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Auch im Fachbereich Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität kam es 1968 zu heftigen Turbulenzen. Dabei zeigten die meisten jüngeren Professoren des Fachbereichs durchaus Verständnis für manche der studentischen Forderungen. Einige Reformansätze scheiterten, andere wurden erst durch feinere Nachjustierungen funktional.
Der Beitrag bietet eine Übersicht zu den Zusammenhängen zwischen Immaterialgüterrechten (IP [intellectual property]-Rechte), Privatautonomie und Innovation. Demnach beruht das IP-Recht auf der Annahme, dass erst die Kombination aus fungiblen Ausschließlichkeitsrechten und Privatautonomie – also die juristische Form der Marktwirtschaft – einen innovationsförderlichen Effekt verspricht. Dementsprechend kombiniert das geltende Recht ein hohes materielles IP-Schutzniveau mit einer weitreichenden Anerkennung der Privatautonomie der Berechtigten. Dieser Regulierungsansatz hat den Vorteil, dass sehr anpassungsfähige Rahmenbedingungen für Innovationen geschaffen werden. Wer für seine Innovation eine umfassende Exklusivität benötigt, kann unter Geltung der beiden genannten Prinzipien ebenso operieren wie Akteure, die auf IP-Schutz teilweise oder ganz verzichten möchten, weil ihnen dies unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen vorzugswürdig erscheint. Und doch erläutert der Beitrag, dass die naheliegende Folgerung zu kurz greift, der Gesetzgeber könne sich darauf beschränken, möglichst umfassende und zugleich fungible IP-Rechte zu kodifizieren, da der Markt stets für eine effiziente und auch sonst sozial wünschenswerte Ressourcenallokation sorge. Denn die mit ausschließlichen IP-Rechten verbundenen Transaktionskosten stehen diesem Ziel nicht selten im Wege. Damit zeigt sich, dass keine noch so elaborierte Vertragsrechtstheorie die Frage nach dem Sinn des logisch vorrangigen Eigentums erübrigt.
Das Immaterialgüterrecht bildet eine der ältesten und inzwischen umfangreichsten Materien des Einheitsprivatrechts. Fast alle Staaten der Erde sind Mitglieder der World Intellectual Property Organization und bekennen sich als solche zur Förderung des „geistigen Eigentums“. Allerdings ist der Rechtsschutz nach dem seinerseits universell anerkannten Territorialitätsprinzip auf das Territorium des jeweiligen Gesetzgebers beschränkt. Zu dieser geografischen Fragmentierung treten fremdenrechtliche Beschränkungen des Zugangs zum lokalen Rechtsschutz hinzu. Der Beitrag erläutert, welche Akteure die Spannung zwischen globaler Kommunikation und fragmentiertem Immaterialgüterrechtsschutz auf welche Weisen regulativ bearbeiten. Dabei wird unterschieden zwischen der Rechtsangleichung bei fortdauernder Fragmentierung, der Schaffung supranational einheitlicher Verfahren, Immaterialgüterrechte und Gerichte sowie informellen Kooperationen zwischen Privaten und Patentämtern. Die Leitfrage der Bestandsaufnahme lautet, ob all diese Phänomene im Sinne von Kropholler und David als funktionales Einheitsrecht begriffen werden können, ob es sich also um Rechtssätze handelt, bei denen die Einheitlichkeit ihrer Geltung im Interesse des unverfälschten internationalen Handels zu einem besonderen Rechtszweck erhoben wurde, oder ob man lediglich objektiv-formal eine rechtlich bindende Einheitlichkeit konstatieren kann, die primär ein anderes Ziel verfolgt, nämlich: die weltweite Stärkung des Immaterialgüterrechtsschutzes. Den Abschluss bildet eine kritische Stellungnahme zur verbreiteten Annahme, die weit fortgeschrittene Vereinheitlichung des Immaterialgüterrechts sei ein großartiger Erfolg.
Die Bedeutung der AKM-Entscheidung des EuGH für das Recht der Kabelweitersendung in Deutschland
(2017)
Der Beitrag erörtert die Auswirkungen der »AKM/Zürs.net«-Entscheidung des EuGH für die Praxis der Kabelweitersendung in Deutschland. Aus dem Urteil folgt, dass die integrale Kabelweitersendung der öffentlich-rechtlichen und privaten deutschen Fernsehsender im Inland kein neues Publikum erreicht und daher nicht gesondert erlaubnispflichtig ist. Bei ausländischen Sendern kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Es wäre eine bessere Welt, würde es diese Bilder nicht geben: Die Rede ist von Darstellungen, die sexuellen Missbrauch von und sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen zeigen. Die physischen und psychischen Verletzungen, die durch den Missbrauch, aber auch durch dessen Perpetuierung in Bildern verursacht werden, sind unermesslich. Daher greift die Gesellschaft zu einem ihrer schärfsten Schwerter – dem Strafrecht.
Das Recht – abstrakt und bilderfeindlich? Ein Fehlurteil. Denn schon immer hat das Recht zu sinnlichen Hilfsmitteln gegriffen, um sich den Menschen verständlich zu machen, teils auf realer, besonders gern aber auf sprachlicher Ebene. Die heutige Bilderflut ist jedoch auch für die Rechtswissenschaft ein neues Phänomen.
Der Beitrag ist der urheberrechtlichen Einordnung des sog. Internet Protocol Television (IPTV) gewidmet. In einem ersten Abschnitt werden technische, organisatorisch-wirtschaftliche und juristische Unterschiede zwischen dieser Übertragungstechnologie und dem sog. Internet-TV herausgearbeitet. Sodann wird nach Maßgabe der SatCabRL 93/83 geprüft, ob die Ausübungsregeln der §§ 20b, 87 V UrhG nur für klassisches Kabelfernsehen oder auch für IPTV gelten. Das Ergebnis lautet, dass IPTV unter die §§ 20b, 87 V UrhG fällt, soweit sein Einsatz nach der AKM-Entscheidung des EuGH überhaupt eine erlaubnispflichtige öffentliche Wiedergabe darstellt.
Der europäische Arbeitnehmerbegriff ist aus der arbeitsrechtlichen Praxis inzwischen nicht mehr wegzudenken. Das Ausmaß des Einflusses des Europarechts auf das nationale Arbeitsrecht ist insbesondere seit den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Danosa (EuGH, 11.11.2010 - C-232/09) und Balkaya (EuGH, 9.7.2015 - C-229/14) zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft erheblich. Dieser Beitrag beleuchtet die Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff.
Hassrede und Katzenbilder : Wie können im globalen Netz nationale Gesetze respektiert werden?
(2017)
Der Zugang zum Internet ist die Voraussetzung, um online aktiv zu sein, zu kommunizieren oder einzukaufen. Zugang allein reicht aber nicht: Erst sogenannte Internet-Intermediäre (oder Internet-Inhalt-Vermittler) wie Google, Facebook oder Amazon ermöglichen es, das Internet zu nutzen, um über Social Media zu kommunizieren, auf Musik, Filme und Texte zuzugreifen oder überhaupt erst via Suchmaschine passende Online-Angebote ausfindig zu machen. Intermediäre verbinden Nutzer mit dem Internet, sie helfen bei der Datenverarbeitung, sie hosten und indexieren Inhalte, sie ermöglichen die Suche, sammeln Informationen, vermitteln Angebote Dritter und ermöglichen Käufe und Zahlungen...
Das zwischenstaatliche Gewaltverbot steht im Zentrum der völkerrechtlichen Aufmerksamkeit. Auf bewaffnete Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent trifft dies nur begrenzt zu. An dieses Defizit knüpft die Autorin ab der Zeitwende 1989/90 an. Dabei überschreitet sie die traditionellen Grenzen des Gewaltverbots und analysiert, inwieweit dies, v. a. durch die Fortentwicklung der Menschenrechtslehre, eine inhaltliche Änderungen erfahren hat, die auch die militärische Anwendung von Gewalt im Innern eines Staates ächtet (ius contra bellum internum). Ein weiterer Schwerpunkt sind Interventionen durch Regionalorganisation. Hierbei wird untersucht, ob multilaterale Interventionen schon dann gewohnheitsrechtliche Akzeptanz erfahren, wenn sie entweder formell oder materiell rechtmäßig sind. Zumindest solche, die durch den UN-Sicherheitsrat autorisiert sind, können diese sog. Baugenehmigungsthese für sich in Anspruch nehmen. Doch auch ohne UN-Mandat vermögen humanitäre Interventionen regionaler Organisationen in engen Grenzen völkerrechtmäßig sein.
Der urheberrechtlich konnotierte Begriff des Plagiats zählt zu den anerkannten Grundtatbeständen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Der Beitrag zeigt indes, dass das Urheberrecht und das Wissenschaftsrecht keine konzentrischen Kreise bilden, sondern unterschiedliche Zwecke mit je anderen Regelungskonzepten verfolgen. Die Übernahme urheberrechtlicher Argumentationsmuster in die Wissenschaftsethik und das Wissenschaftsrecht erschwert die Herausbildung spezifisch wissenschaftsbezogener Kriterien zur Beurteilung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Als Alternative entwickelt der Beitrag ein Konzept wissenschaftlicher Redlichkeit, das sich am Recht gegen unlauteren Wettbewerb orientiert. Dazu werden weitreichende teleologische und strukturelle Gemeinsamkeiten des Lauterkeitsrechts und der Regeln zu wissenschaftlichem Fehlverhalten aufgedeckt. Insbesondere verfolgen beide Materien eine funktionale Teleologie. Das Lauterkeitsrecht gewährleistet die Funktionsbedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs, das Verbot wissenschaftlichen Fehlverhaltens sichert die Funktionsbedingungen und damit zugleich den Zielerreichungsgrad des offenen Wissenschaftsprozesses und des Wettbewerbs um wissenschaftliche Reputation.
