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Kemenate : Geheimnisse höfischer Frauenräume bei Ulrich von dem Türlin und Konrad von Würzburg
(2000)
Der Titel (...) stellt [dem] (...) komplizierten Wort ‚Frauenzimmer’ ein zweites, kaum weniger bedenkenswertes zur Seite: ‚Kemenate’. So, wie er in der höfischen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts überwiegend gebraucht wird, verbindet sich mit diesem Ausdruck ebenfalls mehrerlei, nämlich: 1. ein gebauter Raum, worin das etymologische Wissen steckt, daß ‚Kemenate’ von ‚camera caminata’ kommt; 2. sodann die ‚herrschaftliche[n] Wohnräume[]’ auf einer Burg; und 3. schließlich kann ‚Kemenate’ auch abgelöst von einem besonderen architektonischen Raum metonymisch für die soziale Gruppe der Frauen bei Hofe gebraucht werden.
Diese verschiedenen Semantiken von ‚Kemenate’ nun existieren, in komplizierteren Verschränkungen noch als bei ‚Frauenzimmer’, historisch gleichzeitig.
Erfahrungswissen, das ins Logbuch eingeht, einerseits, das 'Wissenorganisationswissen' der auch heiligen Schriften andererseits treten, gleichsam hinter dem Rücken ihrer prätendierten Identität, auseinander. Dies wäre das Neue, das sich in Colóns Entdeckung des Bekannten abzeichnet.
Daß aber dieses Neue gewissermaßen schon ein Altes ist, daß es – kategoriale Veränderungen des Schrift-, des Wissens- und des Erfahrungsbegriffs nur mitbedacht – weit zurückreichende Traditionen hat, dies (…) [soll aufgezeigt werden]. Mein Beispiel nehme ich aus der mittelalterlichen Erzähltradition vom heiligen irischen Abt Brandan aus dem 6. Jahrhundert. Er ist auf seiner Fahrt durch die westlichen Meere bis zum irdischen Paradies selbst vorgestoßen und wie Colón, der von ihm aller Wahrscheinlichkeit nach wußte, hat Brandan, so steht es in der mich hier interessierenden Legendenversion, dabei ein Bordbuch geführt.
Die Überlegungen und Beobachtungen des (…) Beitrages nehmen (…) [den] Strukturmechanismus der 'Heiligung' an ihrem literarhistorischen Fallbeispiel in den Blick. Bei ihm handelt es sich um eine Version der im Mittelalter (nach Ausweis der handschriftlichen Überlieferungen) vor allem auch in volkssprachlichen Kommunikationszusammenhängen außerordentlich weit verbreiteten Legende vom heiligen Alexius. Dieses Beispiel erlaubt es, den Problemkomplex von narrativ verfaßten Geltungsbehauptungen – also: von Geltungsgeschichten – in einer ganz spezifischen Perspektive zu diskutieren: (…)
Wie Hartmanns Text [das Gnadenhafte und die Fülle der göttlichen Gnade glänzend darstellt] (...) soll [u.a.] im folgenden beobachtet werden (...) [Strohschneider] versuch[t] (...) eine Beschreibungssprache zu finden, welche die poetische Rede von Sünde und Schuld, Buße und Erlösung nicht reproduzieren muß, sondern von ihr Abstand nimmt, um sie vielleicht analytisch weiter aufschließen zu können. (...) [Strohschneider wählt] einen Ansatz, der des Gregorius Weg ins Heil zunächst nicht in seinem Bezug auf Gott, nicht also in der Perspektive religiöser Erfahrung in den Blick bringt, sondern in Bezug auf die Welt, als Anschluss aus und Unterscheidung von ihr (...)
