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Die „epische Erzählung“ hat also prinzipiell drei Funktionen: die Exposition der Voraussetzungen, die Motivation der Handlung und die Charakterisierung der Rolle des Erzählenden.
Unter diesen Prämissen (…) [wirft Volker Mertens] einen Blick auf Hagens Erzählung von Jungsiegfrieds Taten in „Nibelungenlied“: Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Dichter des „Nibelungenliedes“ ein anderes Verhältnis zur Stofftradition und andere Vorstellungen von Stimmigkeit und Kohärenz eines Werkes hatte Wagner, andererseits schuf auch dieser nicht im traditionsleeren Raum, das ‚Drachentöter-Image’ beispielsweise war beiden Siegfried-Gestaltungen bereits vorgegeben. (…)
In seinem Lied L 62,6 'Ob ich mich selben rüemen sol' spielt Walther mit drei Vortragsrollen des höfischen Liedes (…). Mit Kaiser und Spielmann sind die beiden Extreme in der sozialen Rangordnung der Rollen vorgestellt. Das Problem der Vortragsrollen soll auf zwei Ebenen angegangen werden: 1. der literarischen (oder literarisierten): durch Untersuchung der Liedzuweisungen im 'Roman de l Rose ou Guillaume de Dôle' des Jean Renart (…), 2. der „realen“: durch Auswertung historischer und literarischer Zeugnisse über die Möglichkeiten v.a. des Fürsten (Kaisers).
Einführung zum 4. Tag
(2000)
Der 4. Tag war der Tag der Literaturwissenschaft und der Mystischen "Gebrauchsliteratur", die mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet wurde – das Spektrum reichte von vorwiegend inhaltsbezogener, semiotisch fundierter Textauslegung über formalzentrierte Verfahren (Erzählanalyse), Text- und Überlieferungsgeschichte bis hin zu frömmigkeits- und sozialgeschichtlicher Einordnung und literaturwissenschaftlicher Heuristik. Die Frage nach dem "Sitz im Leben" im allgemeinsten und speziellen Sinn erweist sich als Leitmotiv; die Exposés verbinden oft die genannten Methoden in produktiver Weise, um die spezifische ‚Machart’ der Texte zu erschließen und sie zu verorten.
Ursprünglich meinte ‚Formen’ in erster Linie die Medien der Aneignung – Literatur und Film, bildende Kunst und Musik-, bzw. die gesellschaftlichen Institutionen von Wissenschaft und Schule, Museum und Ausstellung. (...) In dem Maße, die Literaturwissenschaft aufgehört hat, das literarische Werk isoliert zu betrachten, ist ein legitimes Interesse auch der Literaturhistoriker an der Rezeption nicht-literarischer Themen und Formen ebenso gegeben wie an den nicht-literarischen Rezeptionsmedien.
(…) [Volker Mertens] beschäftigt (…) die Frage, ob (…) [man] in Siegfried tatsächlich einen (…) „Helden im Nirgendwo“ sehen k[ann], der hinter und über dem Merowinger Sigibert von Austrasien steht, der i.J. 575 ermordet wurde im Rahmen politischer Machtkämpfe und blutiger Familienzwistigkeiten –oder auch einem burgundischen Spross ähnlichen Namens. „Hat Siegfried gelebt?“ (…) Im Jahre 2000 lautet die Antwort: Helden leben in der Erzählung.
Während die Tannhäuser- und die Bremberger-Ballade keine direkten Beziehungen zum Minnesang aufweisen, ist das im Moringer-Lied anders: hier singt der Held zwei Strophen eines Liedes, das durch die Liederhandschriften A, C und E als Lied Walthers von der Vogelweide bezeugt ist, das sogenannte „sumerlaten-Lied“. Es hat damit die längste ununterbrochene Wirkungsgeschichte eines mittelhochdeutschen Liebesliedes: der jüngste nachweisbare Druck stammt aus dem Jahre 1605 (…). Die lange produktive Rezeption des Liedes (…) [nimmt Volker Mertens] zum Ausgangspunkt (…) [seiner] Überlegungen und (…) [arbeitet sich] durch die Tradition zurück: von der Ballade zum Text der Hs. B (dazu kommt der Vergleich von B mit dem, was der Balladen-Autor daraus gemacht hat) bis zu dem komplexen Text, wie ihn die Handschriften A und C überliefern. Über das Verständnis der Eigenart der späten Texte und der on ihnen aktualisierten Valenzen des ältesten Textes will (…) [Volker Mertens] dann abschließend dessen Mehrdimensionalität erschließen.