Die Geschichte des Urheberrechts ist die Geschichte seiner Expansion. In diesem Beitrag wird die Expansionsgeschichte des Urheberrechts, in der das Urheberrechtsgesetz 1965 letztlich nur eine, wenn auch wichtige Episode darstellt, in Anlehnung an Thesen des 1944 erschienenen, wirtschaftssoziologischen Klassikers „The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen“ von Karl Polanyi gedeutet. Im Zentrum steht dabei der Gedanke, dass in einer Informationsgesellschaft, deren Wirtschaft auf Märkten und Wettbewerb beruht, alle neuen Technologien und hiermit verknüpften immateriellen Leistungsergebnisse über Ausschließlichkeitsrechte zugeordnet werden müssen, damit gewährleistet ist, dass alle relevanten In- und Outputfaktoren handelbar sind, so dass ihre jeweiligen Erzeuger marktbasierte Einkünfte erzielen können. Der Aufsatz erläutert, dass sich diese Kommodifizierungslogik in der jüngeren deutschen Urheberrechtsgeschichte nachweisen lässt. Auf die soziologische und rechtliche Relevanz der entgegengesetzten Zugangsnorm wird im Schlussteil hingewiesen.
Der jeweilige Betrugsbegriff kristallisiert sich in der Interpretation des § 263 StGB. Obwohl die Vorschrift seit 1875 existiert, hat sich ihre Interpretation von Epoche zu Epoche und in einer Reihe von Aspekten geändert. Die sich so entwickelten Betrugsbegriffe sind nicht frei von Vagheit und Widersprüchen.
Mittels einer Analyse der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs zwischen 1879 und 1979 arbeite ich heraus, welche ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Tendenzen die sich verändernden Betrugsbegriffe bestimmen. Dabei werden nicht nur juristische Argumente analysiert, die Urteilsgründe, sondern auch die Sachverhaltsdarstellungen mit Blick auf die gesellschaftlichen und ökonomischen Positionen der Beteiligten und Betroffenen und ihrer Beziehungen. So können auch latente Aspekte der Begriffe aufgefunden und explizit gemacht werden. Es wird gezeigt, dass einige Formen von Täuschung und Manipulation, im wesentlichen durch Werbung, aus dem Betrugsbegriff ausgenommen werden ebenso wie einige Formen von Vermögensbeschädigung, während auf der anderen Seite Schäden einbezogen werden, die nicht wirklich Vermögensschäden sind
Es wird auch gezeigt, dass der Wandel des politischen Regimes die Rechtsprechung und ihren Betrugsbegriff beeinflusst.
Die Analyse wird mittels qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse vorgenommen. Außerdem entwickle ich einen Betrugsbegriff der mit einer konstitutionellen Demokratie eher vereinbar ist. Die Untersuchung wurde zwischen 1981 und 1983 vorgenommen, das Buch 1985 veröffentlicht, was hier unverändert herausgegeben wird.
Anders als das Grundgesetz enthält der EWG-Vertrag Bestimmungen zum Schutz der Umwelt und ermächtigt die Gemeinschaft zum Erlaß eigenen Umweltrechts. Der Jurist Thomas Schräer erläutert, daß aber aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Gefahr besteht, daß die Umweltpolitik das Nachsehen gegenüber der Rechtsangleichung hat, die notwendig ist, um bis Ende 1992 den EG-Binnenmarkt zu verwirklichen. Es wird auch die Möglichkeit eingeschränkt, im Alleingang strengeres nationales Umweltrecht anzuwenden. Schröer entwickelt ein Modell zur Abgrenzung der vertraglichen Gesetzgebungsermächtigungen, das beiden Anliegen Rechnung zu tragen versucht.
Der Streit um das Kopftuch : vom Umgang mit religiösen Geltungsansprüchen in liberalen Ordnungen
(2016)
Im Streit um das Kopftuch geht es um mehr als ein beliebiges Rechtsproblem. Welche Rolle soll die Religion im öffentlichen Leben spielen? Wie geht eine liberale Gesellschaft mit der religiösen Vielfalt um? In Deutschland – im Gegensatz zu Frankreich – orientiert sich das Verfassungsrecht am Modell einer "positiven Neutralität": Der Staat weist die Religion nicht vollständig von sich ab, sondern gibt ihr aktiv Raum zur Entfaltung. Muss dieses Modell hinterfragt werden, wenn Gruppen mit starkem religiösen Geltungsanspruch die Bühne betreten und Religion wieder für gesellschaftlichen Konfliktstoff sorgt?
Das Kapitalmarktrecht entwickelt sich in der Berliner Republik zu einem voll integrierten Kernbestandteil des unternehmensrechtlichen Diskurses in der Rechtswissenschaft, während es in den vorausgehenden Dekaden primär eine in den normativen Grundlagen wenig durchdrungene Praktikermaterie darstellte. Das vorliegende Essay versucht eine Erklärung für diese Beobachtung zu skizzieren, die auf einem breiten Jurisdiktionen und Nationalökonomien übergreifenden Kontext beruht, der mit den Schlagworten Europäisierung und Globalisierung nur platt und unscharf umschrieben ist. Dabei geht es einerseits um eine Ausweichbewegung deutscher Unternehmen, die mit einer verstärkten Kapitalmarktorientierung eine Klemme in der Unternehmensfinanzierung zu lösen, die durch den Rückzug der vom globalen Wettbewerb erfassten Finanzindustrie aus derselben ausgelöst wurde. Auf der anderen Seite findet in der Altersvorsoge eine Abkehr von Umverteilungssystemen und eine Hinwendung zur kapitalbasierten Vorsorge statt, durch die nicht nur mehr Kapital für Investitionen statt für Konsum zur Verfügung steht, sondern auch die Interessen der Mittelschicht in vielerlei Hinsicht stärker von einer anlegerorientierten Regelung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht abhängen, als von einer Arbeitnehmerorientierung im Unternehmensrecht.
Mediation in der Türkei : Betrachtung ausgewählter Aspekte im Vergleich zur Mediation in Deutschland
(2016)
Angesichts der vergleichsweise noch sehr jungen Entwicklung der Mediation in der Türkei mag man es auf den ersten Blickerstaunlich finden, dass in der Türkei zeitgleich mit Deutschland ein Mediationsgesetz geschaffen wurde. Die Mediation als außergerichtliches Vermittlungsverfahren gründet darauf, dass Streitparteien freiwillig und selbstbestimmt ihren Konflikt mit Unterstützung eines Mediators einer gemeinsam entwickelten Lösung zuführen. Dies sind die Grundprinzipien der Mediation, die sowohl dem deutschen als auch dem türkischen Mediationsgesetz als Basis dienen.
Trotz vieler Ähnlichkeiten haben die kulturellen Besonderheiten beider Länder Einfluss auf die rechtliche Ausgestaltung dieses Einigungsverfahrens sowie dessen Umsetzung in der Praxis .Ziel des vorliegenden Arbeitspapiers ist es, dem Leser einen Einblick in die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Mediation in der Türkei und Deutschland zu vermitteln und dabei vergleichend zu untersuchen , ob und inwieweit landestypischen Spezifika in der Entstehungsgeschichte, den Grundlagen und der Praxis der Mediation erkennbar und durch gesellschaftliche und kulturelle Faktoren erklärbar sind.
Die Entwicklung des europäischen und deutschen Markenrechts in den letzten Jahrzehnten lässt sich auf die Kurzformel „vom Warenzeichen zum Markeneigentum“ bringen. An die Stelle einer lauterkeitsrechtlich fundierten Gewährleistung unverfälschten Wettbewerbs ist ein abstrak-tes, fungibles Eigentum an allen potentiell unterscheidungskräftigen Zeichen getreten. Im Beitrag wird dieser Paradigmenwechsel in Anlehnung an Thesen des 1944 erschienenen, wirtschaftssoziologischen Klassikers „The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen“ von Karl Polanyi gedeutet. In einem ersten Schritt wird erläutert, inwieweit Po-lanyis Ausgangsthese, wonach in einer Marktwirtschaft alle In- und Outputfaktoren kommodifiziert wer-den müssen, auf Marken und andere Kennzeichen übertragbar ist. Sodann wird Polanyis zentrale Er-kenntnis, dass die Kommodifizierung von Arbeit und Boden, aber eben auch von Zeichen als Kommu-nikationselementen kontingent, sogar fiktional und insgesamt alles andere als unproblematisch ist, für eine Kritik des gegenwärtigen Markenrechts fruchtbar gemacht. Und in der Tat ist auch in diesem Be-reich eine Entbettung des Marktes aus der Gesellschaft zu beobachten: Die Markenkommunikation wird gegenüber nicht-marktlicher Kommunikation abgeschirmt, z.B. vor Markenparodien und -kritik. Dies löst nach Polanyi Gegenbewegungen aus, die im Markenrecht bereits so stark geworden sind, dass es nicht einmal mehr ausgeschlossen erscheint, dass sie das Markenrecht auf seinen Ausgangspunkt zurück-werfen: auf das Recht gegen unlauteren Wettbewerb.
