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Kursänderungen auf Aktienmärkten können informationsinduziert durch neu zu verarbeitende Informationen oder liquiditätsinduziert durch kurzfristige Angebots- bzw. Nachfrageüberhänge auftreten. Diese zwei so unterschiedlich verursachten Kursreaktionen sind in empirischen Untersuchungen nur schwer zu trennen. Das Modell von Easley, Kiefer, O’Hara und Paperman (1996) bietet eine theoretische Basis zur separaten Erfassung von liquiditätsorientiertem und informationsbasiertem Handel und eröffnet darüber hinaus auch einen Weg zur empirischen Quantifizierung dieser Größen.
In der vorliegenden Untersuchung nutzen wir diesen Ansatz zur Analyse des Handels deutscher Aktien über das Computerhandelssystem IBIS. Dabei zeigt sich, daß innerhalb der DAX-Werte Informationsereignisse bei den sehr stark gehandelten Aktien nicht häufiger als bei weniger oft gehandelten Werten auftreten. Die Unterschiede im Handelsvolumen sind auf unterschiedlich starke Handelsaktivität sowohl informierter als auch uninformierter Marktteilnehmer zurückzuführen. Weiterhin zeigt sich, daß das Risiko, mit informierten Marktteilnehmern zu handeln, bei den sehr umsatzstarken Aktien am geringsten ist.
In Einklang mit dem sogenannten Montagseffekt ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von negativen Informationsereignissen zu Wochenanfang besonders groß. Dieses Ergebnis könnte durch eine Tendenz von Managern erklärt werden, negative Informationen freitags nach Börsenschluß zu veröffentlichen. Eine getrennte Untersuchung für Handelstage mit niedriger und solche mit hoher Volatilität zeigt, daß an Handelstagen mit höherer Volatilität die Handelsintensität sowohl informierter als auch uninformierter Investoren größer ist. Auch die Wahrscheinlichkeit, an solchen Tagen mit besser informierten Marktteilnehmern zu handeln, steigt. Dieser Anstieg ist allerdings nicht statistisch signifikant.
Der dritte Advent ist geschafft, wie biegen auf die Zielgerade gen Weihnachten, Jahreswechsel und Bretterblogpause ein. In der letzten, diesmal recht bunten Netzschau diesen Jahres drehen wir uns um Islamophobie und Rassismus, Folter, Cyberpeace, die “resistance” und soziale Bewegungen und schließlich “IS(IS)”.
nzidenz und Mortalität von Gebärmutterhalskrebs (C53 nach ICD-10) müssen signifikant nach oben korrigiert werden, wenn aus der betrachteten Referenzbevölkerung die Frauen ausgeschlossen werden, deren Gebärmutter operativ entfernt wurde. Diese Arbeit stützt sich auf die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1), nach der die Hysterektomie-Prävalenz in Deutschland 2011 bei über 18-jährigen Frauen bei 17,4% lag. Auf Grundlage der Altersverteilung dieser Prävalenz werden die Inzidenz- und Mortalitätsraten von Gebärmutterhalskrebs entsprechend korrigiert. Maximale Korrekturen resultieren bei 70–79-jährigen Frauen mit einer Inzidenzkorrektur von 13,6 auf 22,5, d.h. um 65,4% und einer Mortalitätskorrektur von 7,5 auf 12,4, d.h. um 65,3%. Die mögliche Prävention durch eine HPV-Impfung gewinnt damit an Relevanz.
Anhand ausgewählter Materialien – insbesondere anhand von Vorträgen, die zwischen 1966/68 und 2001 auf den vom Deutschen Germanistenverband (DGV) veranstalteten sog. Deutschen Germanistentagen gehalten wurden – wird gezeigt, dass sich das Fach in seinem expliziten bzw. impliziten Diskurs über das Verhältnis der Germanistik zur Politik nach – den für den fachhistorischen Diskurs einschneidenden Daten – 1966/68 auf mehreren relevanten Ebenen auf der Suche nach einer neuen Identität befindet.
Zugleich führen Spezialisierungs-, Ausdifferenzierungs- sowie Entdifferenzierungsprozesse der Disziplin als wissenschaftssysteminhärente Prozesse das Fach an seine Grenzen bis hin zur (Selbst-)Auflösung. Diese Auflösung ist systemtheoretisch als Prozess der Szientifizierung und der Entkoppelung von Wissenschaft und Politik zu beschreiben – eine Koppelung, die für die Entstehung des Faches wesentlich war. Gleichzeitig zeigen sich – gegen den sog. Elfenbeinturm gerichtete – Diskurse, diese Abkoppelung zu kompensieren (z.B. Sprachenpolitik).
Letzte Woche argumentierte Stefan Engert in seinem Gastbeitrag für das Bretterblog, Deutsche dürften Israel nicht kritisieren. Das glaube ich nicht. Denn die Lehren aus dem Holocaust können nicht in der Zementierung von Täter- und Opferrolle liegen. Gemeinsame Verantwortung für ein mitmenschliches Umgehen – das ist die Antwort.
Im vorliegenden Papier werden drei Ansätze zur Reform des Familienleistungsausgleichs (FLA) mit jeweils zwei Varianten dargestellt und hinsichtlich ihrer fiskalischen Effekte und Wirkungen in verschiedenen Segmenten der Einkommensverteilung systematisch verglichen. – Mit dem weitestgehenden Konzept, der Kindergrundsicherung, wird ein Existenz sicherndes und zu versteuerndes Kindergeld in Höhe von monatlich 502 Euro bzw. 454 Euro pro Kind vorgeschlagen. Die bisherigen kindbedingten Freibeträge und mehrere Sozialleis-tungen könnten entfallen bzw. reduziert werden. – Daneben werden Kindergelderhöhungen auf einheitlich 238 Euro bzw. 328 Euro pro Kind und Monat, die allen Kindern – auch denen im SGB II-Leistungsbezug – zugute kommen sollen, untersucht. Das Kindergeld wäre wie bisher nicht zu versteuern, die bisherigen kindbedingten Freibeträge würden aber entfallen. – Schließlich wird der Vorschlag einer deutlichen Erhöhung des Kinderzuschlags bei reduzierter Mindesteinkommensgrenze und Wegfall der Höchsteinkommensgrenze erörtert. Zudem ist bei diesem Ansatz ein nochmals erhöhter Kinderzuschlag bei Alleinerziehenden – analog zum Mehrbedarfszuschlag nach dem SGFB II – (erste Variante) oder eine Herabsetzung der Transferentzugsrate auf Nichterwerbseinkommen von 100% auf 70% (zweite Variante) vorgesehen. Die zu erwartenden fiskalischen Belastungen der einfachen Kindergelderhöhung (ohne Be-steuerung) können ohne Weiteres hochgerechnet werden (16 bzw. 35 Mrd. Euro p. a.), die der anderen Reformmodelle sind aber ohne mikroanalytische Fundierung unter Berücksichtigung der Einkommensverteilung kaum abschätzbar. Zwar lassen sich auch die Bruttokosten der Kindergrundsicherung auf einfachem Wege ermitteln (Multiplikation der Kindergeld-Kinder mit der Betragshöhe), die Aggregate der davon abzusetzenden zahlreichen Einsparungen bei anderen Sozialleistungen und insbesondere der Steuermehreinnahmen sind allerdings nicht offensichtlich. Eine erste Überschlagsrechnung hat ergeben, dass die Nettokosten der ersten „großzügigen“ Variante der Kindergrundsicherung (502 Euro) denen der Kindergelderhöhung auf das sächliche Existenzminimum (322 