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Die Kenntnis der Struktur von Biomolekülen und der biologischen Abläufe, in welche diese involviert sind, ist grundlegend für die Entwicklung von medizinischen Behandlungen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Systeme zur Untersuchung von Biomolekülen, insbesondere Proteinen, hergestellt. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung von Materialien, welche neue Möglichkeiten zur Präparation von Proteinen zur Untersuchung derer Struktur mittels Kryo-Transmissionselektronenmikroskopie (Kryo-TEM) eröffnen. In zwei weiteren Projekten wurden biomimetische Systeme aufgebaut, welche die Oberfläche eines Biomoleküls oder biologischen Ensembles nachahmen und hierdurch deren Untersuchung ermöglichen. Hier wurden Systeme zur einfachen Nachbildung biologischer Membranen oder Proteinoberflächen betrachtet.
Eine wichtige Methode zur Untersuchung der dreidimensionalen Struktur von Biomolekülen ist die Kryo-TEM. Zur Mikroskopie werden die Biomoleküle in wenige Mikrometer großen Löchern eines amorphen Kohlenstofflochfilms mittels einer wenige Nanometer dicken Schicht aus amorphem Eis fixiert. Hierfür wird ein dünner Film einer wässrigen Probe auf den Kohlenstofflochfilm aufgebracht und gefroren. Insbesondere für Membranproteine ist die Herstellung derartiger Proben schwierig, da die Proteinpartikel zur Aggregation und Adsorption an dem Kohlenstofflochfilm neigen, wodurch keine Partikel in den Löchern des Kohlenstofffilmes auftreten, welche mikroskopiert werden können.
In dieser Arbeit wurden Materialien zur Verbesserung der Präparation von Proteinen für die Kryo-TEM entwickelt. Es wurden hierfür verschiedene biorepulsive Materialien, auch solche, welche eine spezifische Anbindung der Biomoleküle erlauben, untersucht. Da in der TEM die Probe durchstrahlt wird, eignen sich Nanometer dünne Membranen dieser Materialien als Trägermaterial für die Biomoleküle, da sie nur zu einem geringen Hintergrund führen. Zum einen wurden Nanomembranen durch die chemische Quervernetzung von Nanometer dicken Hydrogelfilmen mit verschiedenen quervernetzenden Molekülen hergestellt. Zum anderen wurden Trägerfilme, wie amorphe Kohlenstofffilme oder Kohlenstoffnanomembranen (engl. carbon nanomembranes, CNM) biorepulsiv funktionalisiert. Darüber hinaus wurde eine Nitrilotriessigsäure(NTA)-funktionalisierte Hydrogel-beschichtete Nanomembran entwickelt, welche markierte Proteine selektiv über einen His-Tag bindet.
Neben der Entwicklung von Materialien zur Untersuchung von Proteinen mittels Kryo-TEM wurden Beschichtungen hergestellt, welche die Oberfläche eines Biomoleküls oder eines Ensembles von Biomolekülen nachahmen. Diese Modelloberflächen sollten ebenfalls die Untersuchung von Eigenschaften der biologischen Systeme ermöglichen. Biologische Membranen bestehen aus einem Ensemble von Biomolekülen. Eine Vielzahl verschiedener Biomolekülen tritt in einer komplexen Anordnung in diesen dünnen Membranen auf. Es wurde versucht, strukturierte Membranen mit lokalen Variationen der physikalischen und chemischen Eigenschaften, jedoch weitaus weniger komplexen Aufbau, herzustellen. Die hergestellten Membranen mit biologisch relevanten Strukturen im Mikrometer- bis Zentimeterbereich, können nach weiterer Forschung als einfache Modellsysteme zur Nachahmung ihrer komplexen biologischen Vorbilder dienen.
In einem weiteren Projekt wurde eine Modelloberfläche für die Bindungstasche des Proteins FimH, welches eine wichtige Rolle in der bakteriellen Adhäsion spielt, entwickelt. In dem Kooperationsprojekt mit der Arbeitsgruppe Lindhorst wurde ein Modellsystem entwickelt, welches dazu dient, herauszufinden, inwiefern eine Funktionalisierung einer Aminosäurevon FimH über eine vorgeschlagenen Ligationsstrategie möglich ist. Das Modellsystem besteht aus einer biorepulsiven Hydrogel-Matrix, aus welcher die Seitenkette der Aminosäure Tyrosin in die Lösung exponiert ist. Die Substrat-katalysierte Reaktion der Aminosäuren-Seitenkette mit dem Photoschalter wurde mithilfe eines Bakterienadhäsionstests untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass sich die vorgeschlagene Ligationsstrategie unter Berücksichtigung von Nebenreaktionen zur Modifizierung des Proteins eignet.