Die Inauguraldissertation „Strafrechtsdogmatische und strafprozessuale Probleme bei der Einführung und Umsetzung einer Verbandsstrafbarkeit. Untersuchung des Entwurfs eines Ge-setzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ verfasst von Frau Franziska Osterloh, LL.M., befasst sich mit der Einführung einer Verbandsstrafbarkeit. Betreut wurde die Arbeit an der Johann Wolfgang von Goethe – Universität, Frankfurt am Main, von Herrn Prof. Dr. Matthias Jahn. Anlass des aktuellen Auflebens der wissenschaftlichen Diskussion und Anknüpfungspunkt dieser Arbeit war der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unter-nehmen und sonstigen Verbänden, der auf Vorschlag des nordrhein-westfälischen Justiz-ministeriums der Justizministerkonferenz der Länder im November 2013 vorgelegt wurde.
Zu Beginn wird anhand einer kurzen historischen Einführung und einer Darstellung der rechtlichen Grundlagen von Verbandstätigkeit außerhalb des (Kern-)Strafrechts aufgezeigt, dass der Verband als Rechtssubjekt weitestgehend anerkannt und verselbstständigt ist. An-schließend werden die kriminalpolitischen Argumente zur Begründung einer Verbandsstraf-barkeit in ihren wesentlichen Zügen wiedergegeben.
In dem folgenden der Arbeit untersucht die Verfasserin die strafrechtsdogmatischen Probleme der Einführung einer Verbandsstrafbarkeit. Dabei konzentrieren sich die Ausführungen auf die „klassischen“ Eckpunkte des wissenschaftlichen Diskurses, die Handlungs-, Schuld- und Straffähigkeit von Verbänden. Hierbei liegt ein Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit der Frage der möglichen Schuldfähigkeit eines Verbandes. Als Ergebnis dieses Kapitels wird festgehalten, dass die bloße Zurechnung ebenso wie die selbstständige Verbandsschuld, nicht den Anforderungen des Schuldprinzips genügen kann. Der Bezug zu der natürlichen Hand-lung, die nach außen in Erscheinung tritt, ist mit Hilfe einer Zurechnung erforderlich und dann ausreichend, wenn für den Verband die Möglichkeit bestanden hätte, durch Organi-sationsstrukturen die Ausführung der Handlung zu verhindern.
Anhand dieser Ergebnisse werden die materiell-rechtlichen Aspekte des untersuchten Gesetzesentwurfs näher beleuchtet und insbesondere die in § 2 des Entwurfs enthaltenen Tatbestände, die sich stark an §§ 30, 130 OWiG anlehnen, untersucht. Die Verfasserin kommt zu dem Ergebnis, dass die Tatbestände unter Berücksichtigung einer teleologischen Aus-legung und restriktiven Handhabung nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen.
Die Untersuchung der strafprozessualen Aspekte des Gesetzesentwurfs bezieht sich zum einen auf die übergeordneten Verfahrensprinzipien und deren im Ergebnis weitgehende An-wendbarkeit auf Verbände und zum anderen auf die konkreten Normierungen des Entwurfs. Ein Schwerpunkt wird hierbei auf die Beschuldigtenrechte gelegt, die nach Ansicht der Verfasserin noch nicht hinreichend klar normiert sind. Abschließend werden einige strafprozessuale Besonderheiten untersucht, die nicht ausdrücklich oder lediglich beiläufig von dem Gesetzesentwurf aufgefasst werden.
Als Gesamtergebnis der Arbeit wird der untersuchte Gesetzesentwurf zwar als begrüßens-werte Präzisierung und Bereicherung der Diskussion um eine Verbandsstrafbarkeit, jedoch nicht als dessen Schlusspunkt eingeordnet.
Die „Frankfurter Schule des Strafrechts“, eine strafrechtskritische, aber nicht abolitionistische Perspektive auf das Strafrecht, verneint die Möglichkeit eines gänzlich unpolitischen Strafrechts, und betreibt, an der Wirklichkeit des Strafrechts interessiert, grundlagenorientiert Strafrechtstheorie und -dogmatik. In dieser Tradition werden die kriminalpolitischen Herausforderungen gekennzeichnet: Das Strafrecht in der globalisierten und ökonomisierten Mediengesellschaft zunehmender Pluralität und Diversität. Die Herausforderungen, die mit diesen gesellschaftlichen Entwicklungen verbunden sind, lassen sich kennzeichnen als Balanceakt zwischen Flexibilität und Prinzipientreue. Das Strafrecht darf sich nicht fundamentalistisch auf das beschränken, was schon seit Ewigkeiten Straftat ist, muss aber auf seinem Charakter als ultima ratio beharren, und darf sich und seine Zurechnungsprinzipien, provoziert durch die neuen Gegenstände (wie z.B. die Wirtschafts- und Umweltkriminalität) und die steigenden Sicherheitsbedürfnisse einer verunsicherten und nach Prävention strebenden Gesellschaft, nicht bis zur Unkenntlichmachung verbiegen lassen.
Bei Erlass des PUAG verzichtete der einfache Gesetzgeber bewusst auf eine mögliche Vereidigung von Zeugen vor Untersuchungsausschüssen. Das Recht zur Zeugenvereidigung ist aber, wie dargelegt wird, in der Verfassung selbst gewährleistet. Damit sind intrikate Fragen sowohl zum Verhältnis von Verfassung und Gesetz sowie im bundesstaatlichen Verhältnis aufgeworfen. Dem einfachen Gesetzgeber steht zwar die Befugnis zu, ein Gesetz über Untersuchungsausschüsse zu erlassen, fraglich ist aber, ob er berechtigt ist, Untersuchungsausschüssen des Bundestages Rechte zu nehmen, die ihnen nach dem Grundgesetz zustehen; dies ist im Ergebnis zu verneinen. Die bundesrechtlichen Änderungen zeitigten indes sogar Folgen für das Verfassungsrecht der Länder. Infolge der mit Einführung des PUAG gleichzeitig erfolgten Änderung des StGB entschied der Hessische Staatsgerichtshof im Jahr 2011, dass Untersuchungsausschüssen des Landtages ein Vereidigungsrecht nicht mehr zustehe, welches er zuvor aus der Hessischen Verfassung abgeleitet hatte. Der Gerichtshof gesteht dadurch dem Strafrecht die Macht zu, öffentlich-rechtliche Kompetenzen in den Ländern zu ändern.
Das Leistungsfähigkeitsprinzip als zentraler Grundsatz der Einkommensbesteuerung ist in hohem Maße konkretisierungsbedürftig und damit für Wertentscheidungen offen. Diese Offenheit wird von der traditionellen Steuerrechtswissenschaft mit Wertungen gefüllt, die aus der Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit äußerst problematisch sind. In diesem Aufsatz werden zunächst Einnahmenseite und Ausgabenseite des Einkommens für die Bemessung der Leistungsfähigkeit betrachtet. Dabei wird aufgezeigt, dass die fehlende Berücksichtigung der Reproduktionsarbeit in Kombination mit dem Ehegattensplitting auf Seite der Einnahmen das Leistungsfähigkeitsprinzip erheblich verzerrt und die Verweigerung der vollen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten beispielsweise auf Seite der Ausgaben das traditionelle Familienmodell weiterhin begünstigt. Einem solchen Steuerrecht, das die Genderperspektive systematisch ausblendet, stehen aber Verfassungsnormen entgegen, die im Folgenden anhand der argumentativen Leitlinien skizziert werden. Daher muss das Steuerrecht weiter entwickelt und an die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Gleichberechtigung von Mann und Frau gekoppelt werden.
This text is an only slightly modified version of the Herbert Krüger Memorial Lecture that I held upon invitation of the Arbeitskreis Überseeische Verfassungsvergleichung on 4 July 2014 at Bucerius Law School in Hamburg. My point of departure is the observation that even though the economic exploitation of natural resources triggers a multitude of distribution conflicts, international and transnational law treat these conflicts inadequately. While the New International Economic Order had as one of its objectives distributional justice between resource exporting poor states (former colonies) and resource importing high income states (mostly former imperial powers) its demands were never fully realized. Instead a transnational economic law emerged which can be interpreted as itself establishing a distribution order -- albeit a distribution order that is not oriented towards distributional justice, but rather posits the market as the best distribution device. This distribution order has depoliticized and deterritorialized distribution conflicts between resource exporting and resource importing states and has secured – through the promotion of privatizations, protection of foreign investments and dismantling of trade barriers – access to resources for the resource importing states. At the same time it has freed importing states from responsibility for the harms that accrue from resource exploitation to the resource exporting states and their populations. I call in this text for a repoliticization of distribution conflicts at the international as well as the (trans)national level, a repoliticization that may be achieved not only through the reform of political, but also economic institutions.