Euro) ohne Besteuerung ungefähr gleich sind (in der Größenordnung von 35 Mrd. Euro). Eine genauere Quantifizierung kann aber nur auf der Ba-sis repräsentativer Mikrodaten und eines Simulationsmodells erfolgen, da insbesondere der Besteuerungseffekt der Kindergrundsicherung von der faktischen Einkommensverteilung abhängt. Auch eine Kostenschätzung für die Kinderzuschlagsreform bedarf mikroanalytischer Verfahren; ungeachtet dessen würde diese auf einen begrenzten Einkommensbereich gerichte-te Reform aber eindeutig die geringsten Kosten verursachen. Für einen systematischen Vergleich der Verteilungswirkungen der Reformvorschläge werden in der vorliegenden Arbeit Modellrechnungen für zwei ausgewählte Haushaltstypen präsen-tiert. Dabei wird deutlich, dass mit dem vergleichsweise begrenzten Konzept der Ausweitung des Kinderzuschlags die Situation von Familien in prekären Einkommensverhältnissen bis zu Familien der unteren Mittelschicht deutlich verbessert werden könnte. Inwieweit dieser Effekt eintreten würde, hängt allerdings auch vom Inanspruchnahmeverhalten ab; bisher ist die Nicht-Inanspruchnahme von Kinderzuschlag und Wohngeld weit verbreitet. Zudem würde sich die Situation der ärmsten Familien, die auf SGB II-Leistungen angewiesen sind, nicht verbessern, und am oberen Rand würden die Entlastungseffekte des FLA als Folge der kind-bedingten Freibeträge weiterhin mit dem elterlichen Einkommen zunehmen. Demgegenüber würden sich bei den Varianten der Kindergelderhöhung (ohne Besteuerung) die deutlichen Verbesserungen gegenüber dem Status quo gleichmäßig über das Einkommensspektrum vom Niedriglohnsegment – bei unverändert problematischen Effekten des Kinderzuschlags (Ein-kommensbruchstelle bei Höchsteinkommensgrenze) – bis in obere Schichten verteilen und erst am oberen Rand mit steigendem Einkommen sinken (infolge des Wegfalls der bisherigen kindbedingten Freibeträge). Die Förderungen durch die Kindergrundsicherung schließlich würden am stärksten im unteren und unteren Mittelbereich ausfallen und – im Gegensatz zu anderen Konzepten – insbesondere verdeckte Armut systembedingt, also quasi „automatisch“, weitgehend abbauen. Im oberen Mittelbereich und hauptsächlich in höheren Schichten würden die Transfers dagegen mit zunehmendem Einkommen kontinuierlich abnehmen. Insgesamt würde dies zu einem vergleichsweise stetig steigenden Verlauf des verfügbaren Familieneinkommens führen; die wegen der hohen Transferentzugsraten des Kinderzuschlags – gegebenenfalls in Kombination mit Wohngeld – häufigen Befürchtungen negativer Arbeitsanreize im unteren Einkommensbereich wären gegenstandslos. Inwieweit die hier diskutierten Reformkonzepte zu einem Abbau von Kinder- und Familien-armut und zu weniger Ungleichheit der personellen Einkommensverteilung führen können, lässt sich allein auf der Basis von Modellrechnungen allerdings nicht absehen. Dazu bedarf es detaillierter Analysen auf der Basis von repräsentativen Mikrodaten, die die faktische Ein-kommensverteilung abbilden und Simulationsrechnungen zur Quantifizierung der Effekte der Reformvarianten – unter Einbeziehung der Finanzierung der jeweiligen Nettokosten – ermöglichen. Daran wird im Projekt „Vom Kindergeld zu einer Grundsicherung für Kinder“ auf Basis der Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) 2007 gearbeitet; die Repräsentativität des Datensatzes hinsichtlich des Nachweises von Einkommens-, insbesondere Transferar-ten wurde bereits geprüft – mit gutem Ergebnis.
Trennungen und Scheidungen auf einem hohen Niveau – auch unter Familien mit minderjährigen Kindern – kennzeichnen bereits seit längerer Zeit die Familienentwicklung in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Sofern aus einer Beziehung gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, impliziert eine Trennung zwar das Ende der Partnerschaft, jedoch nicht das Ende der Elternschaft. Sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene besteht, mit Ausnahme von Sondersituationen, mittlerweile die explizite Erwartung, dass Eltern nach einer Trennung in ökonomischer und sozialer Hinsicht weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihre Kinder wahrnehmen. In der gesetzlichen Grundlage wird allerdings weiterhin davon ausgegangen, dass Kinder nach der Trennung bei nur einem Elternteil leben. Für andere Modelle existieren bisher keine oder nur unzureichende Regelungen. Die ökonomischen, sozialen und psychischen Folgen einer Trennung oder Scheidung können nach Geschlecht, sozialer Position und Alter variieren und damit soziale Ungleichheit hervorrufen oder verstärken. Neue Partnerschaften bzw. sogenannte Fortsetzungsfamilien beeinflussen das Leben der betroffenen Erwachsenen und Kinder zusätzlich. Bislang existieren über die Verbreitung und Lebensumstände von Nachtrennungsfamilien in Deutschland nur rudimentäre sozialwissenschaftliche Befunde. Die vorliegende Broschüre stellt einen ersten Versuch dar, bislang vorliegende sozialwissenschaftliche Befunde zur Lebenswirklichkeit von Nachtrennungsfamilien in Deutschland allgemeinverständlich in knapper Form zu bilanzieren. Folgende thematische Schwerpunkte werden behandelt: 1) Allgemeine Trends und rechtliche Rahmenbedingungen, 2) Elternschaft und Partnerschaft nach Trennung und Scheidung, 3) Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit nach Trennung und Scheidung sowie 4) Finanzielle Folgen von Trennung und Scheidung. Diese Aspekte werden aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und zugrundeliegende empirische Analysen decken ein breites Spektrum der derzeit verfügbaren Datenquellen ab.
Überarbeitete Version des Arbeitspapiers "The dynamics of labour market participation, unemployment and non-participation in Great Britain, Sweden and Germany" / Wolfgang Strengmann-Kuhn. [Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Institut für Volkswirtschaftslehre]
Ursprünglich sollte das vorliegende Buch nur eine Studie über die von der Kanzlei des Führers bzw. ihrem Umfeld nach Kriegsbeginn initiierten Entwürfe zu einem NS-„Euthanasie“-Gesetz werden. Dabei sollte vor allem der wichtige, allerdings mit zahlreichen Fehlern behaftete Beitrag von Roth/Aly(1984) revidiert werden. Da diese Fehler auch den Beginn der Debatte über die „Euthanasie“ im NS-Staat und den Beginn der Planung und Durchführung der „NS-Euthanasie“ (1939/1940) betrafen, musste weiter ausgeholt werden. Die Gesetzentwürfe aus der Zeit nach Kriegsbeginn machen unzweifelhaft deutlich, dass die am Krankenmord Beteiligten wussten, dass der auf den 1.9.1939 datierte „Euthanasie“-Erlass Hitlers in legaler Hinsicht nicht „ausreichte“.
