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Historisch betrachtet wurde Krebspatienten durch das behandelnde Personal von physischer Belastungen oftmals abgeraten (Steins Bisschop et al., 2012). Mit der zunehmenden Zahl an Publikationen im Bereich onkologischer Rehabilitation wird deutlich, dass Krebspatienten oftmals eine stark reduzierte kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit aufweisen, was wiederum Implikationen für akute wie auch längerfristige krebs-assoziierte Effekte und Outcomes haben kann (Jones et al., 2008). Somit steht dem bisherigen Verhaltens-Dogma der Ruhe und Schonung bei Krebspatienten eine Vielzahl an Evidenz der Effektivität und Notwendigkeit von regelmäßiger körperlicher Bewegung gegenüber (Jones et al., 2008; Klika et al., 2009; Steins Bisschop et al., 2012). Diese Arbeiten bieten fundierte Informationen bezüglich der zu Grunde liegenden Limitationen der Belastungstoleranz. Darauf aufbauend wird dieses Wissen genutzt, um effektive Trainings- und Rehabilitationsprogramme zu entwerfen sowie klinische Resultate zu verbessern (Jones et al., 2009).
Strukturierte und individualisierte Sport- und Bewegungstherapie gilt dabei als ein vielversprechender Ansatz, die nachlassende Fähigkeit der selbständigen Alltagsbewältigung, die krebsassoziierte Müdigkeitssymptomatik (fatigue), aber auch die allgemeine kardiorespiratorische Fitness (KRF) zu verbessern (Schmitz et al., 2010). Für onkologische Patienten von ebenso großer Bedeutung ist die Tatsache, dass durch regelmäßige körperliche Aktivität Begleiterscheinungen der eingesetzten Behandlungsmethoden (Hayes et al., 2009), das psychische Wohlbefinden als auch die Gesamtmortalität positiv beeinflusst werden können (Mishra et al., 2012b; Mishra et al., 2012a). Zusätzlich verspricht regelmäßige körperliche Bewegung, den Funktionsverlust in den drei wichtigsten physiologischen Bereichen (Muskulatur, Herz-Kreislauf-System und kardiopulmonales System) zu verringern oder sogar aufzuhalten (Hayes et al., 2009). Demzufolge nimmt die sporttherapeutische Sekundär- und Tertiärprävention bei Krebserkrankungen eine wichtige Rolle ein, und die Frage nach einer effektiven und zielgerichteten Belastungs- und Trainingssteuerung auf Basis valider und reliabler Messgrößen der körperlichen Leistungsfähigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung (Ulrich et al., 2013; Kirkham et al., 2013).
Aktuelle Empfehlungen zu körperlicher Aktivität bei onkologischen Patienten orientieren sich hinsichtlich der Ausgestaltung in punkto Häufigkeit, Umfang und Intensität im Allgemeinen an Bewegungs-Leitlinien für gesunde Gleichaltrige ohne chronische Erkrankungen. Eine Besonderheit bei onkologischen Patienten stellt jedoch oftmals die Berücksichtigung therapieassoziierter bzw. krankheitsbedingter Nebenwirkungen in der praktischen Umsetzung der Empfehlungen dar. Aktuelle Leitlinien sehen dafür ein aerobes Ausdauertraining an mindestens 3-5 Tagen/Woche bei einem Intensitätsspektrum moderater (150min) oder intensiver (75min) Beanspruchung (MVPA) bei 46-90% der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit vor.
Die in der Literatur beschriebenen Probleme einer Vielzahl an Verfahren zur Bestimmung der KRF und der darauf basierenden Ableitung von individualisierten Trainingsempfehlungen haben in den letzten Jahren vermehrt zu Ansätzen basierend auf der individuell physiologischen Belastungsreaktion in der Ausdauertrainingssteuerung und –bewertung geführt (Meyer et al., 2005c; Bentley et al., 2007b; Binder et al., 2008; Hofmann & Tschakert, 2011). Dabei kommen vor allem die in der sportmedizinischen Ausdauerleistungsdiagnostik etablierten Verfahren der Laktat-Leistungsdiagnostik und der spiroergometrischen Ermittlung ventilatorischer Schwellen zum Einsatz.