Der Beitrag untersucht das in jüngerer Zeit verstärkt diskutierte Phänomen einer – tatsächlichen oder vermeintlichen – „anglo-amerikanischen Rechts-hegemonie“. Es geht dabei um die Frage, ob die Rechtsordnungen Deutschlands und der Europäischen Union unter eine Vormachtstellung des amerikanischen Rechtsdenkens und amerikanischer Regelungsmuster geraten sind oder eine solche vielleicht sogar selbst aktiv befördert haben. In dem Beitrag wird diese Diskussion aus zivilrechtlicher Perspektive aufgegriffen. Nach einer Konkretisierung des Topos der Rechtshegemonie werden dabei zunächst einige Grundcharakteristika des amerikanischen Rechtssystems und des deutschen Rechtssystems gegenübergestellt und zusammengefasst, in welchen Bereichen das deutsche und das europäische Recht in den vergangenen Jahrzehnten durch amerikanische Denk- und Regelungsmuster überformt worden sind. Im Anschluss erfolgt eine Bewertung der zuvor skizzierten Entwicklung, wobei die Unterscheidung zwischen einem intrinsisch orientierten und einem funktional orientierten Verständnis von Rechtskultur als ein Kernproblem der jüngeren rechtsvergleichenden Diskussion im Zentrum steht. Im Ergebnis wird eine tendenziell skeptische Perspektive gegenüber dem suggestiven Bild eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen eingenommen und die in jüngerer Zeit häufig geäußerte These der globalfunktionalen Überlegenheit eines wettbewerbsorientierten Rechtsmodells in Zweifel gezogen.
Der Aufsatz untersucht das Verhältnis von Antidiskriminierungsrecht und Diversität in der Rechtswissenschaft. Das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander ist nicht spannungsfrei. Der Aufsatz befasst sich näher mit der Frage, wie Gleichheit zu verstehen ist und stellt zwei Modelle zum Verständnis von Gleichheit vor: Differenzierungsverbot und Dominierungsverbot. Im Vergleich erweist sich ein Verständnis als Dominierungsverbot wesentlich leistungsfähiger als eine Deutung als Differenzierungsverbot, jedenfalls wenn es um komplexere Formen von Benachteiligung geht.
Im Anschluss wird erörtert, welche Faktoren die Leistungsfähigkeit des Antidiskriminierungsrechts im Hochschulbereich, in dem Frauen auf höheren Positionen immer noch unterrepräsentiert sind, beeinflussen. Hierbei werden verschiedene Erklärungsansätze dargestellt und strukturelle Hürden des Antidiskriminierungsrechts aufgezeigt. Denn die Frage der Durchsetzbarkeit rechtlicher Normen ist ein zentrales Thema für die praktische Wirksamkeit von Antidiskriminierungsrecht. Insoweit ist freilich auch ein Rückgriff auf die Herstellung von Diversität wenig erfolgversprechend.
Der Islam stellt in Deutschland derzeit die größte religiöse Minderheit dar. Für ein friedliches Zusammenleben und einen Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen, stellt das Recht wegen der Möglichkeit der Durchsetzbarkeit einen besonders wichtigen Faktor dar. Gegenstand des Aufsatzes ist die Frage, wie die deutsche Rechtsordnung mit religiösen Konflikten umgeht, inwieweit also die Interessen von Muslimen rechtlich geschützt werden. Dazu werden zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Religionsfreiheit darge-stellt und die zentralen Kritikpunkte an der bisher ausgesprochen religionsfreundlichen Rechtsprechung analysiert. Sodann wird die Bedeutung dieser Maßstäbe für drei Einzelfragen näher betrachtet. Behandelt werden zum einen Konfliktfelder durch Religionsausübung in der Schule: das freiwillige Gebet von Schülern in Unterrichtspausen, die Befreiung vom Schwimmunterricht sowie die Kopftuchdebatte. Zum anderen werden die Fragestellungen erörtert, ob und inwieweit Scharia vor deutschen Gerichten Anwendung findet und ob und inwieweit sich innerhalb Deutschlands eine Paralleljustiz entwickelt. Abschließend befasst sich der Aufsatz mit der Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen. Dieses Thema hat durch ein Urteil des LG Köln aus dem Jahre 2012 politische Aufmerksamkeit erlangt und schnelle Reaktionen des Gesetzgebers ausgelöst.
Rechtsvergleichend wird betrachtet, wem in Deutschland und den USA das Recht zu wählen zusteht. Es wird dargestellt, dass die gleichheitsrechtlich begründete Ausdehnung des Wahlrechts auf früher exkludierte Personengruppen keine lineare Fortschrittsgeschichte ist.
Der Kampf um das Wahlrecht in den USA war weitgehend Teil des Kampfes gegen Rassendiskriminierung. Änderungen des Wahlrechts in bestimmten Einzelstaaten der USA stellen einen erheblichen Rückschritt im Hinblick auf die Allgemeinheit der Wahl dar, da sie Verschärfungen mit sich bringen, die ohnehin schon benachteiligte Bevölkerungsgruppen faktisch vom Wahlrecht ausschließen.
Auch in Deutschland war es ein langwieriger Prozess, bis sich die Allgemeinheit der Wahl durchsetzte. Aber auch in Deutschland ist die Allgemeinheit der Wahl noch in mehrfacher Hin-sicht beschränkt. Insbesondere die Einschränkungen des Wahlrechts für Strafgefangene wie auch das Wahlrecht für Auslandsdeutsche sind verfassungsrechtliche sehr problematisch. Auch Reformvorschläge, wie etwa die Einführung eines Kinderwahlrechts, treuhänderisch durch die Eltern ausgeübt, sind verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.
Essayistisch setzt sich diese Kolumne mit der Bevölkerungspolitik auseinander. Die Geburtenrate und die Angst vor dem Bevölkerungsschwund sind zu einem wesentlichen Thema im medialen und politischen Tagesgeschehen geworden. Die Sorge um den ausbleibenden Nachwuchs führt zu Forderungen, dass der Staat zur Erhöhung der Geburtenrate tätig werden müsse im Sinne einer obligatorischen Staatsaufgabe, z.B. um die Sozialsysteme zu sichern. Doch die Steigerung der Geburtenrate ist kein legitimes staatliches Ziel. Die grundrechtliche Freiheit der Eltern verlangt, dass der Staat sich eines Einflusses enthält und keine Anreize zum Kinderbekommen setzt. Familienförderung hat lediglich dafür zu sorgen, dass die Bedingungen für die bereits bestehenden Familien adäquat sind und muss sich als „Ausgleich“ für (finanzielle) Lasten deuten lassen. Einige Förderungsmittel sind kritisch zu be-trachten, da sie überproportional relativ wohlhabenden Familien zugutekommen sowie Anreize setzen, viele Kinder zu bekommen - durch die Anrechnung auf Sozialleistungen jedoch nicht bei armen Familien. Die Veränderung in der Bevölkerungsentwicklung wird Folgen haben, die sich nicht durch eine rückwärtsgewandte, allein an der Steigerung der Geburtenrate orientierte Politik verhindern lassen. Stattdessen ist es an der Zeit, die notwendigen Anpassungsprozesse anzugehen und zu gestalten.
100 Jahre Fachbereich Rechtswissenschaft ist auch ein Grund, derer zu gedenken, die über eine lange Strecke dieser Zeitspanne das Bild des Fachbereichs entscheidend mitgeprägt haben, aber nicht mehr mitfeiern können. Darunter verdient ein Strafrechtsprofessor und Rechtsphilosoph besondere Hervorhebung und Würdigung. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Winfried Hassemer. Das Verständnis von der gegenseitigen Befruchtung in Theorie-Praxis-Projekten brachte Hassemer aus der akademischen Welt mit in seine hohen Staatsämter: Hessischer Datenschutzbeauftragter, Richter und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Schließlich konnte er in der Rolle des Anwalts gleichsam als „Gegenprobe“ auch noch seine schon lange gezeigte Zuneigung zum Beruf des Strafverteidigers erleben. Der fruchtbare Dialog zwischen Theorie und Praxis setzte sich 12 Jahre lang im „Frankfurter Arbeits-Kreis Strafrecht“ („FAKS“) fort, zu dessen Gründern Hassemer gehörte. Dabei haben Strafverteidiger, Richter, Staatsanwälte, Ministerialbürokratie, Strafvollzugs und Polizeibeamte mit auch Rechtswissenschaftlern im konstruktiven Diskurs die Abstände zwischen unseren „Berufswelten“ verringert. Im Zentrum stand sein Bekenntnis, dass das staatliche Strafen ein „blutiges Geschäft“ ist, das nur als ultima ratio und auch nur dann zu rechtfertigen ist, wenn „schützende Formen“ des Verfahrensrechts strafbegrenzend wirken. Der Fachbereich Rechtswissenschaft wird auch in dem jetzt beginnenden zweiten Jahrhundert seines Bestehens das Andenken an Winfried Hassemer hoch halten.