Einkommensverteilung in Deutschland : Strukturanalyse der Ungleichheit nach Einkommenskomponenten
(2000)
Ergebnisse von Verteilungsanalysen fallen je nach der Bezugseinheit - Haushalt oder Person - recht unterschiedlich aus. Dies gilt sowohl für das Niveau von Verteilungsindikatoren und deren Entwicklung im Zeitverlauf, als auch hinsichtlich der Beiträge einzelner Einkommens- und Abgabearten zu der gemessenen Ungleichheit. Auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichproben 1988 und 1993 und unter Verwendung der "älteren OECD-Skala" hat sich gezeigt, dass die Ungleichheit der personellen Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen im Beobachtungszeitraum in den alten Ländern zugenommen hat, aber nach wie vor wesentlich gleichmäßiger als die unveränderte Verteilung der Haushaltsnettoeinkommen auf Haushalte ist. In den neuen Ländern ist der Unterschied zwischen der haushaltsbezogenen und der personenbezogenen Einkommensverteilung noch deutlicher bei insgesamt geringerer Ungleichheit als in den alten Ländern. Auch die Zerlegung der aggregierten Ungleichheit nach Einkommenskomponenten führt zu teilweise abweichenden Ergebnissen in Abhängigkeit von der Bezugseinheit, da bei einzelnen Haushaltstypen im Durchschnitt jeweils unterschiedliche Einkommensarten dominieren. Entgegen gängigen Vorstellungen über Verteilungsstrukturen zeigt sich allerdings generell, dass die Verteilungsungleichheit zum größten Teil durch die Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit bestimmt wird. Zwar sind die Selbständigen- und Vermögenseinkommen erwartungsgemäß wesentlich ungleicher verteilt, durch ihren vergleichsweise geringen Anteil am Gesamteinkommen ist ihr Einfluss auf die Gesamtverteilung aber - insbesondere in Ostdeutschland, aber auch in Westdeutschland - begrenzt. Dies wird bei der Analyse der personellen Verteilung allerdings weniger deutlich als bei der Bezugnahme auf Haushalte. Wiederum im Gegensatz zu verbreiteten Annahmen wird die Ungleichheit der Verteilung der Haushaltseinkommen durch staatliche Transferzahlungen nicht oder nur unwesentlich gemildert. Dies ist aber nur auf den ersten Blick überraschend, da nur ein geringer Teil der Transfers vorrangig vertikalen, interpersonellen Umverteilungszielen dient. Die Leistungen der Sozialversicherung und vergleichbarer Systeme bezwecken hauptsächlich eine intertemporale Umverteilung und Lebensstandardsicherung bei Eintritt bestimmter Risikotatbestände (Alter, Tod des Ernährers, Unfall, Arbeitslosigkeit, Krankheit), so dass sie die Verteilung der Einkommen aus unselbständiger Arbeit abgeschwächt wiederspiegeln. Demzufolge geht auch von ihnen keine merkliche Verminderung der Ungleichheit der Nettoeinkommensverteilung auf der Haushaltsebene bzw. sogar eine leichte Erhöhung der Ungleichheit der personellen Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen in Westdeutschland aus. Aber selbst von den steuerfinanzierten Transfers geht unter Bezugnahme auf Haushalte insgesamt nur ein sehr geringer nivellierender Effekt aus. Hier wird die konzeptionelle Schwäche des analytischen Ansatzes am ungewichteten Haushaltseinkommen besonders deutlich. Denn mit dem Haushaltseinkommen wird ohne eine Berücksichtigung der Haushaltsgröße und -struktur die Bedarfssituation der Haushaltsmitglieder, die für viele steuerfinanzierte Transfers maßgeblich ist, nur unzureichend erfasst. Dementsprechend erweist sich der ausgleichende Effekt der Transfers der Gebietskörperschaften unter Bezugnahme auf Personen als recht deutlich, wenn auch in Westdeutschland im Vergleich zum Anteil am Einkommensaggregat als unterproportional. Bei einer weiteren Aufspaltung des heterogenen Komplexes der steuerfinanzierten Transfers in das einkommensunabhängige Kindergeld, Einkommensübertragungen mit Entschädigungscharakter und Transfers mit dem vorrangigen Ziel vertikaler Umverteilung zeigt sich aber auch für Westdeutschland eine weit überproportionale Reduzierung der Ungleichheit der Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen durch i. e. S. bedarfsabhängige Transfers. Absolut gesehen macht der ausgleichende Effekt zwar in den alten Ländern weniger als ein Zehntel, in den neuen Ländern ungefähr ein Fünftel der entsprechenden Effekte der persönlichen Steuern aus; unter Berücksichtigung des geringen Volumens der Transfers mit vorwiegend vertikaler Ausrichtung ergibt sich aber eine recht hohe Effizienz. Sie scheint in Westdeutschland zwischen 1988 und 1993 allerdings etwas zurückgegangen zu sein, ähnlich wie der ausgleichende Einfluss der persönlichen Steuern. Schließlich zeigt sich für das Kindergeld eine nur mäßige relative Reduzierung der Ungleichheit der personellen Einkommensverteilung, die 1993 in West- wie in Ostdeutschland nur ungefähr zwei Dritteln des Anteils am Einkommensaggregat entspricht. Dies ist angesichts der horizontalen Ausrichtung des Familienlastenausgleichs in Deutschland nicht verwunderlich, könnte aber für eine Zieldiskussion im Zusammenhang mit Reformüberlegungen Anlass geben.
Eine "Gestaltungsmacht" stolpert hinterher – Die deutsche Bundesregierung und die Krise in Mali
(2013)
Im November diagnostizierte ich auf diesem Blog, dass sich Deutschland nach Mali ‚geschlichen‘ habe. Gegenstand dieser Kritik war eine doppelte Zurückhaltung: obwohl die deutsche Bundesregierung recht schnell signalisierte, dass sie sich an einer Trainingsmission für das malische Militär beteiligen würde, blieb der tatsächliche deutsche Beitrag nach außen hin vage und der öffentliche Diskurs über eine Mali-Strategie nach innen nicht existent. Seitdem hat sich einiges getan. Frankreich intervenierte militärisch, die Bundeswehr schickte logistische Unterstützung, die deutsche Öffentlichkeit diskutierte ein wenig und der Bundestag mandatierte die Entsendung der Bundeswehr, wenn auch nicht von Kampftruppen. Trotz dieser Entwicklungen hat sich an der Zurückhaltung der Bundesregierung erstaunlich wenig verändert. Wenn schon konkret gehandelt wird, warum wurde nicht auch der deutsche Regierungsdiskurs vernehmbarer und das Handeln der Bundesregierung konkret greifbarer? Wird eine klare außen- und sicherheitspolitische Position nur elitär aber nicht öffentlich diskutiert und, wenn ja, warum? Oder, so die Vermutung im Folgenden: die deutsche Bundesregierung kann aufgrund der politischen Handlungsnotwendigkeiten nicht mehr schleichen, stolpert den Entwicklungen aber hinterher, weil es weiterhin an einem konkreten und konturierten Gestaltungswillen deutscher Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik und an der strategischen Tiefe der Hilfsmaßnahmen fehlt...
Ein historischer Moment? Die UN beschließen erstmals Verhandlungen zu einem Nuklearwaffenverbot
(2016)
Um Mitternacht deutscher Zeit beschloss der Erste Hauptausschuss (Ausschuss für Abrüstung und Internationale Sicherheit) der UN-Generalversammlung mit großer Mehrheit, dass im nächsten Jahr Verhandlungen über ein Verbot von Kernwaffen aufgenommen werden sollen. Damit gipfelte die sogenannte Humanitäre Initiative, die sich in den vergangenen Jahren formierte und zunehmend an Momentum gewann, in einer historischen Resolution. Mit 123 zu 38 Stimmen, bei 16 Enthaltungen, stimmten knapp Zweidrittel der Staaten für Resolution L.41 („Taking forward multilateral nuclear disarmament negotiations“). Die USA und Russland, deren Arsenale zusammen über 95% der weltweiten Kernwaffen ausmachen, stimmten ebenso dagegen, wie (mit Ausnahme der Niederlande) sämtliche NATO-Mitglieder, darunter auch Deutschland. Wir rufen an dieser Stelle in Erinnerung, was sich hinter der Humanitären Initiative verbirgt, was es mit dem nun zu verhandelnden Kernwaffenverbot auf sich hat und werfen einen Blick auf das Abstimmungsergebnis....
Dies ist der zweite Artikel unseres Blogfokus „Salafismus in Deutschland“.