Es konnten vier neuartige Systeme, welche die Probenpräparation zur Untersuchung von Proteinen mittels Kryo-TEM vereinfachen, entwickelt werden. Die Ergebnisse sind von wissenschaftlicher Relevanz, da sie die Strukturbestimmung vieler Proteine deutlich vereinfachen und hierdurch beschleunigen können. Außerdem wurden biomimetische Beschichtungen entwickelt, welche entweder Proteinoberflächen oder Biomembranen nachahmen. Die entwickelten Modellsysteme erweitern das Spektrum an Möglichkeiten, Biomoleküle oder biologische Ensembles zu untersuchen.
In dieser Arbeit werden Projekte beschrieben, in denen das Adsorptionsverhalten von Proteinen und Bakterien an verschiedene Materialoberflächen manipuliert wird.
Durch die Reaktion verschiedener oxidischer Oberflächen mit Glycidol konnten biorepulsive Polyglycerolschichten erzeugt werden. Für die Herstellung dieser Polyglycerolschichten wurden zwei unterschiedliche Verfahren entwickelt und untersucht. Die erste Methode beruht auf der Bildung einer aminoterminierten Monolage auf Silicium-Oberflächen, an der in einem zweiten Schritt die Polymerisation von Glycidol durchgeführt wird. Die Dicke der angebundenen Polyglycerolschicht ist abhängig von der Beschichtungsdauer, wobei die dicksten Schichten bis zu 98% der Bakterienadhäsion unterdrücken können. Das zweite Verfahren ist die direkte Anbindung von stabilen Polyglycerol-Beschichtungen an Silicium-, Aluminium- oder Stahl-Oberflächen. Je größer die abgeschiedene Polyglycerolmenge ist, desto höher ist die Biorepulsivität der Schicht, was durch Adsorptionstests mit Proteinen und ermittelt wurde.
Polyglycerolschichten eignen sich besonders gut für die nachträgliche Modifizierung. So konnten beispielsweise mittels Elektronenstrahlen laterale Strukturierungen der Polyglycerol-beschichteten Oberflächen erfolgreich durchgeführt werden. Sensorisch aktive Moleküle wie Ethylendiamintetraessigsäure oder Biotin konnten im Rahmen dieser Arbeit nachträglich an Polyglycerolschichten angebunden werden. Die Aktivität der Bindungsstellen nach der Anbindung an die Oberfläche konnte dabei durch spezifische Erkennungsereignisse nachgewiesen werden.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wurden selbstanordnende Monoschichten mit Oligoethylenglycol (OEG)-Kopfgruppen und Thiolat-Ankergruppen verwendet, um lateral strukturierbare, biorepulsive Schichten auf Gold zu erzeugen. Es wurde untersucht, ob derartige OEG-Monolagen kontrolliert durch langwelliges UV-Licht (390 nm) abgebaut werden können, um proteinbindende und proteinrepulsive Bereiche auf einer Substrat-Oberfläche zu generieren. Die Bestrahlung mit UV-Licht bewirkte die Oxidation und Abspaltung der Ethylenglycol-Einheiten, wodurch die unspezifische Adsorption von Proteinen erfolgen kann. Zusätzlich konnten Photooxidations-Reaktionen an der Thiolat-Ankergruppe nachgewiesen werden, welche die Ablösung des SAM-Bausteins zur Folge haben.
Für den Einsatz von Lithographie-Techniken in mikrofluidischen Anlagen wurde das Abbauverhalten der biorepulsiven Monolage bei der Bestrahlung unter Wasser untersucht. In Abwesenheit von molekularem Sauerstoff kommt es hier lediglich zur Spaltung der Etherbindung zwischen den Ethylenglycol-Einheiten. Die Beobachtung, dass die An- bzw. Abwesenheit von molekularem Sauerstoff zu zwei unterschiedlichen Abbaumechanismen führt, kann für die Feinabstimmung der Oberflächenbeschaffenheit und somit der Proteinanlagerung genutzt werden.
Biorepulsive OEG-Monolagen können auch dazu verwendet werden, um gezielt bestimmte Biomoleküle anzulagern. Dazu können die Monolagen mit Erkennungsstellen ausgestattet werden, welche die spezifische Anbindung einer Biomolekül-Spezies ermöglichen. Gerade bei der Detektion von großen Biomolekülen oder Mikroorganismen spielt jedoch nicht nur die chemische Zusammensetzung, sondern auch die Ausrichtung der Bindungsstelle eine entscheidende Rolle. Für die Untersuchung des Orientierungseinflusses wurden Moleküle verwendet, die neben einer Mannose-Einheit als Bindungsstelle für Bakterien auch eine Azobenzol-Gruppe, welche die strahlungsinduzierte reversible Schaltung der Konformation ermöglicht, tragen. Bakterien-Adhäsionstests zeigten, dass sich die Orientierung der Mannose-Einheit auf die Anbindung der Bakterien auswirkt.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden neuartige Methoden zur Herstellung, Charakterisierung und Strukturierung biorepulsiver und biosensorischer Schichten entwickelt. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sind von bedeutender wissenschaftlicher Relevanz und ermöglichen die potentielle industrielle Anwendung der entwickelten Methoden im Kontext der Material- und Biotechnologie sowie der Nanofabrikation.