Rechtswissenschaftliche Abhandlungen und Veranstaltungen zu internationalen Gerichten stehen häufig unter dem Titel „Internationale Streitbeilegung“. Es wäre aber viel besser, so die Leitthese dieses Beitrags, solche Texte und Veranstaltungen als „internationale Gerichtsbarkeit“ zu betiteln. Dies ist keineswegs ein bloßer Streit um Worte, da hinter diesen Alternativen unterschiedliche rechtswissenschaftliche Auffassungen stehen. Im Folgenden sei gezeigt, dass anders als die Be-zeichnung „Internationale Streitbeilegung“ suggeriert, nicht nur eine, sondern vier Funktionen die Rechtsprechung heutiger internationaler Gerichte kennzeichnen. Es handelt sich dabei um: Streitbeilegung im Einzelfall, Stabilisierung normativer Erwartungen, Rechtschöpfung sowie Kontrolle und Legitimation öffentlicher Gewalt. Die Ana-lyse dieser Funktionen zeigt, dass die Bezeichnung „Internationale Streitbeilegung“ überkommen ist. Entsprechend sollte die Bezeichnung des Fachs geändert und es als Teil des Fachs internationale Institutionen verortet werden.
Prozesse der Konstitutionalisierung jenseits des Nationalstaates ver-laufen in zwei unterschiedlichen Richtungen: in transnationalen Politikprozessen jenseits der Nationalstaatsverfassungen, gleichzeitig außerhalb der internationalen Politik in den “privaten” Sektoren der Weltgesellschaft. Die Verfassungssoziologie, die solche Prozesse analysiert, distanziert sich damit von den Verengungen des traditionellen Konstitutionalismus auf den Nationalstaat und fokussiert gesellschaftliche Verfassungen im nationalen und transnationalen Raum. Doch was ist das Gesellschaftliche im gesellschaftlichen Konstitutionalismus? Dies ist aktuell Gegenstand einer vielstimmigen Kontroverse über die Subjekte nichtstaatlicher Verfassungen, ihren Ursprung, ihre Legitimation, ihre Reichweite und ihre inneren Strukturen. Der Beitrag versteht die Kontroverse als „Thema mit Variationen“ und stellt folgende Leitfragen an die zahlreichen Variationen: Was ist in der einzelnen Variation das jeweilige „Kompositionsprinzip“? Welche Schwierigkeiten zeigen sich in dessen Durchführung? Welches sind seine aufhebenswerten Motive? In diesem Sinn wird zunächst das von David Sciulli vorgegebene Thema des gesellschaftlichen Konstitutionalismus kurz vorgestellt. Dann werden sechs Variationen in zwei unterschiedlichen Variationsreihen vorgeführt, einer ersten, die Konstitutionalisierung als Expansion einer einzigen Rationalität in alle gesellschaftlichen Bereiche versteht, einer zweiten, welche trotz der Pluralität des gesellschaftlichen Konstitutionalismus auf der Einheit der Verfassung besteht. Im Schlussteil nehmen drei weitere Variationen schließlich die Motive, die sich als aufhebenswert herausgestellt haben – Meta-Verfassung, Nomos und Narrativ, mediale Reflexivität - wieder auf und entwickeln sie weiter.
Die Globalisierung hat nicht, wie es sowohl ordoliberale als auch kritische Theorien einer globalen „economic constitution“ erwarten, eine einheitliche Weltwirtschaftsverfassung hervorgebracht, sondern eine fragmentierte Kollisionsverfassung, d.h. eine Metaverfassung von Verfassungskonflikten. Als deren kollidierende Einheiten fungieren nicht mehr die Nationalstaaten, sondern transnationale Produktionsregimes. Die von Böhm und Sinzheimer für den Nationalstaat formulierte Alternative von ordoliberaler Wirtschaftsverfassung und sozialdemokratischer Wirtschaftsdemokratie ist in der transnationalen Wirtschaftsverfassung vom Gegensatz zwischen den neokorporatistisch organisierten Produktionsregimes Kontinentaleuropas und den finanzkapitalistisch geprägten Produktionsregimes anglo-amerikanischer Prägung, abgelöst worden. Entgegen allen Voraussagen haben die neo-korporatistischen Wirtschaftsverfassungen Kontinentaleuropas trotz Globalisierung und Wirtschaftskrise eine erstaunliche Resilienz bewiesen. Einer wirtschaftsdemokratischen Konstitutionalisierung eröffnen sich hier neue Chancen dadurch, dass, wie am Beispiel der Corporate Codes gezeigt wird, unternehmensexterne gesellschaftliche Kräfte, also neben staatlichen Interventionen rechtliche Normierungen und „zivilgesellschaftliche“ Gegenmacht aus anderen Kontexten so massiven Druck auf die Unternehmen ausüben, dass sie gezwungen sind, gemeinwohlbezogene Selbstbeschränkungen aufzubauen.
Diese Rechtskolumne stellt in Form eines Essays den staatsrechtlichen Diskurs und einige seiner Akteure zur Thematik des realen Wandels der Lebensverhältnisse von Ehe und Familie dar und befasst sich mit den Schwierigkeiten dessen normativer Verarbeitung. Der relevante Verfassungstext wurde nicht geändert, umstritten ist die Auslegung und inwieweit sie sich verändern darf. Das Bundesverfassungsgericht erklärte seit 2009 mehr-fach die Ungleichbehandlungen zwischen Ehe- und Lebenspartnern für verfassungswidrig. Die Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer debattierte auf der Staatsrechtslehrertagung 2013 in Greifswald über Ehe und Familie, wobei es, insbesondere von den Männern, emotiona-le Stellungnahmen gegen die Auflösung der Ehe zu hören gab. Es dreht sich jedoch in diesem Diskurs über Ehe und Familie nicht nur um die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Immer wird auch das Geschlechterverhältnis zwischen Männern und Frauen mitverhandelt. Mit dem oft verteidigten traditionellen Familienbild ist die Ehe als patriarchale Institution gemeint. Bis heute wirkmächtig geblieben ist das spezifisch deutsche Mütterlichkeitsideal: Bleibt Mutti nicht zuhau-se, leidet das Kind. Unsere europäischen Nachbarn teilen diese Einstellung nicht. Das Recht muss akzeptieren und aufnehmen, dass Menschen heute in vielfältigen Familienformen (zu denen unter anderen auch die traditionelle Kleinfamilie gehört) leben.
Das Bundesverfassungsgericht sieht sich wegen seiner Entscheidungen, insbesondere zur europäischen Integration sowie zur rechtlichen Gleichstellung der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft, in jüngster Zeit mit zunehmender Kritik aus den Reihen der politischen Akteure konfrontiert. Die Rechtskolumne stellt diese Kritik in einen historischen Kontext und zeigt, dass inhaltliche Konflikte zwischen dem Gericht und der Politik ein wiederkehrendes Phänomen darstellen. Daran anschließend werden in der Diskussion stehende Maßnahmen zur Begrenzung des gerichtlichen Einflusses analysiert, die sich aber im Ergebnis als wenig erfolgversprechend bzw. aufgrund ihrer negativen strukturellen Auswirkungen als nicht tragfähig erweisen.
Der Beitrag ruft die zentralen Überlegungen Hugo Sinzheimers zur sozialen Selbstbestimmung, zur Arbeitsverfassung, zum Arbeitsrecht als ein die Grenzen zwischen Zivilrecht und öffentlichem Recht sprengenden Rechtsgebiet sui generis und zur Rechtssoziologie ins Gedächtnis, um daraus einige Folgerungen für die Arbeitsrechtswissenschaft am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe Universität abzuleiten.
Zugehörigkeit im Sozialstaat
(2015)
Der Beitrag befasst sich mit der aktuell kontrovers diskutierten Frage des Zugangs von Ausländern – insbesondere von Unionsbürgern – zu staatlichen Sozialleistungen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Grundsicherungsrecht, namentlich auf der Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, wonach arbeitssuchende Unionsbürger von Leistungen zur Grundsicherung ausgeschlossen werden. Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlagen wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich der Leistungsausschluss für Unionsbürger und Ausländer in die dem Sozialleistungsrecht zugrundeliegende Konzeption der Territorialität (§ 30 Abs. 1 SGB I) einfügt. Es wird sich zeigen, dass Leistungsausschlüsse für diese Personengruppen im Grundsicherungsrecht als Konkretisierung des Territorialitätsgrundsatzes zu begreifen sind. Von der Annahme ausgehend, dass der "gewöhnliche Aufenthalt" im Sinne des § 30 SGB I also Dreh- und Angelpunkt für die sozialrechtliche Zugehörigkeit ist, soll die grundsätzliche Frage des Verhältnisses von Sozial- und Aufenthaltsrecht beleuchtet werden. Konkret formuliert geht es zum einen um die Frage, ob es für den Zugang zum Sozialleistungssystem eines rechtmäßigen Aufenthalts bedarf. Dass dies – anders als von einigen Sozialgerichten unter Berufung auf einschlägige Rechtsprechung des EuGH teilweise angenommen – zu verneinen ist, gilt zu zeigen. Zum anderen soll untersucht werden, ob und inwieweit gesetzlich geregelte Anforderungen an den Integrationsgrad von Ausländern für die sozialrechtliche Zugehörigkeit zulässig sind.
Im Wirtschaftsregulierungsrecht treten immer häufiger Mehrpersonenverhältnisse auf: Die Regulierungsentscheidung der Regulierungsbehörde betrifft nicht nur den Adressaten, sondern hat mittelbar auch Wirkungen auf die Ausgestaltung der Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten. Materielles und Verfahrensrecht erlauben aber bisher kaum eine Beteiligung der Interessen des Dritten. Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaft sind aufgefordert, hierfür Problemkonstellationen zu identifizieren und Lösungsvor-schläge zu unterbreiten.