Manchmal lohnt sich ein Blick über den Zaun. Wie halten es andere EU-Staaten mit dem Salafismus, was wissen sie über Anhängerzahlen oder über die Ausbreitung des Phänomens und nicht zuletzt, wie schätzen sie die Gefahren ein, die insbesondere mit Blick auf dschihadistischen Terrorismus vom Salafismus ausgehen? Eine derartige vergleichende europäische Perspektive steht noch aus, ist aber unabdingbar, würde sie doch auf „blinde Flecken“, Fragestellungen und Sichtweisen, die noch zu wenig Berücksichtigung finden, verweisen. Und vielleicht erhöht sie auch den akademischen und politischen Austausch, der gerade bei transnationalen Phänomenen wie Salafismus oder Dschihadismus wichtig erscheint. In jedem Fall bewahrt sie vor einem „methodologischen Nationalismus“....
Die vorliegende Untersuchung der effektiven Stundenlöhne in Deutschland erfolgte im Hin-blick auf die Frage nach der Ungleichheit ihrer Verteilung und der Einhaltung eines Kriteri-ums minimaler Leistungsgerechtigkeit. Ausgangspunkt ist die Annahme eines komplexen Gerechtigkeitsempfindens in der Gesellschaft, das neben dem Marktmechanismus als einem Motor für Leistung und leistungsabhängige Einkommen auch individuelle Anstrengungen sowie die Folgen faktischer Marktunvollkommenheiten bzw. faktischen Marktversagens berücksichtigt. Zur Approximation der ergänzenden Aspekte von Leistungsgerechtigkeit wird an relative Lohnpositionen angeknüpft: Lohneinkommen, die einen gesellschaftlichen Mittelwert sehr weit – bezogen auf den Durchschnitt um mehr als die Hälfte, und alternativ bezogen auf den Median um mehr als ein Drittel – unterschreiten, gelten als Indikator für Zielabweichungen. Implizit wird damit unterstellt, dass individuelle Leistungsunterschiede begrenzt, die aus dem Marktmechanismus folgende Differenzierungen aber grenzenlos sind. Die sich aus dem hier gewählten Kriterium ergebenden Niedriglohngrenzen entsprechen ungefähr alternativ abgeleiteten Grenzwerten, die aus der Norm folgen, dass eine Vollzeiterwerbstätigkeit mindestens das eigene sozio-kulturelle Existenzminimum zuzüglich einer Leistungskomponente sichern sollte. Neben dem Aspekt minimaler Leistungsgerechtigkeit für den unteren Rand der Verteilung werden keine weiteren konkreten Normen zur Beurteilung der Zielangemessenheit der beobachteten Verteilung der Lohnsätze gesetzt. Dies würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Die empirische Analyse auf Basis des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) konzentriert sich auf das Jahr 2003 und wird ergänzt um einige Auswertungen für 1998, die allerdings nur mit dem SOEP durchgeführt werden können. Obwohl aus dem SOEP generell eine größere Ungleichheit der Verteilung resultiert, halten sich die Unterschiede zwischen den Ergebnissen beider Datenquellen in Grenzen. ...
Gegenstand der Untersuchung ist die Veränderung der Struktur der personellen Einkom-mensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Grundlage der Analyse sind die vom Statistischen Bundesamt erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS) der Jahre 1962/63, 1969, 1973, 1978 sowie 1983. Um zwischen Alters-, Perioden- und Ko-horteneffekten differenzieren zu können, wurden die Daten der einzelnen Querschnittser-hebungen verkettet und mit Hilfe der so gebildeten Zeitreihen, sogenannten „Repeated Cross-Section“-Daten (RCS-Daten), die Entwicklung und Strukturveränderungen der Ein-kommen geburtskohortenspezifisch untersucht. Es zeigt sich, daß die Struktur der Einkommen während der jeweiligen Zeit der Erwerbstätigkeit, d. h. bis zum 60. Lebensjahr, relativ beständig bleibt. Erst der Übergang in die Nacherwerbsphase führt zu einem Bedeutungswandel: die „Einkommen aus öffentlichen Transferzahlungen“ werden zu einer relevanten Einkunftsart. Verursacht wird dies vor allem durch Leistungen aus staatlichen Alterssicherungssystemen. Eine analoge Zunahme der Bedeutung von „Einkünften aus Vermögen“ im Alter, wie sie z. T. in der ökonomischen Theorie sowie von Sozialpolitikern unterstellt wird, kann nicht bestätigt werden. Zusätzlich zu den, getrennt für die Ein- und Zweipersonenhaushalte durchgeführten Analysen wurde ein Vergleich der Wohlstandspositionen zwischen diesen beiden Haushaltsgrößen mittels Äquivalenzeinkommenswerten vorgenommen. Als grundlegendes Resultat ergibt sich, daß die Zweipersonenhaushalte im Hinblick auf die „ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen“ grundsätzlich eine höhere Position als die Einpersonenhaushalte innehaben. Darüber hinaus wurden ansatzweise die mit einer Haushaltsänderung einhergehenden Einkommensveränderungen untersucht. Hierbei zeigt sich, daß der Übergang von einem „Zweipersonen-Durchschnittshaushalt“ mit einer männlichen Bezugsperson zu einem „Einpersonen-Durchschnittshaushalt“ mit einer verwitweten Frau als Bezugsperson zu einer erheblichen Verringerung der Wohlstandsposition der verwitweten Frau führt.
Das vorliegende Arbeitspapier ist die unveränderte Fassung einer Diplomarbeit, die von Michael Grimm während einer Dauer von vier Monaten am Institut für Konjunktur, Wachstum und Verteilung der Universität Frankfurt a. M. geschrieben wurde. Die Ergebnisse der Analyse halte ich für so interessant, daß mir eine Veröffentlichung als Arbeitspapier im Rahmen des von mir geleiteten EVS-Projektes, dessen Daten die Grundlage der Arbeit bilden, als lohnend erscheint. Dadurch kann sichergestellt werden, daß die Untersuchungsergebnisse Interessierten zur weiteren Nutzung, sei es als reine Informationsgrundlage oder als Ausgangspunkt weiterer Analysen, zur Verfügung stehen. Die Studie beleuchtet die Verteilung von Geld- und Grundvermögen auf sozioökonomische Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Als Datenbasis wurde eine Datenbank mit (anonymisierten) Individualdaten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1988 der Universität Frankfurt a. M. genutzt. Anknüpfend an frühere Arbeiten, die zu diesem Themenkomplex im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 3 "Mikroanalytische Grundlagen der Gesellschaftspolitik" angefertigt wurden sowie durch Berücksichtigung von Daten zur EVS 1993, die zum Untersuchungszeitpunkt allerdings nur in tabellierter Form vorlagen, skizziert die Analyse eindrucksvoll die Entwicklung der Vermögensverteilung bis in die neunziger Jahre hinein. Dabei zeigt sich, daß die Verteilung des Vermögens, im Vergleich zur Verteilung der Einkommen, einen weiterhin sehr hohen Konzentrationsgrad aufweist. Insbesondere auf der Personenebene hat sich der Grad der Konzentration im Laufe der achtziger Jahre sogar noch verstärkt. Auch die Betrachtung der Verteilung auf sozio-ökonomische Gruppen zeigt viele interessante und neue Ergebnisse, so daß die Analyse ein echter Erkenntnisfortschritt ist. Es bleibt zu hoffen, daß weitere Arbeiten auf Basis der Einkommens- und Verbrauchs stichproben 1993 und 1998 sich der Entwicklung der Vermögensverteilung, insbesondere auch in den neuen Bundesländern, widmen und so eine langfristige Informationsgrundlage für Wirtschafts- und Sozialpolitik schaffen. Frankfurt am Main, im März 1998 (Richard Hauser)
Gestern hat der Deutsche Bundestag mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung zum ersten Mal den Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg formal anerkannt. Die Türkei hat daraufhin sogleich ihren Botschafter zurückbeordert; weitere Maßnahmen z. B. die Aussetzung des Flüchtlingskompromisses könnten folgen. Die Krux jedoch von all‘ dem ist die Frage, ob es in den Jahren 1915-1917 einen Genozid an der eigenen christlich-armenischen Minderheit gab oder nicht:...