Kernziel der vorliegenden Arbeit war daher die Untersuchung von Leistungskennwerten an submaximalen Variablen aus Spiroergometrie und der Laktatdiagnostik im Kollektiv der onkologischen Patienten mit unterschiedlichen Krebsentitäten.
Das folgende Kapitel 2 fasst den aktuellen Forschungsstand zu Epidemiologie, Prävalenz sowie die Auswirkungen onkologischer Erkrankungen auf Aspekte der körperlichen Ausdauerleistungsfähigkeit und deren Diagnostik in der Sportmedizin zusammen. Resultierend aus dem Forschungsstand werden daraufhin Zielstellung und –fragen der vorliegenden Arbeit formuliert. Kapitel 4 umfasst die methodische Ablaufbeschreibung des Studiendesigns, die Probandenrekrutierung und -stichprobe, die eingesetzten diagnostischen Messverfahren, sowie die Darstellung der statistischen Auswertung. Nachfolgend auf die Darstellung der Ergebnisse in Kapitel 5 werden diese in Kapitel 6 vor dem Hintergrund des dargestellten Forschungstandes und aktueller relevanter Literatur diskutiert. Abschließend erfolgt eine Praxis-orientierte kritische Beleuchtung der Arbeit sowie ein eine perspektivische Einordnung der Ergebnisse mit Ausblick auf zukünftige Forschungsarbeiten.
Die hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) stellt für zahlreiche Erkrankungen die einzige Chance auf Heilung dar. Gleichzeitig ist dieses Therapieverfahren mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden, welche auf diverse akute Nebenwirkungen aber auch langfristige Komplikationen zurückzuführen ist. Unter anderem wurden vielfältige Funktionsbeeinträchtigungen erfasst, welche in einer gravierenden körperlichen Dekonditionierung sowie einem erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen münden können. Sport- und Bewegungstherapie konnte sich in diesem Rahmen als Supportivmaßnahme vor allem bei erwachsenen Krebspatienten etablieren. Die Studienlage für Kinder und Adoleszenten mit Krebs ist nicht gleichsam evident. In der pädiatrischen SZT gibt es bis dato lediglich vier international publizierte Studien. Aufgrund des skizzierten Forschungsdefizits, sollten im Rahmen der vorliegenden randomisiert-kontrollierten Untersuchung, die physischen und psychischen Effekte einer strukturierten Sporttherapie während und nach der HSZT evaluiert werden.
Die erste Studienphase bezieht sich auf die stationäre Behandlung der Patienten und wurde in einem randomisiert-kontrollierten Design durchgeführt. Mit stationärer Aufnahme wurden teilnehmende Probanden in eine von zwei Studiengruppen randomisiert (Interventionsgruppe (IG) oder Kontrollgruppe (KG)). Während die IG ein Ausdauer-, Kraft- und Beweglichkeitstraining erhielt, führte die KG Konzentrations- und Entspannungsübungen durch. Beiden Gruppen wurde das altersentsprechende sowie individualisierte Training täglich zwischen 30–60min angeboten. Mit stationärer Entlassung gingen die Patienten in Phase II, die ambulante Nachbehandlung über. In dieser Pilotstudie sollten neben der Machbarkeit von Sporttherapie, die physischen Effekte bis 6 Monate nach HSZT analysiert werden. Aufgrund der wohnortgestützten ambulanten Weiterbehandlung wurde eine Neu-Stratifizierung der Patienten durchgeführt, wodurch vier Gruppen entstanden: IG–IG, IG–KG, KG–IG und KG–KG. Als MZP dienten die stationäre Aufnahme (T0) und Entlassung (T1) sowie für die Phase II Tag+100 (T2) und Tag+200 (T3). Die Testungen inkludierten motorische Testverfahren (6-Minuten-Walking-Test (6MWT), Spiroergometrie, Handkraft (Hk), Beinkraft (Bk)), psychometrische Testverfahren (Lebensqualität (LQ)) sowie klinische Parameter (z.B. Blutwerte) und die Körperzusammensetzung.