Der Beitrag analysiert zunächst Dreiecksverhältnisse mit besonderem Blick auf das Wirtschaftsverwaltungsrecht und schlägt als einen möglichen Weg zur Bewältigung daraus resultierender Probleme in Instrumenten der Kooperation vor, wie sie etwa im Gesundheitsrecht mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) existieren, auch wenn dieses Rechtsgebiet (zu Unrecht) als wenig als wegweisend wahrgenommen wird.
Ilse Staff ist in mehrfacher Hinsicht eine Pionierin. Sie ist die erste Frau, die am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt habilitiert wurde, zugleich die erste Professorin an diesem Fachbereich sowie die erste Frau überhaupt, die sich im öffentlichen Recht im deutschsprachigen Raum habilitierte.
Der Beitrag zeichnet zunächst bedeutende private und berufliche Stationen des Lebens von Ilse Staff nach und widmet sich anschließend ihrem juristischen Werk, in dem ihre politischen Wertmaßstäbe sowohl in der Wahl der Themen wie auch in den inhaltlichen Positionen zum Ausdruck kommen: Ilse Staff setzte sich als eine der ersten kritisch mit der Rolle der Justiz im Dritten Reich auseinander und leistete damit einen maßgeblichen Beitrag zur rechtshistorischen Aufarbeitung der NS-Zeit. Darüber hinaus ist ihr oeuvre geprägt von der rechtsphilosophisch-verfassungstheoretischen Beschäftigung mit den Positionen bedeutender Staatsrechtslehrer der Weimarer Republik sowie umfassenden (rechtsvergleichenden) Auseinandersetzungen mit dem italienischen Staatsrecht bzw. der italienischen Staatslehre.
Die Biographie der Staatsrechtslehrerin Ilse Staff ist beeindruckend, offenbart aber auch jene Hindernisse, mit denen sich Frauen auf dem Weg in die Wissenschaft – auch heute noch – konfrontiert sehen. Der Beitrag analysiert deshalb abschließend, inwiefern diese von der Gen-derforschung identifizierten strukturellen Widerstände Einfluss auf die wissenschaftliche Karrie-re von Ilse Staff gehabt haben könnten.
Der Beitrag hat die Keilschriftrechtsgeschichte als rechtshistorische Teildisziplin zum Gegenstand. Bei ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung zeigt sich eine charakteristische Prägung durch den methodischen Ansatz der historischen Rechtsvergleichung wie auch durch eine stark interdisziplinäre Ausrichtung. Stand und Perspektiven der von juristischer Seite betriebenen Keilschriftrechtsgeschichte werden anhand von aktuellen Forschungsvorhaben im Rahmen Frankfurter Verbundprojekte exemplarisch beschrieben. Dabei wird deutlich, dass das Fach, nicht zuletzt aufgrund der vorgenannten Prägung, in hohem Maße anschlussfähig an kulturübergreifende Erkenntnisinteressen ist.
Das allgemeine Bild, sowohl beim materiellen wie auch beim prozessualen EU-Strafrecht, zeigt, dass trotz der positiven Schritte, die in den letzten Jahren zu verzeichnen sind, noch große Anstrengungen notwendig sein werden, damit man von einer zufrieden stellenden Achtung fundamentaler Strafrechtsprinzipien im Rahmen der EU sprechen kann. Der Beitrag versucht darauf aufmerksam zu machen und Wege zu zeigen, damit fundamentale Straf-rechtsprinzipien das zentrale Instrument einer notwendigen Korrektur werden, die die gemeinsame europäische Rechtskultur fördern können.
Untersucht wird aus verfassungsrechtlicher und kriminal-politischer Sicht, ob auch in Deutschland das Tragen einer Vollverschleierung (Burka, Niqab u.ä.) im öffentlichen Raum mit strafrechtlichen Mitteln verboten werden könnte. Obwohl derartige Praktiken mit dem Grundsatz der Geschlechtergleichheit und den Grundlagen einer offenen Bürgergesellschaft kollidieren, spricht sich die Verf. im Ergebnis gegen ein strafrechtliches Verbot aus.
Die Gründung der Universität durch jüdische Frankfurter Bürger ermöglichte es, in Frankfurt auch Juden, Liberale und Linke zu berufen. So entstand an der Juristischen Fakultät ein Lehrkörper, der liberalem Ideen sowie damals modernen Materien wie dem Völkerrecht, dem Arbeitsrecht und dem Wirtschaftsrecht gegenüber aufgeschlossen war. Dazu trug besonders die Einbeziehung kenntnisreicher Frankfurter Praktikerjuristen als Lehrbeauftragte und Honorarprofessoren bei. Diese Fakultät wurde 1933 zerschlagen. Nach 1945 konnte der Wiederaufbau mit wenigen Angehörigen der alten Fakultät unterstützt von einigen Neuberu-fungen beginnen. Dabei gaben prominente Persönlichkeiten wie Franz Böhm und Walter Hallstein der neuen Fakultät sofort wieder ein liberales Profil. Bei der Vergrößerung des Lehrkörpers durch Schaffung neuer Lehrstühle und erneute Einbeziehung von Praktikerjuristen bereicherten auch Vertreter moderner Rechtsmaterien die Fakultät. Die Studentenunruhe der Jahre 1968 ff. traf die Fakultät in der Phase eines Generationenwechels. Mit dem Plan einer einphasigen Juristenausbildung nach eigener Konzeption scheiterte der Fachbereich. Stattessen refor-mierte er das Lehrprogramm nach methodischen Kriterien. Die Studierendenzahlen nahmen ständig zu mit einem parallel dazu stetig wachsenden Anteil von Studierenden ausländischer Herkunft. Am Ende des 20. Jahrhunderts besaß der Frankfurter Fachbereich ein methodisch wie inhaltlich modernes, liberales Profil.
Die These des Beitrags lautet, dass die Ausweitung des Anwendungsbereichs zentraler Materien des Wirtschaftsrechts Ausdruck und weiterer Treiber einer generellen Ökonomisierung der Gesellschaft ist. Hierbei handelt es sich um die Generalisierung ökonomischer, effizienzorientierter Denk- und Handlungsmuster zu einem Analyse- und Bewertungsprinzip für sämtliche sozialen Beziehungen. Zur Überprüfung dieser These sollen die Grenzen des Anwendungsbereichs des Marktverhaltens- und Unternehmens-rechts abgeschritten werden. Die kritisch-normative Pointe geht dahin, vom Wirtschaftsrecht mehr Reflexivität zu verlangen: Es muss die nicht genuin öko-nomischen Gründe für die Begrenztheit seines Regulierungsanspruchs in seine Tatbestandsvoraussetzungen integrieren.
Die Private Krankenversicherung ist explizit seit Einführung der Versicherungspflicht im Jahr 2008 neben der Gesetzlichen Krankenversicherung zweite Säule eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes in Deutschland. Sie ist – auch schon traditionell – umfassend reguliert; Versichertenwettbewerb innerhalb der PKV aber auch zur GKV findet in entsprechend enger rechtlicher Strukturierung statt. In den letzten Jahren wird die PKV zudem auch immer stärker bei der Regulierung der Leistungserbringer berücksichtigt bzw. einbezogen. Der Beitrag gibt einen komprimierten Überblick über die Regulierung der PKV als Teil des Gesundheitssystems.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 28. Januar 2015 entschieden, dass Kinder, die durch künstliche Befruchtung im Wege einer Samenspende gezeugt worden sind, gegen Reproduktionsmediziner und -kliniken einen Anspruch auf Auskunft über die Identität des Samenspenders haben können. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs setzte kein bestimmtes Mindestalter der „Spenderkinder“ voraus. Der nachfolgende Beitrag analysiert die Konstruktion dieses Anspruchs vor dem Hintergrund eines durch neue Reproduktionstechnologien und gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen veränderten Abstammungsrechts. Nach Methodenkritik und Rekonstruktion aus einer gesellschaftlich-institutionellen Perspektive eröffnen sich weitere Aussichten auf zukünftige Formen von Vaterschaft und ein entsprechend zu verwirklichendes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung.
Der Entwicklung eines Instrumentes, eines standardisierten schriftlichen Intensiv-Interviews zur Messung von Einstellungen zu Recht und Gesetz, werden in Teil A der Arbeit theoretische Überlegungen vorangestellt. Der in der Rechtswissenschaft zentrale und umstrittene Begriff „Recht“ wird nur in seiner aktuellen und allgemeinen Bedeutung aufgenommen, in einer allgemeinen Bedeutung wie sie von Laien erfasst wird. Der Begriff „Recht“ wird weiter eingegrenzt auf ein Normverständnis in strafrechtlicher Sicht.
Alltägliche Situationen aus verschiedenen Gebieten des Strafrechts (Fälle) sollen die „Items“ bilden, zu denen Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene aus unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung und mit verschiedenem Bildungsstand ihre Auffassungen aufschreiben. Begriffe wie Recht, Norm, Moral, Einstellung, Meinung, Stereotyp, Vorurteil und auch Überlegungen zum Verständnis von Recht und Gesetz als „Wert“ werden aufgenommen und im Zusammenhang mit der Entwicklung eines neuen Forschungsverfahrens erörtert.