Am Donnerstag, dem 26.01.17, beschloss der Deutsche Bundestag, wie schon im letzten Jahr, eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen der UN-Mission MINUSMA in Mali. Die maximale Anzahl der in und um Gao im Norden Malis eingesetzten Soldatinnen und Soldaten wird von bisher 650 auf 1000 erhöht, da Deutschland zukünftig auch die Bereitstellung von Kampf- und Rettungshubschraubern für MINUSMA übernimmt. Damit wird der Einsatz in Mali zum Größten der Bundeswehr. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos hat das Gefährdungspotenzial schon im vergangenen Jahr mit der ISAF-Mission in Afghanistan verglichen und in keinem anderen UN-Einsatz sind im letzten Jahr mehr Soldaten getötet worden.
Die Entsendung weiterer Soldatinnen und Soldaten vom Deutschen Bundestag in einen Einsatz, in dem sie erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind, erfordert eine umfangreiche Begründung durch die politisch Verantwortlichen und eine kritische Würdigung durch die Zivilgesellschaft.
Dies ist der siebte Artikel unseres Blogfokus „Salafismus in Deutschland“.
Globale Dschihadisten, die Deutschland als legitimes Angriffsziel beschreiben, begründen dies unter anderem damit, dass die Bundesrepublik ein im globalen „Krieg gegen den Islam″ eingebundener „Feindesstaat″ sei. Andersdenkende Salafisten wie Mohamad Gintasi alias Abu Jibril und als gemäßigte Islamisten bezeichnete Akteure wie Samir Mourad (DIdI e.V.), aber auch Repräsentanten einiger etablierter Islamverbände, halten ihnen entgegen, deutsche Muslime hätten mit Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft oder durch Erhalt ihrer Aufenthaltserlaubnis einen islamrechtlich bindenden Sicherheits(garantie)vertrag (amān) geschlossen. Dieser verpflichte sie, solange sie Sicherheit zugesprochen bekämen und, so ergänzen einige, den Islam praktizieren könnten, geltendes Recht zu achten....
„Wir sind im Krieg mit Russland.“ Diese gleichermaßen lakonische wie wuchtige Bewertung des Journalisten Jan-Philipp Hein lässt den Leser unwillkürlich zusammenzucken, klingt sie doch wie ein aus der Zeit gefallenes Zitat einer längst überwundenen Ost-West-Konfrontation. Zudem erscheint sie verstörend irreal, da die sich in den Vordergrund drängenden aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen wie islamistischer Terrorismus, anhaltend große (und vielfach unkontrollierte) Flüchtlingsströme und eng damit verknüpft ein Erstarken rechtsextremistischer Kräfte in den vergangenen Monaten die gesamte Aufmerksamkeit zu absorbieren schienen...
Die Krimkrise lässt nicht nach und jeder Staat scheint eine eigene Agenda zu verfolgen. Wer aber verfolgt seine Agenda so, dass sie am Ende auch erfolgreich ist? Die Krise ist noch nicht ausgestanden, doch eine erste Bestandsaufnahme lässt bereits interessante Schlüsse zu. Russland scheint sich momentan nicht schlecht zu schlagen, in Angesicht eines Westens, der immer noch damit ringt, eine klare Linie zu fahren. Doch der wahre Gewinner der gesamten Auseinandersetzung könnte ein Staat sein, der sich bis jetzt sehr ruhig verhalten hat: China.
Dies ist der fünfte Artikel unseres Blogfokus „Salafismus in Deutschland“.
Dschihadismus ist keine neue Erscheinung in Deutschland, und schon gar nicht in Europa. Erinnert sei beispielsweise an drei der 9/11-Attentäter, die in Hamburg lebten und konspirierten, an die Mitglieder der so genannten Sauerlandzelle und die Anschläge von Madrid 2004 und London 2005. Seit Jahren werden immer wieder neue Gesichter des Terrors vor Richter und Kamera geführt. Seit der Entstehung des „Islamischen Staates“ (IS) ändert sich jedoch nicht nur die Art wie Terroristen kommunizieren und mobilisieren, sondern auch ihre Motivation. Sowohl die IS Propaganda als auch die individuellen Motivationen werden durch subkulturelle Merkmale gekennzeichnet: ästhetische, Audio- und Videoelemente – zum Teil westlicher Natur –, die inspirieren und motivieren sollen, sowie Abenteuerlust, Provokation und Widerstand....
Der Mietspiegel ist ein Instrument im deutschen Vergleichsmietensystem, mit dem die Mietpreise auf dem privaten Wohnungsmarkt reguliert werden sollen. Frankfurt am Main war Pionier bei der Durchsetzung des Mietspiegels in der Bundesrepublik: Bereits in den 1960er Jahren wurden Mietprognosen von der Vereinigung der Haus-, Grund- und Wohnungseigentümer (Haus & Grund) veröffentlicht, die bei Rechtsstreitigkeiten schlichtende Funktion erfüllen sollten; 1974 kam es zur Bildung einer Kommission, in der neben der Stadt Frankfurt u.a. Repräsentant_innen der beiden Mietparteien vertreten waren und die den ersten Mietspiegel herausgab (vgl. Lammel 2007: 4); 1990 kam es schließlich zur bundesweit ersten Erstellung eines Mietspiegels mittels der Regressionsanalyse – einer Methode, die damals von Seiten der Vermieter_innenverbände heftig angefeindet wurde (vgl. ebd.: 6ff., Hummel 1993), mittlerweile jedoch allgemein als anerkannt gilt (vgl. BMVBW 2002: 39). In Frankfurt kommt diese Methode bis heute zur Anwendung, obwohl sie nach wie vor in der Kritik der Vermieter_innenverbände steht (vgl. exemplarisch Ridinger 2011). Entsprechend lehnten diese bspw. den Mietspiegel 2008 geschlossen ab, während die Mieter_innenverbände ihm durchweg zustimmten (vgl. Amt für Wohnungswesen 2008: 4). Haus & Grund äußerte sich damals in Vertretung der Kleineigentümer_innen wie folgt:
„Der einseitig von der Stadt aufgezwungene Mietspiegel kann seinen Hauptzweck, nämlich für eine Befriedung zwischen Mietern und Vermietern zu sorgen, nicht erfüllen“ (Haus & Grund 2009).
2010 wendete sich das Bild: Während die Vermieter_innenverbände dem neuen Mietspiegel mehrheitlich zustimmten, stimmte ein Mieter_innenverband dagegen und zwei enthielten sich der Stimme. Beispielhaft auch hier die Erklärung von Haus & Grund:
„Frankfurter Vermieter können aufatmen. Der neue Frankfurter Mietspiegel 2010 ermöglicht Mietsteigerungen um durchschnittlich 4,4 Prozent. (...) Die Innenstadt wurde durch die Einführung von zwei neuen Wohnlage-Kategorien stark aufgewertet, die Liste der Durchgangsstraßen wurde merklich reduziert, und der restaurierte Stilaltbau erhält endlich die Zuschläge, die ihm gebühren. Freuen dürfte viele Vermieter zudem, dass auch Balkone, Terrassen, Loggien und Rollläden wieder Zuschläge erhalten, ebenso wie modernisierte Bäder“ (Haus & Grund 2011a).
In der Folge kam es zu teilweise drastischen Mieterhöhungen, die zum Protest verschiedener Stadtteilinitiativen führten (FR 2011b, 2011c). In der Diskussion um die Fortschreibung des Mietspiegels 2010 wurde von der IG BAU seine Abschaffung gefordert (vgl. FR 2012d).