In vier Studienjahren (2011-2014) wurden 70 Patienten mit einem mittleren Alter von 11,0 Jahren (5–18Jahre) eingeschlossen. Stationär kam es zu einer Drop out Rate von 18,6% sowie zu Tag+200 von 54,3%. Die Patientencharakteristika zeigten abgesehen vom BMI bei Aufnahme (p<.05) keine Gruppenunterschiede.
Das stationäre Training wurde von beiden Gruppen mit 3,1 (2–4; IG) bzw. 2,9 (0,3–4; KG) Trainingseinheiten pro Woche ähnlich gut angenommen (je ~51min/Trainingseinheit). Für drei von den vier motorischen Testverfahren zeigte sich anhand der relativen Veränderungen für die IG ein Erhalt der Leistungsfähigkeit (6MWT: 2,4 (-66,1–25,7)%; Hk: -3,6±16,3%; Bk: -1,6 (-52,6–144,4)%). Gleichzeitig reduzierte die KG diese Daten jeweils signifikant (6MWT: -14,6 (-73,2–18,0)%; Hk: -10,9±20,0%; Bk: -13,0 (-57,9–131,7)%; p<.05). Die VO2peak ml/kg/min der Spiroergometrie zeigte innerhalb beider Gruppen eine signifikante Verschlechterung (IG: 15,0±16,7%; KG: -18,7±22,7%; p<.05). Die LQ präsentierte dagegen ein uneinheitliches Bild für beide Studiengruppen. Für die Körperzusammensetzung und klinischen Parameter konnten keine signifikanten Unterschiede berechnet werden.
Im ambulanten Setting demonstrierte die Aufbereitung des Trainings eine generelle Machbarkeit. Das Training wurde in 53,6±10,2% der Ambulanztermine integriert. Die hohe Ausfallrate war primär auf Kontraindikationen (63,3±22,1%) und Sondertermine (14,6±7,0%) zurückzuführen. Die Trainingshäufigkeit belief sich insgesamt auf 0,7 Trainingseinheiten/Woche bei 42,5min pro Trainingseinheit. Die Betrachtung der physischen Effekte zeigte eine generelle Verbesserung der Daten innerhalb aller Gruppen. Gruppen mit sportlicher Intervention (stationär oder ambulant) wiesen partiell (6MWT, Bk) höhere Messwerte und Verbesserungen auf. Signifikanzen lagen keine vor.
Gesamt betrachtet konnte in Studienphase 1 dem therapieassoziiertem körperlichen Abbau durch Bewegungstherapie entgegengewirkt werden. Gleichzeitig zeigte das Assessment, ausgenommen LQ, Körperzusammensetzung sowie die Spiroergometrie eine gute Anwendbarkeit in dem Setting. Für die ambulante Studienphase kann eine generelle Machbarkeit von Sporttherapie nach HSZT postuliert werden. Weitere Erhebungen wären in diesem Setting hinsichtlich der Trainingseffekte noch erforderlich. Zukünftige Studien sollten multizentrisch durchgeführt werden, um mit Hilfe größerer Fallzahlen umfassendere Erkenntnisse zu erlangen.
