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Der Aufsatz untersucht die Frage, inwiefern die theatrale Konstruktion von christlichen Märtyrerfiguren eine Dynamik der Konversion zum bzw. des Abfalls vom Glauben voraussetzt, die in Figuralität und Ostentation zu begründen ist. Gegenstand der Untersuchung sind die Trauerspiele 'Catharina von Georgien', 'Papinian' und 'Carolus Stuardus'.
Der Aufsatz arbeitet im Rückgriff auf Richard Alewyns bekannte Studie markante Modifikationen von Opitz' Antigone-Übersetzung auf syntaktischer, stilistischer und semantischer Ebene heraus: Während die sophokleische Tragödie vom Oxymoron geprägt ist, zeichnet sich Opitz' Übersetzung durch die Klärung des paradoxen Ausdrucks zur äußerlichen Antithese aus. Dank ihr kann die widerspruchsreiche Tragödie zum moralischen Exempel vereinfacht werden. Der Grund für diese Umdichtung wird – abweichend von Alewyn – im rhetorischen Sprachverständnis des Übersetzers gesucht: Die Eigenart seines "Teutschs" liegt in der zwiespältigen Orientierung an griechischer Tragödie und lateinischer Gerichtsrhetorik begründet. Dementsprechend kann auch die Charakteristik des "teutschen" Trauerspiels (das sich auf die griechische Tragödie beruft, aber zumeist ein religiöses Exempel statuiert) in diesem Zwiespalt einer neu zu schaffenden Trauerspielsprache verankert werden.
"In der Machination", so Walter Benjamin, "hat die neue Bühne den Gott." Das gilt nicht nur für die Theatermaschinerie, die den Gott auf der Barockbühne erscheinen lässt, sondern ebenso für die weiteren Bedeutungen des Wortes: "Machination" im Sinn des kunstfertigen Verstands und der trügerischen List, wie sie sich in der Intrige, dem dramatischen Kern des Trauerspiels, verkörpert. Der Aufsatz entfaltet den Zusammenhang zwischen Machination und Theophanie in einem Vergleich zwischen den barocken Dichtern Gryphius und Racine. Während die Spiele des Ersteren sich vorrangig auf die anschauliche Wirkung der Maschine stützen, um die Souveränität des 'christlichen' Gesetzes zu demonstrieren, präsentieren sich die Dramen des Letzteren als Musterbeispiele für ingeniöse Handlungsführung im Namen eines Regelwerks, dessen poetologische Autorität als 'göttlich' anerkannt wird. Zwischen diesen beiden Modellen theatralen Spiels vermittelt die Analyse einer Edition der aristotelischen Poetik, die Daniel Heinsius herausgegeben hat und einen besonderen Schwerpunkt auf die Deutung des deus ex machina legt.
Universalgeschichte des Ehebruchs : Verbrechen und Verbindlichkeit bei Kleist, Borges und Lynch
(2012)
Der vorliegende Aufsatz untersucht Erzählungen und Filme, in denen der Ehebruch der Ehe vorausgeht und sie auf paradoxe Weise erst begründet. Vermittelt über die Institution der Ehe fragen solche Kunstwerke auch nach dem Status des Gottesbundes, den die Ehe repräsentiert. Die hier untersuchten Autoren - Kleist, Borges, Lynch - lassen sich in einen argumentativen Zusammenhang stellen, durch den drei wichtige Facetten des Problems beleuchtet werden können: Kleists Erzählung 'Die Marquise von O ...' thematisiert explizit das Problem eines Bundes, der aus dem Ehebruch hervorgeht, und verknüpft es durch eine Vielzahl von Anspielungen mit den christlichen Gedanken von unbef1eckter Empfängnis, Inkarnation und Neuem Bund; daher dient die Novelle hier zur knappen Exposition der Fragestellung. Das Paradox eines den Bund begründenden Verbrechens wird von Borges' pseudo-wissenschaftlicher Rezension 'Tres versiones de Judas' weiter zugespitzt, indem hier Verräter und Erlöser als zwei Bilder des Gottessohns erscheinen, die sich unendlich ineinander spiegeln - und damit die Besiegelung des Bundes als einen unendlichen, sich selbst stets wiederholenden Prozess darstellen, den Borges an anderer Stelle als "Universalgeschichte" bezeichnet hat. Von hier aus lässt sich eine neue Perspektive auf David Lynchs Filme 'Lost Highway' und 'Inland Empire' gewinnen, die sich als "Universalgeschichten des Ehebruchs" begreifen lassen - und dies nicht nur, weil sie um das Motiv des Ehebruchs kreisen.