Regulierung im Gesundheitswesen ist einerseits spezifisch, andererseits werden zunehmend Regulierungsansätze aus anderen Sektoren übernommen. Dies wirft grundsätzliche rechtswissenschaftliche Fragestellungen auf: Was sind die Besonderheiten des Gesundheitssektors? Dürfen allgemeine Regulierungsformen auf den Gesundheitssektor übertragen werden? Wie beeinflusst die europäische Gesetzgebung diese Entwicklungen? Der Band enthält Beiträge von ausgewiesenen Expertinnen und Experten des Gesundheitsrechts, die sich anhand aktueller Fragen aus den Bereichen Bedarfsplanung, Arzneimittelregulierung, Wettbewerbsrecht sowie der EU-Patientenrichtlinie mit den Möglichkeiten rechtlicher Regulierung im Gesundheitswesen befassen. Dabei wird auch die neuste Gesetzgebung, insbesondere das Versorgungsstrukturgesetz, erörtert.
Nach den Ereignissen in Gaggenau liest und hört man allenthalben von den "rechtlichen Schwierigkeiten", die hinsichtlich Verboten von Redeauftritten ausländischer Politiker bestünden. In Gaggenau hat man originär sicherheitsrechtlich argumentiert: viel zu viele Leute, viel zu kleiner Parkplatz, Chaos vorprogrammiert. Ähnliches nun in Köln: zu großer Aufwand, zu kurzfristig, Chaos vorprogrammiert. Nehmen wir einmal an, es seien im Einzelfall tragfähige Begründungen gewesen. Dann stellt sich zugleich die Frage: Was kann man tun, wenn man den Auftritt eines ausländischen Vertreters untersagen will, obwohl der Parkplatz groß genug und die Polizei ausreichend gegen Ausschreitungen gewappnet ist? ...
Der IT-Industrieverband Bitkom findet die Debatte um Netzneutralität nicht so gelungen und möchte lieber über etwas anderes reden: Deutsche IT-Branche ringt um Position zur Netzneutralität. Dass die Deutsche Telekom bei Bitkom eines der einflußreichsten Mitglieder ist, wenn nicht sogar das einflußreichste, dürfte damit sicher überhaupt nichts zu tun haben.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den Lehrenden in der betrieblichen Weiterbildung und deren pädagogischem Professionalisierungsbedarf. Beschrieben wird ein von der Feuerwehr- und Rettungsdienstakademie der Branddirektion Frankfurt am Main (FRA) und dem Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität entwickeltes Konzept zur Aus- und Weiterbildung pädagogisch tätiger FeuerwehrbeamtInnen, das 2012 erstmals umgesetzt wird. Bislang existierten hierfür weder in Deutschland noch in Österreich einheitliche Vorgaben. Ausgehend von den Bedürfnissen der Feuerwehren und geleitet von theoretischen Positionen der Erwachsenenbildung wird mit dem Konzept nicht zuletzt auch eine lernende Organisation zu verwirklichen versucht. Der Beitrag erläutert Ausgangslage, pädagogische Grundhaltung, Ziele und Ergebnisse der Voruntersuchung und skizziert die konkreten Modulinhalte und den Seminarablauf. Fazit der Autoren: Analog zu der bereits begonnenen Entwicklung in Wirtschaftsunternehmen wird das Niveau der pädagogischen Kenntnisse von lehrendem Personal auch bei den Feuerwehren steigen müssen. (DIPF/Orig.)
In diesem Beitrag werden Ansätze zur Förderung der Eignungsreflexion der Studierenden im Lehramt sowie der Beratungskompetenz der betreuenden Lehrenden an der Goethe-Universität Frankfurt dargestellt: Für die Studierenden wurden unterschiedliche Maßnahmen entwickelt und implementiert, die die Reflexion über die persönliche Eignung für den Lehrerberuf fördern und bestehende Defizite frühzeitig ausgleichen helfen. Für die betreuenden Lehrenden (an Universität und Schule) wurde eine hochschuldidaktische Weiterbildung entwickelt und eingesetzt, welche deren Beratungskompetenz stärken soll.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die verschiedenen Alternativrechnungen zur Bemessung des Eckregelsatzes auf Basis der Daten der EVS 2003 und der normativen Setzungen der derzeit gültigen Regelsatzverordnung (RSV) haben zu Beträgen leicht über (Variante 1b) bis mäßig unter (Variante 4b) dem gegenwärtigen Satz von 345 Euro geführt. Da sich aus einer kritischen Betrachtung der grundlegenden Vorentscheidungen, auf denen die RSV aufbaut, einige fragwürdige bzw. nicht konsistente Einzelregelungen ergeben haben, erscheint das seit 2005 gültige Niveau des gesetzlich anerkannten Existenzminimums als tendenziell zu gering, zumal der Eckregelsatz auch für den Leistungsanspruch von Familien mit Kindern maßgeblich ist. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Herausnahme der Sozialhilfebezieher aus der Referenzgruppe gemäß RSV unter theoretischen Gesichtspunkten nicht hinreichend ist, um Zirkelschlüsse - vom Ausgabeverhalten der Hilfebedürftigen auf deren Existenzminimum - zu vermeiden. Denn nur etwa die Hälfte bis drei Fünftel der Bedürftigen nehmen ihre HLu-Ansprüche wahr, die weiteren Anspruchsberechtigten leben in verdeckter Armut. Die Referenzgruppe zur Ermittlung des sozio-kulturellen Existenzminimums müsste also auch um die so genannte Dunkelziffer der Armut (Personen in verdeckter Armut) bereinigt werden, was vermutlich zu einem leicht erhöhten (regelsatzrelevanten) Ausgabenniveau führen und Forderungen nach einer moderaten Anhebung des Eckregelsatzes unterstreichen würde. Abschließend soll der letztlich normative Charakter jeglicher Definition des Existenzmi-nimums nochmals verdeutlicht werden, aus dem die Notwendigkeit einer gesellschaftspoliti-schen Diskussion dessen, was ein menschenwürdiges Dasein und Chancengerechtigkeit - nicht nur im formalen, sondern im materiellen Sinne - ermöglicht, folgt. Dass mit dem so genannten Statistik-Modell der Regelsatzbemessung keineswegs Objektivität bzw. Wertur-teilsfreiheit, eher nur Überprüfbarkeit oder Nachvollziehbarkeit erreicht wird, haben die An-merkungen zu den regelsatzrelevanten Anteilssätzen einzelner Ausgabenpositionen in Kapitel 3.2 gezeigt. Wie stark der Einfluss normativer Vorentscheidungen auf das Niveau des sozio-kulturellen Existenzminimums ist, zeigt sich aber bereits in der Auswahl der Alleinstehenden als Referenzgruppe. Damit wird bei der Analyse des regelsatzrelevanten Ausgabeverhaltens auf eine Gruppe Bezug genommen, die überdurchschnittlich von relativer Einkommensarmut betroffen ist.13 Alternativ könnten auch die Paarhaushalte ohne Kinder mit ihrem vergleichs-weise geringen Armutsrisiko als Referenzgruppe definiert werden. Nach einer ersten Abschätzung ergibt sich für das unterste Quintil von Paaren ohne Kind ein regelsatzrelevanter Konsum in Höhe von gut 700 Euro; bei gegebenen Regelsatzproportionen folgt daraus ein Existenzminimum (ohne Kosten für Unterkunft und Heizung) von gut 390 Euro gegenüber derzeit 345 Euro bei Alleinstehenden und von etwa 1.130 Euro gegenüber 828 Euro bei Paa-ren mit einem Kind. Mit diesem Beispiel ist nicht die Empfehlung einer entsprechend starken Leistungsanhebung verbunden, sondern lediglich ein Hinweis darauf, dass das derzeitige Ver-fahren der Regelsatzbemessung restriktiv angelegt ist und mit aktuellen Daten eher eine Er-höhung als eine Absenkung des Niveaus des Existenzminimums begründet werden kann.