Positive Effekte körperliche Aktivität als komplementäre Therapie in der Onkologie wurden in den letzten Jahren in zahlreichen Studien aufgezeigt. Hierbei zeigte sich ein Anstieg der körperlichen Fitness und Muskelmasse, eine Steigerung der Lebensqualität, eine Reduktion des Fatigue-Syndroms, aber auch eine verbesserte Therapieverträglichkeit sowie einer Rezidiv-Prophylaxe (Backman et al., 2014; Meyerhardt et al., 2006; Segal et al., 2001). Daraufhin wurden Empfehlungen für körperliche Aktivität im Rahmen der onkologischen Therapie ausgesprochen, welche 150 Minuten moderate körperliche Aktivität pro Woche umfassen. Diese Empfehlungen basieren auf entitätsunspezifische Studienkollektive mit meist Tumorstadium I und II. Eine Vielzahl an Studien verdeutlichen, dass gerade Patienten in fortgeschrittenen Tumorstadien mit zahlreichen therapie- sowie tumorbedingten Nebenwirkungen zu kämpfen haben und dadurch ein stärkerer Abbau der körperlichen Fitness, der Muskulatur, aber auch der funktionellen Eigenschaften vorzufinden ist. Hierbei stellen Patienten mit fortgeschrittenen gastrointestinalen Tumoren (GIT) ein stark belastetes Kollektiv dar, da 80 Prozent dieser Patienten eine Tumorkachexie erleiden. Zusätzliche wurde in einer Querschnittsuntersuchung aufgezeigt, dass Patienten mit fortgeschrittenen GIT bereits vor Therapiestart einen deutlich verminderten körperlichen und funktionellen Status im Vergleich zu Mammakarzinom-Patientinnen und Gesunden aufweisen (Stuecher et al., 2016). In der vorliegenden randomisiert kontrollierten Untersuchung wurde erstmals ein heimbasiertes Training ohne Supervision zur Steigerung der körperlichen Aktivität bei Patienten mit fortgeschrittenen GIT durchgeführt und dieses mit einer leitliniengetreuen onkologischen Therapie ohne komplementäre Bewegungstherapie verglichen. Dabei wurden der körperliche und funktionelle Status sowie die Aktivitäten des täglichen Lebens verglichen.
Zweiundvierzig Patienten mit fortgeschrittenen GIT (UICC ≥ III, 67,1 ± 6,8 Jahre, 45,2 % weiblich) wurden vor ihrer geplanten first-line Chemotherapie (CT) in die zweiarmige randomisiert kontrollierte Studie eingeschlossen. Eine der Gruppen (I) erhielt, entsprechend der ACSM-Guidelines für onkologische Patienten, die Vorgabe ein wöchentliches Laufprogramm mit einem Umfang von 150 Minuten moderater Intensität pro Woche. Die zweite Gruppe diente als Kontrollgruppe (K) und erhielt am Ende der Studiendauer entsprechende Empfehlungen. Die Interventionsdurchführung wurde mittels Trainingstagebuch und Pedometer begleitet. Vor Beginn (T0), nach zwei CT-zyklen (T1) sowie nach zwölf Wochen (T2) wurde der funktionelle und körperliche Status sowie die Alltagsbewältigung der Patienten erfasst.
Bei einer Dropoutrate von 36 Prozent konnten 28 (K: 15; I; 13) Patienten die Studie komplett durchlaufen. Die mittlere Adhärenzrate lag bei 81,3 Prozent. Im Untersuchungszeitraum konnten die folgenden sign. Veränderungen (p< 0,05) der einzelnen Parameter gezeigt werden. Die posturale Stabilität (COPLänge) konnte sowohl ein Gruppeneffekt, als auch ein Zeiteffekt nachgewiesen werden. Die Interventionsgruppe verbesserte sich im Zeitraum T0-T1 (-71,47mm) sowie im Gesamtzeitraum T0-T2 (-74,13 mm), wohingegen die Kontrollgruppe sich im Gesamtzeitraum T0-T2 (+72,83) verschlechterte. Die Gruppen unterschieden sich daher sowohl in den Zeiträumen T0-T1 ((K)+38,61; (I)-71,47 mm) sowie T0-T2 ((K)+72,83; (I) -74,13mm). Bezüglich des körperlichen Status konnte sich die Interventionsgruppe von T1-T2 (+4,03 kg) sowie von T0-T2 (+4,04 kg) verbessern, sodass sich die Gruppen zwischen den Zeitpunkten T1-T2 ((K) -0,49; (I)+4,03 kg) und T0-T2 ((K) 0,19; 4,04 kg) unterschieden. Der iADL-Fragebogen erbrachte eine Verbesserung der Interventionsgruppe im Gesamtmesszeitraum T0-T2 (+0,12), daraus resultierte ein zusätzlicher Gruppenunterschied in diesem Zeitraum ((K) -0,89; (I) +0,12). Der Ernährungszustand zeigte auch einen unterschiedlichen Verlauf der beiden Gruppen. Zwischen T1-T2 ((K) -0,59; + 1,74) sowie T0-T2 ((K) -0,55; (I) +2,39) unterschieden sich die Gruppen.
