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Die Sulfonyl-Gruppe (-SO2-) ist ein weit verbreitetes Strukturmotiv in der organischen Chemie und Bestandteil vieler biologisch aktiver Moleküle, insbesondere Arzneistoffen. Zwei der am häufigsten auftretenden Gruppen sind Sulfone und Sulfonamide, die in über 100 zugelassenen Medikamenten und 10% der meistverkauften Medikamente sind. Insofern kommt der Entwicklung neuer Synthesemethoden eine große Bedeutung zu. Dabei stehen besonders einfache, wirtschaftliche und zeitsparende Vorgehensweisen im Vordergrund, die eine große Bandbreite an neuen Substanzen generieren können. Ein Ansatz hierfür sind Multikomponenten- oder Eintopfreaktionen.
Aufgrund der Wichtigkeit dieser zwei Strukturklassen, sollen im Rahmen der hier vorliegenden Doktorarbeit neue Syntheserouten für Sulfone und Sulfonamide entwickelt werden. Besonderes Augenmerk wird auf die die Einführung der SO2-Einheit während der Reaktionsführung gelegt. Im Vergleich zu bereits existierenden Verfahren ist dies ein enormer Fortschritt, da die Mehrheit der bekannten Routen auf Schwefel- oder Schwefeldioxid-haltige Startmaterialien zurückgreift.
In der vorliegenden Arbeit gelang es, einen synthetischen Zugang zu Arylsulfonen basierend auf von Natrium-, Lithium-, Magnesium- und Zinksulfinaten zu finden. Diese Reaktion besitzt eine sehr große Anwendungsbandbreite und setzt sowohl Aryl- als auch Alkylsulfinate effizient um. Außerdem weisen Reaktionen mit unsymmetrischen Diaryliodoniumsalzen hohe Chemoselektivitäten auf.
Auf der Grundlage auf der Reaktion zwischen Natriumsulfinaten und Iodoniumsalzen wurde eine simple Route zur Synthese von Diarylsulfonen abgeleitet, jedoch war hierbei die Sulfonylgruppe noch Bestandteil eines der Edukte. Um die SO2-Einheit während der Reaktion einführen zu können, wurde ein praktisches Eintopf-Protokoll entwickelt, welches die direkte Umsetzung von (hetero)aromatischen und alkylischen Halogeniden zu Arylsulfonen gestattet. Diese innovative Methode besteht aus folgenden vier Schritten: (1) Generierung des Organometallreagenzes via Halogen-Metall-Austausch, direkte Metallinsertion oder Deprotonierung; (2) Reaktion des Organometallreagenzes mit SO2 zum Sulfinat; (3) Entfernen des SO2-Überschusses und flüchtiger Komponenten und (4) Umsetzung des nicht aufgereinigten Sulfinates mit einem Iodoniumsalz.
Desweiteren wird in dieser Arbeit ein neuartiger Übergangsmetall-katalysierter Ansatz zur Darstellung von Diarylsulfonen ausgehend von Arylhalogeniden und Sulfinaten diskutiert. Erste Experimente deuten auf Nickel-Katalysatoren als gute Wahl für die Reaktion. Optimierungsreaktionen zeigten eine starke Abhängigkeit der Ausbeute in Hinsicht auf die Bisswinkel der an das zentrale Nickelatom koordinierten Liganden. Da die bis dato besten Ergebnisse mit dem Komplex [o-tol-Ni(PPh2Me)2Cl] erzielt wurden, wird der [o-tol-Ni(PMe3)2Cl]-Komplex momentan in unserem Labor weiteren Studien unterzogen. Bislang ist davon auszugehen, dass dieser Katalysator hervorragende Ergebnisse liefert und zu einer allgemein gültigen Methode führt.
In weiteren Kapiteln wird die Anwendbarkeit von SO2-Surrogaten, Metabisulfiten „S2O52-„ oder DABSO; untersucht; mit dem Ziel eine Eintopf- oder Multikomponentenreaktion zu entwickeln.
Zum einen wird die Entwicklung einer Ein-Topf-Reaktion von Alkylhalogeniden mit Metabisulfiten und Organozinkreagenzien zur Darstellung von Alkylarylsulfonen vorgestellt. Darüber hinaus wird eine Übergangsmetall-katalysierte Multikomponenten Reaktion zur Synthese von Sulfonsäureamiden vorgestellt. Eine Reaktion zwischen Aminen, Arylhalogeniden und DABSO als SO2-Quelle wurde in Form einer Palladium-katalysierten Aminosulfonylierung entwickelt.
Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt in der erfolgreichen Entwicklung von vier neuen Methoden zur Darstellung von Sulfonen und von einer neuen Methode zur Synthese von N-Aminosulfonamiden. Dabei sollen die Strukturmotive von Sulfonen und Sulfonamiden aus stabilen Startmaterialien in einer einfachen Durchführung, vorzugsweise in einer Eintopf-Synthese oder Multikomponenten-Reaktion, aufgebaut und der Reaktionsmechanismus weitestgehend experimentell aufgeklärt werden. In diesem Rahmen konnte die Lücke einer Nickel-katalysierten Darstellung von Diarylsulfonen sowohl unter thermischen als auch unter photochemischen Bedingungen gefüllt werden. Zusätzlich konnten im Bereich der SO2-Fixierung Sulfonylradikale mittels Diaryliodoniumsalzen und sichtbaren Licht erzeugt werden, die mit dem entsprechenden Quencher zum Sulfonamid oder Sulfon weiter reagieren konnten.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollten neue Synthesemethoden für den schnellen und effizienten Aufbau von molekularer Komplexität ausgehend von Enamiden als zentrale Synthesebausteine entwickelt werden. Dabei konnten insgesamt fünf unterschiedliche Reaktionen entwickelt werden, die die Synthesen nützlicher Bausteine, wie z.B. β-Amidosulfone 127 oder 1,3-Diamide 128, und neuartiger Heterocyclen ermöglichen. Insgesamt konnte so in einem diversität-orientierten Ansatz, die selektive Bildung von bis zu fünf stereogenen Einheiten ausgehend von einfachen, acyclischen Startmaterialen ermöglicht werden.
Metall-vermittelte Sulfonierungen von Enamiden mittels Sulfinatsalzen:
Im ersten Abschnitt sollten Enamide für die Synthese von Sulfonen eingesetzt werden. Dabei konnte, abhängig vom Katalysatorsystem, sowohl eine C-(sp2)-H Sulfonylierung (Schema 5-1-a.)) als auch eine Oxysulfonylierung (Schema 5-1-b.)) entwickelt werden. Durch die Verwendung von Mn(OAc)3.2 H2O wurden selektiv (E)-konfigurierteβ-Amidovinylsulfone 126 erhalten. Die Reaktion ist unempfindlich gegenüber Luft und Wasser, was sie besonders einfach in der Durchführung macht. Zudem besitzt sie eine große Substratbreite und bietet durch die Kombination mit klassischer Organometallchemie mit einem Isomerisierung-Sulfonierungs-Protokoll eine interessante Alternative zur C-H Sulfonylierung von Enamiden. Auf Grundlage dieser Reaktion sollte, durch zusätzliches Abfangen eines intermediär gebildeten Acylimins durch einen Alkohol, auch eine Oxysulfonierung entwickelt werden. In der Tat konnte durch die Verwendung von Fe(NO3)3∙9 H2O eine entsprechende 3-Komponentenreaktion zu β-Amidosulfonen 127 mit zwei stereogenen Zentren etabliert werden.
Diese Verbindungen versprechen vor allem durch ihr hohes Vorkommen als Schlüsselmotiv in biologisch aktiven Substanzen ein hohes Anwendungspotential. Die Reaktion verfügt über eine breite Substratbreite und ist analog zur Mangan-vermittelten Variante einfach in der Durchführung. Die erhaltenen sulfonierten N,O-Acetale 127 können zudem in die entsprechende Imine überführt und mit einem geeigneten Nukleophil abgefangen werden. So lässt sich z.B. das Methylfuran-Derivat 177a darstellen, welches durch eine oxidative Spaltung in die geschützte Aminosäure 178 überführt werden kann.
Addition von Enamiden und Enimiden an N-Acylimine:
Aufbauend auf der zweistufigen Reaktionssequenz zum Aufbau von 1,3-Diamiden 128 über die Addition von Enamiden 29 an N-Acylimine 131 und anschließender Umsetzung mit einem Nukleophil, konnte die Synthese zu einer Eintopf-Reaktion weiterentwickelt werden (siehe Schema 5-3-c.).
Als Katalysator für beide Reaktionsschritte zeigte Bi(OTf)3 als luft- und wasserstabiler Katalysator die besten Ausbeuten und Selektivitäten. Dabei werden selektiv 1,2-anti-2,3- anti-konfigurierte 1,3-Diamide 128 mit drei fortlaufenden Stereozentren erhalten. Vorteile dieser Methode sind, neben einer einfachen Durchführbarkeit, die simple Skalierbarkeit sowie die Toleranz einer Vielzahl unterschiedlicher funktioneller Gruppen in der Reaktion. So konnten durch Variation aller drei Komponenten über 30 Beispiele der gewünschten 1,2-anti-2,3-anti-konfigurierten 1,3-Diamide 128 dargestellt werden. Die hier entwickelte Eintopf-Reaktion stellt somit eine wichtige Erweiterung zu bestehenden 1,3-Diamidsynthesen dar. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass ausgehend von Phthaloyl-basierten Enimiden 125 die nur schlecht darstellbare Substanzklasse der Dihydropyrimido[2,1-a]isoindol-6(2H)-one 129 hergestellt werden kann (siehe Schema 5-3-d.). Dieses neuartige heterocyclische Motiv wurde bisher kaum auf seine biologische Aktivität hin untersucht und verspricht daher ein interessantes Anwendungsfeld. Insgesamt weisen die erhaltenen Verbindungen drei fortlaufende Stereozentren auf, wobei sie in guten bis sehr guten Ausbeuten diastereomerenrein erhalten werden konnten. Dabei lässt sich der hohe Grad an Stereoselektivität durch eine [4+2] Cycloaddition zwischen dem in situ erzeugten N-Acylimin 131 und einem Enimid 125 zu einem Oxazin 132, gefolgt von einer Säure-vermittelten Umlagerung, erklären. Durch Variation der Enimid- und Acyliminkomponente konnten insgesamt 27 neuartige Dihydropyrimido[2,1-a]isoindol-6(2H)-one 129 synthetisiert werden.
Addition von Enamiden an Aldehyde – Stereoselektive Synthese
pentasubstituierter Tetrahydropyrane:
Im letzten Teil der Arbeit sollte, analog zur stereodivergenten Synthese von 1,3- Diaminen, durch Addition von Enamiden an Aldehyde, die jeweiligen 1,3-Aminoalkohole dargestellt werden. Interessanterweise wurde in dieser Transformation die selektive Bildung eines pentasubstituierten Tetrahydropyrans beobachtet. Dabei werden in einem Schritt drei neue σ-Bindungen und fünf fortlaufende Stereozentren aufgebaut. Bemerkenswert ist zudem der außerordentlich hohe Grad an Stereoselektivität, da von 16 möglichen Diastereomeren nur eines gebildet wird. Durch Variation der Aldehyd- und Enamidkomponente ließen sich insgesamt 23 verschiedene Tetrahydropyrane in guten bis sehr guten Ausbeuten und exzellenter Diastereoselektivitäten darstellen. Der Einsatz (Z)-konfigurierter Enamide erlaubte zudem die Synthese eines weiteren Diastereomers 262b, welches sich in der relativen Konfiguration an C5 von 262a unterscheidet.
Insgesamt zeigen die in dieser Arbeit entwickelten Reaktionen die enorme Anwendungsbreite von Enamiden in der stereoselektiven Synthese. So konnten in einfach durchführbaren Transformationen aus simplen Startmaterialien bis zu fünf benachbarte stereogene Einheiten aufgebaut werden. Dabei zeigt die Vielfalt der erhaltenen Verbindungen gleichsam die unterschiedlichen Reaktionsmodi der Enamideinheit 29 (siehe Kapitel 1.2). Daher werden, besonders bei der Entwicklung neuer Synthesemethoden für acyclische, stickstoffhaltige Verbindungen mit mehreren fortlaufenden Stereozentren, Enamide auch in Zukunft noch ein interessantes Forschungsfeld bleiben.
