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Unter der Signatur VI/273 befinden sich in der Stiftsbibliothek Kremsmünster acht Pergamentstreifen unterschiedlicher Breite (...) und unregelmäßiger Länge (...). Es handelt sich um die Reste von zwei Pergamentdoppelblättern (...). Die Schrift gehört wohl noch dem 12. Jahrhundert an, sie macht jedenfalls einen altertümlicheren Eindruck als die der Göttinger Bruchstücke, der bisher ältesten Überlieferung des Lucidarius (...). Inhaltlich erweist sich die vorliegende Textpartie zugehörig zum 3. Buch des Lucidarius (...).
Im Stil stellt sich die Predigt in die Nachbarschaft der Predigtsammlungen des 12. Jahrhunderts. Der ausgesprochen hypokratische Satzbau findet seine Entsprechung in den längeren Stücken des deutschen Speculum ecclesiae, in denen der Bearbeiter wie in dieser Predigt sich nicht allzu weit vom lateinischen Text entfernte, und in Schönbach III, dem Predigtbuch des Priesers Konrad, der ebenfalls die hypotaktisch gegliederte Periode vorzieht. (...) Im Vergleich zum Priester Konrad wird diese Figur sehr zurückhaltend verwendet, wie überhaupt dieser Text im Vergleich zu der Weitschweifigkeit und Redseligkeit jenes Predigtbuches die lateinische Vorlage nur geringfügig erweitert und rhetorisch verbreitert.
Drei Tagweisen schreibt die Kolmarer Liederhandschrift einem sonst nicht weiter bekannten ‚Graff peter von arberg’ zu, darunter befindet sich die bekannte ‚Große Tagweise’ mit dem Text ‚Ach starcker got’. (...) Originale Texte von Peter von Aarberg kennen wir nicht (...). Wahrscheinlich standen seine Lieder auch ganz in den traditionellen literarischen und gesellschaftlichen Formen, so daß nur seine Töne lebendig blieben: mit neuen Texten, die in ihrer religiösen Thematik eher als die an ein bestimmtes soziales Ideal gebundene Minnelyrik das trafen, was auch nach der Mitte des 14. Jh.s bis weit in das 15. Jh. hinein zeitgemäß war.
Die Annahme, Fuß sei ein Minnesänger gewesen, beruht auf der Zuordnung zu drei Personen, die auf diesem Gebiet hervorgetreten sind, und auf der Interpretation der Bezeichnung ‚puler’. Trifft nun schon die Angabe „Minnesänger“ bei Wolfram nur für ein dem späten Mittelalter kaum mehr gegenwärtiges Nebengebiet seines dichterischen Schaffens zu, so bedeutet ‚puler’ in den (...) [Volker Mertens] bekannten Belegen soviel wie „Minner, Liebhaber“, in einem Fall auch „Sachverständiger in Liebesdingen“ (...), aber niemals „Minnesänger“.
Vergänglichkeitsmetapher oder Bild für den Aussatz – um diese Interpretationen der Stelle E 73 (bzw. B 143) "ze hewe wart sîn grüenez gras" im neuaufgefundenen Benediktbeurer Fragment des "Armen Heinrich" ist ein Streit zwischen L. Wolff und Gesa Bonath einerseits und H. Rosenfeld andererseits entbrannt (....). Die strittigen Verse im "Armen Heinrich" aber sind in ihrer, das "ûzen" (Vergehen der Schönheit) ebenso wie das innen (Krankheit als Prüfung) erfassen Mehrschichtigkeit doch eher das Werk eines theologische Anregungen verwertenden Dichter, und damit (...) [nimmt Volker Mertens an], Hartmann selbst.
In seiner umfassenden Untersuchung zum deutschen geistlichen Lied im Mittelalter beschäftigt sich J. Janota (...) mit dem "Ruf" im Zusammenhang mit dem Credolied und dem Lied nach der Predigt. Er weist daß die "Nachrichten über mittelalterliche Predigtlieder jeweils nur eine Liedzeile" nennen. (...) [Volker Mertens scheint] das vorliegende Material noch nicht hinlänglich ausgebreitet und ausgewertet und einen Aussage, die über das faktische non liquet Janotas hinausgeht, möglich zu sein.
Wohl kaum eine andere Stelle in "Des Minnesangs Frühling" hat soviele Emendationen und Interpretationen provoziert, wie Zeile 5 und 6 der letzten Strophe des Kreuzlieds "Mîn herze und mîn lîp die wellent scheiden" von Friedrich von Hausen. (...) Der Kontext der Strophe soll zuerst dazu dienen, den möglichen Bedeutungskreis der dunklen Textstellen zu erhellen. Es geht um die Rechtfertigung des Sängers vor der Gesellschaft, weil er ein Minneverhältnis aufgekündigt hat.
Groß ist die Spannweite der Interpretationen, die die ersten Verse von Hartmanns 'Iwein' erfahren haben. (…) Das reicht vom „Inbegriff der güete..., bei dem caritas, misericordia und summum bonum mitgedacht werden müssen“ (…) bis zum „recht verstandenen Rittertum“ (…), die als „leitstern“ (…) des Gedichts fungieren; kürzlich hat D.G. MOWATT den Prolog sogar ironisch verstehen wollen (…), wobei beweiskräftige sprachliche Signale für uneigentliches Sprechen jedoch kaum auffindbar sein dürften (…) und die Annahme einer nachträglichen Ironisierung des Beginns durch das (einseitig interpretierte) Ende des Roman nur aus der vergleichenden Lektüre des modernen Interpreten, nicht aber aus einer kontinuierlich-linearen zuhörenden Aufnahme durch Hartmanns Publikum abgeleitet werden kann.
Die Papier-Hs. B II, 1 der Fürstlich Fürstenbergischen Bibliothek Donaueschingen enthält die Postille des Hartung/Heinrich von Erfurt (…). Sie wurde laut Schreiberkolophon f. 320v i.J. 1451 geschrieben. (…) Abschließend (…) [gibt Volker Mertens] eine Konkordanz der Überlieferung der Postille. Sie enthält den liturgischen Ort, bzw. das Textwort und für die Hss. Z, F, D, K und R die laufende Nummer und die jeweilige Seitenangabe, ausgerichtet an Z, weil diese Hs. in der Anordnung am zuverlässigsten ist.
Parzivals doppelte Probe
(1979)
Als Parzival zum erstenmal nach Munsalvaesche kommt, verlangt er, wie Gurnemanz ihm geraten hatte, gleich nach Wasser, um 'îsers râme' abzuwaschen. Er erhält den Mantel der Repanse de Schoye geliehen, und der kameraere ist sicher, ihn 'rehte geprüevet' zu haben (...) Da tritt ein 'redespaeher man' zu ihm und bittet ihn 'vrävellîche', zum Gastgeber zu kommen. Parzival reagiert mit äußerster Erregung, fast geht es dem kühnen Frager ans Leben, aber die Ritter greifen rechtzeitig ein. (...) [Volker Mertens möchte die Stelle] parallel zur versäumten Gralsfrage sehen und daher den Versuch Wolframs herauslesen, einer möglichen Fehlinterpretation von Parzivals Versagen vorzubeugen. (...)
„Unter unsern Altdeutschen Gedichten wenigstens wüßte ich kein Paar zu nennen, das uns mit einer solchen Familienähnlichkeit überraschte wie der Iwein und Wigalois“, schreibt G. F. Benecke in der Einleitung seiner Wigalois-Ausgabe (S. XV). (…) Als vermittelnde Kategorie zwischen der literarischen Gestaltung der historischen Realität (sowohl auf der Produktions- wie der Rezeptionsseite) (…) [benutzt Volker Mertens] im Folgenden die Konzeption der „Lebensform“ (…): der erzählerisch mit wichtigen Signalen angedeuteten Lebenssituationen, des Handlungsrahmens und der Vorstellungen der Personen können die Zuhörer Selbst- oder Fremdidentifikationen entnehmen und so die erzählte Geschichte als Antwort auf die Aussage zu einer bestimmten historischen Situation verstehen.
Wachingers Ergebnisse zu den ‚Sängerkriegen’ des 13. Jh.s warnen davor, den künstlerisch-literarischen Wettstreit als Erscheinungsform materieller Rivalität zu deuten. Auch die Reimar- und Walthertexte geben in diesem Punkt keine unmittelbare Rechtfertigung für eine solche Interpretation. Ob Reimar überhaupt einen ökonomischen Wettbewerb zu fürchten hatte, bleibt dahingestellt (...). Aus seiner Position des adligen Dilettanten heraus wehrte er sich dann gegen die Erweiterung des dichtungs- und minnetheoretischen Geltungsanspruchs des höfischen Liebesliedes, wie Walther sie in deinen ‚Mädchenliedern’ und (...) im ‚Lindenlied’ betreibt. Dem Berufsdichter, der seine Kenntnisse der mittellateinischen Lyrik (...) systematisch zur Expansion der vorgegebenen sängerischen Möglichkeiten nutzt, setzt Reinmar die Tradition des adligen Sanges als ausdrücklich fiktionales Sprechen über Eros und Sexus entgegen.
Ziel (...) [der] Überlegungen [Volker Mertens] ist eine Deutung von Wolframs Ehe-Tagelied „Der helden minne ir klage“ – (...) [Volker Mertens] will dieses Lied zu verstehen suchen im Zusammenhang mit Wolframs Lyrik: von Minnedienst und Tageliederotik. Die Lieder stehen im Kontext des hohen Minnesangs – deutliche Bezüge zu Liedern Walthers und Reinmars haben sich erschließen lassen, nicht umsonst erscheinen alle drei Sänger im Gedicht vom ‚Wartburgkrieg’, wenngleich es dort nicht um Liebe sondern um Fürstenpreis geht.
