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- Möbius, Paul J.: Ueber das Pathologische bei Goethe (1)
Stefan Willer analysiert die zahlreichen um 1900 kursierenden Pathologien und Pathographien 'großer Männer', die Goethe oft als privilegiertes Fallbeispiel bemühen. Die diese Schriften kennzeichnende Mixtur aus "biographischem Interesse", "vitalistischer Weltanschauung" und "metaphysischer Überhöhung" betrachtet Willer als typisch für eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts prosperierende 'lebenswissenschaftliche' Goethe-Rezeption, die Goethe allerdings nicht degradiere, sondern die in der Regel sogar zu einer "umso emphatischeren Aufwertung" seiner "künstlerischen Lebensleistung" führe und Goethe auf ihre Art anschlussfähig für das neue Jahrhundert mache. Während insbesondere Schiller vom pathologischen Diskurs als ein "heroischer" (und rein biologisch Kranker) kanonisiert worden sei, schlage dieser Goethe auf die 'nervöse', 'innerliche' und partiell auch 'dekadente' Seite der Modernität. Im Zentrum von Willers Untersuchung steht die Studie "Ueber das Pathologische bei Goethe", die der Psychiater Paul J. Möbius 1898 vorgelegt hat. Neben dem "diagnostisch-lesenden Blick" und der "symptomalen Lektüre", die sowohl Goethe'sche Figuren wie Werther oder Gretchen als auch bedeutende Lebensstationen des Autors pathologisch einordnen, gilt Willers besonderes Interesse der Partizipation dieser Studie an den wichtigsten medizinischen Diskursen ihrer Zeit. Die Untersuchung verrate den Einfluss einer bereits von Cesare Lombroso wissenschaftlich behaupteten Affinität von Genie und Wahnsinn ebenso wie den der Entartungs-Theorie Max Nordaus. Die seit dem späten 19. Jahrhundert gängige Verbindung zwischen Pathologie und Degenerationsdiskurs appliziere Möbius jedoch allenfalls zaghaft auf Goethe. Stattdessen unterlege er die Goethe'sche Pathologie einer Entwicklung, die sich in Sieben-Jahres-Zyklen manifestiert habe. Willer flankiert seine Möbius-Lektüre systematisch mit anderen Goethe-Pathographien jenseits der Psychiatrie bis in den Nationalsozialismus hinein und er konfrontiert Möbius abschließend mit prominenten psychoanalytischen Goethe-Lektüren. All diesen Bemühungen sei gemeinsam, dass sie Goethe als Patienten betrachteten. Gemeinsam sei ihnen aber auch, dass die Ärzte als von Goethe permanent 'Affizierte' ihrerseits "in die Nähe des Patienten-Status" zu geraten drohten.
Die folgende Darstellung argumentiert nicht mit Blick auf eine Metahistorik im Koselleck'schen Sinn, sondern beschränkt sich auf die Nachzeichnung einer kurzen Debatte, die unmittelbar an der Wende zum 19. Jahrhundert über die Bedeutung und den angemessenen Gebrauch von 'ahnen' und 'ahnden' geführt wurde. Genauer in den Blick genommen werden drei Fußnoten, in denen Johann Gottfried Herder und Immanuel Kant ihre Einschätzungen zur Gleichheit oder Ungleichheit der Wörter austauschten. Die Passagen entstammen Texten der Jahre 1797 bis 1799 - zweien von Herder, einem vom Kant - die auch sonst einschlägige Positionsbestimmungen zu Problemen der Zukunftserkenntnis vornehmen.
"Plattdeutsch ist eine Sprache unserer Zeit." So beginnt das - auf Hochdeutsch verfasste - Vorwort von "Platt. Dat Lehrbook", 2016 herausgegeben vom Institut für niederdeutsche Sprache in Bremen. Auch andernorts bemüht man sich um die zeitgemäße Verbreitung des Niederdeutschen: auf Websites wie 'Plattnet' und 'Plattdeutsch.net', bei Festivals und Wettbewerben wie 'Plattart', 'Plattsounds' oder 'Platt is cool', in der Gestaltung von Grundschullehrplänen in den norddeutschen Bundesländern. Was bei alldem auffällt, ist die Nähe derzeitiger Platt-Vermittlung zu Programmen sprachlicher und kultureller Diversität.
Der Proust'sche Fragebogen dient traditionell dazu sich kennenzulernen, sei es in einem französischen Salon, wo er einst entstand, sei es auf der letzten Seite eines deutschen Magazins. Wir haben unseren eigenen Fragebogen für den ZfL-Blog entworfen. Hier antwortet jetzt Stefan Willer, einer der beiden Vizedirektoren des ZfL und Professor für Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.