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Durch natürliche Selektion werden Funktionen, die dem Überleben und dem Fortpflanzungserfolg eines Organismus dienen, optimiert. Da die Struktur eines Organs dessen Funktion und umgekehrt die Funktion eines Organs dessen Struktur bestimmt, kann durch das Studium der Morphologie die Funktionsweise von Organen verstanden werden. Trotz des umfangreichen Wissens über die Struktur von Nervensystemen sowohl auf mikro- als auch auf makroskopischer Ebene, ist es weiterhin unklar, wie Bewusstsein und ein kohärentes Abbild der Umwelt im Gehirn erzeugt werden. Der Grund hierfür ist vor allem die gewaltige Komplexität neuronaler Netzwerke, die unmöglich geistig erfasst werden können. Eine Möglichkeit, das Gehirn ohne das detaillierte Wissen über all seine Bestandteile zu verstehen, bietet das Studium von Optimierungsprinzipien und deren Anwendung in theoretischen Modellen. So wie eingangs erwähnt die Funktion von Organen durch natürliche Selektion optimiert wird, sollte auch die Funktion neuronaler Netzwerke optimiert werden und neuronale Netzwerke sollten entsprechend solcher Optimierungsprinzipien aufgebaut sein. Ein wichtiges Prinzip, das essenziell für die Effizienz neuronaler Netzwerke ist, ist die Minimierung der Verbindungslänge zwischen Neuronen. Basierend auf diesem Prinzip wurde im Rahmen dieser Dissertation eine algorithmische Methode etabliert, die es ermöglicht Vorhersagen der relativen Position von Neuronen anhand ihrer Verbindungen zu treffen. Diese neuronale Platzierungsmethode beruht darauf, dass Neuronen mit ähnlicher Verbindungsnachbarschaft näher zueinander platziert werden als zu Neuronen mit weniger ähnlichen Verbindungsnachbarn, wodurch die durchschnittliche Verbindungslänge minimiert wird. Nach der Etablierung dieser Methode, wurde diese benutzt um Modelle zu erstellen, die es ermöglichen die Entstehung neuronaler Karten und kortikaler Faltungen im Zusammenhang mit der Konnektivität und der Anzahl der Neuronen zu untersuchen.
Neuronale Karten sind geordnete Muster auf der Oberfläche des Kortex, die durch die präferierte Aktivität einzelner Neuronen in Antwort auf Stimuli einer Modalität beobachtet werden können. Im visuellen Kortex existieren sogar mehrere Karten, je nachdem welche Qualität visueller Stimuli man betrachtet. Abhängig von der Präferenz für einen Sehwinkel, ein stimuliertes Auge oder der Orientierung eines Balken-Stimulus, können retinotopische Karten, Karten mit streifenartigen Mustern oder Karten mit sogenannten „Pinwheel“-Strukturen beobachtet werden. Pinwheels sind periodische Strukturen, die sichtbar werden indem man die Orientierungspräferenz von Neuronen für die spezifische Orientierung eines Balken-Stimulus mit der entsprechenden Farbe des Farbkreises visualisiert. Da diese Strukturen eine Ähnlichkeit mit bunten Windrädern haben, werde sie als Pinwheels bezeichnet. Die in dieser Dissertation erstellten Modelle sagen vorher, dass die Entstehung strukturierter neuronaler Karten im Allgemeinen von der Anzahl der Neuronen abhängt. In der Tat könnte diese Abhängigkeit auch für neuronale Karten im Kortex gelten. Während strukturierte Karten im visuellen Kortex in verschiedenen Säugerordnungen wie Primaten, Karnivoren und Huftieren existieren, sind sie in kleinen Nagern mit weniger Neuronen nicht vorhanden, trotz ähnlicher Verbindungsspezifizität. Folglich müssen Unterschiede in der Struktur neuronaler Karten im Kortex nicht zwangsläufig mit einer unterschiedlichen Funktionsweise zusammenhängen, sondern könnten auch durch allgemeine Optimierungsprinzipien beim Aufbau neuronaler Netzwerke bedingt werden. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen verschiedenen Säugetierordnungen ist, dass die relative Dichte der Pinwheels ziemlich genau bei der Zahl Pi liegt. Entsprechend der Ergebnisse dieser Dissertation könnte dies dadurch erklärt werden, dass für neuronale Karten ähnlicher Struktur die Anzahl der Neuronen pro Pinwheel relativ konstant ist. Unterschiede in der räumlichen Dichte der Pinwheels könnten dann einfach durch Unterschiede in der Dichte der Neuronen erklärt werden.