In die gattungsgeschichtliche Reihe der Novellensammlung oder auch der 'Novellenromane' sind Johann Beers 'Winter-Nächte' (…) [der Untersuchung zufolge] nicht eingefügt, wohl aber in die Tradition eines gemeinschaftlichen Erzählens, eines Novellare, das sich selbst in seinem todverdrängenden und lebenserhaltenden Sinn erläutert und legitimiert. Sie reicht von 'Scheherezâde' und dem 'Papageienbuch' bis zu Goethes 'Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten', von den sieben weisen Meistern über das 'Decameron' zu Brentanos
'Mehreren Wehmüllern', Heines 'Florentinischen Nächten' oder auch Leo Lionnis 'Frederick', der den hungrigen Mäusen in langen Winternächten jene Vorräte erzählend wiedergibt, die sie längst aufgebraucht haben.
Textualität der mittelalterlichen Literatur : eine Problemskizze am Beispiel des "Wartburgkrieges"
(1999)
[Dieser Aufsatz versucht], am Beispiel des in der Großen Heidelberger Liederhandschrift tradierten „Wartburgkrieges“ einen Begriff des Textes als Wiedergebrauchsrede, als durch sprechsituationsübergreifende Stabilität gekennzeichneten Modus der Rede, hier der poetischen Rede, durchzuspielen und historisch zu spezifizieren. Dabei (...) ist einerseits zu skizzieren, wie der Status dieses einzelnen Textes sich weiterhin als spezifisch schrifttextueller darstellt: Es handelt sich um einen Text, der eine distinkte Balance von Situationalität und Situationsabstraktheit gerade darin wahrt, daß er Performancemomente schriftlich repräsentiert, körpergebundene Kommunikationshandlungen im multisensorischen Zeigfeld also als abwesende gegenwärtig hält.
The discourses on textuality and literacy that can be observed in the Kyot-Excursus in 'Parcival' by Wolfram von Eschenbach and in the Magnetbergerzählung of the 'Reinfried von Braunschweig' will serve here as examples in an attempt to historicize textual models. My essay will focus on how the limits of textuality could be defines within those 13th-century aristocratic orders of knowledge to which court literature can provide an access. What emerges within this context are concepts and ideas that lie beyond the scope of modern scholarly systems; these narratives indicate a way of dealing with textuality and literacy that, rather than referring to the textual discourse, may remain instead on the phenomenal surface of the material or (as if the textual discourse did not exist) may embody implicitly the circumstances that it signifies.
Was die altgermanistische Fachidentität wo nicht zu gefährden droht, da doch neu zu bestimmen nahe legt, das lässt sich am einfachsten unter jenem gängigen Stichwort 'Kulturwissenschaft' fassen, welches überhaupt in den Programm- und Legitimierungdebatten solcher akademischen Fächer eine zentrale Rolle spielt, die man einmal ohne weiteres die Geisteswissenschaften nannte. Dabei scheint durchaus umstritten zu sein, ob mit 'Kulturwissenschaften' ein Bruch mit den Traditionen der Deutschen Philologie angesagt ist oder im Gegenteil deren neuerliche Stabilisierung.
Die zuerst als Ansprache bei einem Festakt der "Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden" formulierten Bemerkungen beziehen Überlegungen zu den kulturellen Folgen von Schrift und zu den Wachstumsschüben schriftlich gespeicherten Wissen auf die Institution der Bibliothek. Sie skizzieren deren kulturelle Gedächtnisfunktionen und leiten daraus auch Prinzipien des Verhältnisses von Bibliothek und Wissenschaft bzw. Universität ab.
Dort (…), wo (…) von der politischen Seite der Universitäts- und Wissenschaftsdebatten sowie von aktuellen rechtlichen Neuregelungen die Rede (…) [ist], wo es mehr um Beliebigkeit (…) [geht] als um ernsthafte und notwendige Veränderung: Dort (...) [zeigen] sich Diskurse und Entscheidungen als Ausdruck einer Politik, die in ihrer derzeitig hegemonialen Form den Prinzipien von Bildung und Wissenschaft in Wahrheit befremdet gegenübersteht. Eine Fortsetzung dieser Politik würde die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden können und sie würde in den Universitäten und in der universitären Wissenschaft nicht weniges von dem verkümmern lassen, was Vorraussetzungen für ihren gesellschaftlich notwendigen Beitrag zum öffentlichen Gebrauch der Vernunft ist.