Obgleich es für einige Patienten schwierig war die Laufintervention gemäß den Empfehlungen durchzuführen, weisen die Teilnehmer der Interventionsgruppe sowohl in den Parametern des körperlichen, als auch des funktionellen Status Verbesserungen auf. Demnach scheint ein durchschnittlicher Umfang von zwei Stunden moderater körperlicher Aktivität während einer Tumortherapie ausreichend zu sein. Es veranschaulicht, dass eine komplementäre Bewegungstherapie in der onkologischen Therapie bei Patienten mit fortgeschrittenen GIT sinnvoll ist und sowohl einen Benefit in der Körperzusammensetzung, als auch der funktionellen Eigenschaften mitsichbringt. Dies hat wiederum einen positiven Einfluss auf die Alltagsbewältigung. Da einige Barrieren das Laufprogramm der Patienten einschränkten oder gar zum Laufabbruch führten, sollte versucht werden diese zu mindern. Hierbei sind vor allem klima- und wetterbedingte Barrieren ein möglicher Ansatzpunkt, da Nebenwirkungen kaum vermeidbar sind. Dennoch sollten die Patienten auch nach nebenwirkungsbedingten Laufpausen motiviert werden das Programm weiterzuführen. Diese Studie gibt zudem erste Hinweise, dass durch eine komplementäre Bewegungstherapie mit moderater körperlicher Aktivität die Toxizität der CT bei Patienten mit fortgeschrittenen GIT vermindert werden kann. Da der klinische Benefit, welcher in einigen Studien anderer Tumorentitäten postuliert wurde, in dieser Untersuchung nicht objektiv erfasst wurde, wäre dies ein möglicher Ansatzpunkt für Folgestudien.
Erkrankungs- und transplantationsassoziierte Nebenwirkungen (z.B. Mukositis, Neutropenie) und Komplikationen (z.B. Infektionen, Abstoßung) führen zu einem radikalen Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit während der Hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT). Ein Großteil der Patienten leidet vor Beginn der Transplantation bereits an ausgeprägten muskulären sowie kardiopulmonalen Defiziten. Randomisiert-kontrollierte Interventionsstudien mit Erwachsenen weisen auf positive multidimensionale Effekte einer Bewegungstherapie vor, während und nach der Transplantation hin. Wiskemann et al. [2013] identifizierten zudem das Fitnesslevel zu Transplantationsbeginn als relevanten Prädiktor für trainingsinduzierte Adaptionen. Im klinischen Sektor der pädiatrischen HSZT wird der wissenschaftliche Forschungsstand im als unzureichend eingestuft. Neben der Evaluation der Wirksamkeit pädiatrischer Bewegungsprogramme besteht dringender Bedarf zur Identifikation geeigneter Trainingsmethoden. Auf Basis dessen evaluierte die vorliegende Arbeit als Primärziel den Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit zu Transplantationsbeginn auf die Effekte einer Sporttherapie während pädiatrischer HSZT. Darüber hinaus erfolgte eine Überprüfung der Machbarkeit des Interventionskonzeptes und eine explorative Analyse der sportlichen Belastbarkeit während der stationären Behandlung.
In dieser Subanalyse der BISON-Studie (RCT, n=70) wurden 53 hämato-onkologisch erkrankte Kinder und Jugendliche (35 m 18 w, 10.9±3.5 Jahre) mit Indikation zur HSZT computergestützt in eine Interventions- (IG) oder bewegungsarme Kontrollgruppe (KG) randomisiert. Im Rahmen der Transplantation führte die IG eine Sporttherapie, bestehend aus einem täglichen Ausdauer-, Kraft- und Beweglichkeitstraining (täglich, 30–60min), die KG ein Konzentrations- und Entspannungstraining von gleichem Umfang durch. Die individualisierten Trainingseinheiten fanden supervidiert statt und wurden von den behandelnden Sporttherapeuten dokumentiert. Zur Evaluation der Therapieeffekte erfasste ein 6-Minuten Gehtest (6MWT) die Ausdauerleistungsfähigkeit im Eingangs- und Retest (T1 Aufnahme, T2 Entlassung). Im Sinne der primären Zielsetzung erfolgte für die Auswertung eine retrospektive Dichotomisierung beider Studiengruppen anhand der referenzwertbezogenen Baslinewerte (cut off: 80 % 6MWDREFT1). Gruppenunterschiede (IGUNFIT n=14, IGFIT n=12, KGUNFIT n=16, KGFIT n=11) der relativen Veränderung im pre-post Design wurden mittels Kruskal-Wallis mit post-hoc-Test analysiert. Die Machbarkeit des sporttherapeutischen Interventionskonzeptes wurde anhand von neun Outcomeparametern (Bedarf, Akzeptanz, Durchführbarkeit, Adhärenz, Toleranz, Verträglichkeit, Sicherheit, Medizinische Barrieren, Non-Compliance) bewertet.
Vor Transplantation legten die Kinder und Jugendlichen im 6MWT ohne Auftreten unerwünschter Ereignisse durchschnittlich 470.9±79.1 m bzw. referenzwertbezogen 76±12% zurück. Die nichtparametrische Testung ergab für das Gesamtkollektiv bereits vor Beginn der Behandlung signifikante Einbußen der Gehstrecke im Vergleich zu den Normwerten gesunder Gleichaltriger (p<.001).
Insgesamt 25 Kinder und Jugendliche der IG (74%) trainierten über den stationären Verlauf kontinuierlich 2–4x pro Woche (50.3±6.3 min/TE) mit einem subjektiven Anstrengungsempfinden (RPE) von 11 bis 16. Die Adhärenzrate lag in der Untersuchung bei 94 (64–100)%. Das Training beinhaltete ein Ausdauertraining auf dem Fahrradergometer, als Aerobic-Einheit oder in spielerischer Form (2.5±0.9x/wk, 20.9±5.1 min/TE, 70.7±6.5% der HFmax), ein kleingerätegestütztes Krafttraining (2.4±0.6x/wk, 3.7±0.7 Übungen, 1.9±0.3 Serien, 10.4±1.1 Wiederholungen) und Stretchingübungen (2.3 ±0.7x/wk, 75% aktiv, 25% passiv). In insgesamt 13 von 410 Therapieeinheiten musste aufgrund von Gegenanzeigen abgebrochen werden.
Beim Vergleich der Trainingseffekte zeigte sich, dass die IGFIT ihre Ausdauerleistung im Rahmen der Transplantation um +0.7% steigerte, während die IGUNFIT eine Verbesserung um +7.7% aufwies (p>.05). In Bezug auf die relative Veränderung konnten ausschließlich signifikante Unterschiede zwischen der IGUNFIT und der KGUNFIT (-13.7%, p<.05) bzw. KGFIT (-15.9%, p>.05) erhoben werden. Bei Entlassung absolvierte die Gruppe IGFIT weiterhin 85.5±10.3% der referenzwertbezogenen Gehstrecke und differierte diesbezüglich bei Entlassung signifikant zu den beiden initial leistungsreduzierten Gruppen (KGUNFIT p<.001, IGUNFIT p<.01).
Negative Auswirkungen der Grunderkrankung und hämato-onkologischer Vorbehandlungen führen auch bei der Mehrheit betroffener Kinder und Jugendlicher bereits vor der Transplantation zu einer defizitären Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Gesunden. Vor dem Hintergrund einer progressiven transplantationsinduzierten Dekonditionierung zeigt sich eine supportive Sporttherapie während pädiatrischer HSZT von moderater und hoher Intensität als sicher, machbar sowie effizient. Das konstante Training sowie die hohe Compliance erfordern ein tägliches, flexibles und kreatives Angebot unter fachtherapeutischer Anleitung und Betreuung. Alle Patienten können über den gesamten Verlauf der Transplantation ca. 3x pro Woche zwischen 40–60 min trainieren. Wie bei Gesunden könnten insbesondere initial leistungslimitierte Kinder und Jugendliche sowie Patienten mit schweren Nebenwirkungen von einer supportiven Bewegungsförderung profitieren. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse lässt sich außerdem ableiten, dass ein optimaler Versorgungsansatz für die pädiatrische HSZT zusätzlich ein bewegungstherapeutisches Aufbautraining vor Transplantation vorsieht.