Neben den Modellen für neuronale Karten wurde im Rahmen dieser Dissertation auch ein Modell kortikaler Faltungen mit derselben neuronalen Platzierungsmethode erstellt. Die Existenz kortikaler Faltungen wird gemeinhin damit erklärt, dass der Kortex ohne Faltungen wegen seiner verhältnismäßig großen Oberfläche nicht in den Schädel gepackt werden könnte. Allerdings haben Experimente gezeigt, dass die Faltungen nicht durch eine Restriktion des wachsenden Kortex an der Schädeloberfläche entstehen, da auch mit mehr Platz für die Expansion des Kortex die gleichen Faltungsmuster exprimiert werden. Interessanterweise entstehen die kortikalen Faltungen erst, wenn die Proliferation der Neuronen während der Entwicklung größtenteils abgeschlossen ist und die Neuronen anfangen ihre Verbindungen auszubilden. Um kortikale Faltungen basierend auf der Konnektivität zwischen Neuronen im Modell vorherzusagen, genügt es das allgemeine Muster einer starken lokalen, aber schwachen globalen Konnektivität zwischen Neuronen nachzubilden. Abhängig von Variationen dieser Konnektivität, der Anzahl der kortikalen Kolumnen und der Neuronenanzahl innerhalb dieser Kolumnen, können im Modell viele Eigenschaften kortikaler Faltungsmuster in Säugetieren vorhergesagt werden. Ähnlich wie in Säugetieren ist der Faltungsgrad der vom Modell vorhergesagt wird von dem Verhältnis zwischen Parametern, die die Größe und Dicke des Kortex beschreiben, abhängig. Dementsprechend werden mehr und mehr Faltungen mit steigender Anzahl der Kolumnen, aber gleicher Anzahl von Neuronen pro Kolumne vorhergesagt. Wie in Säugetieren entstehen dabei auch die größeren primären Faltungen zuerst bevor es innerhalb der größeren Faltungen zu kleineren Faltungen höherer Ordnung kommt. Neben der Abhängigkeit des Faltungsgrads von der Größe des Kortex können Variationen in der Konnektivität erklären, wie es einerseits zu stereotypischen Faltungsmustern kommen kann, aber andererseits auch warum der Faltungsgrad zwischen verschiedenen Säugerordnungen unterschiedlich mit der Größe des Kortex skaliert. Letztlich könnten pathologische Veränderungen der Konnektivität zu den entsprechenden Änderungen im Faltungsmuster führen.
Insgesamt wurde in dieser Arbeit gezeigt, dass mittels einfacher Prinzipien, die die Verbindung zwischen Neuronen und deren relative Position zueinander beschreiben, komplexe neuroanatomische Strukturen vorhergesagt werden können. Da mit derselben Methode zur neuronalen Platzierung sowohl neuronale Karten als auch kortikalen Faltungen, also sehr unterschiedliche Strukturen vorhergesagt werden konnten, stellt sich die Frage, ob diese Strukturen durch einen gemeinsamen biologischen Mechanismus entstehen. Neuronale Zugkräfte sind ein möglicher Mechanismus, der die Entstehung kortikaler Faltungen erklären könnte. Auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass die Entstehung neuronaler Karten von Zugkräften zwischen Neuronen abhängt, kann es nicht vollständig ausgeschlossen werden. Ob solche Kräfte an der Selbstorganisation neuronaler Netzwerke beteiligt sein könnten, ist eine interessante Fragestellung für zukünftige empirische Studien.
