. Die Überschneidungen zwischen dem Beruf eines Architekturtheoretikers und der Rolle des Autors prägen auch die thematische und strukturelle Ebene der Texte. Im Einklang mit der Poetik der Wiener Gruppe ist das Grundelement im Baukasten der Sprache nicht die Metapher, sondern das Wort. Das stark reduzierte Textformat sowie die Ausweitung des Sprachexperimentes auf alle Sprachebenen und deren gezielte Vermischung lassen allerdings den konstruktivistischen Eifer und Ernst der Konkreten Poesie hinter sich.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ereignete sich eine historisch besondere, womöglich einzigartige Konstellation zwischen Dichtung und Ethnologie, ermöglicht dadurch, dass sich avantgardistische Dichter wie Robert Müller, Alfred Döblin oder Michel Leiris ethnologischen Erfahrungsbereichen öffneten, andererseits eine "strukturale" Ethnographie entstand, die mit den metaphysischen Traditionen des westlichen Denkens ebenso brach wie mit der eurozentrischen Perspektive und der Geschichtsphilosophie der Aufklärung, lange bevor der
Postcolonial Turn ausgerufen wurde.
Der Aufsatz beschäftigt sich mit der tschechischen Aufnahme der deutschsprachigen Literatur um 1900 und ihrem Anteil an der Profilierung des literarischen Experiments. Tschechische Übersetzungen und Buchausgaben dieser Zeit zeichneten sich der deutschen Literatur gegenüber durch einen traditionellen Zugang aus, durch den die eigentliche deutschsprachige Moderne eher ausgeschlossen wurde und die ausgewählten Werke im Geiste des Parnassismus interpretiert und modifiziert wurden.
Bis einschließlich 2. Juni 2019 ist in der Berliner Akademie der Künste das Ausstellungsprojekt "Der Elefant im Raum" der Schriftstellerin Kathrin Röggla zu sehen. Es ist Teil der großen künstlerisch-experimentellen Werkstatt "wo kommen wir hin", die sie zusammen mit dem Komponisten Manos Tsangaris und der bildenden Künstlerin Karin Sander initiiert hat. Durch die Kontrastierung verschiedener Medien und Materialien und die labyrinthische Bewegung der Besucher*innen im Gebäude schafft die Ausstellung Räume, in denen Spannungsfelder zwischen Sicht- und Unsichtbarkeit, zwischen Sprechen, Gespräch und Unterbrechung sowie zwischen An- und Abwesenheit spürbar werden. Mit Kathrin Röggla sprach darüber Pola Groß.
Die Vogelperspektive lässt sich als ein experimenteller Standpunkt im Sinne des Erprobens eines den menschlichen Maßstäben nach ungewöhnlichen Blickes sowie eines Wagnisses fassen. Als solche hat sie sich nicht nur über weite Strecken der Literaturgeschichte, sondern auch für theoretische Annäherungen als Garant eines gesellschaftskritischen Standpunkts erwiesen, der ebenso dem Zirkus und v. a. seinen TrapezartistInnen und SeiltänzerInnen zugeschrieben wird. Durch Stichproben in Franz Kafkas, Erwin Herbert Rainalters und Milo Dors einschlägigen Texten wird im Beitrag diese kanonisierte Auffassung des 'Blicks von oben' auf den Prüfstand gestellt, und zwar wiederum im Sinne einer Versuchsanordnung.
In dem vorliegenden Beitrag werden die markantesten intertextuellen Bezüge der beiden Kasperlstücke 'kasperl am elektrischen stuhl' (1962) von Konrad Bayer und 'Kasperlspiel vom Meister Siebentot' (1955/1965) von Albert Drach vergleichend analysiert. Die jeweilige Neukontextualisierung der Grundkonstellation des Spiels im Spiel in Kombination mit einer Hanswurst/Kasperl-Figur, die auf Ludwig Tiecks "Kindermärchen" 'Der gestiefelte Kater' (1797) zurückgeht, aber auch auf Arthur Schnitzlers Bursleske 'Zum großen Wurstel' (1901/05) Bezug nimmt, wird auf literarische Formen des Experimentellen hin untersucht. Dabei werden zwei grundlegend unterschiedliche Positionen des literarischen Experiments in den zwei Jahrzehnten nach 1945 sichtbar.
Este artigo explora a noção de extemporaneidade tomada como um traço distintivo do modelo temporal adotado pelos classicistas de Weimar, por Goethe em particular. Concebe o "extemporâneo" como um preceito e uma prática que supõe um movimento de dissociação do tempo presente e da pessoa do autor. Com base no ensaio "Sansculottismo literário" e na tradução da "Vida" de Benvenuto Cellini, publicadas originalmente no periódico "As Horas" ("Die Horen"), procuro esboçar o elo entre a resposta à Revolução Francesa e a reflexão sobre autoria, e discutir os limites da "extemporaneidade" de Goethe como meio de implementar a autonomia artística.
In den philosophischen, ästhetischen und musikwissenschaftlichen Diskursen scheinen Musik und Emotionen selbstverständlich miteinander einherzugehen. Ob die Musik als ein sich auf Zahlen- oder Proportionsverhältnisse stützendes, abstraktes Schema begriffen wird (wie z. B. in der griechischen Theorie und in ihren nachfolgenden Derivaten), als Nachahmung der Natur oder affektiver Zustände (wie in der klassischen Ästhetik) oder als unmittelbarer Ausdruck der Leidenschaften (wie in der romantischen Metaphysik) - sie wird systematisch als diejenige künstlerische Tätigkeit betrachtet, die am besten in der Lage ist, E-motionen ('e-movere') zu erzeugen, Körper und Seele "in Motion" zu setzen. Die Literatur scheint sich des Vorteils, den die Musik ihr gegenüber im Bereich der Emotionen hat, bewusst zu sein. In den vorliegenden Beiträgen wird gezeigt, dass Literatur sich nicht selten auf die Musik bezieht und sie in ihre verbale Welt integriert, um ihre eigene emotionale und kommunikative Wirkmacht zu verstärken.