[Volker Mertens] Beitrag beschäftigt sich mit den Texten, die teils auf hoch- (Tristant), teils auf spätmittelalterliche Vorlagen (Melusine, Magelone) zurückgehen und deren letztbetrachteter Fall einer weitgehend autonomen Erfindung des Autors Jörg Wickram entspringt. (…) [Volker Mertens fragt] nach der Darstellung der Geschlechterliebe (…) im jeweiligen Werk und nach ihrer spezifischen Semantik im Rahmen der literarischen und gesellschaftlichen Situation der Entstehungszeit, die etwa einhundert Jahre umspannt – von der 1456 aus dem Französischen adaptierten Melusine des Thüring von Rigoltingen, über den Prosa-Tristant von 1484 und Veit Warbecks Magelone von 1527 bis zum 1557 gedruckten Goldfaden. Um das liebessemantische System des Hochmittelalters einzubeziehen, (…) [stellt Volker Mertens] den Tristant im Vergleich zur Versfassung Eilharts von Oberge von ca. 1190 an den Beginn.
Die folgende Untersuchung zielt auf die Poetologie, wie und mit welcher Wirkung die verschiedenen Männerrollen entworfen sind, ohne daß (…) [Volker Mertens berücksichtigt], welche soziologischen oder psychohistorischen Aufschlüsse man aus der Analyse der Rollenfiguration gewinnen kann. Das schließt andere Dimensionen natürlich nicht aus, die sich eher aus der Juxtaposition von Männer- und Frauenrollen im Hinblick auf die Affirmation und Didaktisierung von Genderrollen ergeben können. Ergebnis der Untersuchung soll ein differenziertes Verständnis dieses narrativen Mittels in beiden Texten und der Konsequenzen dieses Verständnisses vor allem in Bezug auf die kommunikativen Intentionen des Autors sein (…). Der Beitrag soll darüber hinaus die grundsätzliche Validität des Ansatzes erweisen und damit die Möglichkeit der Übertragung auf andere Texte eröffnen.
Das Misstrauen gegen den schönen Klang der Versdichtung ist alt, und das Bedürfnis nach der Prosa (…) dient einerseits der Vergewisserung, daß die lateinischen Vorlagen ohne versbedingte Erweiterung und Veränderung wiedergegeben werden, andererseits der Abgrenzung der geistlichen Lehre von der höfischen Dichtung mit ihrem auf die Erzählung bezogenen Wahrheitsanspruch. (…) Neben Predigt und Traktat (…) wird im 15. Jahrhundert dann die Legende zur wichtigsten Gattung geistlicher Prosa. Die geistliche Prosa unseres Zeitraums ist sowohl traditionell wie neu: neu in der Rhetorik und Anschaulichkeit Bertholds von Regensburg, neu in der aus höfischer Sprache hochgetriebenen erotischen Bildlichkeit Meister Eckharts. Daß seine „Verantwortung“ mystischer Erfahrung vor allem durch den Bedarf an mystischer Erbauung formelhaft vererbt und zersetzt wurde, gehört zum vielfältigen und bunten Bild der geistlichen Prosa.
Offensichtlich fanden (...) [die Mönche] die Geschichten von Kampf und Liebe, die mit dem Namen Artus verbunden waren, viel spannender als 'Jesu Wunder und Passion' oder der 'Heiligen Leben und Leiden'. Die Klosterbrüder kannten anscheinend Geschichten von Ideal-König Artus und seinen tapferen Rittern, den hilfsbedürftigen Damen, die ihre Befreier mit Hand und Land belohnten, und den grandiosen Festen mit den edelsten Gästen. Das höfische Leben, für das der Name Artus stand, war der willkommene Gegensatz zum asketischen Klosteralltag. (…) Klosterkirche und Minnegrotte gehören von der Auslegungsdimension her zusammen: Bildungsgeschichtlich ist die Philosophie der Liebe, die der Minnegrotte zugrunde liegt, ohne die Theologie der Mönche und die Philosophie der französischen Hohen Schulen nicht zu denken. (…) Die Darstellungsmuster für die geistige Bedeutung von Klosterkirche und Minnegrotte sind sich weitgehend gleich.