Der gezielte, effiziente Aufbau komplexer Struktureinheiten, die mehrere Stereozentren besitzen, ist bis heute eine der größten Herausforderungen in der organischen Synthese. Gerade hinsichtlich der Wirkstoffentwicklung ist es von großer Bedeutung alle möglichen Stereoisomere einer Verbindung zugänglich zu machen. Die 1,3-Diamin-Struktureinheit ist Bestandteil interessanter Naturstoffe, biologisch aktiver Substanzen oder chiraler Liganden. Zusammenfassend konnte erfolgreich eine neue hoch modulare, stereokonvergente, Enamid/Acylimin-basierte Methode zur Synthese von 1,3-Diaminen mit drei fortlaufenden Stereozentren entwickelt werden. Diese Route bietet Zugang zur kompletten Tetrade möglicher Diastereomere, ausgehend von einfach zugänglichen Startmaterialien. Die Konfiguration der beiden zuerst gebildeten Stereozentren kann durch die Enamid-Geometrie kontrolliert werden ((E) -> 1,2 anti, (Z) -> 1,2-syn-Konfiguration). Die 2,3 Konfiguration kann hingegen über die geschickte Wahl der Reagenzien und den damit assoziierten Reaktionsbedingungen gesteuert werden. Weiterhin konnte eine Bi(OTf)3-katalysierte Ein-Topf-Sequenz zur diastereoselektiven Synthese von 1,2-anti-2,3-anti-1,3-Diaminen 6 etabliert werden. Darüber hinaus konnte die Synthese der N,O-Acetale, als auch die der Enamide optimiert und bzgl. der Synthesen im Multigrammmaßstab verbessert werden. Die N,O-Acetale konnten erfolgreich aus Amiden, Aldehyden und Alkoholen dargestellt werden. Die Enamide wurden unter Zuhilfenahme luftunempfindlicher Ni-Katalystoren aus Allylamiden mittels Isomerisierung zugänglich gemacht.
Entwicklung neuer Multikomponentenreaktionen zur Synthese von Amin- und α-Aminosäurederivaten
(2016)
Die Entwicklung neuer Synthesemethoden ist von enormer Bedeutung hinsichtlich der Darstellung von neuen Verbindungen mit speziellen, anwendungsorientierten Eigenschaften und in Bezug auf die Suche nach ökologisch verträglicheren und effizienteren Herstellungsmethoden. Multikomponentenreaktionen (MCRs) bieten hierbei eine gute Ansatzmöglichkeit. Gegenüber den klassischen, linear verlaufenden 2-Stufen-Reaktionen weisen MCRs eine hohe Atom-Ökonomie und effiziente Bindungsbildung auf, können zur Minimierung von Zeit-, Energie-, Material- und Kostenaufwand sowie zur geringeren Generierung von Abfallmengen beitragen und ermöglichen einen schnellen Aufbau diverser Molekülstrukturen. Vor diesem Hintergrund gelang im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Entwicklung mehrerer 3-Komponentenreaktionen basierend auf der nukleophilen Addition von Arylboronsäuren an in situ gebildete N-Acyl- bzw. N-Sulfonylimine, womit die Synthese von diversen alpha-substituierten Amiden, chiralen, alpha-substituierten Sulfonamiden, chiralen alpha-Arylglycinen sowie von Arylmethylsulfonamiden erfolgte. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umsetzung hinsichtlich der Methode mit Amiden war die Verwendung eines dualen Katalysatorsystems aus Lewis-Säure und Pd(II) sowie die Anwesenheit von Wasser. Die enantioselektiven Varianten konnten mittels Sulfonamide anstelle der Amide sowie unter Einsatz von Pd(II) und einem chiralen Oxazolin-Liganden erreicht werden. Die neuen Methoden sind einfach in der Durchführung, weisen einen breiten Substrat-bereich auf und im Falle der asymmetrischen Varianten hohe Enantioselektivitäten.
Allerdings besitzt die Reaktionsführung über Organoboronsäuren zwei entscheidende Nachteile: Zum einen bedarf es der Verwendung vorfunktionalisierter Boronsäuren und zum anderen werden stöchiometrische Mengen borhaltiger Abfälle erzeugt. Daher wurden im Rahmen dieser Arbeit auch Prozesse untersucht, bei denen hinsichtlich der Atom-Ökonomie keine unnötig vorfunktionalisierten Startmaterialien eingesetzt werden und bei denen keine oder nur ökologisch vollkommen unbedenkliche Nebenprodukte entstehen. Ein erster Ansatz in diese Richtung gelang dabei mit der Entwicklung einer neuen 3-Komponentenreaktion basierend auf einer Brønsted-Säurekatalysierten, benzylischen C–H-Bindungsfunktionalisierung von 2-Alkylazaarenen.