Es gibt Überlegungen, Kreditinstituten den Besitz der Anteilsmehrheit an Kapitalanlagegesellschaften (KAGs) zu untersagen. Dahinter steht die Vorstellung, daß solche Beteiligungen Gestaltungsspielräume eröffnen, die mißbräuchlich genutzt werden. Die Neuemission von Aktien ist einer der Fälle, die in diesem Zusammenhang erörtert werden. Ziel dieser Arbeit ist es zu prüfen, ob die zum Konzernverbund einer konsortialführenden Bank gehörenden KAGs bei Erstemissionen anders behandelt werden als andere KAGs.
Untersucht werden 46 Neuemissionen der Jahre 1994 bis 1997. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, daß die KAGs in ihren Anlageentscheidungen unabhängig sind, und daß keine mißbräuchliche Nutzung eventuell vorhandener Informationsvorsprünge vorliegt.
Im Projekt OPTUM wurde untersucht, welche Umweltentlastungen durch Elektrofahrzeuge in Zukunft erzielt werden könnten. Hierzu wurde ein integrativer Ansatz verfolgt, der neben der fahrzeugseitigen Betrachtung auch die Interaktionen mit dem Strommarkt berücksichtigt. Im Einzelnen fanden Analysen zu den folgenden zentralen Aspekten statt: Akzeptanz und Attraktivität von Elektrofahrzeugen, Marktpotenziale für Elektrofahrzeuge, Interaktion von Elektrofahrzeugen mit dem Stromsektor, CO2-Minderungspotenziale von Elektromobilität, Ökonomische Betrachtung der Speichermedien und Ressourceneffizienz des Systems Elektromobilität. In diesem Studientext werden die Forschungsergebnisse zur Frage nach der Attraktivität und Akzeptanz von Elektroautos vorgestellt. Dabei wird auf Ergebnisse aus zwei empirischen Untersuchungen eingegangen, die in OPTUM zur Ermittlung der Attraktivität und Akzeptanz von Elektrofahrzeugen durchgeführt wurden. Bei diesen Untersuchungen handelt es sich zum einen um eine qualitative Untersuchung mittels Fokusgruppen und zum anderen um eine standardisierte Erhebung, bei der NeuwagenkäuferInnen befragt wurden. Mit der standardisierten Befragung wurde eine Conjoint-Analyse zur Fahrzeugwahl gekoppelt, bei der sich die Befragten zwischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, Plug-in-Hybrid-Antrieb und voll-elektrischem Antrieb entscheiden mussten. Die empirischen Analysen verdeutlichen, dass es ein erhebliches Akzeptanzpotenzial für die beiden Elektrofahrzeugkonzepte – Plug-in-Hybride und vollelektrische Fahrzeuge – gibt. Speziell für voll-elektrische Fahrzeuge existiert je nach Szenario und Fahrzeugklasse ein Akzeptanzpotenzial von 12 bis 25 Prozent. Des Weiteren liefern beide empirischen Erhebungen Hinweise, wie dieses Akzeptanzpotenzial ausgeschöpft oder gar vergrößert werden kann.
Sozialpolitische Auseinandersetzungen kursieren gegenwärtig verschärft um die Gestaltung der Sicherung des sozio-kulturellen Existenzminimums, um eine angebliche "Kostenexplosion" bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende und um Vermutungen über verbreiteten Leistungsmissbrauch. Der Blick ist also stark auf die staatlicherseits auf Basis des Sozialgesetzbuches (SGB) über Transfers "zu bekämpfende" und "bekämpfte" Armut gerichtet. Vor diesem Hintergrund sollen die auf relative Grenzen – 50% des arithmetischen Mittels oder 60% des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen – bezogenen Studien über Armut in Deutschland um eine Armutsanalyse ergänzt werden, die den Einkommensbereich unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums in den Fokus nimmt. In der folgenden Untersuchung geht es nicht nur um die Größe der edürftigenBevölkerungsgruppe insgesamt, sondern darüber hinaus um die Bedeutung von Ursachen der Hilfebedürftigkeit – Arbeitslosigkeit, Teilzeiterwerbstätigkeit, niedriges Erwerbseinkommen, Alter –, um geschlechtsspezifische Unterschiede und um die Betroffenheit von Kindern. Hier fehlt es bisher an zeitnahen empirischen Informationen. Daten über die Zahl und Struktur der Empfänger von Grundsicherungsleistungen – also von Arbeitslosengeld II (Alg II) bzw. Sozialgeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum Lebensunterhalt (HLu) der Sozialhilfe – vermitteln nur die "halbe Wahrheit". ...
In modernen Marktgesellschaften bedürfen die Menschen zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage regelmäßiger Einkommen. Diese erzielen sie in der Regel durch Erwerbstätigkeiten verschiedenster Art, in ihrer Mehrzahl durch Lohnarbeit. Ihr Lebensstandard hängt von Art und Umfang der Güter und Dienste ab, die sie mit ihrem Einkommen erwerben können.
Die soziale Rolle der Prostitution kann als Ausgangspunkt dienen, um Rückschlüsse auf den Stand der Geschlechterhierarchie in einer Gesellschaft zu ziehen. In vielen historischen Studien wurde Prostitution als Symbol patriarchalischer Unterdrückung interpretiert; die Stigmatisierung, Kontrolle bzw. Verfolgung von Prostituierten standen stellvertretend für die Ausgrenzung und Unterdrückung von Frauen allgemein. Nach Ansicht von Victoria Harris geriet das Individuum dabei aus dem Blick. Insbesondere in feministischen Studien sei die Geschichte der Prostituierten als eine Geschichte von Opfern aufgeschrieben worden. Diese Sichtweise werde der Komplexität der einzelnen Lebensgeschichten aber nicht gerecht. Nicht die Diskurse um Prostitution will Harris daher erfassen, nicht die Idee oder Bedeutung von Prostitution, sondern das Individuum im gesellschaftlichen Kontext: die Lebenserfahrung der Prostituierten. ...
Kosmopolitismus ist kein Konzept, das für jedermann positiv besetzt ist, auch wenn dies die wohlklingende Bezeichnung "Weltbürger" zunächst vermuten lässt. Für George Cogniot, Chefredakteur der kommunistischen Tageszeitung "L’Humanité" repräsentierte der Kosmopolit vielmehr "die letzte Stufe kapitalistischer Unmenschlichkeit"; letztlich handele es sich um eine "weltweite zynische Ausbeutung entwurzelter Sklaven". Wer in den Koordinaten einer proletarischen Internationalen dachte, sah im Kosmopolitismus eher ein Konkurrenzprojekt des gehobenen Bürgertums. Schließlich war die Grundidee des Weltbürgertums eng mit der Aufklärung und dem Reisenden des 18. Jahrhunderts verbunden, mit den Vertretern der Oberschicht, die während einer Grand Tour die benachbarten Kulturen kennenlernten und dort weltgewandtes Auftreten erwarben. Der Großteil der historischen Studien, die sich mit der Geschichte des Kosmopolitismus beschäftigen, konzentriert sich auf diese Epoche. Dass dadurch ein wichtiger Umbruchpunkt in der Entwicklung des Kosmopolitismus ausgeklammert wird, verdeutlicht der vorliegende Sammelband von Ute Lemke, Massimo Lucarelli und Emmanuel Mattiato, in dem der Fokus auf die zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts gelegt wird. ...