5 Hypothesen werden formuliert zu Einstellungen von Recht und Gesetz und zur Wert-Orientierung von Individuen.
Vielfältige Überlegungen zur Entwicklung der Items (der Fälle) des standardisierten schriftlichen Intensiv-Interviews und der den Befragten vorzulegenden Stufen-Antworten stehen an. Die zu den einzelnen Items vorgegebenen Stufen-Antworten sollen Normorientierung, Einstellungen zu Recht und Gesetz, in verschiedenem Ausmaß abbilden. Der Inhalt wenigstens einer Item-Stufen-Antwort entspricht der Norm und der Inhalt einer Antwort ist klar nicht normorientiert. Die zusätzlich formulierten alternativen Stufen-Antworten zwischen einer Antwort mit klarer Normorientierung und einer Antwort mit fehlender Normorientierung sind „mehr oder weniger normorientiert“, sie berücksichtigen Aspekte der Normorientierung. Jene werden dargelegt und diskutiert. Besonders beachtet wird die Punkt-Bewertung der entworfenen Stufen-Antworten. Jene bilden schließlich den Einstellungs-Score des Individuums, den „Messwert“, der Auskunft gibt über seine individuelle Normorientierung, seine Einstellung zu Strafrecht und Gesetz.
Es wird im Voraus festgelegt, welche „Summen-Scores“ eine „positive“ Einstellung, welche nur eine „neutrale“ und welche „Summen-Scores“ eine „negative“ Einstellung zu Recht und Gesetz abbilden.
Voruntersuchungen zum Verständnis der Items (der Fälle), eine Überprüfung der Item-Formulierungen, Untersuchungen zum Verständnis der Test-Instruktion und zur Durchführung des Verfahrens mit Hilfe von Befragungen von etwa 100 Jugendlichen und Erwachsenen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und mit verschiedenem Bildungsgrad führen in 2006 schließlich zur Endfassung des standardisierten schriftlichen Intensiv-Interviews. Jenes wird dargestellt zusammen mit den entworfenen zusätzlichen Fragen zur Person der Untersuchungsteilnehmer.
Teil B der Arbeit beschreibt und diskutiert erste empirische Befragungen von 13 anfallenden Stichproben mit dem Intensiv-Interview, die in den Jahren 2006 bis 2010 mit 100 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Studierenden einer Universität oder Hochschule, Schülern der 9. Klasse einer Hauptschule und Schülern der 11. Klasse zweier Gymnasien durchgeführt wurden.
Die einzelnen Stichproben mit ihren Personmerkmalen werden charakterisiert.
Stets wird überprüft, ob die ermittelten Ergebnisse die formulierten Hypothesen eher unterstützen oder ob die Hypothesen mit den erhobenen Daten nicht begründet werden können.
Validierungsbemühungen zum Verfahren beziehen sich in den Stichproben 1-5 auch auf die Beantwortung einzelner Items. Sie überprüfen, welche Items die Befragten relativ ähnlich beantworten und zu welchen Items die Testpersonen in unterschiedlicher Weise Stellung nehmen.
Zu 13 anfallenden Stichproben wird gefragt: lassen sich mit dem neuen Verfahren Unterschiede in der Einstellung zu Recht und Gesetz zwischen den Befragten beschreiben? Haben weibliche Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene statistisch bedeutsam positivere Einstellung zu Recht und Gesetz als männliche? Können statistisch bedeutsame geschlechtsspezifische Differenzen bei berichteten Konflikten mit dem Gesetz nachgewiesen werden? Gibt es statistisch bedeutsame Unterschiede in den Einstellungen zu Recht und Gesetz zwischen Schülern der 9. Klasse Hauptschule, Schülern der 11. Klasse Gymnasium und einer homogenen Stichprobe von Studierenden einer Universität oder Hochschule?
Zusätzlich erhoben werden die religiöse und politische Orientierung der Probanden.
Jene werden in ihrer Beziehung zu den Einstellungen zu Recht und Gesetz untersucht und verglichen.
Zur Wert-Einstellung der Probanden wird mit einem dafür entworfenen Verfahren untersucht, welche Position erhält der Wert-Bereich „Freiheit, Rechtssicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz“ im Vergleich zu neun weiteren Wert-Bereichen in den drei Status-Gruppen?
Ausgelöst durch die Folter im Gefängnis von Abu Graibh, die Folterandrohung durch den damaligen Polizeipräsidenten von Frankfurt/Main und die Neigung (nicht nur) bei Studierenden, Folter nicht immer und überall als Unrecht anzusehen, geht es darum, Schlussfolgerungen aus den sozialpsychologischen Experimenten von Milgram und Zimbardo für die Kriminalwissenschaft zu ziehen und zu zeigen, dass institutionelle Verhältnisse oft kriminogen sind, insbesondere auch deswegen, weil das Unrechtsbewusstsein und damit die Gewissensfunktion geschwächt und gestört wird. Nicht nur Folter, sondern auch viele andere Handlungen werden nicht mehr als Unrecht erkannt.
Das Buch entstand in einem Team, dessen Mitglieder durch einzelne Beiträge und Diskussion zu seiner Entstehung beitrugen: Sabina Bott, Jens Dallmeyer, Jasmin Koçak, Sevim Kurt, Anja Schiemann, Alexander Stein.
Nach vorherrschender Lesart prallen im Internet Exklusivitäts- und Zugangsinteressen aufeinander. Das Urheberrecht soll diesen Konflikt in ein angemessenes Gleichgewicht bringen. Im folgenden Beitrag werden die Auseinandersetzungen um das digitale Urheberrecht anders gedeutet. Demnach ist die Online-Kommunikation von zwei koexistierenden Kulturen geprägt, die sich je verschieden zum Urheberrecht verhalten. Die Ausgestaltung des digitalen Urheberrechts wird mit darüber entscheiden, ob das dynamische Nebeneinander von Exklusivitäts- und Zugangskultur fortdauert oder ob eine der beiden Kulturen verdrängt wird. Das Urheberrecht ist folglich als Teil der Internetregulierung zu betrachten.
Anforderungen an einen wissenschaftlicher Verbrechensbegriff werden im ersten Teil dieses Textes vorgestellt. Die folgende Untersuchung der „Allgemeinen Theorien des Verbrechens“ zeigt, dass diese ihren Anspruch nicht einlösen können, weil sie eines wissenschaftlich tragfähigen Verbrechensbegriffes entbehren. Doch indem sie diesen Mangel nicht erwähnen, sondern diese Leerstelle mit Schweigen oder losen Verbrechensbegriffen verhüllen, täuschen sie darüber hinweg.
Das Verhältnis von Zwangsvollstreckungs- und Verfassungsrecht ist nicht nur in Deutschland ein aktuelles Thema in der zivilprozessualen, verfassungsrechtlichen und (verfahrens-) rechtspolitischen Diskussion, wie die vorliegende Themenwahl der o.g. Jahrestagung der International Association of Procedural Law (IAPL) belegt. Ein Ausschnitt aus dieser Gesamtthematik ist Gegenstand dieses Nationalberichts aus der Perspektive des deutschen (Verfahrens-) Rechts, der unter dem Generalhema „Verfassung, Grundrechte und Vollstreckungsrecht“ insbesondere das „Spannungsverhältnis“ der kollidierenden Grundrechte von Vollstreckungsschuldner und -gläubiger behandelt.
Rezension von: Barbara Wolbring: Trümmerfeld der bürgerlichen Welt. Universität in den gesellschaftlichen Reformdiskursen der westlichen Besatzungszonen (1945 –1949). Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 87, Göttingen 2014, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3-5253-6014-9 488 Seiten, 69,99 Euro.
Die Welt des Rechts lässt sich heute nicht mehr so leicht in nationale oder internationale Sphären ordnen. Wo Lawmaker als private Akteure in einer globalisierten Ökonomie die Normen häufig nachhaltiger bestimmen als staatliches Recht, da ändern sich auch die Anforderungen an die Rechtswissenschaft.
Oft wird behauptet, ein Sachverständiger müsse — besonders im Falle eines die Tat nicht gestehenden Beschuldigten/Probanden — verschiedene vom Gericht für möglich angesehene Geschehensabläufe unterstellen und diese seiner Begutachtung zugrundelegen. Es wird gezeigt, dass dies nur dann nicht zu Fehlschlüssen führt, wenn die Frage nach der Existenz von Erfahrungssätzen getrennt wird von der nach Vorliegen von Symptomen bei dem Probanden und wenn die Antworten auf diese Fragen systematisch getrennt ausgewertet werden.
Die Untersuchung wurde im Lichte der aktuellen Diskussion um die Grundlagenkrise der Juristenausbildung durchgeführt. Hierbei wird der Anspruch erhoben, die Perspektive von Promotionsstudierenden ebenfalls zu berücksichtigen. Mit einer rechtsmethodologischen Herangehensweise wird nämlich nachgewiesen, dass die analoge (bzw. entsprechende) Anwendung des § 770 Abs. 1 BGB auf sonstige Gestaltungsrechte mit dem Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmt. Die Konsequenzen der Ablehnung der Anwendbarkeit des § 770 Abs. 1 BGB auf sonstige Gestaltungsrechte werden ebenso besprochen wie Wertungs- und Theoriefragen in diesem Zusammenhang. Aus dieser „methodenehrlichen“ Anwendung des § 770 Abs. 1 BGB und den sich hieraus ergebenden Konsequenzen werden sodann Schlussfolgerungen für die Stärkung der Grundlagenfächer gezogen.
