Seit etwa zwei Jahrzehnten werden in Sachsen-Anhalt erhebliche Anstrengungen unternommen, um den morphologischen und chemischen Zustand von Fließgewässern zu verbessern und deren Durchwanderbarkeit durch den Rückbau von Querbauwerken oder die Errichtung von Fischaufstiegsanlagen wieder herzustellen. Nach einer anfänglichen Erholung (z. B. Kammerad et al. 1997) zeigen die Fischbestände zahlreicher Gewässer jedoch seit etwa 10 Jahren stark regressive Entwicklungen, so dass die Sinnhaftigkeit weiterer Revitalisierungsmaßnahmen bereits verschiedentlich in Frage gestellt wird. Die drastischen Rückgänge vieler Fischbestände erfolgten zeitgleich mit der exponentiellen Zunahme des Kormorans in Europa (z. B. Kieckbusch et al. 2010, Kohl 2010). Dass diese Koinzidenz einen kausalen Charakter besitzt, wird am Beispiel zahlreicher gewässerbezogener Studien illustriert. Entsprechend den vorliegenden Befunden stellt die Kormoranprädation in vielen Gewässern die alleinige oder wesentlichste Ursache für den nachgewiesenen Fischrückgang dar (z. B. Frenz et al. 1997, Jörgensen & Schwevers 1998, Schmalz & Schmalz 2003, Schwevers & Adam 2003, Görlach & Müller 2005, Görlach & Wagner 2006, Füllner & George 2007, Ebel 2011b). Unabhängig hiervon zeigt bereits eine generelle Bilanzierung des Nahrungsbedarfs der Vögel einerseits sowie der verfügbaren Gewässerfläche und der kompensatorischen Fähigkeit von Fischbeständen andererseits, dass die gegenwärtige Intensität der Kormoranprädation einen entscheidenden Einfluss auf die Fischfauna ausüben muss. Aufgrund der Vielzahl und Eindeutigkeit der zwischenzeitlich vorliegenden Ergebnisse ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der massiven Zunahme der Kormoranpräsenz und der deutlichen Abnahme von Fischbeständen bei Fachwissenschaftlern unstrittig.
Zahlreiche heimische Fischarten zeigen auf Grund ihrer ontogenetisch und jahreszeitlich differenzierten Habitatbindungen charakteristische Raumnutzungsmuster, die oftmals Wanderungen über beträchtliche Distanzen einschließen. Unter den vielfältigen anthropogenen Eingriffen in Fließgewässerökosysteme gehören daher jene zu den schwerwiegendsten, die die Durchwanderbarkeit des Gewässers verhindern. Umso erfreulicher ist es, dass im Land Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren an verschiedenen Staubauwerken der Saale, Unstrut und weiterer Flüsse Fischaufstiegsanlagen errichtet wurden, um die ökologische Durchgängigkeit dieser Gewässer wiederherzustellen.
Seit 1990 nimmt dank des verringerten Schadstoffeintrags aus Industrie, Landwirtschaft und Kommunen die Belastung der Flüsse im Land Sachsen-Anhalt mit anorganischen und organischen Schadstoffen ab. Die verbesserte Wasserqualität führte in vielen bereits verödeten Flussabschnitten zu einer Wiederbesiedlung durch Tier- und Pflanzenarten.
Die Gefährdung zahlreicher heimischer Fischarten resultiert aus erheblichen Veränderungen der chemischen und morphologischen Verhältnisse ihrer Habitate. In den letzten Jahren verringerte sich die Belastung vieler Fließgewässer mit anorganischen und organischen Schadstoffen. Somit besitzt die Wassergüte heute einen weniger negativen Einfluss auf die Ichthyozönosen. Die nunmehr aus hydrochemischer Sicht oftmals möglich gewordene Populationsvergrößerung gefährdeter Fischarten wird dennoch vielfach behindert. Ursache dafür ist vor allem die durch wasserbauliche Maßnahmen veränderte Fließgewässermorphologie. So wurden durch Kanalisierung und Stauhaltung der Mittel- und Unterläufe der sachsen-anhaltinischen Flüsse deren Fließgeschwindigkeiten verändert und uniformiert sowie deren lineare Durchgängigkeit aufgehoben. Damit verbunden war die Verminderung der ökologischen Diversität der Fließgewässer (z.B. Verfüllung naturnaher grobkörniger Bodensubstrate, Verlust von Flachwasserbereichen). Deshalb mussten bei vielen Arten, insbesondere bei jenen, deren Reproduktionsfähigkeit an ein bestimmtes Laichsubstrat (Kies, Sand, Pflanzen) gebunden ist, Bestandsrückgänge und Arealverluste konstatiert werden. Lediglich ubiquitäre Arten, die meist in unterschiedlichen Laichhabitaten erfolgreich reproduzieren (sogenannte spezialisierte Laicher), sind heute oft noch weit verbreitet.