In seinen Ausgaben der Altdeutschen Predigten (...) hatte A.E. Schönbach mehrmals (...) einen Untersuchungsband angekündigt; obwohl er bei Edition des 3. Bandes als für die vorliegenden Texte fertig bezeichnet wird, ist er nie erschienen.(...) Die folgenden Studien (...) wollen aus dem umfangreichen Programm Schönbachs (...) zur Hauptsache nur Fragen der Überlieferung behandeln und eine weitergehende Aufschlüsselung der Vorgeschichte der Leipziger Sammlung bieten, als sie A. Linsenmayer in seiner ‚Geschichte der Predigt in Deutschland’ (...) gegeben hat.
Die deutschsprachigen Predigttexte sind schon von ihren ältesten Zeugnissen her nicht auf eine Funktion festlegbar: das Predigtmuster, die Anleitung zum Kanzelvortrag ist wohl die älteste. (...) Die angestrebte Unterscheidung von Predigt und Traktat scheint (...) [Volker Mertens] von der intentionalen virtuellen Mündlichkeit her am ehesten faßbar, sei sie post- oder anteskriptiv: als Predigten sollen daher Texte gelten, die textinterne oder –externe Markierungen dieser Mündlichkeit aufweisen. Zu unterscheiden von dieser intentionalen Mündlichkeit ist die occasionelle, die für viele Texttypen gilt: vom Traktat über Legende, Exempel, Fabel, usw.
Alte Themen, auch unter neuen Vorzeichen nachspielbar [Volker Mertens fragt] nach ihrer Realisierbarkeit im höfischen Tristanroman des späten 12. und frühen 13. Jahrhundert, wie er von den beiden unvollständigen Werken des Thomas von Britannien und Gottfrieds von Straßburg repräsentiert wird. (…) Drei Szenen (…) [greift er heraus]: Tristans Pygmalion-Situation im Bildersaal, die allegorische Liebesapotheose der Minnegrotte und den mythischen liebebegründenden Trank.
Generell gilt für den Minnesang, daß er dich als Liebeswerbung inszeniert, als Sang eines Mannes (seltener: einer Frau) im Rahmen eines angestrebten oder (fiktiv) realisierten Liebesverhältnisses. Auch in der ausweglosesten Klage über Nichterhöhung, auch in dem spitzfindigen Raisonnement über Entstehung der Liebe, ihre Wirkung, den Verzicht auf die Erfüllung usw. bleibt als immer präsentes, aber nur gelegentlich formuliertes Ziel die gemeinsame Lust in der sexuellen Hingabe gegenwärtig. Das ist die sozusagen „private“ Seite, die jedoch nur als öffentliche in Erscheinung tritt. Minnesang ist öffentliche Kunst, Aufführungslyrik (...). Minnelieder sind uns heute nur in Büchern erhalten, die uns, selbst wenn sie Noten bringen, noch nicht sehr nah an die tatsächliche ursprüngliche Existenz, die Aufführung heranbringen. (..) Die Interpretation der Buchtexte soll nun die (...) nicht schriftlich fixierten (und fixierbaren) Kon-Texte von Gesang, Gestik, Bewegung usw. als Phänomene mitberücksichtigen.
The sermon is essentially a performance and oscillates between orality and scripturality. The preaching of Geiler of Kaysersberg was a famous event at its time and the article asks, what is transmitted of it by the manuscripts and printed books. The writing does not try to reproduce the event, resp. the performance, but represents different reflections of it, adapted to the intended usage of the manuscript or printed book. The article demonstrates this on several examples from the work of Geiler and pleads for a diplomatic rendering of the manuscripts with a commentary and a facsimile edition of the printed books respectively. The results could refer to other texts between orality and scripturality, too.
Im Jahre 1308 (...) entstand Hertig Fredrik, angeblich nach einer nicht überlieferten niederdeutschen Vorlage, schließlich „Flores och Blanzeflor“ von 1311/12 auf Grundlage der altnorwegischen Flores-Saga; inwieweit daneben eine der altfranzösischen (...) Fassungen benutzt wurde, ist nicht hinreichend geklärt. Ich werde mich auf die beiden ersten Texte beziehen und dabei folgende Fragen diskutieren:
Welches historisch-kulturelle Szenario ist für die Übertragungen zu rekonstruieren?
Wie sahen die Vorlagen für Hertig Fredrik und ihr Kontext aus?
Welche Erkenntnisse lassen sich für die Literaturszene und die Kulturkontakte gewinnen?
Johann Jakob Bodmer is regarded as the ‘father of Minnesang-research’. The article attempts a critical analysis of this claim. It traces the reception of the most important manuscript of Minnesang, the ‘Manesse’ manuscript (as Bodmer called it) since Melchior Goldast (1604) and its ‘discovery’ by Bodmer. He claims his position as the discoverer of Minnesang on three points: the patriotic, the poetic analogy and the ‘revelatory’. (...) [T]he ‘revelatory’ that Bodmer had rescued medieval literature from oblivion, had woken it up when it was sleeping like a marmot.