Editorial
(2014)
Der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Jahr entschieden, dass es „einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen [kann] , wenn dem Inhaber eines DSL-Anschlusses die Möglichkeit genommen wird, seinen Zugang zum Intern et zu nutzen, ohne dass ihm hierdurch Mehraufwendungen entstanden oder Einnahmen entgangen sind“ (BGHZ 196, 101). Eine techniksoziologische Analyse dieser Rechtsprechung zum vermögensrechtlich bestimmten, abstrakt berechneten Nutzungsausfallersatz legt demgegenüber eine andere Begründung des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung nahe. Der alternative Leitsatz lautet: Wird dem Inhaber eines Internetanschlusses die Möglichkeit genommen, seinen Zugang zum Internet zu nutzen, so ist ihm auch wegen eines hier durch hervorgerufenen immateriellen Schadens eine billige Entschädigung in Geld zu gewähren .
Das Verhältnis zwischen den Frankfurtern und ihrer Universität ist ein wechselvolles: gestiftet und großzügig unterstützt von Bürgern und Stadtpolitikern, gepflegt in den harten Jahren der Inflation, gleichgeschaltet und wissenschaftlich ausgehungert während des Nationalsozialismus, entfremdet und abgelehnt nach der Studentenrevolte in den 1960er und 1970er Jahren, wiederentdeckt ab den 1980er Jahren, geschätzt und gefördert seit der (Rück-)Verwandlung in eine Stiftungsuniversität (2008).
Privatschulfinanzierung
(2014)
Das Privatschulwesen in Deutschland wird ganz überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Seit den 1970er Jahren wird dies vom Bundesverfassungsgericht als Ausfluss des Art. 7 Abs. 4 GG verlangt; die Finanzierung obliegt jedoch den Ländern. Der Beitrag bietet einen systematischen Überblick über die Konflikte die zwischen Privatschulträgern und Ländern über den Umfang der Finanzierung bestehen und nimmt zu den verfassungsrechtlichen Argumenten kritisch Stellung. Es wird gezeigt, dass das Grundgesetz den Ländern mehr Spielräume belässt, als oft behauptet wird.
Das Bundesverfassungsgericht ist für seine Entscheidungen, die sich in besonderer Weise auf das Demokratieprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 2 GG) stützen, viel kritisiert worden. Der Beitrag analysiert insbesondere die Entscheidungen zum Ausländerwahlrecht und zur Europäischen Integration im Hinblick darauf, ob sich neben dem vielfach kritisierten Demokratieverständnis, das ein monistisch verstandenes (deutsches) Volk zum Ausgangspunkt nimmt, auch offenere Demokratiemodelle zumindest zwischen den Zeilen dieser Entscheidungen entdeckt werden können. Das Ergebnis fällt allerdings ernüchternd aus. Jede Öffnung, die Alternativen neben dem monistischen Modell der Volkssouveränität andeutet, wird in den folgenden Sätzen dieser Entscheidungen sogleich wieder zurückgenommen.
Hybridhaftung im Internet
(2014)
In den Informationstechnologien zeichnen sich Verschiebungen der rechtlichen Verantwortungszurechnung ab, die auf tiefgreifende Veränderungen der bisherigen, individualistisch ausgerichteten Handlungstheorie des Rechts hindeuten. Verantwortungszuschreibungen für technische Risiken müssen demnach zunehmend von subjektiv-orientierten Zurechnungsfragen nach individueller Verursachung und Verschulden abstrahieren, in diesem Sinne also objektiviert und kollektiviert werden. Diese Entwicklungen werden besonders an den für „mittelbare Rechtsverletzungen“ eingesetzten Haftungsmodellen der immaterialgüterrechtlichen Störer- und Täterhaftung erkennbar. Die vielfältigen, kaum noch systematisierbaren Einzelfälle von Schutzrechtsverletzungen im Internet zeigen dabei, dass Fragen nach technischen Verantwortlichkeiten und zumutbaren Prüfpflichten von Intermediären allenfalls durch ein technologisch informiertes Recht zu beantworten sind. Es bedarf daher einer technologisch aufgeklärten Sicht, die über rein rechtsdogmatische oder ökonomische Betrachtungen hinausweist. Die technologische Aufklärung zielt auf eine Kritik des Wissens. Sie erweitert das systemtheoretische Kritikprogramm der soziologischen Aufklärung um eine techniksoziologische Perspektive, wie sie insbesondere in den Science and Technology Studies zu finden ist.
In der Krise des individualistischen Kausalitäts- und Schuldzuordnungsdenkens reagiert das Recht zunehmend mit Kollektivierungen: Verantwortung für technische Risiken muss demnach von subjektiv-orientierten Zurechnungsfragen nach individueller Verursachung und Verschulden abstrahieren und in diesem Sinne objektiv zugerechnet werden, sei es einem Betrieb, einem Unternehmen oder sei es auch einer sonstigen Verbindung von Menschen und Dingen. Die Mechanismen der kollektivierenden Verantwortungszumutungen reichen dabei von einer Ausdehnung der Kausalhaftung als Gefährdungshaftung über eine weitere Verbindung von Haftungssubjekten zu besonderen Risikoassoziationen bis zu einer Re-Personalisierung der Haftungsverantwortlichkeit. Vor diesem Hintergrund lassen sich Verschiebungen der rechtlichen Verantwortungszuordnung nachzeichnen, die vor allem in informationstechnischen Kontexten beobachtbar sind und beispielsweise in den Exzessen von Flashmobs oder auch im Flash Trading des Hochfrequenzhandels auf weitere Herausforderungen stoßen.
Jubiläen drängen zur Standortbestimmung. Im Jahr 2014 feiert die Frankfurter Goethe Universität ihren 100. Geburtstag. Man lud zu Bilanzen ein, zum Blick nach vorn, auf Erfahrungen und Erwartungen der Rechtswissenschaft und ihrer Teildisziplinen. In diese Spannung stellt sich auch dieser Beitrag zu den Perspektiven des Fachs ‚Rechtsgeschichte‘. Es wird deswegen nur kurz um 100 Jahre (I.), wenig um die Zeit nach 1945 (II.), weit mehr um Rahmenbedingungen rechtshistorischen Forschens in der ‚Berliner Republik‘ (III.) – und um Zukunftsperspektiven des Fachs gehen (IV.).
Der Beitrag zeigt, dass zivilrechtliche (Sanktions-)Normen verhaltenssteuernd wirken und Marktstrukturen beeinflussen, i.e. sie haben regulierende Wirkung. Die angemahnte Konsequenz dieser Beobachtung liegt darin, dass sich eine zeitgenössische Zivilrechtswissenschaft für eine methodisch abgesicherte Folgenbeurteilung bei der Rechtsanwendung öffnet, d.h. diese bereits bei der Interpretation der lex lata berücksichtigt. Wie dieses Desiderat umgesetzt werden kann, wird anhand von drei einschlägigen Beispielen illustriert. Dabei zeigt sich, dass nicht verkannt werden darf, dass die funktionale Betrachtung jenseits des Wirtschafts- und bürgerlichen Vermögensrechts an Grenzen stoßen kann. Dies kann aber nicht abstrakt behauptet, sondern muss stets konkret begründet werden, um den dann angezeigten Methodenwechsel zu rechtfertigen.
Das pragmatische Verhältnis des Lübecker Rats zum kaiserlichen Recht im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ist das Thema des Aufsatzes. Anhand von acht Fallstudien lässt sich zeigen, wie flexibel der Rat, der zugleich das wichtigste Gericht für die rund hundert nach lübischem Recht lebenden Städte im Ostseeraum war, mit dieser eigentlich übergeordneten, da vom kaiserlichen Stadtherren der Reichsstadt gesetzten Rechtsordnung umging. Auch plakative Stellungnahmen gegen das angeblich mit dem Charakter der Stadt nicht vereinbare römische Recht sind nicht wirklich grundsätzlich gemeint. Ihre gelegentlich vorgeschlagene Interpretation im Sinne einer fundamentalen Ablehnung fremden Rechts in Norddeutschland ist deshalb verfehlt.
Im Jahr 2005 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die bestehenden Regelungen im Versicherungsvertrags- und Versicherungsaufsichtsgesetz zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung den Anforderungen des Grundgesetzes nicht genügen. Denn sie sicherten die Ansprüche der Versicherten nicht angemessen gegen einseitige Gestaltungsmöglichkeiten der Versicherer ab. Nach dem Urteil änderte der Gesetzgeber die einschlägigen Regelungen, insbesondere erließ die Bundesanstalt für Finanzdienstdienstleistungsaufsicht BAFin eine neue Mindestzuführungsverordnung. Der Beitrag untersucht die Rechtslage auf dem Stand von April 2012 daraufhin, ob nun den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genüge getan wird. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist.