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Eine Reihe von Sprachgesten des jungen Herder haben nachhaltige Wirkung gehabt und wurden zum literaturhistorischen Paradigma des Lebensgefühls einer Generation, zu Merkmalen des Sturm und Drang. Allem voran pflegt man jene Rhetorik zu diesen Gesten zu zählen, mit der sich Herder von den „vielen Beyträge[nl des Jahrhunderts“, d. h. von der zeitgenössischen Gelehrsamkeit distanziert. Tatsächlich werden in seiner Schrift Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit (1774) die „Erfahrung“, die „That“, die „Anwendung des Lebens, in dem bestimmtesten Kreise“ dem „abgezogne[nl Geist“, der selbstgefälligen Sprachgewalt der Aufklärung gegenübergestellt und auch die Institutionen der „Letternkultur“ kritisiert. […] Herders Charakterisierung seiner Epoche als des „Jahrhundert[sl des Bücherlesens“ wird darüber hinaus in der Attesten Urkunde des Menschengeschlechts (1774) verbunden mit einem apokalyptischen Denken, das eine Schelte der Aufklärung einschließt. Für Ralf Simon schafft die Buchkultur eine „medientheoretisch“ signifikante Situation: Das große Archiv, das durch den Buchdruck ermöglicht und bis einschließlich des 18. Jahrhunderts errichtet wurde, erhebt sich über die Zeit und wird zum Medium einer Art papierenen Posthistoires.
Revolutionspoetik : Benjamin Noldmanns Beitrag zum literarischen Werk Adolph Freiherrn Knigges
(2006)
Überblickt man nun Knigges Werke, so lässt sich in ihnen nicht nur die bewusste Unterscheidung von Handlungen und gesprochenen sowie geschriebenen Worten beobachten, sondern auch ein fast unermüdliches Wiederholen bestimmter Worte und Meinungen verfolgen. Gleichwohl versuchen diese Worte immer wieder sehr unpoetisch an Handlungen, just an politische Handlungen, anzuknüpfen. Ob es sich um Benjamin Noldmann, Peter Claus, Joseph von Wurmbrand oder andere Erzählerfiguren Knigges handelt, in jedem Fall wiederholt der Text etliche Male und in überzähligen Versionen - ob in aller Deutlichkeit oder verschlüsselt - kritische Diagnosen der sozialen und politischen Situation auf deutschem Boden, umfangreiche Inventare der Missstände kleiner und größerer Fürstentümer, Karikaturen der bürgerlichen und adligen Lebenswelt, und nicht zuletzt Ratschläge, wie und zu welchem Nutzen was daran zu ändern wäre. [...] Im folgenden soll der Ausblick auf das textuelle Umfeld konkurrierender Knigge-Texte der Kürze wegen, so weit möglich, eingeschränkt, und das Augenmerk auf den bereits genannten Roman gerichtet werden. Die drei Leitthesen der Arbeit (Sprachlichkeit, Skeptizismus, Literarizität) werden dabei in ihrem wechselseitigen Zusammenhang zum gemeinsamen Hintergrund der einzelnen Kapitel, deren Gliederung sich durch Themen und Probleme der Interpretation des Romans leiten lässt.