Autism spectrum disorder (ASD) is a common neurodevelopmental disorder with a multifarious clinical presentation. Even though many genetic risk factors have been identified and studied in mouse models, the neurophysiological mechanisms underlying the autistic phenotype are still unclear. Based on the high rates of comorbidity with epilepsy, it was hypothesized that the balance between excitation and inhibition in neural circuits may be disrupted in autistic individuals.
In this dissertation, synaptic and network activity was measured in three different genetically modified mouse models that exhibit the characteristic behavioral abnormalities of the disorder: the Neurobeachin (Nbea) haploinsufficient mouse, the Neuroligin-3 (Nlgn3) knockout (KO) mouse, and the Neuroligin-4 (Nlgn4) KO mouse. Each of the affected proteins is involved in the formation and/or function of synapses in the central nervous system. Therefore, it was posited that the reduction or deletion of these proteins might alter the balance of excitatory to inhibitory synaptic transmission in individual neurons and in neural circuits. Extracellular recordings in the hippocampal dentate gyrus of anesthetized mice revealed that the excitation-inhibition (E-I) balance was reduced in Nbea haploinsufficient and Nlgn4 KO mice, but unchanged in Nlgn3 KO mice despite a reduction in excitatory synaptic transmission to dentate granule cells. Unexpectedly, the intrinsic excitability of dentate granule cells was altered in all three mouse models. These results imply that a homeostatic increase in the intrinsic excitability is able to compensate for the decreased excitatory transmission in Nlgn3 KO mice, whereas the decreased intrinsic excitability in the Nbea haploinsufficient and Nlgn4 KO mice leads to a reduction in the E-I balance. Taken together, these findings suggest that the influence of genetic factors on the E-I balance might be a potential common mechanism underlying the development of ASD.
Eines der übergeordneten Ziele neurowissenschaftlicher Grundlagenforschung ist es, die Pathomechanismen neuropsychiatrischer Erkrankungsbilder besser zu verstehen. Als Erklärungsmodell für einige dieser Erkrankungen dient unter anderem ein gestörtes Verhältnis zwischen Exzitation und Inhibition im Gehirn. Synaptische Strukturproteine sind wichtige Modulatoren dieses Verhältnisses. Für eine unbeeinträchtigte inhibitorische synaptische Transmission spielt das postsynaptische Zelladhäsionsprotein Neuroligin 2 eine maßgebliche Rolle, um das Gleichgewicht zwischen Exzitation und Inhibition aufrechtzuerhalten. Neuroligin 2 ist an der inhibitorischen Synapse lokalisiert und beeinflusst die Entwicklung, Reifung und Funktion dieser Synapse. Die klinische Relevanz von Neuroligin 2 wurde bereits bei zahlreichen Erkrankungsbildern wie Schizophrenie, Depression oder Epilepsie im Rahmen von Studien nachgewiesen. Um das Verhältnis zwischen Exzitation und Inhibition in vivo sowie Mechanismen der synaptischen Übertragung und Plastizität zu untersuchen, hat sich die Ableitung von Feldpotentialen im Gyrus Dentatus des Hippocampus etabliert. Im Neuroligin 2 Knockout Mausmodell konnte bereits gezeigt werden, dass eine pränatale Deletion dieses Proteins eine stark erhöhte Erregbarkeit der Körnerzellen und eine verminderte GABAerge Netzwerkinhibition im Gyrus Dentatus in vivo zur Folge hat.
Unklar blieb bisher, ob diese durch den konventionellen Neuroligin 2 Knockout (pränatal) hervorgerufenen Netzwerkveränderungen alleine auf das Fehlen dieses Proteins zurückzuführen sind oder durch eine zusätzliche Beeinträchtigung der Hirnentwicklung hervorgerufen werden. Ziel dieser Dissertation ist es deshalb, die Rolle von Neuroligin 2 im Gyrus Dentatus durch einen induzierten Knockout in adulten Mäusen (postnatal) unabhängig von einem möglichen Entwicklungseffekt zu klären.
