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Auf dem Weg zur multikulturellen Gesellschaft besteht Bedarf, die psychologischen Komponenten verschiedener Migrantengruppen zu erfassen. In Deutschland sind 83.598 Mitmenschen mit chinesischer Staatsbürgerschaft verzeichnet (StatBA, 2009). Werden die Eingebürgerten Übersee-Chinesen mit einbezogen, beläuft sich die Zahl an gesamtchinesischen Mitmenschen auf 135.000 (OCAC, 2009). Als einzige Anhaltspunkte über im Ausland lebende Chinesen dienen Studien aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Menschen chinesischen Ursprungs mit westlichem Intellekt erhalten dort die Bezeichnung „Banane“, welche eine gelbe Hülle mit einem weißen Inneren illustriert. Die vorliegende Studie beschäftigt sich erstmalig mit den psychologischen Komponenten der in Deutschland lebenden chinesischen Mitbürger. Welchen Einfluss nimmt die Anpassung an das europäische Umfeld gekoppelt mit der chinesischen Internalisierung auf erinnertes elterliches Erziehungsverhalten, Persönlichkeitsstruktur, Erleben von Emotionen und Körpererleben? 154 chinesisch-stämmige Studierende aus ganz Deutschland wurden für verschiedene standardisierte psychometrische Testverfahren rekrutiert. Ein eigens konzipierter Fragebogen diente zur Messung der asiatischen und europäischen Identität. Wie vorherige Studien (Chao & Aque, 2009) aussagten, zeigten sich in der vorliegenden Stichprobe Züge des autoritativen Erziehungsstils. Im FEE (Fragebogen zum erinnertenelterlichen Erziehungsverhalten) (Schumacher, Eisemann, & Brähler, 1999) erhielten die Übersee-chinesischen Probanden neben einer höheren mütterlichen Strenge auch höhere Werte in der elterlichen Kontrolle und Überbehütung als die deutsche Normstichprobe. Je mehr mütterliche „Ablehnung und Strafe“ und elterliche „Kontrolle und Überbehütung“ die Probanden perzipierten, desto chinesischer sieht der heutige Lebensstil aus. Kongruent mit den Ergebnissen von McCrae et al. (1998) schnitten Übersee-Chinesen im NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1993) mit niedrigeren Werten in der Offenheit und höheren Werten in der Verträglichkeit ab. Anders als bei Eap et al. (2008) zeigten Chinesen in Deutschland höhere Werte in der Gewissenhaftigkeit und Extraversion. Diese hingegen korrelierten positiv mit der europäischen Identität. In der MSWS (Multidimensionale Selbstwertskala) (Schütz & Sellin, 2006) erzielten die Übersee-Chinesen einen niedrigeren allgemeinen Selbstwert als die deutsche Normgruppe. Außerdem empfanden die Übersee-Chinesen weniger eigene Selbstwertschätzung im sozialen Kontakt zu anderen, im Umgang mit Kritik und im leistungsbezogenen Bereich. Überraschenderweise erhielten die Probanden einen höheren Selbstwert in der Sportlichkeit. Die SEE (Skalen zu Erleben von Emotionen) (Behr & Becker, 2004) zeigten, dass die körperliche Symbolisierung von Gefühlen bei der chinesischen Stichprobe niedriger war als bei der deutschen Norm. Dies hing mit der Ausprägung der europäischen Identität zusammen. Negativ korrelierte die europäische Identität auch mit der Regulation von Emotionen. Im FBeK (Fragebogen zur Beurteilung des eigenen Körpers) (Strauß & Richter-Appelt,1995) ging das Körpererleben der Übersee-Chinesen mit weniger Selbstbewusstsein für die eigene Attraktivität einher. Je mehr die Lebensart zum Asiatischen tendierte, desto weniger äußerte sich die Akzentuierung des äußeren Erscheinungsbildes und desto höher erschien die Unsicherheit. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die Auslebung einer bikulturellen Identität Folgen für die psychologische Entwicklung eines Individuums mit sich bringen, welche beispielsweise für die Arbeit bei Patienten im psychotherapeutischen Prozess mit berücksichtigt werden sollten.