The paper presents a reading of "celestinesque literature" - texts surrounding Fernando de Rojas’ famous novel 'La Celestina' (1499) - in view of the question, to what extent the term "marranism" may serve as a philological rather than a biographical category. Dealing with Stephen Gilman’s exemplary studies, the paper shows how Rojas’ text subverts some of the most important metaphorical structures used by philologists to represent "marranism" and to read "marrano literature." Celestinesque novels, on the other hand, develop their own notion of "philology:" the "love" that they narrate also reflects the "desire of the logos" that works throughout their language.
Der Aufsatz untersucht am Beispiel des Märtyrerspiels "Catharina von Georgien" die Charakteristik der Gryph'schen Trauerspielsprache zwischen "erhabenem Stil" und sermo humilis. Unter Rückgriff auf die einschlägigen Studien Auerbachs wird besonderes Augenmerk auf das problematische Verhältnis zwischen dem christlichen Gegenstand - der Passion als Erniedrigung des Gottessohnes - und der barocken Stillehre gelegt: Solange das Trauerspiel dem "erhabenen Stil" den Vorzug gibt, kann es das christliche Heilsgeschehen nur verfremdend wiederholen.
With reference to the martyr-play "Catharina von Georgien," my paper examines the rhetorical characteristics of Gryphius' mourning-plays as a movement between "elevated style" and sermo humilis. Drawing upon Auerbach's important studies on this subject, it highlights the problematic relationship between the play's Christian subject - the passion as humiliation of the divine Son - and baroque notions of (stylistic) elevation: As long as the mourning-play gives preference to "elevated style," it can only restage Christian salvation through its distortion.
Ich möchte im Folgenden die Affinität zwischen psychoanalytischem und cineatischem Apparat zur Auseinandersetzung mit konkreten Filmen nutzen, indem ich drei Filme vorstelle, die ihrerseits Projektionen, Spiegelungen und Identifikationen thematisieren und diese Konstellation inhaltlich mit Geschichten des Begehrens verknüpfen. Solche Momente führen eine doppelwendige Struktur in den Film ein: Sie stellen zum einen optische Reflexe - ohne jede "tiefere" Bedeutung - als Grundlage des Begehrens dar, während diese zum anderen den medialen Apparat innerhalb des Films spiegeln; das steigert sich weiterhin, wenn die Filme explizit oder implizit auf Hollywood als Ort der "Traumproduktion" verweisen. Dabei möchte ich in der Interpretation zeigen, dass es in den ausgewählten Werken weniger um Befriedigung durch imitierende Repräsentation als um die ganz konkrete Produktion von Begehren im Film geht. Das sei im folgenden am Beispiel dreier Filme aus bzw. über Hollywood - 'Sunset Blvd.', 'Mulholland Dr.' und 'No Country for Old Men' - anschaulicher vorgeführt.
Der Aufsatz vergleicht das barocke Trauerspiel 'Catharina von Georgien' mit der spanischen comédia 'El principe constante' in Hinblick auf ihren Anspruch universaler Geltung und setzt beide von der antiken Tragödie 'Antigone' ab. Besonderes Augenmerk wird dabei der Rolle sprachlicher Ambivalenz sowie der Figur des Gespenstes gewidmet.
Der doppeldeutige Einsatz von Gegenständlichkeit kann als exemplarisch für das filmische Erzählen David Lynchs gelten, das auf geradezu unheimliche Weise zwischen dinglicher Konkretion, alptraumhafter Irrealität und medialer Selbstbezüglichkeit schwebt - eine komplexe Konstellation, die gern auf psychoanalytische Theoreme oder selbstreflexive Muster reduziert wird, ohne die widerständig-zweideutige Rolle der Gegenstände zu beachten: Sie beharren einerseits als dingliche Körper unabweislich auf der Tatsächlichkeit der erzählten Geschichte, verweisen aber zugleich auf den medialen Rahmen des Vorgestellten und mithin auf seine Fiktionalität. Dieser Verweis auf den äußeren Darstellungsapparat führt bei Lynch aber nicht zu einem Auseinanderbrechen der dargestellten Welt, sondern kann geradezu verbindende, Kohärenz bildende Wirkung haben. "Gegenständliches Erzählen" wäre hier folglich zugleich anschaulich-konkret (stellt eine gegenständliche Welt vor) und selbstbezüglich, ohne abstrakt zu sein (es verkörpert den Prozess des Erzählens in Gegenständen der erzählten Welt). In diesem Sinn wäre "gegenständliches Erzählen" zunächst als eine narratologische Strategie und charakteristische écriture zu verstehen. Sie soll im Folgenden nach den zwei Seiten Schriftlichkeit und Anschaulichkeit untersucht werden.