Dieses Buch war lange überfällig. Wer sich mit Frauen im 20. Jahrhundert beschäftigt, vermisste einen Überblick über die aktuellen Forschungen zur "Frauengeschichte" der Weimarer Republik. Die Autorin liefert eine frische und gut lesbare Zusammenfassung der bisher geleisteten Forschungen und kann andeuten, welche weiteren Fragen gestellt werden müssen. Wie schon vor ihr Matthew Stibbe, mit seinem ebenfalls sehr gelungenen Überblick interpretiert Boak die Weimarer Republik als "Post-war society". Folgerichtig beginnt sie ihre Darstellung mit einem langen Kapitel über Frauen im Ersten Weltkrieg. Schlüssig argumentiert sie, dass der Krieg das Leben der meisten Frauen erheblich veränderte, aber nur sehr wenige Emanzipationsgewinne zu finden seien. An dieser Stelle weist sie die These Ute Daniels von einer "Emanzipation auf Leihbasis" als unangemessene Formulierung zurück. ...
"Das Private ist politisch", lautete ein Slogan, unter welchem die deutsche Frauenbewegung ab 1968 eine Auseinandersetzung mit der etablierten Geschlechterhierarchie einforderte. Und politisch ist das Private auch nach Dagmar Herzog, die mit dem vorliegenden Band einen gelungenen Überblick über die Geschichte der Sexualität in Europa liefert. Seien es Fragen der Empfängnisverhütung, Homosexualität, Pornographie, Vergewaltigung oder der Geschlechtskrankheiten, stets waren die nationalen Regierungen unweigerlich involviert, weil sie nicht umhin kamen, Regelungen zu fixieren und somit Verhaltensmuster vorzugeben oder diesen mit der juristischen Rahmenordnung zu folgen. Das Buch reicht aber weiter, indem es sich auch die Rekonstruktion sexueller Ethiken zum Ziel setzt: Welche Gedanken und Empfindungen waren mit Sexualität verbunden, was löste Ängste aus, was wurde bekämpft? Inwiefern änderte sich die Einstellung der Gesellschaften im Laufe des Jahrhunderts? Denn letztlich ging es immer wieder aufs Neue um die Deutungshoheit, was richtig und was falsch ist. ...
Die umfangreiche Studie zum Angestelltenwohnungsbau in der Weimarer Republik muss in zweifacher Hinsicht als bemerkenswertes Novum gelten: zum einen ist ein Gesamtüberblick in dieser Perspektive bisher höchstens ansatzweise geleistet, zum anderen handelt es sich um den in der Kunst- und Architekturgeschichte bislang seltenen Fall, dass ein Spezifikum der Weimarer Republik – der kollektive Siedlungsbau – nun in kompetenter Weise von der französischen Forschung beleuchtet wird. Das fachübergreifende Interesse steht außer Frage: Denn es ist eben die soziale Schicht der Angestellten als essentiellem Bestandteil der gesellschaftlichen Modernisierung, die über ein neues Berufsverständnis und neue Mentalitäten entscheidenden Anteil an den Transformationen in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jhs. hat bzw. diese hervorbringt. Entsprechend kann der berühmte, aber soziologisch bislang unzureichend differenzierte Siedlungsbau zu Recht einer spezifischen Angestellten-Wohnkultur zugerechnet werden. ...
Auch nach mehr als 70 Jahren gehört die britische Appeasement-Politik zu den umstrittenen Themen der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Schon im Zweiten Weltkrieg als "Guilty Men" bezichtigt, und dann nach 1945 von Churchill wortgewaltig als Schwächlinge und einfältige Toren an den Pranger gestellt, gelten Neville Chamberlain und seine Mitstreiter seinen Kritikern als Politiker, die die wahren Ziele von Hitlers Außenpolitik nicht erkannten und so seinem Machtzuwachs nicht rechtzeitig Grenzen setzten. Demgegenüber verweisen seine Unterstützer auf die begrenzten Möglichkeiten der britischen Außenpolitik, die einen härteren Kurs der Eindämmung nicht zugelassen hätten. ...
Wenn in Deutschland über Roma diskutiert wird, werden sie meist mit Verschmutzung, Arbeitslosigkeit und Sozialschmarotzertum in Verbindung gebracht. Auffällig dabei: Die Roma selbst kommen fast nie zu Wort. Anders in einem neuen Film, der am Sonntag in Frankfurt Premiere feiert – er gibt Frankfurter Roma eine vernehmbare Stimme.
Kriege in der Ukraine, Israel/Palästina, im Irak und in Syrien – die Lage um Europa herum ist so dramatisch und tödlich wie lange nicht mehr. Das führt nun auch in Deutschland zu ersten überfälligen Ansätzen einer Diskussion um die eigene außenpolitische Rolle. Was heißt Verantwortung übernehmen heute? Ein Plädoyer.
Der Beitrag des Medizinhistorikers U. Benzenhöfer analysiert den "Paracelsus"-Film des Regisseurs Georg W. Pabst aus dem Jahr 1943. Laut Drehbuch (Kurt Heuser) sollte Paracelsus als "deutscher Arzt" charakterisiert werden. Der Regisseur versuchte jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach, Elemente regimekritischer Gesinnung im Film unterzubringen.
In der momentanen politischen und medialen Auseinandersetzung um die Flüchtlingsaufnahme in Deutschland scheinen folgende Punkte selbstevident: Die gegenwärtige Flüchtlingsbewegung in die Bundesrepublik sei in ihrer Größe eine seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einzigartige Belastung für die Sozialsysteme. Auch seien für die meisten Skeptiker die ankommenden Flüchtlinge in ihrer kulturellen Eigenart von der deutschen Gesellschaft so verschieden, dass eine Integration quasi aussichtslos erscheine. Schließlich erwachse daraus eine fundamentale Gefahr für die soziale und politische Ordnung in Deutschland. Wobei (paradoxerweise) mit der Berufung auf dieses vermeintliche Bedrohungsszenario dann wiederholt der Ruf nach einer tatsächlichen rechtlichen und politischen Revision der bundesdeutschen Ordnung begründet wird.
Dies ist der 24. Artikel in unserer Blogreihe Trouble on the Far-Right.
Dass deutsche Neonazis ins europäische Ausland fahren um dort an „Gedenkmärschen“ teilzunehmen, stellt grundsätzlich keinen Widerspruch dar.1 Die extreme Rechte oder der Neonazismus war und ist kein rein nationales Phänomen. Schon im 20. Jahrhundert existierten diverse Bündnisse unter den faschistischen Bewegungen in Europa und auch heute haben sich in verschiedenen europäischen Ländern extrem rechte Bewegungen und Organisationen etabliert, die sich grenzüberschreitend vernetzen, kooperieren und eine (gemeinsame) Straßenpolitik betreiben.
In der Begründung einer länderübergreifenden Zusammenarbeit rekurriert die extreme Rechte auf verschiedene Europakonzeptionen und -vorstellungen. Innerhalb des deutschen Neonazismus existiert eine starke Bezugnahme auf eine Europa-Idee, die auf völkisch-rassistische Ordnungsvorstellungen des Nationalsozialismus zurückgreift. Einen wichtigen Anknüpfungspunkt stellt die Heroisierung der SS bzw. der Divisionen dar, in denen „Waffenbrüder“ aus verschiedenen europäischen Ländern gekämpft haben. Die Orientierung an einem vermeintlichen Kampf für eine „weiße Rasse“ und ein „freies Europa der Völker“ dient der extremen Rechten auch heute als gemeinsame Basis für transnationale Kooperationen. Neben dieser allgemeinen europäischen Ausrichtung der extremen Rechten, existieren weitere konkrete Beweggründe und Faktoren, die dazu führen, dass deutsche Neonazis im europäischen Ausland an Demonstrationen teilnehmen. Ausschlaggebend können persönliche oder organisatorische Kontakte und Freundschaften zwischen extrem rechten Gruppen und Einzelpersonen sein. Dies ist besonders in Grenzgebieten der Fall, und daher finden oft durch die räumliche Nähe transnationale Kooperationen statt. Darüber hinaus kann auch die Hoffnung, sich an Ausschreitungen und Übergriffen beteiligen zu können, ein Grund für deutsche Neonazis sein, sich auf Reisen zu begeben....