Dazu wurde im ersten methodischen Schritt dieser Dissertation durch orale Tamoxifen-Gabe eine zeitspezifische konditionale Eliminierung von Neuroligin 2 in genetisch modifizierten, adulten Mäusen erzielt. Im Anschluss an diese konditionale Eliminierung wurde die synaptische Transmission, Plastizität sowie neuronale Erregbarkeit von Körnerzellen im Gyrus Dentatus mittels elektrophysiologischer Experimente untersucht. Hierzu wurde zunächst der Tractus Perforans und die Körnerzellschicht durch stereotaktische Chirurgie in anästhesierten Mäusen lokalisiert. Anschließend wurde eine Stimulation des Tractus Perforans sowie eine Ableitung von Feldpotentialen im Gyrus Dentatus durchgeführt. Um die Erregbarkeit der Körnerzellen, die synaptische Transmission, Kurz- und Langzeitplastizität sowie Netzwerkinhibition im Gyrus Dentatus zu analysieren, wurden unterschiedliche Stimulationsprotokolle verwendet. Im Anschluss an die elektrophysiologischen Experimente wurden die Hippocampi beidseitig entnommen, konserviert und später einer Proteinquantifizierung von Neuroligin 2 mittels Western-Blotting unterzogen.
Die Ergebnisse zeigten ein signifikant verringertes Proteinlevel von Neuroligin 2 auf 41,07% im Hippocampus von konditionalen Neuroligin 2 Knockout Mäusen. Unter dieser Reduktion von Neuroligin 2 in adulten Mäusen war die in vivo Erregbarkeit der Körnerzellen des Gyrus Dentatus sowie GABAerge Netzwerkinhibition weitgehend unbeeinträchtigt und die signifikanten Beobachtungen des konventionellen Knockout Modells ließen sich nicht reproduzieren. Aufgrund der unvollständigen Proteinreduktion lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen, ob die Restmenge den elektrophysiologischen Effekt kompensiert oder ob die im konventionellen Neuroligin 2 Knockout Modell beobachteten Effekte auf eine ausschließliche Rolle von Neuroligin 2 in der Hirnentwicklungsperiode zurückzuführen sind. Kürzlich veröffentlichte Daten zeigten allerdings, dass die postnatale Deletion von Neuroligin 2 in anderen Hirnregionen zu einer verminderten Netzwerkinhibition führt.
Neben der hier verwendeten in vivo Methodik ist eine Ergänzung von Untersuchungen in nicht-anästhesierten Tieren sowie Messungen einzelner Zellen durch whole-cell patch-clamp Untersuchungen in vitro oder in vivo zu erwägen. Es sollte dabei auf eine konditionale Proteineliminierung geachtet werden, damit mögliche Kompensationsmechanismen weitgehend ausgeschlossen werden können. Eine weiterführende immunhistochemische Bildgebung der Hippocampuspräparate, wie sie im konventionellen Knockout durchgeführt wurde, könnte sich hierbei ebenso als aufschlussreich für die Funktion von Neuroligin 2 im Hippocampus des adulten Tieres erweisen.
This thesis presents a first-of-its-kind phenomenological framework that formally describes the development of acquired epilepsy and the role of the neuro-immune axis in this development. Formulated as a system of nonlinear differential equations, the model describes the interaction of processes such as neuroinflammation, blood- brain barrier disruption, neuronal death, circuit remodeling, and epileptic seizures. The model allows for the simulation of epilepsy development courses caused by a variety of neurological injuries. The simulation results are in agreement with ex- perimental findings from three distinct animal models of epileptogenesis. Simula- tions capture injury-specific temporal patterns of seizure occurrence, neuroinflam- mation, blood-brain barrier leakage, and progression of neuronal death. In addition, the model provides insights into phenomena related to epileptogenesis such as the emergence of paradoxically long time scales of disease development after injury, the dose-dependence of epileptogenesis features on injury severity, and the variability of clinical outcomes in subjects exposed to identical injury. Moreover, the developed framework allows for the simulation of therapeutic interventions, which provides insights into the injury-specificity of prominent intervention strategies. Thus, the model can be used as an in silico tool for the generation of testable predictions, which may aid pre-clinical research for the development of epilepsy treatments.